Indien 2008 letzter Teil

Indien ist 24 Stunden am Tag einfach ein Film, in dem man als Darsteller permanent mitspielt. Selbst im Internetcafe beim Schreiben dieser Zeilen, erlebe ich immer wieder am Rande lustige Erlebnisse oder auch Situationen, die komplett vom Weiterschreiben abhalten. So auch wieder in Jaisalmer: Mein indischer Internet-Nutzer-Nachbar diskutierte bereits in ohrenbetäubender Lautstärke mit dem Besitzer des Internetcafes eine Viertelstunde herum, ehe beide plötzlich mich ansprachen ‚you help us, you five minutes?!‘. Hm, was blieb mir anderes übrig, als ‚yes‘ zu sagen? Denn ansonsten hätten die beiden eh nur weiter palavert und meine Konzentration auf das Verfassen dieser Mail war sowieso bereits flöten gegangen. In besagter Viertelstunde hatten die beiden versucht, einen Geschäftbrief zu verfassen, der in Grundzügen bereits auf Papier gebracht wurde. Aber das Abtippen bereitete größte Schwierigkeiten – was mir wohl genauso gehen würde, wenn ich auf einer Hindi-Tastatur einen Brief in Hindi-Buchstaben abtippen sollte. Also fang ich an, den Brief abzutippen, bzw. der Absender diktierte mir in seinem India English die Zeilen und kam ständig zum Ergebnis, dass man den Satz doch noch mal anders formulieren sollte. Irgendwann war mir der Inhalt bekannt, es ging um Aktien, die er seit Januar 2008 nicht bekam, trotz Bankabbuchung! So schrieb ich am Ende den Brief alleine, las ihn nochmals vor und schickte das Ding dann nach Kalkutta ab…und hatte endlich wieder Ruhe!

Aber auch im Nachbar-Internetcafe war alles ‚hammergeil‘! Der Cafe-Besitzer lernte dieses Lieblingswort wohl von irgendwelchen deutschsprachigen Touristen und warf dieses bon mot seither permanent ein, nachdem er merkte, dass wir Deutsche sind. Dann wurde noch in ohrenbetäubender Lautstärke Musik von „Wir sind Helden“ aufgelegt und auch in dieser Situation war das Schreiben dann nicht mehr möglich. In Delhi schließlich ist es mittlerweile ein großer bürokratischer Akt, überhaupt einmal erst in die Zeilen hauen zu dürfen: Um Terroristen vom Surfen abzuhalten, muss jeder Internet-Nutzer im Internet-Cafe zunächst seinen Pass abgeben. Dieser wird dann kopiert. Danach müssen zur „Sicherheit“ auch nochmals alle Passdaten in ein riesiges, großes Buch vom Nutzer eingetragen werden. Danach darf ich dann endlich ins Word Wide Web eintreten – wenn nicht gerade mal wieder die Verbindung gekappt war.

Um in Jaisalmer mobil zu sein, mieteten wir uns für ein paar Tage echte Indian „Hero Cycles“. Heldenhaft an diesen megaschweren Drahteseln ist eigentlich nur, sich mit diesen irgendwie fortbewegen zu können. Vor allem weil man nur einen Gang hat und der Sattel gerade für mich natürlich viel zu tief liegt. Aber trotzdem sitzt man auf den Dingern eigentlich ganz wunderbar, wenn man nicht zu viel Zeit auf ihnen verbringt – ansonsten schaut der Hintern irgendwann so aus, wie die rosaroten Popos der Affen von Shimla! Um das Fort von Jaisalmer herum erinnert die Stadt bereits an den Orient mit ihren engen, zum Teil gepflasterten Gassen, den Havelis (prunkvolle Paläste reicher Kaufleute auf dieser ehemaligen Händlerroute) und den Gewürzgerüchen aus Tausendundeiner Nacht. Indisch wird die Atmosphäre durch thronende wiederkäuende Ziegen, Lasten tragende Kamele, omnipräsente Sphinx-verkörpernde Kühe, Türvorleger-gebende Hunde, knatternde Mopeds, hupende dreirädrige Autorikschas und brabbelnde Basaris. Durch dieses Nadelöhr zu strampeln war manches Mal recht anstrengend und erinnerte mehr an Autoscooter fahren oder Playstation spielen aber auf freien Strecken oder weiter entfernten Plätzen kühlte uns der Fahrtwind in der ansonsten gnadenlos brennenden Sonne der Wüste Thar.

Waren wir nicht am Radeln oder am Essen genießen, hatten wir wieder besondere Erlebnisse in meinem Ashram, dieses mal in der Bahnhofshalle von Jaisalmer. Ihr kennt ja schon das Procedere zum Ticketkauf, richtig, Formular ausfüllen, anstellen, beten, bangen und hoffen, zahlen, Ticket kontrollieren etc. Ein Formular hatte ich noch in der Hosentasche vom Anstehen in Shimla – allerdings waren dort die Formulare weiß – in der Einöde der Wüste Thar waren diese hingegen rosa! Ich erkämpfte noch ein Formular, da wir wieder zwei Züge buchen wollten. Das Ausfüllen war schnell erledigt und hinein ging es ins Indian-Style-Anstellen. Die rein theoretisch existierende Schlange wurde immer durch links und rechts anpirschende Inder angereichert, die den Anstehenden weitere Formulare zusteckten. Wir standen bereits rund 30 Minuten an und fragten uns, warum es drei Schalter sowie fünf Beamte gab, jedoch nur einen real existierenden Ticketverkäufer, als plötzlich eine zweite Frau auftauchte, denn Valentina repräsentierte bis dato alleine das weibliche Geschlecht. Nun gibt es in Indien oft eine Schlange für Frauen, wie es auch Wartesäle für Frauen und zum Teil spezielle Sitzplätze für Frauen in den Bussen gibt. Aber hier war der Frauen-Schalter geschlossen. Also überholte die ferngesteuerte Frau uns links und kämpfte sich in die Nähe des Schalters. Ferngesteuert deshalb, da natürlich der Ehemann hinterher schlich und die Frau nur mitnahm, um möglichst zügig an die Zugfahrkarten zu gelangen, schließlich verbringen indische Frauen außerhalb der Großstädte die meiste Zeit im Haus und nicht in der Gasse.

Die vor dem Guckloch des Schalterbeamten Schlange stehenden Herren waren recht ‘emanzipiert’ und sorgten für Gleichberechtigung – sprich sie ließen die Dame nicht vor. Diese gab aber nicht auf, wurde aber von einer zweiten Dame dreisterweise in technisch einwandfreier Weise (Tackling) ausgekontert. Den Lohn holte sie sich in Form einer Fahrkarte ab, während wir langsam dachten, es wäre an der Zeit, sich Land und Leuten anzupassen. Diese ‘bösen’ Gedanken des dreisten Überholens wurden dann sofort von einer Taube bestraft, die über Schalter 2 saß, an dem Valentina gerade Aufwärmübungen zum Vordrängeln machte. Mit einem Schiss aufs T-Shirt war die kleine Sünde getilgt, mit einem Taschentuch der Kot beseitigt und nun lief Valentina zur Höchstform im Vordrängeln auf, um wenig später mit zwei Tickets und den gewünscht Plätzen von Dannen zu ziehen!

Nach ein paar sehr erholsamen Tagen fuhren wir dann etwas gesundheitlich angeschlagen wieder gen Osten durch Rajasthan in Richtung Delhi zurück. Wahrscheinlich war der Temperaturunterschied von dreißig bis vierzig Grad (im Schatten) doch für unseren Organismus etwas zu viel des Guten. So waren wir wirklich froh, dieses Mal den Luxus von 8er-Abteilen mit Air Condition zu nutzen. Die Klimaanlage hält nicht nur die Hitze fern, sondern wegen des ca. dreifachen Preises auch blökende Inder der unteren Schichten sowie schwarzfahrende Pendler. Wieder wählten wir zwei Oberbetten aus, doch dieses Mal war dies vielleicht nicht die beste Wahl, da der Raum zwischen Oberbett und Decke erschreckend gering ausfiel. Ich nehme mal an, dass die Klimaanlage mit ihren Rohren ja auch irgendwie in der Decke verankert werden muss. So war es insbesondere für mich ein großer akrobatischer Akt, überhaupt mit dem Rucksack irgendwie in diese Sphären zu gelangen und mich einigermaßen bequem niederzulassen. Natürlich stieß ich bei 1,93 Körpergröße überall vor allem mit dem Kopf an, der mittlerweile mit Beulen überzogen ist. Aber auch die Füße ragen deutlich über den Bettrand raus und dummerweise lag ich diese Nacht auch noch an der Abteiltür, so dass auch die Füße ihre Prellungen abbekamen. Insgesamt aber verlief die Fahrt über 600 km durch die Wüste Thar recht ruhig und so kamen wir mit lediglich 30 Minuten Verspätung in Jaipur an, wo wir eine Nacht unseren von der Hitze ermatteten Körpern Erholung gönnten.

Gleichzeitig hatten wir eine gewisse Busphobie uns in den Bergen Himachals zugezogen und da Indian Railways bisher recht zuverlässig war, entschieden wir uns, statt der fünfstündigen Busfahrt nach Bundi eine vierstündige Zugfahrt plus 45 Minuten Busfahrt zu machen. Diese Entscheidung schloss natürlich das Fahrkartenbestellen bei Indian Railways wieder mit ein. Aber die 2 Millionenmetropole Jaipur überraschte mit einer sauberen Bahnhofshalle, in der es in einem Büro zur Fahrkartenreservierung die berühmten Formulare en masse vor dem Schalter gab. Darüber hinaus existierte ein separater Schalter für ‚Freedom Fighters and Tourists‘ und so verlief die Fahrkartenorder dieses Mal völlig unkompliziert und einfach. Am darauf folgenden Tag erinnerte der Bahnhof Jaipur mich dann nicht so sehr an ein Ashram sondern vielmehr an das berühmte Hase-und-Igel-Märchen: Der Zug, der um 10.55 Uhr fahrplanmäßig abfahren sollte, war auf einer elektronischen Anzeigetafel für 11.07 Uhr avisiert. 12 Minuten Verspätung ist ja für Mainzer Verhältnisse absolutes S-Bahn-Niveau und wir machten es uns am Bahnsteig gemütlich. Dort wurden wir dann dergestalt dauerbeschallt, dass man fast in Trance fiel, da einerseits computergesteuerte Ansagen permanent über Züge in Hindi und Englisch informierten, gleichzeitig aus Flachbildschirmen Bollywood-Videos plärrten und darüber hinaus noch individuelle Ansagen die Kakophonie mal wieder ins Unermessliche trieb. Kurz bevor wir 11.07 Uhr hatten kam dann natürlich die Ansage, der Zug käme um 11.27 Uhr. Als wir ca. 11.25 Uhr hatten, wurde daraus dann 11.32 Uhr und wenig später schließlich 11.40 Uhr. Gut, wir hatten ja nur vier Stunden zu fahren aber auch dieses Mal schaffte es Indian Railways wieder, mich ein klitzekleines bisschen aus der Fassung zu bringen, ehe um 11.42 Uhr der Zug kam und dann auch ca. nur mit einer Stunde Verspätung abdampfte. Dass er auf der Fahrt dann weiter Verspätung sammelte und wir am Ende 90 Minuten zusammen hatten, nahmen wir mehr oder weniger gelassen zur Kenntnis, denn die Fahrt im Chair Car, das akklimatisiert und leer war, verlief recht angenehm und so gar nicht Indian Style!

Per Bus ging es dann durchs relativ grüne und flache Rajasthan an kleinen Kamel- und Ziegenherden, sowie badenden Wasserbüffeln auf einer Alleenstrasse nach Bundi, einer Kleinstadt mitten in der indischen Pampa. Hier zeigte sich, dass Indien nicht nur in Kastengesellschaften sondern auch in Kasten touristischer Entwicklungsstadien zu unterscheiden ist. Während Shimla hauptsächlich durch den einheimischen Touristenboom sauber, relativ aufgeräumt, rausgeputzt und Jaisalmer trotz Wüstensand einigermaßen rein daherkommt ist Bundi einfach ein Dreckloch. Die Gossen stinken nach Fäkalien, die Einheimischen machen einfach in die Strasse, die Gebäude verfallen, die ausschließlich ausländischen Touristen sehen ebenfalls zum Grossteil sehr mitgenommen aus, sei es durch Drogenkonsum oder durch einen etwas zu langen Indienaufenthalt oder durch die immerwährende Hitze. In Bundi steckt der Tourismus noch in seinen Anfängen: richtige Hotels und Restaurants gibt es in dieser 80.000 Einwohner zählenden Stadt nicht. Übernachtet wird bei Familien in den alten, einst sicherlich ehrwürdig aussehenden Havelis (Häuser reicher Einwohner). Das Essen wird von der Familie zubereitet und schmeckt teilweise sehr gut, manchmal ist es allerdings etwas arg versalzen. Andere Annehmlichkeiten den der Backpackerboom in die Orte Asiens bringt, wie Reinigung und Internetcafes sind latent vorhanden. Man muss allerdings erstmal die Person finden, die dann ihren Laden aufschließt. Dabei ist das Kaff gar nicht mal so schläfrig, denn gehupt wird mit einer Intension als gäbe es kein Morgen. Und Touris zu verarschen, darauf ist man auch schon in Bundi gekommen, in dem man den Preis für die Einheimischen (und Leute die Hindi lesen können) in Hindi auf die Wand kritzelt und bei sporadisch auftauchenden Touris, dann ein ‘english speaking Menu’ mit arg gesalzenen Preisen präsentieren kann, also meist so das zwei- bis dreifache des normalen Preises.

Dabei könnte Bundi tatsächlich etwas aus sich machen. Die Altstadt wird von künstlichen Bassins durchzogen, die aber zurzeit eher an eine Riesenkloake erinnern. Die Häusersubstanz wäre wirklich erhaltenswert, aber es renoviert kaum jemand seine vier Wände, so dass man befürchten muss, dass die alten Bauten irgendwann vollkommen einkrachen. Oberhalb der Stadt, deren Gebäude aus der Ferne bei Sonnenuntergang in herrlichem Himmelblau erstrahlen, ist ein riesiger Palast in den über der Stadt thronenden Hügel gesetzt worden. Dieser wurde erst vor kurzem wieder als Kulturgut entdeckt und ist nun auch wieder für Menschen zugänglich, nachdem er vorher im Besitz von Affen und Fledermäusen war. Auf dem Hügel befindet sich ein Fort zu dem es mich natürlich zog, um einen netten Ausblick auf die Umgebung zu erhalten. Auf einer riesigen gepflasterten Auffahrt ging es bergan, zunächst am Kassenhäuschen für den Palast vorbei. Es war natürlich leer und niemand interessierte sich so richtig für mich. Gut, ich wollte eh nicht in den Palast besichtigen und setzte meinen Weg ungestört bergan fort. Im Reiseführer wurde vor den Affen im Fort gewarnt, denn auch dieses war natürlich unbewohnt und dem Verfall überlassen. Aus meiner Shimla-Affen-Erfahrung habe ich natürlich gelernt, und so nahm ich einen dornigen Stock zur eventuellen Selbstverteidigung mit hoch. Beim Aufstieg begegnete ich allerdings gerade mal drei Affen, die sich nicht sonderlich für mich interessierten, da wir jeweils weit entfernt voneinander durch die Gegend marschierten.

Im Fort angekommen, konnte ich es einfach nicht fassen, wie man einen Marmorboden und so herrliche Räume, mit Ornamenten verziert, einfach dem Verfall überlassen kann. Aus einem Pavillon konnte ich Affen auf der Mauer in sicherer Entfernung beim Sonnenunterganggenießen beobachten. Plötzlich lief aber wie aus dem Nicht ein Affe quer durch den Pavillon. Allerdings erschreckten wir beide wohl gleich stark und er trollte sich sofort von Dannen. Traf ich im Fort anfangs noch auf eine Handvoll Einheimischer war ich plötzlich alleine und kam mir halb wie Indiana Jones halb wie eine Memme vor, die sich etwas unbehaglich in der einsetzenden Dämmerung vorkam. Ich trat den Rückzug an und hinter einer Wegbiegung blieb ich entsetzt stehen: Eine ganze Affenherde von vielleicht dreißig bis vierzig Tieren blickte mich neugierig an. Die Tiere mussten sich den ganzen Tag im Unterholz aufgehalten haben und erst bei der einsetzenden Dunkelheit kamen sie für mich zum Vorschein. Mir blieb nichts anderes übrig, als vorsichtshalber meine Brille einzustecken und mit dem Stock ein wenig vor meinen Füssen herumzuwedeln und gleichzeitig sehr langsam voran zu marschieren sowie ein wenig Lärm in Form von Singen von Mainz 05 Liedern zu machen, damit ich die Tiere nicht überraschte, obwohl ich sie wohl mit meiner Sangeskostprobe ziemlich nervte. Aber sie machten keine Anstalten mich anzugreifen und so schaffte ich den ersten Teil der Strecke zurück ins Kaff problemlos. Weiter unten traf ich wieder hinter einer Biegung auf eine andere Herde von Affen mit schwarzem Kopf und Theo-Waigel-Augenbrauen, die mir wesentlich sympathischer erschienen als die rosarotgesichtigen Geschöpfe aus Shimla und vom Hügelgipfel. Allerdings saßen die Schwarzköpfe in den Bäumen und unter ihnen musste ich nun hindurch. Von einem Affen angekackt zu werden wäre noch recht angenehm gewesen, dachte ich mir, aber von einem angesprungen zu werden, stellte ich mir extrem ätzend vor. Aber nichts geschah. Die Schwarzköpfe waren gut drauf und guckten mich mit ihren großen Augen nur neugierig an. Plötzlich knackte und krachte es im Unterholz und ich nahm meinen Dornenstock noch fester in die Hand. Um so erleichterter war ich dann, als nur eine rabenschwarze Kuh kauend den Weg entlang trottete und wenig später war meine Expedition in Tierreich zu Ende.

Und so langsam neigte sich auch unsere Reise durchs Indien im Jahre 2008 zu Ende. Wir konnten in Bundi völlig unspektakulär einen Zug von Kota nach Delhi buchen und dieser hatte dann lediglich 30 Minuten Verspätung und diese Nachtfahrt verlief recht ereignislos, sprich sehr angenehm. Abschließend kann ich von meinem zweiten Indienaufenthalt fast durchweg nur positives berichten, vor allem was die Menschen angeht. Anscheinend war ich vor der Reise auf das Ärgste gefasst, wie die mangelnde Hygiene, wie das an manchen (Touri)orten üblich Dauerangelabere oder die grenzenlose Neugierde und das Fehlen jeglicher Intimsphäre zum Beispiel beim Bahn fahren. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir dieses Mal zu zweit unterwegs waren und dadurch die manches Mal anstrengenden Menschen uns “aufteilen” konnten und somit mehr Energie zur Verfügung hatten. Wer weiß?

Indien 2008 2. Teil

Guten Tag aus Jaisalmer,

auf der Suche nach Wärme und Trockenheit hat es uns in dieser Woche von den Berghängen des Himalajas in die Wüste Thar im äußersten Westen Indiens verschlagen. Diese „180 Grad Drehung“ in den Reiseplänen war wirklich notwendig geworden, da es in unserer angepeilten Wanderregion die stärksten Regenfälle seit 46 Jahren gab – und das auch noch in der eigentlichen Nach-Monsun-Zeit, in einem kurzem Abschnitt von Mitte September bis Mitte Oktober, in der es sich im Himalaja Indiens rein theoretisch gut wandern lässt. Viele Strassen waren nach den heftigen Regengüssen tagelang unpassierbar, es gab in einigen Dörfern, die wir bereisen wollten, heftigen Schneefall, und feststeckende Autofahrer wurden zum Teil per Helikopter aus der Luft mit Matratzen und Essen versorgt. Daher hatten wir mit unserem halben Tag Abgeschnitten sein sehr großes Glück. Auch die Telekommunikation war gestört und so erreichte mich die SMS mit dem Ergebnis der Mainzer gegen die Clubberer aus Nürnberg auch erst mit 12 Stunden Verspätung…

Narkanda, Himachel Pradesh
Narkanda, Himachel Pradesh

In Shimla angekommen, ging es mal wieder in eine Dependance meines Ashrams alias indische Bahnhofshalle. Auf meiner ersten Indienreise vor fünf Jahren flippte ich in Varanasi in besagter Halle aus, als nachts der Zug immense Verspätung hatte und ich nicht mehr wusste, ob und wann er kommt. Bekanntlich kam er irgendwann und drei Monate später brachte mich u.a. auch Indian Railways wieder heil nach Mainz zurück. Nun ja, dieses Mal sollte uns Indian Railways aus dem Dauerregen in die Trockenheit bringen. Dass dies ein großer bürokratischer Akt werden würde, war uns beiden klar. Aber natürlich überrascht Indien und Indian Railways insbesondere den Fremden dennoch immer wieder. Denn auch im Zeitalter von Internet und Online-Reservierungen muss man bei Indian Railways zunächst sich am Getümmel vor dem Schalter durchwuseln und ein Formular verlangen. In diesem muss dann alles sinnvolle zum begehrten Fahrscheinwunsch eingetragen werden, wie Zugnummer, Einsteige- und Aussteigebahnhof, Datum, Klasse und Sonderwünsche wie Oberbett im Liegewagen, aber auch so unnützes Zeug wie Adresse, Name und Unterschrift. Na ja Inder lieben halt Zettelwirtschaft. Danach geht es ans sich Anstellen. Das lief in Shimla recht zivilisiert, sprich nach westlichem Standard, eigentlich normal ab. Aber es gibt ja immer noch den Angestellten der Bahn, der das Ganze wieder very special werden lässt. Denn unsere auserwählten Züge waren tatsächlich buchbar, was an sich schon manches Mal an ein Wunder grenzt. Aber wir hatten ja den Sonderwunsch im 8er Abteil jeweils die beiden oben platzierten Liegen zu nutzen. Leider vergaß unser Schalterbeamter diesen Wunsch und wir bekamen für die beiden Strecken Kalka – Delhi und Delhi – Jaisalmer zwei Plätze untereinander. Jetzt werdet Ihr Euch vielleicht denken, ist doch egal – Hauptsache einen Platz – aber bei Indian Railways ist die Position der Liege für das Maß an Erholung in einem Urlaub von unglaublicher Wichtigkeit. Also machten wir den Beamten darauf aufmerksam, dass wir nicht unsere Wunschplätze erhielten. Nach einem Hin- und Herdiskutiere in Indian English kamen wir zum „Kompromiss“, dass wir die Tickets stornieren sollten und danach die Tickets mit den Wunschplätzen bekommen. Eigentlich ganz o.k:, oder? Na ja eigentlich recht stressig, denn nun mussten wir insgesamt vier Formulare erneut ausfüllen, also ein Stornierungsformular für Kalka – Delhi, eines für Delhi – Jaisalmer und dann wieder zwei neue Formulare für die gleiche Strecke. Und darüber hinaus sollten wir auch noch 160 Rupien Stornierungsgebühr zahlen. Dieser Betrag von 2,40 Euro ist eigentlich lapidar – aber insgesamt hat die Reise über 1.200 km nur knapp 1.000 Rupien gekostet – und von daher brachte uns Indian Railways mal wieder zum Ausflippen – aber egal, wir hatten nach ca. einer Stunde Formularausfüllen kurz vor Schalterschluss unsere Tickets und konnten so den Rest des Sonntags Spazieren gehen.

Shimla, Himachal Pradesh
Shimla, Himachal Pradesh

Ein recht steiler aber netter Spaziergang oberhalb von Shimla wurde meinem Wohlbefinden dabei fast zum Verhängnis. In ganz Shimla gibt es Affen, die die indische Tierquote wieder auf Normalniveau bringen, da sich wohl die meisten Kühe hier den Hintern abgefroren haben und es erstaunlich wenige muhende, wiederkäuende Vierbeiner gibt. Überall in Shimla wird man vor den Affen gewarnt. Man soll sie nicht füttern und einen Bogen um sie herum machen. Am Jakhu Tempel oberhalb der Stadt ist das Verhältnis Mensch zu Affe dann fast ausgeglichen. Natürlich hatte ich die Warnungen im Kopf und die Viecher gingen uns eigentlich auch aus dem Weg. Auf der Suche nach einem netten Motiv Affe plus Tempel kniete ich mich dann auf den Boden und knipste ein paar Bildchen. Unverfroren schlich sich von der Seite plötzlich ein Affe an und nahm in elegantester Weise, technisch hervorragend blitzschnell meine Brille von der Nase – obwohl ich noch eine Baseball-Cap anhatte. Ich trug weder Kratz- noch sonst irgendwelche Spuren davon, aber der Affe machte sich mit der Brille erstmal ein paar Meter davon. Sofort kamen ein paar Inder hergelaufen und meinten jetzt müsse ich mit dem Affen kommunizieren. Häh? Hm, ich sah meine Brille schon irgendwo in den Bergen Indiens von Affen zerkaut und war nur froh eine Ersatzbrille dabei zu haben. Die Inder meinten, ich müsste dem Affen etwas zum Austausch wie bspw. Essen bieten. Nun ja wir hatten natürlich nichts dabei, um diese Geiselnahme friedlich zu beenden. Aber in Incredible India gibt es natürlich für solche Geiselnahmen Unterhändler und diese warfen dem bebrillten Affen eine zur Kugel geformte Plastiktüte zu. Diese war wohl für den Affen attraktiver und er ließ die Brille fallen und mein Brillenretter konnte mein Nasenfahrrad unversehrt retten und war über einen angemessenen Kompensationsbetrag in Rupien sicherlich ‚very happy’ – Incredible India!

Jakhu-Tempel - Shimal, Himachal Pradesh
Jakhu-Tempel – Shimal, Himachal Pradesh

Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen vom Himalaja. Ein letztes Mal wurden wir an das heftige Regenwetter erinnert, denn die Bahnverbindung Shimla – Kalka war seit drei Tagen unterbrochen und um ins 80 km entfernte Kalka zu gelangen hatten wir uns vorerst zum letzten Mal wieder in einen Bus zu quetschen. Auch dieser konnte nicht die direkte Strecke nehmen, da die Strasse verschüttet war. Über Umwege erreichten wir dann Kalka und es ging auf einer Schlafen-Unmöglich-Zugfahrt in die Hauptstadt Delhi zurück. Eine Zugfahrt ist immer nur so angenehm, wie die Passagiere, die diese gestalten. Diese Erkenntnis bewahrheitete sich mal wieder auf der Fahrt nach Delhi, denn die gesamten sieben Stunden blökten Inder durch den Wagon, damit auch ja niemand ein Auge zudrücken konnte. In Delhi angekommen hieß es dann endlich abspecken. Zelt, Isomatte, Daunenschlafsack, Trockenessen, Winterklamotten verblieben in einer Packtasche in einem Guesthouse und wir zogen leicht bepackt nach wenigen Stunden Aufenthalt wieder zum Bahnhof zurück, um den Nachtzug nach Jaisalmer kurz vor der pakistanischen Grenze in der Wüste Thar zu nehmen. Wüste klang für uns in den nassen, feuchten Bergen wie das Paradies – um dieses aber zu erreichen, wurden wir von Indian Railways zuvor aber nochmals richtig auf die Probe gestellt. Zunächst einmal sorgte Indian Railways für große Verwirrung, denn wie bei allen Bahngesellschaften weltweit üblich besitzen Waggons auch hier Nummern, die auf Schildern angebracht sind. Dass diese Nummern aber gar nichts besagen, sondern vielmehr ein stoisch den Bahnsteig herunterschlendernder Bahnbeamter mit Kreide (!) den Wagen S6 in einer Reinkarnation zum Wagen S1 mutieren lässt, war auch für uns mal wieder neu – Incredible India! Aber selbst die Inder waren verwirrt und so löste sich die Hoffnung auf eine pünktliche Abfahrt natürlich auch gleich in Kreidestaub auf.

Dehli - Old Delhi Bahnhof
Dehli – Old Delhi Bahnhof

Die ersten Kilometer verlief die Fahrt recht angenehm. Im 8er-Abteil saßen tatsächlich acht oder sogar weniger Seelen. Zu dieser Zeit wurde auch unsere Fahrkarte vom Schaffner geprüft. Komischweiser wurden von den acht Fahrgästen im Abteil nur von dreien die Tickets kontrolliert. Und nach einem weiteren Halt in einem Vorort von Delhi wurde der Liegewagen von Pendlern gestürmt und der Schaffner löste sich einfach im Nichts auf. So saßen auf einmal auf der untersten Liege fünf Leute und unsere obere Liege auf der unsere Rucksäcke lagen, wurde ebenfalls in Beschlag genommen. Natürlich machte ich mich mit meinem Protest etwas lächerlich – aber es zeigte den Leuten wenigstens, dass wir gegebenenfalls nicht kampflos unsere Liegen aufgeben würden, wenn wir müde sind. Am Ende war dann alles halb so schlimm, denn als wir andeuteten, jetzt mal ruhen zu wollen, wurden die Liegen anstandslos geräumt. Die Mittelliege wurde hingegen noch gar nicht aufgebaut und die unterste Liege war ja in Pendlerbesitz! Ihr erinnert Euch jetzt, warum wir auf die oberste Liege bestanden? Yep – und so war dann die 19 Stunden Fahrt nach Jaisalmer eigentlich recht entspannt – selbst das Zugessen war recht lecker und das für 0.57 Euro! Und dass der Zug am Ende 15 Minuten Verfrühung hatte, wieder in das Bild von Incredible India(n Railways).

Sleeper Class - Indian Railways
Sleeper Class – Indian Railways

In Jaisalmer wurde dann zu unserer Freude das Klischee einer Wüstenstadt bestätigt. Es ist heiß, trocken und die Regentage gehörten somit der Vergangenheit dieser Reise an! Aber wir genießen in diesem Kleinod mitten in der Wüste nicht nur das Wetter, sondern auch die das Leben und die Lage dieses Ortes: Auf einem Hügel befindet sich mitten im Nichts ein riesiges Fort, das bis heute bewohnt ist. Es zählt wohl nur deshalb nicht zum Weltkulturerbe der UNESCO, da Autorikscha, Moped und Kuh durch das Burgtor düsen dürfen und es leider auch bis heute möglich ist, innerhalb der Festungsmauern als Hotelgast zu übernachten, was die Wasserversorgung und die Drainage zusätzlich unnötig belastet. All dies führt dazu, dass dieses Monument zu den 100 am gefährdesten Denkmälern weltweit gehört. Es besteht wirklich die Gefahr, dass diese Burg irgendwann kollabiert und man dann nur noch die Ruinen bewundern oder die omnipräsenten Kamelsafaris buchen kann.

Jaisalmer, Rajasthan
Jaisalmer, Rajasthan

Seit unserer Ankunft in Indien gibt es etwas was wir in diesem Land wirklich sehr bewundern und das ist das Essen. Und da Indien kulinarisch gesehen mindestens die Bandbreite eines Kontinents hat ist ein Restaurant, das sowohl nord- wie südindische Küche auf einer Speisekarte führt und diese Speisen dann auch tatsächlich auftafeln kann, ein wirkliches Paradies! Und in Jaisalmer fanden wir diese Futteroase! Zum Frühstück gibt es zum Beispiel Idli, Klöße aus Linsen-Reisteig, die immer mit einer Kokosnusssoße und Linsensoße gereicht werden. Oder Dossa, hauchdünne Pfannkuchen, gefüllt mit Tomaten, Zwiebeln oder auch Kichererbsenpaste. Oder Poha, eine Art Reisflakes mit Erbsen und Tomaten. Dazu gibt es überall in der Stadt hundertprozentigen frisch gepressten O-Saft, den omnipräsenten Chai (Tee) und Buttermilch oder Yoghurt oder natürlich Lassi. Da es zurzeit so extrem heiß ist, eignet sich Raita am besten als Mittagessen. Dies ist auch ein Yoghurt der entweder mit einer Art Backerbsen versehen oder mit Paprika, Zwiebeln und den unterschiedlichsten Gewürzen gemischt wird. Natürlich gibt es auch das Standard-Indien-Essen wie bspw. Palak Paneer (Spinat mit Käse), das hier zur Gruppe des Punjab-Essen zählt. Dass die indische mit der italienischen Küche Gemeinsamkeiten aufweist zeigt sich dann bei Utapam einer Art Fladen, der mit Tomaten und Zwiebeln belegt, ähnlich einer Pizza schmeckt. Und Upma ist ein Linsengrießgericht, das sehr der Polenta ähnelt. All diese Gerichte waren mit vielen Gewürzen angereichert und es einfach immer wieder verwunderlich wie kompliziert und aufwendig die Inder kochen, um das beste kulinarische Futter für ein paar Cent auf den Teller zu zaubern. Ein Bestandteil der in den meisten Ländern viel zu kurz kommt ist das Brot, das hier auch superlecker ist: Oben im Himalaja gab es das dicke tibetanische Fladenbrot, Chapatis (dünne Fladen), Papad (krosses Gebaeck aus Linsenteig) und Roti aus dem Tandoor-Ofen runden jedes Mahl perfekt ab. Da man ja doch recht viel Zwiebeln, Knoblauch und sonstige geruchsintensive Dinge sich beim Essen in den Rachen wirft, gibt es dann beim Bezahlen gesüßte Aniskörner, die wie eine Art Domestos den Mund- und Rachenraum reinigen.

Mix Vegetable, Alu Dam, Tandoori Roti, Naan, Green Salad
Mix Vegetable, Alu Dam, Tandoori Roti, Naan, Green Salad

Indien 2008

Guten Tag aus Shimla,  

nachdem ja schon einige von Euch beunruhigt waren, da sie keine Mails mehr von mir aus fremden Ländern bekommen, melde ich mich heute mal wieder aus dem sonnigen Shimla, im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh. Wie der Name Himachal vielleicht schon vermuten lässt, ist die Verbindung zum Wort Himalaja nicht allzu weit und exakt in diesem Gebirge halten wir, Valentina und ich, uns gerade auf. Eigentlich ist die Distanz Delhi – Shimla nicht gerade weit aber in den vergangenen Reisetagen schien auch die geringste Distanz eigentlich schon unüberwindbar. Doch dazu später mehr…

Angefangen hatte die Reise schon mit einem Schock: Dem exzellenten indischen Mobilfunknetz sei Dank, dass ich nach der Landung in Delhi bereits eine SMS von meiner Schwester erhielt, die mir mitteilte, dass sich ca. 4 Stunden vor unserer Ankunft fünf Bombenanschläge im Zentrum Delhis ereignet hatten. War bei meiner letzten Landung in Indien vor 5 Jahren der Kulturschock von Burma nach Indien gewaltig, war es nun natürlich der Schock, gerade einem Anschlag vielleicht entgangen zu sein – alles in allem ein etwas bedrückender Empfang in unserem Gastland. Gingen mir beim letzten Mal in Indien die Leute sofort auf den Keks, da sie für alles Bakshish wollten, so kann ich bis heute noch von den Indern schwärmen. So viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit uns gegenüber macht diese Reise wirklich zu einem Vergnügen und die Terroranschläge waren bereits am nächsten Tag von den positiven Eindrücken durch die Menschen hier in den Hintergrund gerückt. Aber natürlich verbrachten wir eine eher unruhige Nacht außerhalb der Innenstadt Delhis in einem Viertel von Exil-Tibetern. Dort kamen wir weit nach Mitternacht an, und es war eigentlich alles dunkel und geschlossen, so dass wir dem einzigen Lichtschein nachgingen, und in einem Wohnhaus landeten. Aber ein freundlicher Tibeter kam gerade die Treppe hinunter und fand für uns sofort ein Hotel in einem dunklen, ruhigen Gassengewirr.

Schnellste Verbindung in der Stadt: die Auto-Rikscha
Schnellste Verbindung in der Stadt: die Auto-Rikscha

Natürlich wollten wir am nächsten Tag so schnell wie möglich die Hauptstadt verlassen. Mit einer Auto-Rikscha, einem thailändischen Tuktuk ähnlich nur wesentlich kleiner, ging es mit zwei riesigen Rucksäcken voll gepackt dem Busbahnhof entgegen. Den Busbahnhof von Delhi stellte ich mir eigentlich chaotisch vor, doch alles hatte seine Ordnung. Getrennt nach Orten gab es Abfahrtpiers und da Valentina Hindi lesen kann, fanden wir bald den richtigen Bus und brausten sogleich aus der Stadt davon und bei uns stellte sich endgültig wieder ein gewisses Sicherheitsgefühl ein, da wir nicht damit rechneten, dass es in Kleinstädten oder im Himalaja solche Art von Anschlägen, von Moslemextremisten verübt, geben wird. Und dass der Bus nach einem Fahrplan abfuhr, nicht voll war, verwunderte mich ein weiteres Mal über das ‚Incredible India‘. Die kleine Pilgerstadt Kurukshetra war unser erstes Ziel und es stellte sich als ein sehr erholsamer Ort heraus. Wahrscheinlich verirren sich recht selten Touristen in diese Stadt, die grob gesagt zwischen Delhi und den Ausläufern des Himalajas liegt. Wir wurden von vielen Leuten neugierig angeguckt aber nicht angegafft, nicht angequatscht und das in Touristenzielen übliche „you need Hotel“ Angelaber blieb auch aus. Es gab ein relativ teures Hotel, das uns nicht so lag, und plötzlich stoppte die Polizei neben uns. Nach einem Hotel gefragt, schlugen sie nach diesem teuren Hotel ein Pilgerhotel neben einem Hindutempel vor, da wir nur eine Nacht bleiben wollten. Diese Hotels sind sehr preiswert und eigentlich für Pilger reserviert, aber die Polizei erteilte uns sozusagen ihren Segen, dieses zu nutzen. Aber Indien wäre ja nicht Indien, wenn jetzt alles klappen würde. Wir warteten im Innenhof etwa eine Stunde auf den Rezeptionist, der aber irgendwie abhanden gekommen war. Auch andere Pilger warteten vergeblich und so gingen wir wieder auf die Strasse um sogleich dann doch angesprochen zu werden. Normalerweise sind Hotelschlepper lästig, da sie vom Hoteleigentümer eine Kommission erhalten, doch hier war die Welt noch in Ordnung. Die beiden fuhren uns mit ihrer Auto-Rikscha zu einem anderen netten Pilgerhotel und wollten keine einzige Rupie für ihren Service! Incredible India!

Für Liebhaber der indischen Küche: Snack-Stände in Shimla
Für Liebhaber der indischen Küche: Snack-Stände in Shimla

Danach ging es zum Futtern in die Stadt. Inder sind Snack-Liebhaber und so nahmen wir zum Aperitif Panipuri ein. Das sind dünne frittierte hohle Bällchen, in die Kichererbsen und Chiliwasser reinkommen. Man erhält einen Teller und dann gibt es Panipuri um Panipuri bis man voll ist. Bei uns war nach einem Dutzend Schluss und hier wurden wir dann doch ein wenig abgezockt. Dies bekam ein Passant mit. Wir lachten eher über den Vorfall, dass wir um ca. 20 Euro-Cent „beschissen“ wurden, doch nun tuckerten wieder unsere Polizisten vorbei, die eigentlich fragen wollten, ob wir gut im Hotel angekommen sind. Der Passant petzte nun bei den Cops und diese nahmen sich den Panipuri-Verkäufer vor und wir erhielten sofort unser Geld zurück, das wir gar nicht wollten. Doch alles Beschwichtigen half nichts… wir bekamen die 20 Cent wieder, basta! Incredible India!

Kühe sind in Indien omipräsent: Kurukshetra, Haryana
Kühe sind in Indien omipräsent: Kurukshetra, Haryana

Es war herrlich in dieser Stadt an den künstlich angelegten Seen zu spazieren. Nur die Hitze machte uns ein wenig zu schaffen, zumal es in der Nacht gefühlte 100 Stromausfälle gab, in der der Ventilator natürlich seinen Geist aufgab und die Luft genauso zu stehen schien, wie die Blätter des Ventilators. Am nächsten Tag ging es dann in die Berge. Zunächst mussten wir die Busstation im Gassengewirr finden. Dazu eignet sich immer ein Rikscha- Fahrer der uns bereitwillig mit all unserem Gepäck zum gewünschten Ziel fuhr. Über Chandigarh ging es dann mit dem Bus von ca. 300 m auf 2.200 m nach Shimla. Dass Indien ein Verkehrs- und vor allem ein Abgasproblem hat, konnten wir am Beginn der Fahrt feststellen, da sich alles den Berg hinauf drängte. Hupende Busse, hupende Auto-Rikschas, hupende LKW, die mit ihrem Schneckentempo alles verstopften. Nach ca. 4 Stunden (!) hatten wir die ca. 100 km bergauf zurückgelegt und kamen in der wunderbaren Sommerfrische Shimla an. Die Stadt gewann durch die Engländer Bedeutung, die das unbedeutende Dorf im 19. Jhdt. zur Sommerhauptstadt von Indien machten, da es hier kühl und angenehm war, während die damalige Hauptstadt Calcutta in der Sommerschwüle, den Engländern naturgemäß überhaupt nicht behagte.

Shimla, Himachal Pradesh
Shimla, Himachal Pradesh

Nach einem Erholungstag in Shimla, das sogar eine Verkehrsberuhigte Innenstadt besitzt, in der es sich vom Chaos des Tieflands wunderbar erholen lässt, ging es am nächsten Tag wieder mit dem Bus weiter in Richtung Himalaja. Dementsprechend wurde die Busfahrt einerseits zu einer Panaromatour auf Serpentinenstrassen, andererseits zu einem Schneckenrennen mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von ca. 15 km/h. Nach einem anstrengenden Fahrtag hatten wir ca. 160 km zurückgelegt, aber auch ca. 1.400 Höhenmeter nach oben und 1.700 nach unten, um im Pilgerdorf Sarahan hoch über einem Flusstal anzukommen. Es war bereits dunkel und das einzige was wir erkennen konnten, waren zwei riesige Holztürme, innen beleuchtet, die zum Tempelkomplex des ansonsten unbeleuchteten Dorfes gehörten. In ohrenbetäubender Lautstärke wurde für ca. eine halbe Stunde das gesamte Tal mit Mantra-Musik beschallt. Ich fühlte mich wirklich in eine andere Welt versetzt und musste mal wieder feststellen: Incredible India!

Sarahan, Himachal Pradesh
Sarahan, Himachal Pradesh

Morgens sahen wir dann den Tempel im Tageslicht, das leider durch die Wolkenteppiche ein wenig diffus wirkte aber irgendwie den Tempel in einer mystischen Atmosphäre tauchte. Ganz profan ging es auf dem daneben liegenden Bolzplatz ab, da dort eine Art Bundesjugendspiele vom gesamten Distrikt stattfanden. Statt Fußball waren hier Mannschaftssportarten angesagt, die ich überhaupt nicht kannte. Die Kids hatten beim Spielen ihren Spaß genauso wie beim Photographieren mit meiner Digitalkamera. Nachmittags konnten wir dann natürlich die Tea Time wunderbar mit einer Aussicht auf die in den Wolken sich befindende Gebirgskette beschließen. Und es fang zu regnen an! Am nächsten Tag wollten wir eigentlich dem indisch-tibetanischen Grenzverlauf folgen. Die gesamte Reise faszinierten uns bereits die Menschen, die teilweise bereits dem tibetanischen Volk angehörten, was sich auch kulinarisch zeigte, da es bereits Momos (eine Art Maultaschen) und Tupka (deftige Suppe) gab. Und nun sollte es eigentlich in der Region Kinnaur und Spiti so richtig tibetanisch, buddhistisch werden.

Sarahan, Himachal Pradesh
Sarahan, Himachal Pradesh

Doch in Indien sollte man lieber keine Pläne machen. Dieses Mal war es allerdings Mutter Natur, die unsere Reise beeinflusste. Es regnete bereits fast 24 Stunden am Stück recht heftig, so dass wir uns entschlossen wieder in Richtung Shimla zurückzukehren. Schließlich war es einfach auch saukalt, feucht und die Klamotten bereits sehr klamm. Dass diese Entscheidung richtig war erfuhren wir erst heute in Shimla, da wir hier erst wieder in die Medien schauen konnten. Die anstrengende Rückfahrt im Dauerregen unterbrachen wir im 2.700 m hoch gelegenen Narkanda, wo man als indischer Jet-Setter im Winter sogar Ski fährt! So gab es hier leckeres Essen, ein snobbiges Hotel, das auch billige Fensterlose Zimmer für klamme Backpacker aus Deutschland hat und eine unfreiwillige verlängerte Pause…denn es regnete einfach die ganze Nacht weiter! Morgens wollten wir eigentlich weiter nach Shimla, doch es hieß nur noch Road Closed. In der Nacht entwurzelte der Regen viele Bäume, Felsbrocken blockierten die Strasse und Erdrutsche taten ihr übriges, dass wir zwischenzeitlich h von der Außenwelt abgeschnitten waren. Also blieb uns nix anderes übrig als das leckere Essen zu genießen und zu warten. Einen Tee, einen Kaffee, ein Frühstück und ein ausgiebiges Mittagessen weiter, hatten wir mal wieder Glück. Ein Jeep hielt an und fragte, wohin wir wollten, da wir zwischen dem Essen immer die autofreie Strasse im Regen entlang spazierten. Für viele Rupien schlug sich dieser Jeep nach rund 8 Stunden Warten nun seinen Weg über die 2 Tage zuvor noch einigermaßen gute Strasse nach Shimla durch. Mit Handsägen räumten die Inder die Bäume aus dem Weg, Felsbrocken waren zum Glück auch schon weg, so dass wir nun wieder in Shimla hocken und den blauen Himmel und den Sonntagnachmittag in dieser Sommerfrische genießen.