Aufhören wenn’s am schönsten ist

„Merci Martin“ – der berechtigte Dank an unseren Ex-Trainer aus dem Wallis kommt in so ziemlich allen Fan-Kommentaren vor – verbunden mit dem wohl unerfüllbaren Wunsch, sich gebührend von ihm zu verabschieden.

So hart es klingt, und es war vielleicht vielen von uns Samstag vor 8 Tagen noch nicht klar, den Abschied haben wir alle gemeinsam gefeiert, nach dem Sieg gegen die Eintracht. Im gestellten Abschied nehmen war unser Verein meistens sowieso eher verkrampft und es kam vieles gekünstelt rüber. Die Klassenerhaltsfeier war wild und stürmisch – so wie die gesamte Erstligatrainerzeit von Martin Schmidt. Welcher unserer Trainerikonen erlebte zum Ende seiner Amtszeit einen Platzsturm (bzw. sogar zwei ;-)? Wenn Martin Schmidt etwas nicht war, dann gekünstelt. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, aber auch ich finde ihn sehr sympathisch. Festmachen konnte ich das immer an den Pressekonferenzen nach dem Spiel, in denen er immer sehr respektvoll mit allen Beteiligten umging und viele menschliche Züge zeigte, für die in diesem Business aktuell wohl nur Christian Streich steht. Der Marketing-Fuzzi in mir müsste wohl von „authentisch“ sprechen…

Sind wir mal erhlich, der Abschied von Martin Schmidt lag ja schon länger in der Luft und nach dem Freiburg-Spiel hätten die Mechanismen der Branche eigentlich greifen „müssen“. Sie griffen aber nicht. Wieso? Weil wir Rouven Schröder haben! Isso – Punkt! Er hat allerdings auch damals nur bis zum Saisonende gedacht, was absolut richtig war. Was sprach eigentlich nach dem Ende dieser Spielzeit so richtig gegen eine Trennung? Richtig, der Vertrag! Dass Verträge in dieser Branche eigentlich nur dazu dienen, etwaige Ablösesummen in die Höhe zu treiben, wissen wir spätestens nach dem Abgang von Jules im letzten Jahr. Martin Schmidt hat hier 7 Jahre eine tolle Arbeit geleistet. Mein Faible für die Amas kennt Ihr ja bereits seit einiger Zeit, daher beziehe ich die Zeit bei der U23 bewusst mit ein – auch wenn es da am Ende auch nicht mehr so richtig rund lief. Gehen soll man bekanntlich wenn’s am schönsten ist. Und gibt es etwas schöneres als mit einem Sieg gegen die Jungs vom Nebenfluss zu starten, die beiden Fastnachtsspiele in Hannover und Leverkusen gewonnen zu haben, den Bayern im Schlauchboot 4 Punkte abgeluchst zu haben, mal schnell einen Dreier in Aserbaidschan eingepackt zu haben und praktisch mit einem Sieg gegen die launische Diva vom Main sein Engagement als Erstligatrainer zu beenden? Sicher nicht wirklich.

Da sich Martin Schmidt bisher zum Ende des gemeinsamen Wegs nicht geäußert hat, nehme ich mal stark an, dass das postulierte „wir gehen im Guten auseinander“ auch halbwegs von beiden Seiten unterschrieben werden kann. Und da erfüllt sich dann auch wieder der zweite große Wunsch in diesen Tagen: Der etwas andere Verein zu sein. Wie bereits geschrieben, griffen die Mechanismen in der Karwoche nach dem Freiburgspiel nicht. Und sich nach dem Saisonende in aller Ruhe zusammenzusetzen und festzustellen, dass es das Beste sei, zukünftig getrennte Wege zu gehen, ist komplett ungewöhnlich für diese hyperventilierende Branche. Anders als in Köln 2008, als Kloppo mit seiner bizarren Aufstellung sein Ende mehr oder weniger selbst einläutete, auch anders als Tuchel sein Ende einfach selbst forciert hatte, wurde hier in aller Ruhe analysiert und ein Schlussstrich zur richtigen Zeit gezogen. Während die beiden ersten Trainerikonen also ihr Schicksal mehr oder weniger selbst bestimmten und das unter unserem Managergott, wurde hier in aller Ruhe analysiert und gemeinsam ein Weg gefunden, das Gesicht zu wahren. Das ist meiner Meinung nach der zweite gelungene Schachzug von Rouven Schröder, nach dem Verkauf von Yunus in der Winterpause, denn der darf in dieser Woche erstmal versuchen, mit Gomez und Co. die Liga zu halten – womöglich gegen das Team eines möglichen Trainerkandidaten? Wer weiß?

Danke Ihr Mütter, für Eure Töchter und Söhne des FSV!

Ein großes Dankeschön am heutigen Muttertag allen Muttis in Mainz, Rheinhessen und wo auch immer ihr Eure Töchter und Söhne aufgezogen habt, um diese früher oder später zum Fußballsportverein habt nuff gehen lassen!

Kapo Vincent beim Einschwören in Ingolstadt
Kapo Vincent beim Einschwören in Ingolstadt

Denn heute vor sechs Wochen am 2. April so um 17.18 Uhr herum entstand da etwas auf dem Zaun des Gästeblocks in Ingolstadt, was gestern so gegen 17.58 Uhr sein dramatisch gutes Ende gefunden hat. In den letzten 42 Tagen haben so viele Fans des FSV gezeigt, dass es sich lohnt, gemeinsam 100 Prozent Einsatz für UNSER Ziel zu zeigen. Und auch manche Reaktion zu zeigen, die so nicht unbedingt zu erwarten war. Schließlich sollte vor dem Spiel in Ingolstadt einem Teil der Fans keine Karten mehr für Auswärtsspiele gegeben werden. Das war wahrscheinlich ohnehin nur symbolisch gemeint und jeder weiß, dass es Mittel und Wege gibt, Karten für den Gästeblock zu ergattern, ohne dass der Verein darauf Einfluss hat. Statt sich aber in die Schmoll-Ecke (des Gästeblocks) zu verziehen, wurde die Mannschaft in Ingolstadt bedingungslos vom ganzen Block unterstützt. Statt das Team nach diesem Bananen-Siegtor auszupfeifen wurde frenetisch applaudiert und auf Wunsch der Mannschaft auch auf dem Platz durch Vincent das Team auf den nun kommenden Abstiegskampf eingeschworen.

Nach dem Abpfiff in Ingolstadt
Nach dem Abpfiff in Ingolstadt

Vor dem Spiel gegen Leipzig wurde die Mannschaft mit tosendem Applaus am Stadion empfangen. Und auch nach dem Spiel gegen die Dosen gab es keine negative Stimmung nach diesem vom Ergebnis her enttäuschenden Verlauf des Flutlichtspiels.

Nach dem Abpfiff im Stadion am Europakreisel gegen Leipzig
Nach dem Abpfiff im Stadion am Europakreisel gegen Leipzig

Stattdessen wurde dank der Fans des FSV die ganze Stadt wachgeKLOPPt,indem drei Fans kurz mal auf die Insel flogen und das im Jahr 2008 an Kloppo übergebene Banner „100 Prozent Einsatz für UNSER Ziel“ zurück in die goldene Stadt zu holen, welches die Mannschaft dann vor dem Spiel in Freitag dem ausverkauften Gästeblock in Freiburg präsentierte. Das nächste Slapstik-Tor, die nächste Niederlageund der nächste Schlachtruf war geboren: „Weiter kämpfen, weiter kämpfen, hej, hej!“ statt Pfiffen und Buh-Rufen.

Vor dem Spiel beim SC Freiburg im Dreisamstadion
Vor dem Spiel beim SC Freiburg im Dreisamstadion

Auch die Reaktion von Rouven Schröder, Martin Schmidt das Vertrauen am Palmsonntag auszusprechen, statt sich vom Ergebnis in Freiburg auf die Palme bringen zu lassen, hat zumindest in mir das Gefühl nochmals ein Stückchen mehr bestärkt, Fan eines etwas anderen Vereins zu sein. An Karfreitag wurden Trainer und Mannschaft von den Fans des FSV vor dem Abschlusstraining auf das wichtige Heimspiel gegen die Hertha eingeschworen, mit dem Resultat, dass die Fastenzeit im Anschluss an die grandiose 100 % Einsatz für UNSER Ziel Choreo, vom Punkte sammeln betrachtet, bereits an Karsamstag beendet wurde.

Choreo im Stadion am Europakreisel
Choreo im Stadion am Europakreisel

Wie wichtig dieser Heimsieg war, zeigt sich natürlich die Woche drauf. Die direkten Konkurrenten verloren gegen München 0:6 (Augsburg und Wolfsburg) bzw. 0:8 (HSV). Statt die Null zu wählen, stand am Ende eine Zwei von der Torausbeute her betrachtet und ein weiterer Punkt war eingefahren. Somit waren wir wenigstens im Schlauchboot bereits nunmehr 2 Jahren ungeschlagen, aber im Abstiegskampf bringt das natürlich einen auch nicht weiter.

Blick aus dem Gästeblock beim Spiel in München
Blick aus dem Gästeblock beim Spiel in München

Deswegen klingelte ein Teil der Fans des FSV am folgenden Samstag die goldene Stadt mit einem Rad-Chorso auf dem Weg in die Bretzenheimer Felder wach und die wunderbaren 12-er T-Shirts wurden unters rot-weiße Volk gebracht, mit denen dann die gesamte Mannschaft zum Warmmachen gegen Gladbach eingelaufen ist.

Brücke in Mainz
Brücke in Mainz

Mit vielen Bannern wie bspw. „Mainz 05 allez!“ wurde die Stadtauch visuell für den Abstiegskampf geschmückt und doch war das Spiel gegen Gladbach wieder ein Rückschlag bei dem es nach 93 Minuten wieder hieß „Weiter kämpfen, weiter kämpfen, hej, hej!“ und dann ab nach Hamburg um „Null Fünf“ auch visuell im Gästeblock erkennbar zu machen.

Doppelhalter beim Spiel in Hamburg gegen den HSV
Doppelhalter beim Spiel in Hamburg gegen den HSV

Auch hier gab es keine Pfiffe, den Sack beim Spiel gegen den Dino nicht zugemacht zu haben. Das lag natürlich zu weiten Teilen am einzigen gebürtigen Mainzer auf dem Rasen, der aber das Tor der Hamburger hütete. Daher galt es nun gestern gegen die SGE einen nächsten Versuch zu unternehmen, sich ein weiteres Jahr erste Liga zu erkämpfen. Die launische Diva vom Main hatte sich ja bis auf ihr Wolfsburg-Spiel als sehr freundliche Nachbarin erwiesen: Augsburg geschlagen, Gladbach in die Verlängerung geschickt und dazu eine desaströse Auswärtsstatistik was Spiele in Mainz betrifft im Handgepäck dabei. Ein letztes Mal konnten die Fans des FSV in dieser Saison zu Hause zeigen, was 100 % Prozent für die 1. Liga für uns alle bedeutet. Die Jungs vom Nebenfluss ließen sich zunächst davon nicht beeindrucken, bis sie wohl in der 60. Minute der Fußballgott dann doch an das Gebot der Nächstenliebe erinnerte…

Choreo im Stadion am Europakreisel
Choreo im Stadion am Europakreisel

Und definitiv muss man an dieser Stelle nicht nur den Mamas der Fans aus der goldenen Stadt ein Dankeschön aussprechen, sondern auch den zahlreichen Mitmenschen danke sagen, die mit Fußball nichts am Hut haben, und auch die letzten 6 Wochen entweder auf einmal mit #Mainzbleibt1 Shirts durch die Stadt liefen oder unseren Frust und unsere Schlaflosigkeit ertragen haben…und ab sofort unsere Euphorie und Vorfreude auf die kommende Saison ertragen müssen 😉

In diesem Sinne Euch allen eine gute Woche und eine grandios Schifffahrt den Rhein hinab zum Saisonabschluss nach Köln!

Harry & Siggi

Und bist Du auch seit Aschermittwoch am Fasten? Schließlich gehört die Fastenzeit sicherlich für viele Meenzer genauso wie die Fassenacht zum Leben in der goldenen Stadt dazu – ich denke nur an ein Auswärtsspiel montags abends in Gladbach zwischen Aschermittwoch und Ostern als mal der Gästeblock die alkoholfreien (!) Bierreserven komplett leerte und das „normale“ Bier auch noch nach Abpfiff verfügbar war.

Der Sinn der Fastenzeit besteht ja darin, freiwillig auf etwas zu verzichten und ist im Jahr 2017 ziemlich populär, wenn man mal die ersten Wochen des neuen Jahres Revue passieren lässt. Da hat im Januar Sigmar Gabriel so ziemlich alle überrascht, freiwillig auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten. Und was geschah am Freitag, am dritten Tag der Fastenzeit? Da verzichtete der Präsident unseres Fußball- und Sportvereins freiwillig auf eine Kandidatur als ehrenamtlicher Vorsitzender des neu zu wählenden Vorstands – was in unserem Städtchen einer Kanzlerkandidatur gleich kommt.

Nachtreten wird im Fußball ja zurecht mit rot bestraft. Daher ziehe ich lieber ein wenig den Vergleich zwischen Siggi und Harry, verbunden mit einer Hoffnung auf weitere Gemeinsamkeiten. Beide Alphatiere haben zu Zeiten Verantwortung übernommen, in denen es jeweils um das eigene Steckenpferd recht schlecht aussah. Die SPD damals im Dauertief und Mainz 05 dümpelte finanziell arg dünn aufgestellt in seinem ersten Zweitligajahr dem direkten Wiederabstieg entgegen. Aufsteiger in die Bundesliga damals am Ende der Saison: Fortuna Düsseldorf und der FC Homburg – Mitabsteiger Union Solingen, Viktoria Aschaffenburg und wegen Lizenzentzug (wie so oft) Kickers Offenbach. Das war 1988 – da hieß es noch 6500 Mainz 1! Wir befanden uns noch zwei Jahre vor der Wiedervereinigung. Dass in über 28 Jahren nicht alles richtig läuft, liegt halt daran dass hier Menschen am Werk sind. Und zum Geben und Nehmen – auch bei Ehrenamtlern – gibt es Leute im Verein die Zahlungen veranlassen und die Zahlungen empfangen. Da mir die Sachkenntnis fehlt, wieso weshalb warum ein ehrenamtlich Tätiger, womöglich vielleicht wahrscheinlich eine sehr große Summe Geld erhält, möchte ich das nicht weiter bewerten (und wie bereits geschrieben nicht nachtreten).

Auch Gabriel hat in der Vergangenheit in seiner SPD einiges richtig gemacht – aber wir Menschen goutieren bei Harry und Siggi halt vergangene Heldentaten irgendwann nicht mehr und das Blatt wendet sich. Der Presse- und Narrenfreiheit sei Dank wurde über beide viel und sehr kritisch berichtet. Und das hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass diese ihr Standing in der Bevölkerung dann doch mal überdacht haben. Beiden ist hoch anzurechnen, dass sie nicht mit dem Kopf durch die Wand gegangen sind und nur noch ihr Ego, schlimmstenfalls in Kamikaze-Manier, auf jeden Fall zum Schaden des Vereins bzw. der Partei gehätschelt haben – sondern die Notbremse gezogen haben und zwar freiwillig. Auch hier ist kein Nachtreten angesagt, schließlich waren beide anscheinend nicht so beratungsresistent wie sie von außen immer beschrieben wurden.

Und was kommt jetzt? Ich würde mir wünschen, dass es uns da ein bisschen wie der SPD ergeht. Dass hier wieder Aufbruchstimmung und ein Hype entsteht, so wie es gerade bei den Sozis abgeht. Ich hätte nicht gedacht, dass man mal einen Kanzlerkandidaten als „Geile Sau“ bezeichnet – vielleicht werden wir ja bald wieder als eben dieses „Tollhaus der Liga“ bezeichnet, nicht negativ wie es die „11 FREUNDE“ in ihrer aktuellen Ausgabe meinten, sondern weil wegen mir ’ne „Geile Sau“ als Vorstandsvorsitzende(r) kandidiert – und seine Kandidatur auch gerne schon zum Ende der Fastenzeit bekannt gibt, die ja noch sechs Wochen dauert!