Sternstunde des Fanhauses

Wart Ihr schon mal in unserem Fanhaus? Ich habe keine Ahnung, was sich die geistigen Mütter und Väter des Fanhauses vorgestellt hatten, als sie auf die Idee kamen, so etwas in Mainz aufzubauen. Aber vielleicht kommt das, was an dem Freitag, 10 Tage vor Rosenmontag, im Fanhaus ablief, dem recht nahe.

Einfahrt zum Fanhaus Mainz
Einfahrt zum Fanhaus Mainz

Während im Barbereich das Freitagabendspiel zwischen Werder und dem VfB lief, referierte ein Fußballfan aus Syrien über die Fankultur seiner Heimat. Der Raum war voll von Menschen, die ihm gebannt mehr als zwei Stunden lang ohne Pause zuhörten. Das Publikum war vielleicht genau die Mischung, die den Fanhaus-Macher*innen vorgeschwebt hatte, als sie sich auf die Suche begaben, eine (neue) Heimat für Nullfünfer zu finden und diese schließlich am Alten Rohrlager der Stadtwerke in der Weisenauer Straße unweit des Stadtparks fanden. Viele junge Leute aus der Fanszene gaben sich an dem Abend ein Stelldichein, aber auch Zuhörer*innen, die sicherlich nicht 90 Minuten im Stehblock die Fahne schwenken oder eine Auswärtsdauerkarte besitzen, strömten hinein. Genau solch einen Platz gab es in unserer Stadt bisher nicht wirklich. Kneipen existieren natürlich auch in unserem Städtchen zur Genüge. Bei Locations für Vorträge wird das ganze schon etwas überschaubarer. Die Kombination aus Fußballkneipe und Kulturangebot findet sich aktuell wohl wirklich nur im Kick N‘ Rush, der Fankneipe unseres Fanhauses.

Viele von uns sind an dem Abend vielleicht zum ersten Mal einem Menschen aus Syrien begegnet. Er erzählte uns seine Geschichte und warum er den Schritt in die Öffentlichkeit mit seinem Vortrag gewagt hatte: Beim Smalltalk mit Fremden kommt oft das Gespräch zum Stocken, wenn er erzählt, dass er aus Syrien stammt. Das stimmt mich nachdenklich. Vielleicht erreicht er tatsächlich ein unverkrampfteres Miteinander, wenn er uns über den Fußball in seiner Heimat berichtet.

Natürlich existierte Syrien bereits vor dem Bürgerkrieg, der mittlerweile vor fast acht Jahren begann. Aber viele von uns hatten das Land vorher gar nicht auf dem Schirm. Ich hatte das Glück, das Land 1995 besuchen zu dürfen. Mir gefiel es dort so gut, dass ich gleich im Jahr darauf wieder nach Syrien fuhr, um weitere Teile des Landes und der Region zu entdecken. Da meine Freunde und ich wenig Geld hatten, boten uns die syrischen Hoteliers immer wieder einen Platz für unser Zelt auf dem Dach für ein, zwei Mark an. Überall wurden wir zum Tee eingeladen und eine solche Gastfreundschaft ist mir persönlich außerhalb der Region nur im Iran widerfahren. Seit der damaligen Reise von Mainz nach Syrien auf dem Landweg und weiter bis nach Kapstadt sind in den letzten 24 Jahren unzählige weitere Reisen hinzugekommen. Nur aus Mainz bin ich nie weggezogen. Mainz ist meine Heimat und so sehr ich das Reisen schätze, so sehr liebe ich es, zurück in unser Städtchen zu kommen, zur Familie, zu Sandkastenfreunden, Fußballbekanntschaften und um unser weltoffenes Flair zu genießen, das unsere Stadt wirklich besonders macht und das ja auch ein Teilergebnis der Fanbefragung ist, wie sich viele von uns Mainz 05 vorstellen.

Hotelübernachtung auf dem Dach in Aleppo 1995.
Hotelübernachtung auf dem Dach in Aleppo 1995.

Damals 1995 auf der Reise von Mainz nach Kapstadt wohnten wir der Eröffnung des ersten McDonald’s Rumäniens in Bukarest bei. Den letzten McDonald’s auf der Reise durch Afrika überhaupt fanden wir in Kairo. Coca-Cola gab es in Syrien gar nicht. Starbucks war damals vollkommen unbekannt. Jedes besuchte Land war tatsächlich anders und oft stellten die Länder große Hürden auf, damit wir sie überhaupt besuchen konnten. Wir verbrachten fast eine Woche damit, in Kairo ein Visum für Eritrea zu ergattern. In Äthiopien mussten wir unseren Reisepass als Pfand hinterlegen, damit wir ja wieder ausreisten etc. Internet gab es nicht. Blogger natürlich auch nicht. Auch Ultras gab es 1995 in Deutschland erst in wenigen Ecken der Republik.

Heute ist die Welt ein großen W-LANd, es gibt e-Visa, TripAdvisor, AirBnB und der Kaffee bei Starbucks schmeckt in Südamerika genauso wie in Thailand. Wenn ich durch Fußgängerzonen zum Auswärtsspiel  laufe, begegne ich überall denselben Ketten und Labels. In den Gästeblöcken der Republik gibt es fast immer das gleiche Angebot an Speis und Trank. Vieles ist in unserer globalisierten Welt mittlerweile austauschbar und zu einem Einheitsbrei geworden. Gleichzeitig fällt es uns allen sicherlich nicht immer leicht, bei all den schnellen Veränderungen um uns herum, noch hinterher zu kommen. Ich bin der Auffassung, dass wir uns wohl alle nach einem Stück Stabilität sehnen, das uns Halt und eben auch Heimat gibt. Die Fastnacht ist für viele von uns ein großes Stück Heimat. Schon drüben in Wiesbaden bietet sich kaum noch die Möglichkeit zum Schunkeln an. Oder in München in Tracht zu diversen Volksfesten zu marschieren ist ebenfalls so ein Kennzeichen für Heimatverbundenheit. Oder seit nunmehr dreißig Jahren auch das Marktfrühstück im Schatten des Doms.

Zurück zum Freitag ins Fanhaus. Wie müssen sich Geflüchtete hier in Deutschland fühlen, wenn sie aus ihrer Heimat geflohen sind und in diese wohl nie wieder zurückkehren können? In der aktuellen Berichterstattung wird häufig nur darauf eingegangen, dass sich so viele junge Männer aus Syrien hier aufhalten. In dem Vortrag über den Fußball in Syrien berichtete der Fan darüber, dass es zwei Vereine in dem Land gibt, die der Armee bzw. der Polizei unterstellt sind. Dies kennen die älteren unter uns noch aus den Ostblock-Staaten – DDR inklusive. Nur kam es damals nicht zum Krieg mit dem Westen. Den wirklich guten syrischen Kickern wird ein Vertrag in einem der beiden Vereine angeboten und somit sind sie von der Wehrpflicht befreit. Auch das Thema Wehrpflicht kennen nur noch die wenigsten von uns. Ich musste noch schriftlich und glaubhaft versichern, dass ich den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen nicht machen könne: Mein Opa hat mir über seine Erfahrungen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg berichtet. Daher habe ich den Wehrdienst verweigert. „Bestraft“ wurde ich dafür mit einem um drei Monate länger dauernden Zivildienst, den ich allerdings nie als „Strafe“ ansah, denn in einem Heim der Lebenshilfe für die Bewohner*innen da zu sein, war für meine weitere Entwicklung sicherlich nicht verkehrt. Aber diese relative Wahlfreiheit existiert in einem Land wie Syrien natürlich nicht. Viele junge Syrer werden seit 2011 vor die Wahl gestellt, Wehrdienst (mit Bürgerkriegseinsatz) abzuleisten, in den Untergrund zu gehen oder die Flucht anzutreten. Damit wären wir wieder in unserer Heimat angelangt. Denn vor diese Wahl gestellt, bestünde bei allen drei Möglichkeiten die große Gefahr, die Heimat nie wieder zu sehen. Hier können wir allesamt drei Kreuze machen, dass wir im Geburtslotto einen Sechser erzielt haben. Eine solche Entscheidung mussten wir in Deutschland seit 1945 nicht mehr treffen. Wir nehmen es als gegeben hin, dass bei uns Frieden herrscht und sich diese Stabilität nicht gravierend ändern kann – trotz der vielen Veränderungen tagein tagaus. Ich bin 1995 auch nicht davon ausgegangen, dass mein Gastland Syrien 16 Jahre später in Schutt und Asche gelegt werden würde.

Ob die jahrhundertealten Wasserräder von Hama heute noch exisitieren?
Ob die jahrhundertealten Wasserräder von Hama heute noch exisitieren?

Der Vortrag konzentrierte sich hauptsächlich auf den Bereich des Landes, den die syrische Regierung kontrolliert. Mäzene außer der Armee und der Polizei gibt es in Syrien nicht. Auch eine Werkself wie bei Bayer oder bei VW gibt es dort nicht. Die Ultras finanzieren sich in Syrien über Fanartikelverkauf von Shirts und Schals. Daher gelten diese Dinge auch nicht als „Material“. Lediglich das Banner einer Gruppe gilt es ggf. zu verteidigen.

Ultragruppen werden in Syrien von offizieller Seite her mit Argusaugen beobachtet, da diese die „syrischen Werte“ nicht verkörpern. Was diese sein sollen, bleibt unklar, da die offiziellen Seiten nur ihr Ablehnung Kund tun. Dadurch dass die Ultragruppen sich in eine Ecke gedrängt fühlen, haben sich die meisten zusammengeschlossen mit dem Ziel sich vorkicks und nachkicks nicht zu belauern. Vielmehr wird solidarisch gemeinsamen gegessen bevor es ins Stadion geht, wo man sich lediglich verbal „bekämpft“. Auch Charity-Aktionen führen die Ultragruppen durch. Diese Gruppen bestehen mittlerweile nicht mehr nur aus Jungs. Mädels bauen ihre eigenen Gruppen auf oder sind Teil der Gruppe.

Zum Abschluss hat der syrische Vortragende eine riesige Choreo gezeigt, in der das zum Ausdruck gebracht wird, was sich wohl alle wünschen: Eine riesige Taube schwebt über den Block, die die Sehnsucht nach Frieden symbolisiert. Eine Waffenruhe, wie sie in Teilen Syriens existieren mag, bedeutet aber keinen Frieden. Ein Friedensvertrag müsste zum Ziel haben, dass alle im Exil lebenden Syrer*innen zurück in ihre Heimat kehren können, ohne Repressalien zu fürchten. Schließlich lebt wohl sicherlich jeder lieber in der Heimat bei der Familie, bei Sandkastenfreunden und Fußballbekanntschaften als in einem fremden Land, bei dem schon die Gespräche ins Stocken geraten, wenn man erzählt woher man stammt.

Spätlese München Jahrgang 2018/19

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Die Fahrt mit der Bahn nach München verlief wieder einmal recht ereignislos. Vor den Toren der Stadt, quasi einen Steinwurf von der Arena entfernt, befindet sich das schöne Städtchen Dachau. Dieses steht nicht nur für sein Schloss, den dazugehörigen Hofgarten und die hübsche Altstadt, sondern auch für die Gräueltaten im dritten Reich. Zwischen 1933 und 1945 kamen über 200.000 Männer am Bahnhof Dachau an und wurden vor den Augen der Bewohner der Stadt die letzten drei Kilometer in das Konzentrationslager getrieben. Heute kann man als Besucher den „Weg des Erinnerns“ nachgehen. Auf zwölf Tafeln wird die schlimme Geschichte des Lagers erklärt und je näher ich diesem Ort kam, der heute eine KZ-Gedenkstätte ist, desto größer wurde bei mir die Beklemmung.

Einer der Inhaftierten war der heutige Ehrenpräsident des FC Bayern, Kurt Landauer. Er wurde am Morgen nach der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 hierher deportiert und für vier Wochen festgehalten – weil er Jude war. Während Landauer 1939 in die neutrale Schweiz flüchten konnte, wurde der jüdische Gründer von Mainz 05, Eugen Salomon, an der Flucht gehindert und nach Ausschwitz-Birkenau gebracht, wo ihn die Nazis 1942 ermordeten. Sowohl beim FC Bayern als auch bei uns war über dieses Schicksal Jahrzehnte nichts bekannt. Es waren die Fans beider Vereine, die vor ein paar Jahren selbst die Recherche in die Hand genommen hatten und schließlich auf die Schicksale von Salomon und Landauer aufmerksam machten. Sie setzten sich auch für eine entsprechende Würdigung beider Personen ein, die ja stellvertretend für Millionen von Naziopfern stehen. Heute gibt es aufgrund des beharrlichen Einsatzes, z. B. der Supporters Mainz, eine Eugen-Salomon-Straße in den Bretzenheimer Feldern und auch in München existiert nun ein Kurt-Landauer-Weg.

Die Bilder des KZ Dachau haben sich in mir eingeprägt: Die Wachtürme, von denen aus Fluchtversuche mittels Schusswaffengebrauch unterbunden wurden, die verbliebenen Baracken, in denen jeweils bis zu 2000 Menschen dahinvegetierten, der riesige Appellplatz, auf dem alle Gefangene morgens und abends teilweise stundenlang stramm stehen mussten, ehe fertig durchgezählt war und die Schikanierungen vorüber waren , das Krematorium mit seiner als „Brausebad“ beschrifteten Gaskammer und die Öfen, in denen die Leichen verbrannt wurden. Wir können das, was dort zwischen 1933 und 1945 passiert ist, nicht ungeschehen machen. Wir können aber dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert und dass das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät.

In der KZ-Gedenkstätte Dachau.
In der KZ-Gedenkstätte Dachau.


02 (N)immer nuff:

Über Nacht blieb ich in München im Stadtteil Giesing in unmittelbarer Nähe des Städtischen Stadions an der Grünwalder Straße. In vielen Teilen der Stadt dominiert Blau und das Emblem der Löwen. Ich höre immer wieder mal, dass München „blau“ und das Umland „rot“ sei. Dementsprechend ist der FC Bayern wohl auch der einzige Stadtverein in der Bundesliga – Ho$$enheim ist ja ein Dorfverein, bei dem im Ticket keine Fahrkarte des ÖPNV enthalten ist. Dementsprechend ist das Ticket mit 15 € dann nicht mehr ganz so günstig, wie es allgemein kolportiert wird. Dass es zu Fahrscheinkontrollen in der an Spieltagen stets überfüllten U6 kommt, darf angezweifelt werden und der Anteil der Schwarzfahrer dürfte entsprechend hoch liegen. Natürlich ist für diese Ordnungswidrigkeit jede(r) selbst verantwortlich und Schwarzfahren ist vollkommen unsozial. Aber hier kommt der FC Bayern seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch nicht wirklich nach. Schließlich kann so ein Verhalten durch eine Pauschalabgabe an den Münchner Verkehrsverbund abgewendet werden – so wie es fast alle anderen Bundesligisten auch machen. Aber der FC Bayern fühlt sich ja zu einer eigenen Liga hingezogen, in denen solche Aspekte wahrscheinlich gar keine Rolle spielen.

03 Kon-Trolle

Die Kontrolle am Eingang verlief wie in den letzten Jahren: freundlich und kurz, sprich sehr angenehm. Es gab jedoch Zeiten beim FC Bayern, bei denen man als Gast ein bisschen freundlicher begrüßt wurde als an diesem Sonntag Abend der Fall war: Der Fan-Treff „Nord“, der sich direkt unterhalb des Gästebereichs im Bauch der Arena befindet, stand bis letzte Saison allen offen – Heimfans wie Gästefans. Natürlich gab es auch in der vergangenen Spielzeiten Kontrollen und als grölender, volltrunkener Auswärtsfahrer wäre man sicherlich auch vor ein paar Jahren dort nicht hinein gekommen. Dass nun pauschal Gästefans nicht mehr Willkommen sind, ist neu und wiegt schwerer als das Becherverbot im Gästeblock, das wieder aufgehoben wurde.

Willkommensunkultur im Fantreff Nord.
Willkommensunkultur im Fantreff Nord.


04 Kampf um den Mampf

Wie bei uns im Stadion kann seit dieser Saison endlich auch in Fröttmaning mit EC- und Kreditkarte bezahlt werden, so dass die ArenaCard nicht mehr erstanden werden muss. Das Angebot an Speisen und Getränken im Gästebereich, der mal wieder mit Heimfans aus aller Welt aufgefüllt wurde, ist leider sehr austauschbar: Wurst, Brezel, Popcorn sowie diverses Süßzeug für den Hunger und Helles und Weinschorle plus Limos und Wasser für den Durst. Alkoholfreies Bier für Anhänger der Fastenzeit? Gibt es nur fernab des Gästebereichs im Erdgeschoss des Stadions. Obazda etc. gibt es nur im Fantreff, in den man als Nullfünfer nicht mehr hinein darf.

Wurst & Suff, garantiert nicht viel für Vegetarier und Fastenzeitler, die auf Süßkram verzichten wollen
Wurst & Suff, garantiert nicht viel für Vegetarier und Fastenzeitler, die auf Süßkram verzichten wollen

05 Käfighaltung

Rolf beschrieb die Situation im dritten Obergeschoss vorkicks nur allzu treffend: „Ameisenfußball – endlich wieder Ameisenfußball!“ Wahrscheinlich gab es zu viele Beschwerden über diesen „Ameisenfußball“: Schließlich wurde das komplette Spiel inklusive Zeitlupen auf den riesigen Anzeigetafeln unter dem Dach der Arena gezeigt. Es gibt mittlerweile sogar eine Leinwand hinter der Leinwand, so dass man gar nicht mehr auf die Gegenseite blicken muss. Ich gebe es gerne zu, auch ich nutzte den Bildschirm manches Mal, wenn vor mir mal wieder der Doppelhalter hochgereckt wurde. Dementsprechend gilt der Spruch „Fahn‘ nunner, ich seh nix!“ nicht für die Arena in Fröttmaning. Aber ich befinde mich gerne in der Umgebung von Doppelhaltern, Fahnenschwenkern und Capos. Diese wirken so schön aus der Zeit gefallen und passen so rein gar nicht in die Glitzerwelt des FC Bayern, in der Auswärtsfahrer irgendwie nur ein störendes Element in der Vermarktung des Produkts Fußball sind – schade eigentlich.

"Ameisenfußball" in der angeblich ausverkauften Arena in Fröttmaning.
„Ameisenfußball“ in der angeblich ausverkauften Arena in Fröttmaning.

Fazit: Der Jahrgang 2018/2019, der einen Tag nach dem 114. Geburtstag unseres Vereins in der Edition „Null 6“ kredenzt wurde, ist, wie es der Name schon sagt, schlicht und einfach unbefriedigend. Zum Wohl!

Spätlese Berlin Jahrgang 2018/19

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Auch in die Hauptstadt brachte mich mal wieder die Deutsche Bahn. Diese war natürlich…unpünktlich. Allerdings nicht so, wie man es gemeinhin annimmt: Der ICE erreichte den Bahnhof Berlin-Spandau mit 20 Minuten Verfrühung: Eine Baustelle, die im Fahrplan einkalkuliert worden war, gab es nicht. Der Schaffner verkündete diese an sich freudige Nachricht so kurz vor dem Eintreffen, dass ich größte Mühe hatte, meinen Reiseplan umzusetzen. Die meisten von Euch, die auswärts mit der Bahn unterwegs sind, wissen um die Annehmlichkeit eines Zuges: Die Bordtoilette, die es möglichst effizient zu nutzen gilt, um einen Bogen um die mittlerweile relativ teuren Bahnhofsklos zu machen. Sprich man ist versucht, sich möglichst kurz vor dem Erreichen des Zielbahnhofs auf dem stillen Örtchen zu erleichtern, um es dann möglichst bis zum Stadion ohne weitere Zwangsentleerung zu schaffen. Diesen Reiseplan hätte die erwähnte Verfrühung um ein Haar durchkreuzt. Aber ruckzuck die Sachen gepackt und ab aufs WC und raus aus dem Zug *check*

13:19 Uhr statt 13:38 Uhr Ankunft in Berlin-Spandau
13:19 Uhr statt 13:38 Uhr Ankunft in Berlin-Spandau

02 (N)immer nuff:

Am Fastnachtssamstag als Meenzer zum Auswärtsspiel nach Berlin zu fahren, kommt mir fast wie ein Verrat vor, verlässt man doch das geliebte Städtchen und begibt sich stattdessen ins Preußenland. Am Fuße der Theodor-Heuß-Brücke steht ja ein altes Stück der Berliner Mauer und ein Hinweisstein „Berlin 537 km“ mit dem Berliner Bär drauf. Beide Berlin-Souvenirs wurden durch die Fastnachtsfahnen des Karneval Clubs Kastel umringt und so konnte ich mich wenigstens mit einem Schnappschuss vom Hinweisstein mit Fastnachtsschal für den Tag von der goldenen Stadt verabschieden, zu Fuß über den Rhein nach AKK marschieren und die Bahn nach Berlin nehmen. In Spandau angekommen, war es dann auch nur noch ein S-Bahn-Sprung bis zum Olympiastadion.

Tschüss goldene Fassenachtsstadt am Rhein

Tschüss goldene Fassenachtsstadt am Rhein

03 Kon-Trolle

Das Security-Personal am Haupteingang war recht gut aufgelegt und so erfolgte die Kontrolle trotz viel Kostümgedöns recht easy. Mit Verkleidung nach Berlin? Gerne! Verkleidet nach Berlin im ICE? Lieber nicht – denn nicht jeder hat die Meenzer Fassenacht verstanden. Nachdem ich mir die Kommentare von so manchem Multiplikator in den sozialen Netzwerken nach „Mainz bleibt Mainz“ zum Protokoller und zum Obermessdiener durchlese, zog ich es vor, mich erst vor Ort zu verkleiden.

Aber nochmals fürs Protokoll: Fassenacht war und ist die Möglichkeit, den Großen und Mächtigen der Republik die Leviten zu lesen. Sie sollte allerdings kein Mittel sein, um Minderheiten zu verunglimpfen. Im Nahen Osten von Mainz aus gesehen, sprich in AKK, saugt dieses närrische Grundgesetz jede Närrin und jeder Narr bereits mit der Muttermilch auf. Aufgrund der meist vorherrschenden Westwind-Wetterlage in Mainz ist dieses Grundgesetz leider noch nicht bis zu AKK in den Wilden Westen der Republik geweht worden – wo wir zugleich wieder bei den Toiletten angekommen wären:

Kein anderes Stadion der Republik bietet so viele stille Örtchen wie das Olympiastadion. Und bevor es in den Gästeblock ging, den man nur durch eine zweite Kontrolle erreichte, zog ich es vor, mich auf dem Klo umzuziehen. Im Olympiastadion gibt es noch den Job des Toilettenmanns bzw. der Toilettenfrau, die sich darum kümmern, dass wir uns auch an diesem Ort halbwegs wohlfühlen können. An besagtem Mann lief ich nun in dunkler Hose und brauner Regenjacke vorbei in die Herrentoilette…und kam wenig später, getreu dem vom Q-Block ausgerufenen Motto, als kunterbunter Clown wieder heraus. Der Toilettenmann traute seinen Augen nicht, lächelte sehr freundlich und schüttelte ein wenig ungläubig den Kopf. Natürlich flogen als Anerkennung seiner Arbeit ein paar Groschen in seinen bereit stehenden Teller. Schließlich sind die Toiletten in keinem Stadion so gut gepflegt wie hier.

Blick ins Olympiastadion
Blick ins Olympiastadion


04 Kampf um den Mampf

Während auf den letzten beiden Auswärtsfahrten nach Augsburg und Wolfsburg dem Fan die Lust auf Essen und Trinken im Stadion mittels Kartenzahlpflicht und alkoholfreiem Bier so richtig vermiest wurde, zahlst Du bei der Hertha bar und bekommst Bier, Wurst, Süßkram etc. Berlin ist groß, das ist klar, aber ein großes Bier ist in der Hauptstadt eine Maß – das musst Du dann auch erstmal wissen. Schon süß, dementsprechend eine kleines Bier zu bestellen, und einen halben Liter kredenzt zu bekommen. Berlin ist somit ein wenig das Anti-Köln mit seinen mit Kölsch gefüllten Fingerhütchen – aber gut, manche Nasen behaupten ja auch, Kölsch sei gar kein Bier…

Vierfarbfroher Gästeblock in Berlin
Vierfarbfroher Gästeblock in Berlin

05 Käfighaltung

Bei der Hertha gibt es keinen Stehblock – dafür aber einen riesigen Sitzplatz-Gästeblock. Die 700 Fans des FSV waren zu ca. 90 % verkleidet. Nur wird damit vielleicht ein Drittel des Blocks gefüllt. Dieses Manko wurde durch den Q-Block visuell ganz eindeutig ins Gegenteil verdreht, in dem innerhalb von 30 Minuten der Bereich auf einmal vierfarbfroh erstrahlte. Gut, unter ökologischen Gesichtspunkten war das Überziehen der Klappsitze mit gelben, blauen, weißen und roten Plastiktüten sicherlich eine Sünde – aber ich zitiere jetzt mal aus Gutenbergs ersten gedruckten Buch namens Bibel: „Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ (Johannes 8,7). Amen!

Fazit: Die Fastnachts-Edition Jahrgang 2018/2019 war aller Ehren wert und punktete zumindest durch die Möglichkeit der schnellen Verwandlung so etwa wie von Wasser in Wein, schoppetechnisch gesprochen – zum Wohl!