Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

In der von Mainz 05 ausgerufenen „Klimaverteidiger-Woche“ wurde der CO2-Fußabdruck der im Stadion angebotenen Speisen angegeben. Eine begleitende Kommunikation fehlte. Diese ist bei so einem emotionalen Thema wie Essen allerdings dringend notwendig, findet Christoph Kessel in seiner aktuellen Fan-Kolumne.  

Die Feuerwurst rot, die Bratwurst gelb, die vegane Wurst grün – diese „Wurst-Ampel“ wurde beim Heimspiel gegen Leverkusen auf den Displays oberhalb der Catering-Kioske im Mainz-05-Stadion eingeblendet. Auch für alle anderen Speisen wurden Ampel-Farben vergeben. Rechts unten in der Ecke gab es die Erklärung: „Welchen CO2-Fußbabdruck haben unsere Gerichte?“ und die Antwort in Form einer Ampel ergänzt um  „0,1-0,6 kg Co2e“ – grün, „0,7-0,9 kg Co2e“ – gelb und „1,0 + Co2e“ – rot. Es ist anzunehmen, dass diese Hinweise auf den Displays erschienen, da Mitte Oktober die „05ER-Klimaverteidiger-Woche“ stattfand. Der Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf „nachhaltiger Ernährung“.

Den Leuten, die sich im Stadion etwas zu essen kaufen, diese Information zur Verfügung zu stellen, ist im Kontext dieser Aktionswoche eine tolle Idee. Allerdings sollte diese CO2-Transparenz nicht nur mit kryptischen Abkürzungen auf den Displays, sondern auch über die Kommunikationskanäle des Vereins frühzeitig erklärt werden – am besten vorab in den Spieltag-Infos, die der Verein ohnehin verbreitet. Eine Erläuterung regt die Bewusstseinsbildung bei den Fans an und die Ampel kann dazu motivieren, klimafreundlichere Speisen zu wählen. Der Verein kann sich glaubhaft als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit positionieren und erhält entsprechend positive Aufmerksamkeit außerhalb der Fußball-Blase – zum Beispiel auch, um mögliche neue Sponsoren und Partner*innen zu gewinnen.

Ein Video mit Spieler*innen, die die Initiative vorstellen, hätte die Fans mitgenommen – am besten ergänzt um Infotafeln im Stadionrund inklusive QR-Code zu Online-FAQs und einer Umfrage. In dieser hätten sich auch Kritiker*innen zu Wort melden können, denn sicherlich trifft diese Aktion auch auf Akzeptanzprobleme. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ist bei einem emotionalen Thema wie Essen essenziell. All diese Maßnahmen hat der Verein leider verpasst umzusetzen. Letzten Donnerstag, beim Spiel gegen Mostar, waren die Ampeln auch schon wieder verschwunden. Dieses „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ des Vereins in Bezug auf die CO2-Transparenz beim Catering, ist problematisch. Sich zum selbsternannten Klimaverteidiger küren, aber nicht bereit zu sein, die Anstrengungen zu unternehmen, die Menschen mitzunehmen, ist gerade in diesen Zeiten der Polarisierung und Spaltung mehr als eine verpasste Chance, um Brücken zu bauen.

Fansozialarbeit: Spannendes Urteil am Landgericht Karlsruhe

Das Verfahren gegen Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe sorgte für viel Aufregung in der Fanlandschaft. Sebastian Schneider zeigt auf, warum auch aus Fansicht Handlungsbedarf beim Thema Zeugnisverweigerungsrecht in der sozialen Arbeit besteht.

In den vergangenen Wochen waren sie bundesweit in zahlreichen Fankurven zu sehen: Die Solidarisierungsplakate mit den vom Amtsgericht Karlsruhe verurteilten (in Teilen ehemaligen) Mitarbeitenden des Fanprojekts Karlsruhe. Der Vorgang beschäftigt die aktiven Fanszenen seit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens. Das eigentliche Problem, welches der Vorgang beinhaltet, ist jedoch äußerst komplex und wirkt weit über die Fansozialarbeit hinaus.

Den drei Angestellten des Karlsruher Fanprojekts war Strafvereitelung vorgeworfen worden, denn sie hatten im Rahmen der Ermittlungen zu den Pyro-Vorfällen beim KSC im November 2022 die Aussage verweigert, mit Verweis auf die unabdingbare Notwendigkeit des uneingeschränkten Vertrauensverhältnisses zu den Klienten, also vor allem den jungen Fußballfans. Auch wenn es nun für die drei Sozialarbeiter:innen am Ende heißt: Verfahren (unter Auflagen) eingestellt, scheint der Kern der Problematik längst nicht gelöst. Ein Urteil mit Signalwirkung, das keinesfalls in irgendeiner Form als Schuldeingeständnis zu werten ist.

Dass sozialpädagogische Fanprojekte im Kontext Profifußball nicht mehr wegzudenken sind, ist absolut unstrittig. Ihre Arbeit ist bewährt, es gibt klare, qualitätssichernde Handlungsempfehlungen und der Erfolg ist vielerorts sichtbar, wenn auch nur schwer in Zahlen zu messen. Auch bei uns in Mainz wird erstklassige Fansozialarbeit geleistet und wir Fans erleben täglich, wie wichtig diese Arbeit ist und welches außergewöhnliche Vertrauensverhältnis bei vielen Fans zu den Sozialarbeitern des Fanprojekt Mainz e.V. besteht.

Wie bereits erwähnt, bildet dieses Vertrauen das zentrale Element im Bereich der Fan- aber auch der Jugendsozialarbeit im Allgemeinen. Deshalb ist es ein erstes, leicht positives Zeichen, dass das Verfahren in Karlsruhe nun eingestellt ist. Jedoch könnte der grundsätzliche Druck, der hier auf die Sozialarbeiter:innen ausgewirkt wurde, noch lange nachhallen. Außerdem besteht weiterhin eine unbefriedigende Rechtslage, die bedingt, dass an einer wichtigen Stelle der Fansozialarbeit weiterhin kein Schutz für die Sozialarbeiter:innen besteht, der gewährleistet, dass Vertrauliches vertraulich bleibt. Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für diese besondere Arbeit muss unbedingt auf den Prüfstand und die veraltete Rechtsprechung muss überdacht werden.

Der Richterspruch am Landgericht Karlsruhe darf vorsichtig als erster Fingerzeig in Richtung Politik gedeutet werden, hier tätig zu werden. Durch Vorladung und Vernehmung von Vertrauenspersonen wie Fansozialarbeiter:innen, wird deren Arbeit massiv gefährdet. Zugleich stellt sich die Problematik nicht ausschließlich im Fußballkontext, weshalb eine breitere Aufmerksamkeit in der Gesellschaft für dieses Thema wünschenswert ist.

In Mainz blicken wir bereits auf über 30 Jahre erfolgreiche Fansozialarbeit zurück. Für viele, vor allem junge Mainz 05 Fans, bildet das Fanprojekt Mainz e.V. eine wichtige Anlaufstelle und die dort angestellten Personen genießen ein besonderes Vertrauen auf allen Ebenen (Fans, Verein, Polizeien). Deshalb besteht bei vielen Fans der Wunsch, die soziale Arbeit in den Fanprojekten besser zu schützen und das Thema Zeugnisverweigerungsrecht in der sozialen Arbeit zu reformieren.

Geduld ist eine Tugend!

Nach den letzten Ergebnissen beginnt es mancherorts zu Rumoren. Alex Schulz erinnert in seiner Fan-Kolumne an das Erreichte und hofft auf Ruhe und Zusammenhalt.

Wir haben eine Mini-Krise. Zumindest ist dies das Fazit nach dem 16. Tabellenplatz in der Bundesliga und einer Reihe verlorener Spiele. Die 3 Punkte in Europa helfen uns beim Kerngeschäft leider nicht weiter.

Unbestritten haben es sich alle anders erhofft. Doch die mangelnde Chancenerarbeitung und -ausbeute lassen den Verein dort stehen, wo er aktuell ist.

„Man sollte halt nicht europäisch spielen!“ und „Der Kader wurde falsch zusammengestellt!“ fassen wohl gut zusammen, was an vielen Stammtischen und auf diversen sozialen Medien aktuell geäußert wird.

OK, den Trainer möchte man auch noch loswerden.

Wirklich niemand, der Mainz 05 kennt, hat doch geglaubt, dass wir die Liga in dieser Saison wieder so aufmischen?! Allen sollte klar gewesen sein, dass es eine Herausforderung für einen kleinen Verein wie Mainz 05 ist. Genug Stimmen fordern seit Jahren, dass man mutiger sein müsse. Mal nicht nur Mittelmaß.

Nun steht Mainz 05 in der Conference League gut da, hat aber ein schweres Pokallos vor der Brust und in der Liga wird man ernst genommen.

Dinge, die in der vergangenen Saison lange Zeit einfach liefen, klappen derzeit nicht mehr. Das Team und allen voran die Trainer suchen nach Lösungen.

Welcher Spieler im Sommer eine Torgarantie mitgebracht hätte, wird man nie herausfinden. Ich erinnere mich an viele große Namen, die woanders plötzlich zu Helden wurden, nachdem sie bei uns kein Scheunentor trafen und im Zweifel die Bank wärmten. Aber auch andersrum.

Wir tanzen noch auf 3 Hochzeiten! Wir alle erleben etwas, was man in Mainz 10 Jahre nicht mehr hatte und wenn immer nur kurze Zeit genießen konnte. Erreicht haben wir das in einer Saison, die aus einer unfassbaren Rückrunde entstand. Fast abgestiegen sind wir mit dem heute noch fast identischen Team  nach Europa marschiert. Gemeinsam. Schulter an Schulter.

Und jetzt? Natürlich darf man kritisieren. Natürlich darf man Entscheidungen hinterfragen. Aber am Ende müssen wir uns auf unsere Stärke besinnen: die Ruhe und den Zusammenhalt!

Noch sind wir weit davon entfernt in Panik verfallen zu müssen und allen, die so vieles richtig gemacht haben, jedwedes Vertrauen abzusprechen.

Gegen Leverkusen ist eine neue Chance. Und auch wenn sie ungenutzt bliebe, hieße es: gemeinsam weiterkämpfen!