Per aspera ad astra

Alex Schulz hat in seiner aktuellen Fankolumne die Durchhalteparolen noch nicht satt und den Glauben an die Gemeinschaft nicht aufgegeben.

Dieser Tage ist es nicht leicht ein 05ER zu sein. OK, der vergangene Donnerstag bildet da definitiv eine Ausnahme. Das erlösende 2:1 durch Lee auf den letzten Drücker setzte alle aufgestauten Emotionen frei, die man in der Bundesliga nicht loswerden konnte. Und dennoch täuschen die 9 Punkte aus 3 Spielen deutlich darüber hinweg, dass auch diese Spiele mehr Krampf als Galavorstellungen waren. Da Fußball aber Ergebnissport ist, muss uns das nicht jucken und wir haben das Ticket zumindest für die Zwischenrunde vor Augen.

Wer diese europäischen Erlebnisse nicht zu schätzen weiß, sollte sich selbst fragen, ob er in den letzten 5 Jahren nicht gelegentlich mal über die geringen Ansprüche von Mainz 05 und die langweiligen Saisons im Mittelfeld gemeckert hatte.

Wenn wir als Verein wachsen wollen, braucht es eben solche Highlights. Und dennoch muss selbstverständlich das Kerngeschäft laufen. Aber über die sportliche Situation wird sich an so vielen Stellen ausgelassen und jeder ist ein besserer Trainer oder Manager als die, die aktuell in der Verantwortung stehen. Daher gilt mein Blick doch eher dem Umfeld.

Für die Fanlandschaft ist der aktuelle Saisonverlauf sehr ernüchternd. Der Hype, den man noch zu Beginn der Saison spürte, ist langsam verflogen. Nun beginnen der steinige Weg und die harte Arbeit! Es muss gelingen, die Fans, die man durch ein begeisterndes Jahr anlocken konnte, auch ergebnisunabhängig zu binden. In Frankfurt gab es noch zahlreiche Tickets im Gästesektor und auch die Nachfrage bei Heimspielen ist eher schleppend.

Dabei hat uns gerade der unbändige Rückhalt in den letzten 2 Jahren erst die Klasse gesichert und dann nach Europa geführt. Erlebnisse, die man so nicht mit jedem Club haben kann.

Doch wie bekommen wir das vermittelt? Ein Klassenerhalt oder eine erfolgreiche Saison sind eben diese positiven Erlebnisse, die derzeit leider ausbleiben. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Letztlich hilft wohl nur Augen zu und durch! Volle Energie von möglichst vollen Rängen. Und schauen, dass man dem angeschlagenen und dennoch kämpfenden Team ein Rückhalt ist. Eine Durchhalteparole? Vielleicht?! Bis zur Winterpause sind noch einige Punkte zu vergeben. International haben wir das sonst fehlende Matchglück. Genau mit dem vorhandenen Team und seinen Trainern. Warum sollten wir es uns nicht auch in der Liga zurückerarbeiten können? Vielleicht schaffen wir es tatsächlich, über Werte wie Gemeinschaft und Zusammenhalt zu wachsen und nochmals den Bock umzustoßen. Und im Mai dann nach dem Klassenerhalt in der Liga gemeinsam in Leipzig ein besonderes Erlebnis zu feiern. Niemals aufgeben steht Mainz 05 gut zu Gesicht egal wie beschwerlich der Weg auch sein mag. Ich möchte einfach weiter daran glauben, dass die Jungs, die uns die letzten 2 Jahre begeistert haben, auch in dieser schweren Zeit den entsprechenden Rückhalt und so doch noch die Kurve bekommen. Und hoffe darauf, dass möglichst viele Fans diesen steinigen Weg mitgehen. Wir 05ER sind schließlich mehr Kummer gewohnt.

Mainz vs. Florenz – zwischen Baustelle und Zerfall

Für Mainz 05 und die Fiorentina ist die Conference League der Lichtblick in einer bisher tristen Saison. Felicitas Budde zeigt, warum Florenz als mahnendes Beispiel taugt und Mainz besser auf Zusammenhalt, statt öffentliche Bloßstellung setzt.

Wenn Mainz 05 am Donnerstag in der Conference League auf die AC Florenz trifft, begegnen sich zwei Vereine, die zwar in ihren Ligen taumeln, für die Europa aber noch ein Happy Place ist. Für beide ist der internationale Wettbewerb derzeit das einzige Feld, auf dem es gut läuft. Die Fiorentina ist deshalb ein mahnendes Beispiel, wie schmal der Grat zwischen Stabilität und Zerfall ist.

Denn Florenz versinkt im Chaos: Der Sportchef ist zurückgetreten, Trainer Pioli wurde zwei Tage vor dem nächsten internationalen Spiel gefeuert, der Besitzer ist abgetaucht. Vier Punkte nach zehn Spielen, kein Sieg, die schlechteste Serie-A-Bilanz der Vereinsgeschichte. Der Klub wirkt wie seine Baustelle im Artemio-Franchi-Stadion – eingerüstet, laut, unfertig. Der Bauhelm gehört gefühlt schon zum Trikotsatz.

In Mainz ist es ruhiger, aber nicht weniger heikel. Platz 17, fünf Punkte, neun Heimspiele ohne Sieg, das Pokalaus zuhause gegen Stuttgart. Trainer Bo Henriksen betont immer wieder, dass die sportliche Situation vor allem Kopfsache sei.

Umso erstaunlicher, dass er zuletzt gleich zwei Spieler öffentlich bloßstellte. Erst William Bøving, dann Maxim Leitsch – beide ließ er auf PK-Nachfrage nach ihrer Nichtnominierung wissen, sie seien schlicht „zu schlecht“.

Davon abgesehen, dass weder der späte Neuzugang noch der Langzeitreservist für die momentane Lage verantwortlich zeichnen, sind solche Aussagen nicht nur unnötig, sondern auch gefährlich. In einer Phase, in der es wichtig ist, als Mannschaft zusammenzustehen, kann öffentliche und überzogene Kritik schnell Baustellen öffnen, wo vorher noch der ruhige 05er-Verkehr floss. Warum den Vorschlaghammer schwingen, wenn die Nagelpistole auch reicht?

Die Entscheidung wäre auch anders begründbar – etwa, dass andere Spieler im Training auf sich aufmerksam gemacht haben. Doch Henriksen wählte den direkten Weg, der in dieser Lage eher spaltet als stärkt. Statt Menschenführung drauf auf die Schwächsten im Kader – diesen Sportsgeist sollte man nicht aus der Flasche lassen, denn Florenz zeigt, wohin es führt, wenn ein Klub auseinanderbricht.

Mainz hat die Chance, es besser zu machen – durch Geschlossenheit sowie Kommunikation mit Maß und Mut. Am Donnerstag treffen zwei Krisenklubs aufeinander, für die Europa gerade der Himmel auf Erden ist. Jetzt heißt es, sich ein gutes Gefühl für die heimische Baustelle holen.

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

In der von Mainz 05 ausgerufenen „Klimaverteidiger-Woche“ wurde der CO2-Fußabdruck der im Stadion angebotenen Speisen angegeben. Eine begleitende Kommunikation fehlte. Diese ist bei so einem emotionalen Thema wie Essen allerdings dringend notwendig, findet Christoph Kessel in seiner aktuellen Fan-Kolumne.  

Die Feuerwurst rot, die Bratwurst gelb, die vegane Wurst grün – diese „Wurst-Ampel“ wurde beim Heimspiel gegen Leverkusen auf den Displays oberhalb der Catering-Kioske im Mainz-05-Stadion eingeblendet. Auch für alle anderen Speisen wurden Ampel-Farben vergeben. Rechts unten in der Ecke gab es die Erklärung: „Welchen CO2-Fußbabdruck haben unsere Gerichte?“ und die Antwort in Form einer Ampel ergänzt um  „0,1-0,6 kg Co2e“ – grün, „0,7-0,9 kg Co2e“ – gelb und „1,0 + Co2e“ – rot. Es ist anzunehmen, dass diese Hinweise auf den Displays erschienen, da Mitte Oktober die „05ER-Klimaverteidiger-Woche“ stattfand. Der Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf „nachhaltiger Ernährung“.

Den Leuten, die sich im Stadion etwas zu essen kaufen, diese Information zur Verfügung zu stellen, ist im Kontext dieser Aktionswoche eine tolle Idee. Allerdings sollte diese CO2-Transparenz nicht nur mit kryptischen Abkürzungen auf den Displays, sondern auch über die Kommunikationskanäle des Vereins frühzeitig erklärt werden – am besten vorab in den Spieltag-Infos, die der Verein ohnehin verbreitet. Eine Erläuterung regt die Bewusstseinsbildung bei den Fans an und die Ampel kann dazu motivieren, klimafreundlichere Speisen zu wählen. Der Verein kann sich glaubhaft als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit positionieren und erhält entsprechend positive Aufmerksamkeit außerhalb der Fußball-Blase – zum Beispiel auch, um mögliche neue Sponsoren und Partner*innen zu gewinnen.

Ein Video mit Spieler*innen, die die Initiative vorstellen, hätte die Fans mitgenommen – am besten ergänzt um Infotafeln im Stadionrund inklusive QR-Code zu Online-FAQs und einer Umfrage. In dieser hätten sich auch Kritiker*innen zu Wort melden können, denn sicherlich trifft diese Aktion auch auf Akzeptanzprobleme. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ist bei einem emotionalen Thema wie Essen essenziell. All diese Maßnahmen hat der Verein leider verpasst umzusetzen. Letzten Donnerstag, beim Spiel gegen Mostar, waren die Ampeln auch schon wieder verschwunden. Dieses „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ des Vereins in Bezug auf die CO2-Transparenz beim Catering, ist problematisch. Sich zum selbsternannten Klimaverteidiger küren, aber nicht bereit zu sein, die Anstrengungen zu unternehmen, die Menschen mitzunehmen, ist gerade in diesen Zeiten der Polarisierung und Spaltung mehr als eine verpasste Chance, um Brücken zu bauen.