Finanzielle Nachhaltigkeit Union Berlin Saison 2023/2024

Im Profifußball spielt Geld eine immer größere Rolle. Daher geht es in diesem Blogplost um die finanzielle Nachhaltigkeit des Gasts von Mainz 05 am Freitag, Union Berlin.

Einleitung
Vergleich der KPIs von Union Berlin und Mainz 05
Analyse: Finanzielle Nachhaltigkeit von Union Berlin
Fazit: Finanzielle Nachhaltigkeit von Union Berlin

Mainz 05-Fans in der alten Försterei

Einleitung

Im Mai 2019 veröffentlichte die Deutsche Fußball Liga (DFL) erstmals die Finanzkennzahlen der Bundesliga-Vereine. Seither erstelle ich jährlich eine „Finanz-Bundesliga-Tabelle“. Mit Hilfe dieser Kennzahlen lassen sich so genannte Key Performance Indicators, kurz KPIs, ermitteln, die klar herausstellen, welche Vereine finanziell nachhaltig agieren.

Die DFL hat in ihren Lizenzierungskriterien zum Thema Finanzen leider keine dieser KPIs verankert. Würde man die KPIs:

  • Anlagendeckungsgrad (> 60 Prozent)
  • Eigenkapitalquote (> 20 Prozent)
  • Personalaufwandsquote (< 70 Prozent)
  • Verschuldungsgrad (< 200 Prozent)

als Lizenz-Kriterien einführen, wäre es ein großer Schritt in Richtung Financial Fairplay getan, wenn gleichzeitig die jährliche Alimentierung bei der TSG Hoffenheim, bei Bayer 04 Leverkusen und dem VfL Wolfsburg beendet werden würde – genauso wie die österreichische Brause-Alimentierung in Leipzig.

Vergleich der KPIs von Union Berlin und Mainz 05

Anlagendeckungsgrad (Eigenkapital zu Anlagevermögen)

Je höher der Deckungsgrad, desto besser steht es um die Finanzierung des Clubs:

20182019202020212022
Union Berlin-27%-28%-43%-84%-39%
Mainz 0586%79%74%88%127%
Entwicklung des Anlagendeckungsgrads 2018-2022

Eigenkapitalquote (Eigenkapital zu Bilanzsumme)

Je höher die Eigenkapitalquote desto mehr finanzielles Engagement bringt der eigene Club auf, sprich desto mehr finanziert sich der Verein selber und desto geringer ist die Chance, dass der Verein pleite geht.

20182019202020212022
Union Berlin-22%-22%-35%-62%-26%
Mainz 0544%50%45%51%60%
Entwicklung der Eigenkapitalquote 2018-2022

Personalaufwandsquote (Personalaufwand/Umsatz)

Je niedriger die Personalaufwandsquote, desto besser wirtschaftet der Club.

20182019202020212022
Union Berlin41%43%52%58%45%
Mainz 0539%34%46%50%46%
Entwicklung der Personalaufwandsquote 2018-2022

Verschuldungsgrad (Fremdkapital zu Eigenkapital)

Je höher der Verschuldungsgrad ist, desto abhängiger ist das Unternehmen von externen Gläubigern und desto riskanter agiert dieses Unternehmen.

20182019202020212022
Union Berlin-503%-504%-379%-258%-411%
Mainz 0598%84%97%64%41%
Entwicklung des Verschuldungsgrads 2018-2022

Weitere Finanzkennzahlen können bei der DFL eingesehen werden. Mit Hilfe dieser lassen sich Leistungskennzahlen ermitteln, die in die Finanz-Bundesliga-Tabelle 2022/2023 einfließen. Pro Leistungskennzahl ist die jeweilige Platzierung im 18er-Feld der Clubs der Saison 2022/2023 angegeben.

Analyse: Finanzielle Nachhaltigkeit von Union Berlin

Union Berlin würde eines von vier Kriterien erfüllen, wenn die DFL ihr Nachhaltigkeitsbekenntnis ernst nehmen würde und dieses auf die finanzielle Nachhaltigkeit anwenden würde.

Die Personalaufwandsquote von Union liegt mit zuletzt 45 Prozent deutlich unter der geforderten maximalen Quote von 70 Prozent. Die lag im gesamten Vergleichszeitraum von 2018 bis 2022 unter diesem Wert und war insbesondere vor der Pandemie mit 41 % bzw. 43 % auch sehr niedrig. Union weist 2022 die niedrigste Personalaufwandsquote gemeinsam mit Werder Bremen auf. Und da wären wir schon bei dem Problem beider Vereine, denn sie sind bilanziell überschuldet, da sämtliche Werte der Vereine fremdfinanziert sind bzw. waren. 2023 wurde bei Union allerdings erstmals in der Vereinsgeschichte ein positives Eigenkapital erreicht.

Diese Analyse behandelt allerdings noch den Bilanzzeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2022, da dies der letzte Zeitraum ist, für den die DFL die Bilanzen aller Mitglieder veröffentlichte.

Wenn das Eigenkapital negativ ist, sind auch die verschiedenen KPIs, wie bspw. der Anlagendeckungsgrad negativ.

Der Anlagendeckungsgrad in Höhe von -39 Prozent ist zwar schlimm, aber im Vergleich zum Vorjahr (-84 Prozent) wurde er deutlich verbessert. Und dass es noch schlimmer geht, zeigt Werder Bremen mit -66 Prozent oder Schalke 04 mit -131 Prozent.

Die Eigenkapitalquote ist mit -26 Prozent natürlich auch alles andere als finanziell nachhaltig. Aber im Vergleich zum Vorjahr (-62 Prozent) ist sie wesentlich verbessert. Sie ist allerdings auch weiterhin die zweit schlechteste der Liga. Nur Schalke war noch schlechter (-103 Prozent).

Der Verschuldungsgrad in Höhe von -411 Prozent ist im Vergleich zum Vorjahr wieder angestiegen. Auch hier ist man vorletzter in der Liga. Nur Werder war mit -482 Prozent noch schlechter.

Fazit: Finanzielle Nachhaltigkeit von Union Berlin

Union Berlin war lange Jahre extrem überschuldet und hat damit den sportlichen Erfolg erkauft. Dieses riskante Spiel ist aufgegangen und mündete zunächst in der Qualifikation für die Conference Leage, dann für die Europa League und schließlich für die Champions League. Dazu sind die finanziellen Zahlen nicht mehr ganz so desaströs wie in den Jahren zu vor. Ob Union die Champions League Millionen, die die sechs Spiele in der Königsklasse eingebracht haben, langfristig angelegt hat, zeigt sich dann in den nächsten Jahre.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Finanzielle Nachhaltigkeit VfL Wolfsburg Saison 2023/2024

Im Profifußball spielt Geld eine immer größere Rolle. Daher geht es in diesem Blogplost um die finanzielle Nachhaltigkeit des Gasts von Mainz 05 am Samstag, den VfL Wolfsburg.

Einleitung
Vergleich der KPIs vom VfL Wolfsburg und Mainz 05
Analyse: Finanzielle Nachhaltigkeit vom VfL Wolfsburg
Fazit: Finanzielle Nachhaltigkeit vom VfL Wolfsburg

Mainz 05-Fans in Wolfburg

Einleitung

Im Mai 2019 veröffentlichte die Deutsche Fußball Liga (DFL) erstmals die Finanzkennzahlen der Bundesliga-Vereine. Seither erstelle ich jährlich eine „Finanz-Bundesliga-Tabelle“. Mit Hilfe dieser Kennzahlen lassen sich so genannte Key Performance Indicators, kurz KPIs, ermitteln, die klar herausstellen, welche Vereine finanziell nachhaltig agieren.

Die DFL hat in ihren Lizenzierungskriterien zum Thema Finanzen leider keine dieser KPIs verankert. Würde man die KPIs:

  • Anlagendeckungsgrad (> 60 Prozent)
  • Eigenkapitalquote (> 20 Prozent)
  • Personalaufwandsquote (< 70 Prozent)
  • Verschuldungsgrad (< 200 Prozent)

als Lizenz-Kriterien einführen, wäre es ein großer Schritt in Richtung Financial Fairplay getan, wenn gleichzeitig die jährliche Alimentierung bei der TSG Hoffenheim, bei Bayer 04 Leverkusen und dem VfL Wolfsburg beendet werden würde – genauso wie die österreichische Brause-Alimentierung in Leipzig.

Vergleich der KPIs vom VfL Wolfsburg und Mainz 05

Anlagendeckungsgrad (Eigenkapital zu Anlagevermögen)

Je höher der Deckungsgrad, desto besser steht es um die Finanzierung des Clubs:

20182019202020212022
VfL Wolfsburg21%23%25%26%21%
Mainz 0586%79%74%88%127%
Entwicklung des Anlagendeckungsgrads 2018-2022

Eigenkapitalquote (Eigenkapital zu Bilanzsumme)

Je höher die Eigenkapitalquote desto mehr finanzielles Engagement bringt der eigene Club auf, sprich desto mehr finanziert sich der Verein selber und desto geringer ist die Chance, dass der Verein pleite geht.

20182019202020212022
VfL Wolfsburg12%12%14%15%13%
Mainz 0544%50%45%51%60%
Entwicklung der Eigenkapitalquote 2018-2022

Personalaufwandsquote (Personalaufwand/Umsatz)

Je niedriger die Personalaufwandsquote, desto besser wirtschaftet der Club.

20182019202020212022
VfL Wolfsburg58%68%59%62%48%
Mainz 0539%34%46%50%46%
Entwicklung der Personalaufwandsquote 2018-2022

Verschuldungsgrad (Fremdkapital zu Eigenkapital)

Je höher der Verschuldungsgrad ist, desto abhängiger ist das Unternehmen von externen Gläubigern und desto riskanter agiert dieses Unternehmen.

20182019202020212022
VfL Wolfsburg767%714%618%581%660%
Mainz 0598%84%97%64%41%
Entwicklung des Verschuldungsgrads 2018-2022

Weitere Finanzkennzahlen können bei der DFL eingesehen werden. Mit Hilfe dieser lassen sich Leistungskennzahlen ermitteln, die in die Finanz-Bundesliga-Tabelle 2022/2023 einfließen. Pro Leistungskennzahl ist die jeweilige Platzierung im 18er-Feld der Clubs der Saison 2022/2023 angegeben.

Analyse: Finanzielle Nachhaltigkeit vom VfL Wolfsburg

Der VfL Wolfsburg würde eines von vier Kriterien erfüllen, wenn die DFL ihr Nachhaltigkeitsbekenntnis ernst nehmen würde und dieses auf die finanzielle Nachhaltigkeit anwenden würde. Allerdings muss man wissen, dass beim VfL sämtliche Verluste von der Konzernzentrale ausgeglichen werden, sprich es ist eigentlich egal, wie der Verein wirtschaftet. Interessant ist allerdings die Tatsache, dass das Land Niedersachen am VW-Konzern beteiligt ist, und somit indirekt Steuerzahlende für die Verluste aufkommen, die der Verein hinlegt.

Die Personalaufwandsquote des VfL Wolfsburg liegt mit zuletzt 48 Prozent deutlich unter der geforderten maximalen Quote von 70 Prozent. Und diese lag während des gesamten Betrachtungszeitraums zwischen 2018 und 2022 zwar immer darunter, aber schrammt zweimal fast die 70 Prozent, sprich Personalaufwand und Umsatz stehen in Wolfsburg in einem noch relativ gesunden Verhältnis zueinander.

Der Anlagendeckungsgrad in Höhe von 21 Prozent liegt deutlich unter den geforderten 60 Prozent. Das bedeutet, dass die Finanzierung des VfL Wolfsburg etwas wackelig wäre, hätte er nicht den Konzern im Hintergrund.

Die Eigenkapitalquote liegt mit 13 Prozent unter den geforderten 20 Prozent. Sie war in den Jahren zuvor auf einem ähnlichen Niveau. Das lässt darauf schließen, dass es den Verantwortlichen ziemlich egal ist, dass Quote nicht wirklich nachhaltig ist – denn das Eigenkapital bleibt ja auch seit Jahren unverändert (weil die Verluste übernommen werden, oder der Gewinn der auch mal realisiert wurde, eingestrichen wird).

Der Verschuldungsgrad in Höhe von 660 Prozent liegt über dem vertretbaren Level von 200 Prozent. Auch hier liegt der Wert Jahr für Jahr auf einem ähnlich schlechten Level. Es scheint aber niemanden wirklich zu interessieren. Denn das Geld ist ja einfach da – woher es kommt, scheint egal zu sein.

Fazit: Finanzielle Nachhaltigkeit vom VfL Wolfsburg

Der Vorteil von KPIs ist die Tatsache, dass sie absolute Größen vernachlässigen und verschiedene Parameter in Relation setzen. Vergleicht man die Zahlen vom VfL Wolfsburg und vom FC Bayern oder auch „nur“ von Mainz 05, wird in absoluten Zahlen immer eine verzerrte Relation herauskommen. Setzt man aber jeweils verschiedene Zahlen des selben Clubs in Relation und vergleicht sie mit anderen Clubs, wird leicht erkennbar, wer von beiden innerhalb der jeweiligen Möglichkeiten finanziell nachhaltiger agiert. Bei Wolfsburg macht es vielleicht noch am meisten Sinn, den Verein mit den anderen „50+1 Verweigerern“ aus Leverkusen, Leipzig und Hoffenheim zu vergleichen. Hoffenheim lag zum Stichtag 31. Dezember 2022 noch in den Händen von Dietmar Hopp.

Mit einem Anlagendeckungsgrad von 21 Prozent liegt der VfL Wolfsburg in der Tabelle der 50+1-Verweigerer auf dem letzten Platz (Bayer 04 85 Prozent, RB Leipzig 38 Prozent und Hoffenheim 215 Prozent).

Bei der Eigenkapitalquote liegt der VfL Wolfsburg in der Vierer-Gruppe mit 13 Prozent ebenfalls auf dem letzten Platz (Bayer 04 54 Prozent, RB Leipzig 31 Prozent, Hoffenheim 90 Prozent).

Bei der Personalaufwandsquote liegt Wolfsburg mit 48 Prozent auf dem zweiten Platz hinter Leipzig mit 47 Prozent aber vor Bayer 04 mit 52 Prozent und der TSG mit 75 Prozent.

Allerdings ist der Verschuldungsgrad extrem hoch. Hier liegt man mit 660 Prozent abgeschlagen auf dem vierten Platz hinter Leipzig (220 Prozent), Leverkusen (55 Prozent) und der TSG mit 9 Prozent.

Fazit: In Wolfsburg bekommt man das Geld hinterhergeworfen und kann damit noch nicht mal besonders gut umgehen. Das war zwar vor Jahren noch schlimmer, aber dass eigentlich fast jedes Jahr, ob Pandemie oder nicht, ein Fehlbetrag existiert, ist einfach ein Resultat des schlechten Wirtschaftens. Nachhaltig ist das alles nicht und dass Steuerzahlende mit dafür aufkommen ist eigentlich ein ziemlicher Hammer. Aufregen tut sich darüber aber niemand – obwohl man sich doch in Deutschland eigentlich gerne über so vieles aufregt…

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Auseinandergelebt zusammenhalten

Wie immer geht es auch in diesem Text nicht um die aktuelle sportliche Situation der Männer-Profifußballmannschaft von Mainz 05. Bei Scrabble würde der eben genannte Begriff der „Männerprofifußballmannschaft“ 59 Punkte einbringen, im wahren Leben zeigt er, dass der eingetragene Verein vielfältiger ist, als das Team, das gegenwärtig in der 1. Männer-Fußballbundesliga gegen den Ball tritt und weit davon entfernt ist, in der aktuellen Saison 59 Punkte einzufahren (58 Punkte ist der Rekord in der Saison 2010/2011).

Zahlreiche Spruchbänder drehten sich beim Spiel gegen Heidenheim um das Votum des 05-Vorstands bei der DFL-Mitgliederversammlung am 11. Dezember 2023

Gestern im Stadion am Europakreisel war auf einem Plakat die „Den-Fan-zum-Obst-machen“-Stempelkarte zu sehen. Darauf waren verschiedene Felder abgebildet und der Vermerk „Alle 05 Stempelfelder voll = 1 Obstkorb“. In jedem Stempelfeld wurde eine Handlung des aktuellen Vorstands der letzten Jahre beschrieben, die wohl der großen Mehrheit der Fans übel aufstößt. Die Ansetzung des Testspiels gegen Newcastle (deren Eigentümer aus Saudi-Arabien stammen), das „Heimspiel“ in Hoffenheim, das einfach ein deplatzierter Slogan war, das Abtun von Kritik als Ideologie – immer wenn es um die noch weitere Kommerzialisierung des Fußballs geht, das Ja zu Investoren in der DFL, das sogar zweimal gegeben wurde und das Übergehen der Vereinsstrukturen, da so ein Votum bezüglich Investoreneinstieg über eine Mitgliederversammlung eingeholt hätte werden können.

Gründe, warum man mit Mainz 05 sympathisiert, können vielfältig sein. Anzunehmen ist, dass die bereits genannte Männer-Profifußballmannschaft sicherlich bei den meisten von uns einen entscheidenden Teil dazu beiträgt. Ein Teil derjenigen, die es mit Mainz 05 halten, wird einzig und allein wegen der Männer-Profifußballmannschaft den Club toll finden. Dieser Teil ist mal größer mal kleiner und steht und fällt sicherlich mit dem sportlichen Erfolg. Es ist anzunehmen, dass eine stärkere Bindung an Mainz 05 mehr braucht als den sportlichen Erfolg. Wenn diese Bindung existiert, dann engagiert man sich im besten Fall auch mehr für den Verein. Man wird Mitglied, zum Beispiel in einem Fanclub, man stößt zu den Supporters und im besten Fall wird man auch Vereinsmitglied. Innerhalb des Vereins wendet man sich der Fanabteilung zu und hilft in einer der vielen AGs Mainz 05 zu leben – nicht nur am Spieltag für 93 Minuten.

Wenn es einmal sportlich nicht so dolle läuft, dann ist es für Vereine wie Mainz 05 wichtig, dass sie Rückhalt haben – eben durch jene Menschen, die sich natürlich auch am sportlichen Erfolg erfreuen, für die aber Mainz 05 so viel mehr bedeutet und für die Mainz 05 wie eine (zweite) Familie ist.

Vielleicht ergeht es manchen Menschen so wie mir. Ich bin 05er, weil es sich um einen eingetragenen Verein handelt, in dem die Mitglieder das Sagen haben. Natürlich können die Mitglieder nicht bei jeder Entscheidung eingebunden werden. Daher wählen Mitglieder eines Vereins einen Vorstand, der demokratisch legitimiert, das Tagesgeschäft übernimmt. Die Entscheidung, dass zum Beispiel gestern das Fleischkäsebrötchen für 2,50 € nicht mehr angeboten wurde, bedarf sicherlich keiner außerordentlichen Mitgliederversammlung. So ähnlich lief dies auch mit dem Newcastle-Fauxpas und dem Heimspiel-in-Hoffenheim-Debakel. Das sind Aktionen, die passieren, die Emotionen hervorrufen aber die zu „heilen“ sind. Man lernt daraus und das nächste Mal läuft es anders, im besten Fall besser.

Allerdings wird an dem Hoffenheim-Debakel erkennbar, dass sich die handelnden Personen schon ziemlich sicher sind, was gut für 05er*innen ist: Hier zum Beispiel Hauptsache billig und prägnant – zum Spiel samt „dazugehörigen“ Motto-Shirt und dazu ein etwas abgehobener, wenn nicht sogar arroganter Slogan – wenn man bedenkt, dass Mainz 05 nicht gerade berühmt dafür ist, auswärts in übermäßig großer Zahl aufzulaufen.

Mit dieser Abgehobenheit beschäftigt man sich anscheinend auch bei strategischen Entscheidungen, die nicht zum Tagesgeschäft gehören. Wenn man sich die Kommunikation der Supporters bereits im Mai 2023 zu dem Thema durchliest, wird ersichtlich, dass im kleinen Zirkel bei Mainz 05 vorab eine Entscheidung gefällt wird. Man trifft sich zwar pro forma mit Fanvertretenden, um am Ende von Ideologien zu sprechen und die vorab getroffene Entscheidung keinesfalls zu revidieren.

Was bedeutet eigentlich Ideologie? „Der Begriff steht für sogenannte Weltanschauungen, die vorgeben, für alle gesellschaftlichen Probleme die richtige Lösung zu haben. Menschen, die solche weltanschaulichen Ideen oftmals starr und einseitig vertreten, nennt man „Ideologen“. Das sagt die Bundeszentrale für politische Bildung. Und ich denke, dass im Männer-Profifußball dieser Begriff eher Verbände und Institutionen gilt: Denn es geht immer nur ums Geld. Das Geld ist die richtige Lösung. Allerdings würde von den Fans nie jemand auf die Idee kommen, den Verbänden eine Ideologie vorzuhalten.

Den Fans Ideologie vorzuwerfen, wenn man eigentlich selbst ideologisch eingestellt ist, ist komplett fehl am Platz. Damit werden genau jene Fans diskreditiert, mit denen sich Mainz 05 ansonsten schmückt, wenn sich Fans aktiv gegen Diskriminierungen jeder Art und für Minderheiten einsetzen.

Der am Montag von der DFL-Mitgliederversammlung beschlossene Weg, diesen für einen Investor freizumachen, hat im schlimmsten Fall, Einfluss auf die Ein- und Ausgabenseite des Vereins Mainz 05 für die nächsten 20 Jahre. Eine solche Entscheidung, ohne eine außerordentliche Mitgliederversammlung im kleinen Kreis zu fällen, wirkt schon arg abgehoben. Dabei hat Mainz 05 gerade erst im letzten Jahr seine Satzung dahingehend geändert, dass Mitgliederversammlungen im Hybrid-Verfahren durchgeführt werden können. So hätte man zum Beispiel zwei oder drei Tage vor der DFL-Entscheidung eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen können, bei der man auch online hätte votieren können.

Warum dies nicht gemacht wurde, dürfte klar sein, denn schließlich weiß der Vorstand, was gut für 05er*innen in der Adventszeit ist. Sollen sie doch lieber ihren Glühwein in kuscheliger Atmosphäre auf dem Weihnachtsmarkt im Schatten des Doms trinken, als in die Kaltluftschneise zu ziehen, um über gerade mal einen Punkt zu entscheiden. Denn sie wissen genau, dass wohl nur engagierte Mitglieder an dieser Versammlung teilgenommen hätten. Und da der WLAN auf dem Weihnachtsmarkt ja grottig ist, hätte wohl keiner von dort online mitgestimmt. Gut möglich, dass am Ende die stimmberechtigten Mitglieder sich für ein Nein entschieden hätten. Und wenn es vom Timing her nicht gepasst hätte, fragt man sich, warum so eine gravierende Entscheidung übers Knie gebrochen werden muss?

Ein Nein von Mainz 05 hätte am Montag den Weg versperrt für einen Investoren-Deal – fürs Erste. Denn dann hätten nur 23 von 36 DFL-Mitgliedern dafür gestimmt und die notwendige Zweidrittelmehrheit wäre verpasst worden. Ein Nein von Mainz 05 hätte eine dritte Möglichkeit ergeben, für einen Investor zu werben, nachdem der erste Versuch im Mai gescheitert war. Man hätte die berechtigte Kritik an dieser zweiten Variante in Ruhe durchgehen können und vielleicht eine tragbarere dritte Variante entworfen oder diese Pläne verworfen, eben weil fast ein Drittel der Clubs dagegen gestimmt hat, darunter Multi-Ownership-Konstrukte wie der FCK. Mainz 05 erklärte derweil „Durch das Votum demonstrieren auch wir unseren gemeinsamen Willen, dieses Geschäftsmodell zu entwickeln und zukunftsfähig aufzustellen“.  Bei zwölf Gegenstimmen/Enthaltungen ist das eine sehr gewagte Prognose mit dem gemeinsamen Willen. Der einzige Wille, der die Clubs eint, ist der Egoismus noch mehr Geld in die immer klammen eigenen Kassen zu spülen. Wird die DFL Mainz 05 im Falle einer Niederlage vor dem Arbeitsgericht in der Causa El Ghazi monetär unterstützen? Sicherlich nicht. Pech gehabt FSV. Warum man als Mainz 05 den Großen der Liga mit dem Ja noch mehr Geld in die Kasse spült, ist mir schleierhaft. Und das Geschäftsmodell mancher Clubs, komplett überschuldet durch die beiden Ligen zu dümpeln, wird mit mehr Geld auch nicht besser. Denn wer mit dem aktuellen Budget nicht haushalten kann, wird es auch mit mehr Geld nicht hinbekommen. Es ist eigentlich ein Unding, dass im Profifußball so viel Geld im Umlauf ist, aber die meisten Clubs kaum Eigenkapital vorzuweisen haben. Verbindliche Kriterien zum nachhaltigen finanziellen Agieren wären aktuell wesentlich angebrachter als dieser Investoren-Deal.

Man bekommt aktuell den Eindruck, dass wir uns bei Mainz 05 auseinandergelebt haben. Der Vorstand handelt, wie man es von einem Konstrukt in Leipzig erwarten könnte. Dort gibt es nur eine geringe Zahl handverlesener Vereinsmitglieder – wie praktisch… umgekehrt kann man fast neidisch nach Freiburg blicken, wo es ein eingetragener Verein hinbekommt, Mitglieder mitzunehmen, mit Nein stimmt und ähnlich seriös wirtschaftet wie Mainz 05. Sind in Freiburg etwa Ideologen am Werk?  

Die Entscheidung gestern 12 Minuten zu schweigen und eben in der Sekunde den entscheidenden Treffer eingeschenkt zu bekommen, in dem begonnen wurde, das Team wieder anzufeuern, ist mal wieder eine der Geschichten, die nur der (Fußball-) Sport schreibt.

Da die Entscheidung vom Montag nicht revidierbar ist, ist tatsächlich viel kaputt gegangen – zwischen Fans und Vorstand. Uns eint wohl aktuell nur das Ziel, das Team weiter zu unterstützen. Das sollte Basis genug sein, um am Dienstag die Jungs in Rot-Weiß zu supporten. Dies sollte vom Vorstand allerdings nicht missverstanden werden – ob das bei der aktuell gezeigten Abgehobenheit gelingt, sei dahingestellt.

Quelle:

DFL-Investor 2/3 Mehrheit für einen Einstieg in Verhandlungen wird verfehlt – Supporters Mainz