„111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“

Mit diesem Buch ist es so ähnlich wie mit einem guten Wein. Je länger man es (wieder) ungelesen liegen lässt, desto besser wird es. Wobei man dieses druckfrische Buch 2013 genauso wie Federweißer natürlich auch nicht verschmähen hätte sollen. Und irgendwann bevor es korkt bzw. vergilbt sollte es man dann doch mal konsumieren – vielleicht gerade jetzt.

Natürlich ist der Buchtitel total austauschbar. Den hat sich das Autorenpaar allerings gar nicht selbst ausgesucht. Es kommt ja schließlich auch nicht auf das Etikett sondern auf den Inhalt an. Und dieser dreht sich zwar regelmäßig bis sehr häufig um den Fußballsportverein aber auch Leute, die unsere goldene Stadt oder unsere goldische Fassenacht lieben, werden die eine oder andere Anekdote, die unser Mainz ausmacht, lesen und lieben.

Wer aber auch nur ein wenig Interesse an unserem Verein hat, für den bietet dieses Werk gerade aktuell ziemlich häufig einen guten Grund zum Schmunzeln und Lächeln. 4 Jahre ist das Buch nun alt und im schnelllebigen Fußballgeschäft ist das natürlich eine Ewigkeit. “Wortpiratin” Mara und “Prophet” Christian, nein nicht der Don, haben damals natürlich im Jahr 2013 auch den Status Quo des Vereins betrachtet und dieser liest sich heute so ganz und gar wie aus einer anderen Zeit:

Grund 29: “Weil der Sven die Haare schön hat”. Diese hat er natürlich vier Jahre später immer noch so schön, wie anno dazumal, aber dass diese nun den Aufsichtsrat von Mainz 05 verschönern, hätte wohl selbst der Prophet nicht geglaubt, dem ein eigener Grund 30 von Mara gewidmet wird. Dass sich dieser auch mal irren kann beweist Grund 42 “Weil Harald Strutz nicht nur aus Gewohnheit wiedergewählt wird” – mehr ist dazu nicht zu sagen, ganz ohne Häme oder sonst etwas an dieser Stelle unpassendem.

Bei so manchen Gründen, sollte man eventuell zumindest an Ergänzungen in Fußnotenform denken, etwa zwei Punkte weiter bei Grund 44 “Weil Christian Heidel der einzig wahre Don ist”, wenn man mal auf die vergangenen Transfers von Rouven Schröder guckt.

Dass Prophet (und Wortpiratin) aber mit vielen Dingen so richtig richtig liegen, zeigt Grund 84: “Weil wir Hintertüren für unsere Leute aufhalten, aber nicht wahllos” – gemeint ist da u.a. ein damals 16-jähriger, der “vom VfB Ginsheim ans andere Rheinufer kam”. Das Grund 84 endet mit dem prophetischen Ausspruch “Behalten wir ihn im Auge, unseren Sandro.” – Check!

Und auch Grund 95 wurde jüngst wieder mehr als tagesaktuell, getreu dem Motto aus Grund 3 “Weil wir keine Tradition haben, davon aber jede Menge”, denn bei Grund 95 handelt es sich quasi um die 05-DNA der 90er, die in der Version 2.0 nochmals durchgespielt wurde “Weil ein wilder Abstiegskampf für uns das Schönste ist”.

Das Schönste ist sicherlich das Kapitel 8, das aus gleich sieben Gründen besteht: “Es gibt nur einen Nikolce Noveski”. Und am 2. September besteht nun endlich die Möglichkeit dem Bub mal richtig danke zu sagen! Auch wenn man dafür die sieben Gründe nicht wirklich braucht, so bieten diese nochmals einen schönen Abriss der Geschichte des großen Schweigers aus Bitola von seinem Wirken im Trikot Nummer 4!

In zahlreichen Gründen finden sich auch als Randnotizen die lieben Nachbarn als Gründelieferant. Grund 103 “Weil Elkin Soto Freistöße zum Genießen verwandelt” könnte man ruhig mal um den 33. Spieltag der abgelaufenen Saison erweitern.

Aber vielleicht sollte man ab dem kommenden Samstag einen 112. Grund angeben “weil an der Ära Schmidt so alles anders war”, angefangen mit seiner Vita, dann dem perfekten Einstieg nach Fassenacht (siehe Grund 103), der direkten UEL-Quali bei der dann Grund 102 “Weil wir sieben Wörter Armenisch können und drei Isländisch” durch unser Kenntnisse in Aserbaidschanisch ergänzt wurde über den perfekten Ausstieg letzte Saison (siehe Grund 103) bis zu dieser Verabschiedung am Samstag für einen Trainer, der ja für die überregionalen Medien als “gefeuert” hingestellt wird – und dann aber doch in der Sommerpause gebührend verabschiedet wird – das gibt es halt nur beim Fußballsportverein perfekt in Grund 111 ausdrückt “Weil jeder Moment mit diesem Verein irgendwie magisch ist”!

Kommerzkritik und Ablöseapplaus – wie passt das zusammen? Ein Erklärungsversuch

Gestern kam in der AZ der neue Aufsichtsratsvorsitzende unseres Fußball- und Sportvereins von 1905 zu Wort. Auf die Frage, wie nahe Höhne bei der Auffassung von Kaluza sei, gegen die Kommerzialisierung im Fußball vorgehen zu müssen, gab es eine ziemlich wirre, nebelhafte Antwort, die darin endete, dass er die Ausführungen von Kaluza zu diesem Thema “intellektuell” nicht verstanden habe.

Davon ab, dass die Fragestellung der AZ (gegen die Kommerzialisierung des Fußballs “vorgehen zu müssen”) in mittlerweile gewohnter Weise die Neutralität dem Neugewählten gegenüber vermissen lässt, hat es meiner Meinung nach natürlich nichts mit fehlendem Intellekt zu tun, es nicht zu verstehen, wie einerseits Rouven Schröder für den Cordoba-Deal abgefeiert wird und andererseits man Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs üben kann. Es hat mehr damit zu tun, ob man Zuhören kann, z.B. der aktiven Fanszene, Fanclubs, Mitgliedern, etc. Da Höhne sicherlich nicht der einzige ist, dem es so geht, wage ich mal den Versuch zu erklären, wie beide Dinge zusammenpassen. Und gleichzeitig hoffe ich, dass er in dem Gremium, dem er vorsteht, dem Fanvertreter zuhört, der ihm die Meinung der Fans dazu sicherlich gerne vorträgt. Und last but not least, dass er solche Spitzen in Zukunft statt in der allzeit dafür bereiten AZ , in den entsprechenden Gesprächen mit Kaluza setzt.

Dabei ist die Sache meiner Meinung nach gar nicht so schwer. Extreme Einstellungen pro und kontra Kommerz kann man praktisch ausblenden. Fußball-Puristen werden bei Mainz 05 sicherlich ohnehin nicht mehr Prozente stellen, als aktuell die Piratenpartei, da dieser Verein seit 1991 bereits ununterbrochen im bezahlten Fußball aktiv ist und sich im Haifischbecken Bundesliga seither erfolgreich durchgebissen hat. Umgekehrt wird sicherlich auch nur eine kleine Minderheit soweit gehen wollen, dem sportlichen Erfolg alles unterzuordnen, um bspw. als Peugeot 05 auf Punktejagd zu gehen, um es langfristig mit den Bayern und Leipzig aufzunehmen. Diese Schwarz-Weiß-Malerei ist also Quatsch. Bleibt die berühmte Grauzone.

Die große Mehrheit der 05er hat nicht nur zum Ende der vergangenen Saison das große gemeinsame Ziel gehabt, drin zu bleiben: Das ging den Ultras so, den Modefans eh ;-), der Haupttribüne und dem 05er vor dem TV-Gerät sicherlich auch. Dass, um heute erstklassig spielen zu können, Geld notwendig ist, bestreitet auch niemand ernsthaft. Gleichzeitig dreht sich diese Geldspirale aber immer weiter nach oben und das auch immer schneller. Diesen Umstand nennt man gemein hin Kommerzialisierung. Und an dieser Spirale stören sich wohl tatsächlich immer mehr Fußballsympatihsanten. Dass immer mehr Geld im Umlauf ist, ist ein Resultat verschiedenster Prozesse und Entscheidungen, wie die immer weiter differenzierten Anstoßzeiten, Spiele am Montag, eine WM mit immer mehr Teilnehmern, Ausstiegsklauseln, Festablösen, Handgelder, Vergabe von Fußballgroßveranstaltungen unter undurchsichtigen Kriterien, Clubs, die nur aus Marketinggründen am Spielbetrieb teilnehmen, Schmiergelder, Korruption, eventuelle Einführung der Nettospielzeit (um Werbeblöcke einzustreuen), die ungleichmäßige Verteilung der Fernsehgelder, die gigantischen Einnahmen aus der Champions League, die Regionalliga-Problematik bei der ein Meister nicht unbedingt aufsteigt, Eventisierung mit Schlagerstars, asiatische Ausbildungsmannschaften etc.

Diese genannten Punkte, und wahrscheinlich habe ich da noch welche vergessen, finden immer mehr Leute einfach nicht gut. Bis zu einem gewissen Punkt machte man das in der Vergangenheit halt so mit. Es ging einem vielleicht schon auf den Keks montags nach Aachen, Gladbach oder Lautern zu fahren, die Verlängerung des Baumi-Vertrags erst gut zu finden um dann festzustellen, dass dieser diverse Klauseln hatte, die ihm ermöglichten plötzlich nach Leverkusen weiterzuziehen, etc. Wenn man nun das Gefühl hat, dass man an den Regeln dieses großen Spiels ohnehin nichts ändern kann steht man vor der Entscheidung: Verweigert man sich und wendet sich ab oder spielt man dieses Spiel namens “Fußball-Business” mit. Wenn letzteres zutrifft, dann geht es halt letztlich darum, dass mein Verein ein möglichst großes Stück von diesem Kuchen erhält. Schließlich handeln die Vereine, denen wir auf Augenhöhe begegnen, genauso. Und dann bejubelt man am Ende einen Rouven Schröder dafür, 15000000 Euro für den Verkauf von Cordoba erzielt zu haben. Dann freut man sich, dass Blümlein einen Rekordumsatz vermelden kann. Das gibt einem als Fan das Gefühl, dass sein Verein immer noch im Haifischbecken Bundesliga mithalten kann.

Dass man die Entwicklung des Fußballs aber kritisch hinterfragen darf, ist keine Kehrseite der Medaille. Und dass da jemand in Zukunft, der genau dafür auch gewählt wurde, um bei den entsprechenden Gremien dies anzumerken, nun an entscheidender Position sitzt, ist so schlecht doch nicht. Dass diese Gremien sich davon beeindrucken lassen, ist allerdings illusorisch, so lange die Repräsentanten der Mehrzahl der anderen Vereine es “intellektuell” nicht gebacken bekommen, ihren Mitgliedern zuzuhören, weil sie dies gar nicht tun müssen. Dass womöglich 50+1 demnächst fallen wird, macht die Situation diesbezüglich auch nicht besser. Aber vielleicht wird die eine oder andere Aktion bei uns im Verein dann in Zukunft anders verlaufen, als bspw. vor ein paar Monaten die Trikotbeflockung beim “Refugees Welcome”-Tag, bei der Mainz 05 brav mitgemacht hat, statt sich da vielleicht mal quer zu stellen. Und die Sehnsucht, der etwas andere Verein wieder zu werden, diese liest man aktuell in fast jeder Stellungnahme, von Kaluza, Röhr, Doetz oder Höhne. Und wenn man dem anderen mal zuhört, dann klappt’s vielleicht auch mit dem “intellektuellen” Verständnis für die Meinung des Gegenüber. Dass Kaluza das Gespräch mit den anderen Kandidaten um den Vorstandsvorsitz sucht, ist auf jeden Fall ein Anfang.