Indien 2008

Guten Tag aus Shimla,  

nachdem ja schon einige von Euch beunruhigt waren, da sie keine Mails mehr von mir aus fremden Ländern bekommen, melde ich mich heute mal wieder aus dem sonnigen Shimla, im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh. Wie der Name Himachal vielleicht schon vermuten lässt, ist die Verbindung zum Wort Himalaja nicht allzu weit und exakt in diesem Gebirge halten wir, Valentina und ich, uns gerade auf. Eigentlich ist die Distanz Delhi – Shimla nicht gerade weit aber in den vergangenen Reisetagen schien auch die geringste Distanz eigentlich schon unüberwindbar. Doch dazu später mehr…

Angefangen hatte die Reise schon mit einem Schock: Dem exzellenten indischen Mobilfunknetz sei Dank, dass ich nach der Landung in Delhi bereits eine SMS von meiner Schwester erhielt, die mir mitteilte, dass sich ca. 4 Stunden vor unserer Ankunft fünf Bombenanschläge im Zentrum Delhis ereignet hatten. War bei meiner letzten Landung in Indien vor 5 Jahren der Kulturschock von Burma nach Indien gewaltig, war es nun natürlich der Schock, gerade einem Anschlag vielleicht entgangen zu sein – alles in allem ein etwas bedrückender Empfang in unserem Gastland. Gingen mir beim letzten Mal in Indien die Leute sofort auf den Keks, da sie für alles Bakshish wollten, so kann ich bis heute noch von den Indern schwärmen. So viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit uns gegenüber macht diese Reise wirklich zu einem Vergnügen und die Terroranschläge waren bereits am nächsten Tag von den positiven Eindrücken durch die Menschen hier in den Hintergrund gerückt. Aber natürlich verbrachten wir eine eher unruhige Nacht außerhalb der Innenstadt Delhis in einem Viertel von Exil-Tibetern. Dort kamen wir weit nach Mitternacht an, und es war eigentlich alles dunkel und geschlossen, so dass wir dem einzigen Lichtschein nachgingen, und in einem Wohnhaus landeten. Aber ein freundlicher Tibeter kam gerade die Treppe hinunter und fand für uns sofort ein Hotel in einem dunklen, ruhigen Gassengewirr.

Schnellste Verbindung in der Stadt: die Auto-Rikscha
Schnellste Verbindung in der Stadt: die Auto-Rikscha

Natürlich wollten wir am nächsten Tag so schnell wie möglich die Hauptstadt verlassen. Mit einer Auto-Rikscha, einem thailändischen Tuktuk ähnlich nur wesentlich kleiner, ging es mit zwei riesigen Rucksäcken voll gepackt dem Busbahnhof entgegen. Den Busbahnhof von Delhi stellte ich mir eigentlich chaotisch vor, doch alles hatte seine Ordnung. Getrennt nach Orten gab es Abfahrtpiers und da Valentina Hindi lesen kann, fanden wir bald den richtigen Bus und brausten sogleich aus der Stadt davon und bei uns stellte sich endgültig wieder ein gewisses Sicherheitsgefühl ein, da wir nicht damit rechneten, dass es in Kleinstädten oder im Himalaja solche Art von Anschlägen, von Moslemextremisten verübt, geben wird. Und dass der Bus nach einem Fahrplan abfuhr, nicht voll war, verwunderte mich ein weiteres Mal über das ‚Incredible India‘. Die kleine Pilgerstadt Kurukshetra war unser erstes Ziel und es stellte sich als ein sehr erholsamer Ort heraus. Wahrscheinlich verirren sich recht selten Touristen in diese Stadt, die grob gesagt zwischen Delhi und den Ausläufern des Himalajas liegt. Wir wurden von vielen Leuten neugierig angeguckt aber nicht angegafft, nicht angequatscht und das in Touristenzielen übliche „you need Hotel“ Angelaber blieb auch aus. Es gab ein relativ teures Hotel, das uns nicht so lag, und plötzlich stoppte die Polizei neben uns. Nach einem Hotel gefragt, schlugen sie nach diesem teuren Hotel ein Pilgerhotel neben einem Hindutempel vor, da wir nur eine Nacht bleiben wollten. Diese Hotels sind sehr preiswert und eigentlich für Pilger reserviert, aber die Polizei erteilte uns sozusagen ihren Segen, dieses zu nutzen. Aber Indien wäre ja nicht Indien, wenn jetzt alles klappen würde. Wir warteten im Innenhof etwa eine Stunde auf den Rezeptionist, der aber irgendwie abhanden gekommen war. Auch andere Pilger warteten vergeblich und so gingen wir wieder auf die Strasse um sogleich dann doch angesprochen zu werden. Normalerweise sind Hotelschlepper lästig, da sie vom Hoteleigentümer eine Kommission erhalten, doch hier war die Welt noch in Ordnung. Die beiden fuhren uns mit ihrer Auto-Rikscha zu einem anderen netten Pilgerhotel und wollten keine einzige Rupie für ihren Service! Incredible India!

Für Liebhaber der indischen Küche: Snack-Stände in Shimla
Für Liebhaber der indischen Küche: Snack-Stände in Shimla

Danach ging es zum Futtern in die Stadt. Inder sind Snack-Liebhaber und so nahmen wir zum Aperitif Panipuri ein. Das sind dünne frittierte hohle Bällchen, in die Kichererbsen und Chiliwasser reinkommen. Man erhält einen Teller und dann gibt es Panipuri um Panipuri bis man voll ist. Bei uns war nach einem Dutzend Schluss und hier wurden wir dann doch ein wenig abgezockt. Dies bekam ein Passant mit. Wir lachten eher über den Vorfall, dass wir um ca. 20 Euro-Cent „beschissen“ wurden, doch nun tuckerten wieder unsere Polizisten vorbei, die eigentlich fragen wollten, ob wir gut im Hotel angekommen sind. Der Passant petzte nun bei den Cops und diese nahmen sich den Panipuri-Verkäufer vor und wir erhielten sofort unser Geld zurück, das wir gar nicht wollten. Doch alles Beschwichtigen half nichts… wir bekamen die 20 Cent wieder, basta! Incredible India!

Kühe sind in Indien omipräsent: Kurukshetra, Haryana
Kühe sind in Indien omipräsent: Kurukshetra, Haryana

Es war herrlich in dieser Stadt an den künstlich angelegten Seen zu spazieren. Nur die Hitze machte uns ein wenig zu schaffen, zumal es in der Nacht gefühlte 100 Stromausfälle gab, in der der Ventilator natürlich seinen Geist aufgab und die Luft genauso zu stehen schien, wie die Blätter des Ventilators. Am nächsten Tag ging es dann in die Berge. Zunächst mussten wir die Busstation im Gassengewirr finden. Dazu eignet sich immer ein Rikscha- Fahrer der uns bereitwillig mit all unserem Gepäck zum gewünschten Ziel fuhr. Über Chandigarh ging es dann mit dem Bus von ca. 300 m auf 2.200 m nach Shimla. Dass Indien ein Verkehrs- und vor allem ein Abgasproblem hat, konnten wir am Beginn der Fahrt feststellen, da sich alles den Berg hinauf drängte. Hupende Busse, hupende Auto-Rikschas, hupende LKW, die mit ihrem Schneckentempo alles verstopften. Nach ca. 4 Stunden (!) hatten wir die ca. 100 km bergauf zurückgelegt und kamen in der wunderbaren Sommerfrische Shimla an. Die Stadt gewann durch die Engländer Bedeutung, die das unbedeutende Dorf im 19. Jhdt. zur Sommerhauptstadt von Indien machten, da es hier kühl und angenehm war, während die damalige Hauptstadt Calcutta in der Sommerschwüle, den Engländern naturgemäß überhaupt nicht behagte.

Shimla, Himachal Pradesh
Shimla, Himachal Pradesh

Nach einem Erholungstag in Shimla, das sogar eine Verkehrsberuhigte Innenstadt besitzt, in der es sich vom Chaos des Tieflands wunderbar erholen lässt, ging es am nächsten Tag wieder mit dem Bus weiter in Richtung Himalaja. Dementsprechend wurde die Busfahrt einerseits zu einer Panaromatour auf Serpentinenstrassen, andererseits zu einem Schneckenrennen mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von ca. 15 km/h. Nach einem anstrengenden Fahrtag hatten wir ca. 160 km zurückgelegt, aber auch ca. 1.400 Höhenmeter nach oben und 1.700 nach unten, um im Pilgerdorf Sarahan hoch über einem Flusstal anzukommen. Es war bereits dunkel und das einzige was wir erkennen konnten, waren zwei riesige Holztürme, innen beleuchtet, die zum Tempelkomplex des ansonsten unbeleuchteten Dorfes gehörten. In ohrenbetäubender Lautstärke wurde für ca. eine halbe Stunde das gesamte Tal mit Mantra-Musik beschallt. Ich fühlte mich wirklich in eine andere Welt versetzt und musste mal wieder feststellen: Incredible India!

Sarahan, Himachal Pradesh
Sarahan, Himachal Pradesh

Morgens sahen wir dann den Tempel im Tageslicht, das leider durch die Wolkenteppiche ein wenig diffus wirkte aber irgendwie den Tempel in einer mystischen Atmosphäre tauchte. Ganz profan ging es auf dem daneben liegenden Bolzplatz ab, da dort eine Art Bundesjugendspiele vom gesamten Distrikt stattfanden. Statt Fußball waren hier Mannschaftssportarten angesagt, die ich überhaupt nicht kannte. Die Kids hatten beim Spielen ihren Spaß genauso wie beim Photographieren mit meiner Digitalkamera. Nachmittags konnten wir dann natürlich die Tea Time wunderbar mit einer Aussicht auf die in den Wolken sich befindende Gebirgskette beschließen. Und es fang zu regnen an! Am nächsten Tag wollten wir eigentlich dem indisch-tibetanischen Grenzverlauf folgen. Die gesamte Reise faszinierten uns bereits die Menschen, die teilweise bereits dem tibetanischen Volk angehörten, was sich auch kulinarisch zeigte, da es bereits Momos (eine Art Maultaschen) und Tupka (deftige Suppe) gab. Und nun sollte es eigentlich in der Region Kinnaur und Spiti so richtig tibetanisch, buddhistisch werden.

Sarahan, Himachal Pradesh
Sarahan, Himachal Pradesh

Doch in Indien sollte man lieber keine Pläne machen. Dieses Mal war es allerdings Mutter Natur, die unsere Reise beeinflusste. Es regnete bereits fast 24 Stunden am Stück recht heftig, so dass wir uns entschlossen wieder in Richtung Shimla zurückzukehren. Schließlich war es einfach auch saukalt, feucht und die Klamotten bereits sehr klamm. Dass diese Entscheidung richtig war erfuhren wir erst heute in Shimla, da wir hier erst wieder in die Medien schauen konnten. Die anstrengende Rückfahrt im Dauerregen unterbrachen wir im 2.700 m hoch gelegenen Narkanda, wo man als indischer Jet-Setter im Winter sogar Ski fährt! So gab es hier leckeres Essen, ein snobbiges Hotel, das auch billige Fensterlose Zimmer für klamme Backpacker aus Deutschland hat und eine unfreiwillige verlängerte Pause…denn es regnete einfach die ganze Nacht weiter! Morgens wollten wir eigentlich weiter nach Shimla, doch es hieß nur noch Road Closed. In der Nacht entwurzelte der Regen viele Bäume, Felsbrocken blockierten die Strasse und Erdrutsche taten ihr übriges, dass wir zwischenzeitlich h von der Außenwelt abgeschnitten waren. Also blieb uns nix anderes übrig als das leckere Essen zu genießen und zu warten. Einen Tee, einen Kaffee, ein Frühstück und ein ausgiebiges Mittagessen weiter, hatten wir mal wieder Glück. Ein Jeep hielt an und fragte, wohin wir wollten, da wir zwischen dem Essen immer die autofreie Strasse im Regen entlang spazierten. Für viele Rupien schlug sich dieser Jeep nach rund 8 Stunden Warten nun seinen Weg über die 2 Tage zuvor noch einigermaßen gute Strasse nach Shimla durch. Mit Handsägen räumten die Inder die Bäume aus dem Weg, Felsbrocken waren zum Glück auch schon weg, so dass wir nun wieder in Shimla hocken und den blauen Himmel und den Sonntagnachmittag in dieser Sommerfrische genießen.

Guyanas 2002 Teil 3

Ich hoffe, Ihr habt weiterhin Lust auf kleine Geschichten, die man während einer Reise durch Südamerika tagein tagaus erlebt. Die letzte Mail endete am sagenhaften Kaieteur Wasserfall. Der Wasserfall alleine wäre den bereits geschilderten etwas turbulenten Flug vielleicht nicht Wert gewesen. Aber da Paul der indianisch-stämmige Ranger nun mal sicherlich seine Bestimmung gefunden hat, Stadtmenschen wie mir die Schönheit seiner Heimat  zu zeigen, sah ich dank seiner Hilfe einige leider selten gewordene Vögel, die im Dickicht des Dschungels nur mit geschulten Augen erkannt werden können. Auch die sog. Golden Frogs, kleine wie der Name schon sagt, golden leuchtende Frösche, die in Blatt-Trichtern leben, hätte ich sicherlich ohne seine Hilfe nicht entdeckt, denn wer guckt schon permanent in am Wegesrand stehende Blatt-Trichter hinein.

Die Tage an den Kaieteur Fällen, ohne Strom, fließend Wasser (es stammt aus der Regentonne, die natürlich immer voll ist), Autos, Strassen, Internet und anderen „Errungenschaften“ der Zivilisation gingen natürlich viel zu schnell vorbei. Mittlerweile hatte ich mich auch damit abgefunden, wieder in das Flugzeug zu steigen, das mich aus der „grünen Hölle“ abholen soll. Als Alternative zum Flug wäre mir nur eine dreitägige Wanderung in Richtung der nächsten Straße geblieben. Da zog ich dann doch letztendlich die Buschkiste vor. In Guyana ähneln diese „Linienflüge“ aber eher einer Busfahrt. Lediglich der Anfangsflughafen und der Endflughafen stehen fest. Die Stopps en Route bestimmen die mitfliegenden Passagiere. Im Office von Roraima Airways, die mich nun wieder abholen soll, schaute ich auch ganz genau, dass die Angestellte notierte, dass ich von den Wasserfällen 2 Tage später wieder abgeholt werden wollte, um dann weiter nach Süden in Richtung guayanisch-brasilianische Grenze zu fliegen. Denn der „Flughafen“ von Kaieteur Falls besteht lediglich aus einer Holzschutzhütte, einem WC und einer ca. 400 m langen Piste. Zum Glück existiert wegen der widrigen Wetterverhältnisse aber eine Wetterstation, die das aktuelle Wetter an die Piloten funken kann, und auch im Notfall mal anfragen kann, ob ein Flugzeug vorhat, hier zu landen. Denn leider herrscht  im tiefsten Regenwald, meist eher britisches Wetter: Mit anderen Worten: Nebel und Regen.  

Am Frankfurter Flughafen existiert daher für solche Wetterverhältnisse ein sog. Instrumentenlandesystem, mit dem der Pilot auch bei 0 m Sicht landen kann. Hier gibt es so was natürlich nicht. Daher hieß es am Tag meiner geplanten Abreise: Warten, denn die Sicht von vielleicht 300 m und eine Wolkendecke in Höhe von ca. 150 m machten eine Landung unmöglich. Aber der Ranger Paul und Susan von der Wetterstation machten mir Mut, und vertrösteten mich darauf, dass es schon irgendwann aufklaren wird. Der Pilot fragte auch den Wetterbericht über Funk ab, gab aber auf unserer Frage, ob er landen würde keine Antwort. Doch tatsächlich klarte es nach 2 bis 3 Stunden auf, und plötzlich meinten Paul und Susan sie hörten ein Motorengeräusch. Es konnte sich nur um meinen Flieger handeln. In der Tat bemerkte auch ich nach ein paar Minuten ein Brummen und kurz darauf war das kleine Flugzeug, das mich wieder in die Zivilisation bringen würde, auch schon gelandet. Wieder war ich der Einzige der diesmal einstieg und nach ca. 4 Minuten Bodenzeit, war der Flieger schon wieder in der Luft, um nach ca. 20 Minuten in irgendeinem Indianerdorf zu landen, da ein anderer Passagier abzusetzen war.  

Eine Stunde später, nach einem äußert ruhigen Flug, änderte sich die Landschaft abrupt. Der Regenwald wurde durch eine rot- braun gefärbte Ebene abgelöst. Bald darauf setzte die Maschine in Lethem, dem letzten Dorf vor der Grenze nach Brasilien, ca. 200 km nördlich des Äquators auf. Die Savanne, in der ich gelandet war, sieht genauso aus, wie die berühmte Serengeti in Ostafrika. Gemeinsam haben beide Landschaften einem großen Reichtum an Tieren, mit dem Unterschied, dass es hier keine Löwen o. ä. Artgenossen gibt, die mich hier von einer Radtour abhalten könnten. So ging es mit dem Rad (ohne Gangschaltung aber mit Placebo Bremsen) eines Einheimischen auf Safari! Am Pistenrand stehen Strohhütten, die mich wieder stark an den schwarzen Kontinent erinnern, doch aus den Hütten schauen mich hier erstaunte Indianeraugen an. Das Schöne an Guyana ist die Tatsache, dass die Amtssprache Englisch ist, und man daher leicht mit den Einheimischen, die hier zu 90% Indianisch-stämmig sind, in Kontakt treten kann. Auf die Frage, was ich hier so mache, entgegnete ich in einem Gespräch am Wegesrand, ich sei Tourist. Doch dieses Wort hatte mein Gesprächspartner, der ansonsten nicht gerade von einem anderen Stern stammt, noch nie gehört. Anscheinend ist die Spezies Touri hier wirklich noch eine seltene Erscheinung. Die Leute wunderten sich zwar warum ich hier mit einem Fahrrad durch die Gegend kurve, aber dies erweckte bei Ihnen kein Misstrauen, eher Neugierde, wie das Leben in Deutschland so sei.  

Am nächsten Tag begab ich mich nun in das vierte Land meiner Reise und musste mich nun mit der vierten Sprache auseinandersetzten. In Surinam kam ich mit Englisch relativ gut durch. In Französisch Guyana und Guyana gab es keinerlei Sprachbarrieren, doch mit der Einreise nach Brasilien änderte sich dies schlagartig. Der Grenzbeamte konnte noch einige Brocken „Ingles“. Doch seither komme ich mit meiner Frage „Vôce fala ingles?“ also „bitte bitte sprecht doch wenigstens einige Wörter Englisch“ nicht sehr weit. Es blieb mir nichts anderes übrig, als auf der Busfahrt nach Boa Vista, dem ersten Ziel in Brasilien, anzufangen Portugiesisch zu lernen, wollte ich nicht ständig mit der Gebärdensprache eine Art rhythmischer Sportgymnastik betreiben.  

Obwohl ich mich nun immer mehr dem Äquator nähere, blieb die Savanne beherrschend. Irgendwie hatten wir das doch im Erdkunde- Unterricht anders gelernt, oder? In Amazonien gibt es tropischen Regenwald (so weit er nicht schon zerstört ist). Aber von Savannen sprach meiner Meinung niemand.  

Mit Brasilien erreichte ich ein Land der krassen Gegensätze. Hier prallen erste und dritte Welt permanent aufeinander. Positiv für mich als Reisenden stellt sich die Tatsache dar, dass man wieder gute (Kredit)Karten hat. Sie werden glücklicherweise sogar im Supermarkt akzeptiert, nachdem diese Plastikkarten bisher eher als Ersatzlineal dienten, denn in den Guyanas war Cash das einzige Zahlungsmittel. Auch konnte ich mich nun mit äußerst komfortablen Bussen fortbewegen, die Strassen waren wieder geteert und Schlaglöcher hatten meist Seltenheitswert. Andererseits fuhr man oft an Papphüttensiedlungen, den bekannten Favelas vorbei, die die immer noch weit verbreitete Armut dieses Schwellenlandes zeigen.  

Aber zwei Dinge scheint alle BrasilianerInnen zu einen: Als erstes sei Futbol genannt!   In Boa Vista bummelte ich durch die Gassen während des WM- Testspiels Portugal gegen Brasilien. Überall gab es kleine Kneipen am Straßenrand mit einem völlig überdimensionierten Riesenfernseher, der das Spiel übertrug. Um den Fernseher waren die Menschen versammelt, wie Bienen im Bienenstock um ihre Königin. Die Gassen hatte ich praktisch für mich alleine. Und plötzlich hörte ich aus allen Fernsehern nur noch das berühmte GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOL! Und das obwohl die Portugiesen ein Tor schossen!!! Brasilien glich dann durch einen Elfmeter noch aus, der die etwas trübe Stimmung wieder aufhellte. Ich hatte keinen Moment dieses Spiel eigentlich verfolgt, war aber permanent unwillkürlich auf dem neuesten Stand der Dinge. Ich weiß ja nicht, was in dieser fußballverrückten Nation abgeht, wenn es wirklich um die WM geht, denn es war ja nur ein Testspiel. Das Testspiel der Deutschen Elf gegen Argentinien wurde übrigens danach gezeigt, aber ich halte es zur Zeit doch eher mit Mainz 05, deren Sieg gegen Bielefeld, sogar über Weltempfänger und mit Hilfe der Deutschen Welle bis zu den Kaieteur Wasserfällen mitzubekommen war. Am Sonntag wurde ich dann noch Zeuge einer Radioübertragung eines Fußballspiels in São Paulo. Der Kommentator erinnerte mich in seinem oralen Output von sicher 10 Wps (words per second) an eine Kette Knallkörper, wie wir sie an Sylvester immer loslassen. Nur mit dem Unterschied, dass bei einem Feuerwerk nach ein paar Sekunden wieder Ruhe herrscht und neu gezündet werden muss. Unser Kommentator hingegen schoss sein Feuerwerk aus aneinander gereiten Wörtern 45 ganze Minuten ohne Pause in den Äther. Lediglich alle paar Minuten hörte man ein gewisses Röcheln, da anscheinend beim Reden gleichzeitig ja irgendwie auch Luft in seine Lungen kommen musste, um wieder neue Wörter hinausposaunen zu können. Der Spielstand war übrigens die ganze Zeit 0:0!!!  

Als zweites Merkmal, das alle BrasilianerInnen zu einen scheint, sei der äußerst ausgeprägte Körperkult genannt. In diesem Land kann man, um im guten britischen Understatement zu sprechen, niemals „underdressed“ sein, denn wenn die Mädels schon im Bikini zum Einkaufen latschen, und die Jungs nur in knapper Badeshorts zum Kippchen Rauchen auf die Strasse gehen, dann kann man als Touri sich gar nicht mehr falsch anziehen. „Schönen“ Menschen in Brasilien, und das ist fast jede(r) hier, wird provokativ hinterher (oder auch hinein) geschaut, nachgepfiffen oder auch hinterher gehupt, je nach der logistischen Situation. Auch die Ärmsten der Armen versuchen durch nobel anzusehende Kleidung ihrem sozialen Umfeld zu entweichen, dabei zählt natürlich eher die Qualität als die Quantität der Kleidung.  

Allerdings gibt es in Brasilien auch äußerst viele Straßenkids, die schon äußerst früh von zu Hause ausgesetzt, oder verscheucht wurden, da die gesamte Familie nicht zu ernähren war. Als weißer Tourist in Brasilien ist man natürlich das direkt anzusteuernde Ziel eines jeden Straßenkids. Eine Regelung, mit dieser penetranten Bettelei der Straßenkinder von Brasilien zu unterbinden sei, zeigte mir auf der Busfahrt im „Terror Ship“ von „Bin Ladin“ nach Georgetown, „Papi“ ein Rastafarian aus einem Dorf im Nordosten Brasiliens: Bettelt Dich jemand an, da er anscheinend hungrig ist, biete ihm etwas zu Essen an. Hat diese Person nun wirklich Hunger, wird sie auf Dein Angebot eingehen. Möchte diese Person hingegen nur wieder ein paar Réais für einen nächsten Pitú (Caipirinha) erhaschen, beißt sie bei Dir auf Granit. Die Probe auf Exempel machte ich später in Manaus, wo ich von Straßenkids nur so umringt war: Ein kleiner Junge wurde zur permanenten Klette, da er um ein paar Centavos (Untereinheit von Réal) bettelte. Da ich gerade kein Futter parat hatte, schleppte ich meine „kleine Klette“ bis zur nächsten Garküche mit, bei der es für einen Réal (ca. 0,50 €) Fleischspießchen gab. Geduldig und anscheinend wirklich hungrig wartete meine „kleine Klette“ bis der Spieß fertig gebraten war, und es war vielleicht für ihn die einzige (warme) Mahlzeit am Tag. In diesem Falle war also Papis Strategie genau aufgegangen. Das Gegenteil hatte ich mit Papi auf der Fahrt nach Georgetown auch öfters erlebt.  

Was das Essen im Allgemeinen anbetrifft, ist Brasilien sowieso das Paradies für jeden Gourmet: Entweder kann man für umgerechnet 2,50 € „All U can Eat“ erleben oder man geht in die leckeren „Per Kilo Restaurants“, in denen man sich den Teller mit verschiedensten Spezialitäten volladen kann, und danach der Preis (meist 3-4€ pro Kg.) nach dem Gewicht bestimmt wird.  

Von der ersten größeren Stadt in Brasilien (Boa Vista) ging es über 640 km per Bus  in Richtung Manaus. Das Bild der Steppe wich in der Nähe des Äquators doch allmählich dem des Regenwaldes bzw. der Rinderweide, die nach dem Abholzen des tropischen Regenwaldes hier entstanden sind. Und plötzlich verriet ein Schild „Bemvindo ao Equator“. Wir haben mit unserem Bus soeben den Äquator überquert. Genau an diesem Flecken Erde herrscht zumindest für mich immer ein grässliches Wetter. Schon 1995 herrschte auf diesem berühmten Breitengrad am Mt. Kenya Nebel und Temperaturen Nahe am Gefrierpunkt. Und nun in Südamerika? Es spielte sich genau die gleiche Situation hier nochmals ab: Schmuddelwetter am Äquator, allerdings bei 32°C!  

Nach 13 Studen Busfahrt erreicht ich nun meinen ersten Endpunkt dieser Reise: Manaus, die berühmte Stadt am Amazonas. Dabei liegt das 1,4 Mio. Einwohner zählende Manaus – an Einwohner mehr als die 3 Guyanas zusammengenommen – gar nicht am Amazonas nach brasilianischer Definition.  

Am sog. „Encontro des Aguas“ (Zusammenfließen des Wassers) ca. 12 km östlich von Manaus fließen der durch die Stadt ziehende Rio Negro (schwarzer Fluss) und der Rio Solimões aus Peru kommend zusammen. Lediglich die „letzten“ 1.500 km Flusslänge bis zu seiner Mündung in den Atlantik nennen die Brasilianer den Fluss nun Rio Amazonas. An dieser Stelle des Flusses ist der Rio Solimões schon seit 5.000 km auf seiner Reise Richtung Osten. Am Encontro des Aguas fließt das schwarze, also wirklich dunkler wirkende Wasser kilometerlang neben eher hellbraunen des Rio Solimões entlang, ehe sie sich dann doch irgendwann vermischen.    

Mit dem Erreichen von Manaus hieß es nun für mich wieder Abschied nehmen von Amazonien, zu dem die drei Guyanas ebenfalls gehören. Ein besseres Abschiedsbild als die riesigen Flussdampfer, die von Manaus entweder flussaufwärts bis nach Tabatinga an das Dreiländereck Kolumbien, Brasilien, Peru in ca.10 Tagen fahren, oder flussabwärts nach Belém in ca. 5 bis 6 Tagen konnte es für mich nicht geben. Gerne wäre ich mit einem dieser Schiffe weiter gezogen. Doch stattdessen „durfte“ ich wieder einmal den „Luxus“ eines Flugzeuges genießen. Dieser „Luxus“ bestand darin, um 3h10 morgens von Manaus nach São Paulo fliegen zu dürfen und dadurch die harten Bänke der Wartehalle des Flughafens in Manaus auf Schlafmöglichkeiten zu testen. Erwartungsgemäß fiel der Test negativ aus.  

Der Anflug auf die 20 Mio. Einwohner Metropole São Paulo war äußerst beängstigend: Wir flogen über ein bis an den Horizont reichendes Häusermeer. Von einer Landschaft war hier definitiv nichts mehr zu erkennen. Daher hatte ich nicht gerade sonderlich große Lust auf diesen „Moloch“, nachdem ich für fast 3 Wochen keine Hochhäuser, ja noch nicht einmal mehr 2- bis 3-stöckige Gebäude gesehen hatte. Aber nicht die „Reize“ dieser Stadt brachten mich hierher, sondern vielmehr die Tatsache mal wieder jemanden der weltweit verstreuten Schnickschnack-Gemeinde zu besuchen.  

Maria betreut in einem Vorort von São Paolo Kinder in einer Art Kindertagesstätte für ein Jahr. Dadurch dass Maria nicht im Zentrum sondern ca. 30 km davon entfernt lebt, war es gar nicht so einfach sich mal kurz so in dieser Metropole zu treffen. Denn ich spreche nun mal erst äußerst gebrochen portugiesisch und Marias Gastgeber „não ingles“ (kein Englisch). So kam es dass das erste Telefongespräch etwas im Sande verlaufen ist, da Maria nicht zu Hause war, und ich irgendwie vermitteln wollte, dass ich sie am nächsten Tag besuchen wollte. Glücklicherweise haben Marias Gastgeber ihr aber von diesem komischen Anrufer berichtet, und letztendlich konnten wir uns dann doch noch treffen. Nach dem Besuch bei Maria heißt es nun endgültig Adeus Brasil und es geht nun wieder der Heimat entgegen.

Guyanas 2002 Teil 2

Mittlerweile habe ich das sog. 2. Guyana durchquert, da Surinam früher Niederländisch Guyana hieß, und die Holländer dieses Land 1667 von den Engländern im Tausch gegen New Amsterdam, besser bekannt unter dem Namen Manhattan (New York City), eingetauscht hatten.

Im Gegensatz zu Französisch Guyana ist Surinam nun seit 1975 unabhängig, aber die Verbindungen zu Holland scheinen noch immer zu bestehen: Jeder hier (vielleicht mit Ausnahme von mir) bedauert dass das Oranje Team nicht zur Fußball WM fahren darf, denn Fußball ist hier Nationalsport Nummer 1, dank Clarence Seedorf, dem holländischen Fußballstar, der hier eine Fußballnationalmannschaft samt Stadion aufbaut. Außerdem fahren natürlich die schrottreifen Autos der alten Kolonialmacht bis zum Auseinanderfallen weiter, obwohl hier Linksverkehr herrscht, und damit eigentlich das Steuer besser rechts angebracht wäre. Der  Linksverkehrt ist auf den Kutschen-Linksverkehr vor 1667 von den Engländer eingeführt, zurückzuführen. Es ist schon ein angenehmes Gefühl endlich wieder mit diesen zweifelhaften Gefährten unterwegs zu sein, die höchstens 60 km/h fahren, nachdem in Französisch Guyana mit 140 km/h in ‚Raketengeschwindigkeit‘ durch den Urwald geprescht wurde.    

Die Hauptstadt Surinams mit dem wunderschönen Namen Paramaribo (zu deutsch aus dem Sranan Tango (Surinamesisch): Ort an dem der Maramara-Baum wächst) ist wirklich ein Amsterdam in den Tropen. Die ‚Waterkant‘ ist mit stilvollen Holzhäuschen übersät, die auch an einer Gracht 7.000km weiter nordöstlich stehen könnten. Allerdings ist Parbo, wie die Einheimischen sagen, nicht immer ganz ungefährlich, zumindest für Fußgänger, denn Fußgängerampeln gibt es nicht. Dafür aber Ampeln für Autofahrer, die man als Fußgänger wiederum nicht einsehen kann. Plötzlich befindet man sich dann in folgender Situation: An allen Ecken warten die Autos, und man weiß eh schon nicht mehr wohin man beim Linksverkehr blicken soll, und dann heißt es den ganzen Mut zusammennehmen und die Fahrbahn überqueren, da man ja nie weiß, wie viele Sekunden bleiben, das rettende Ufer in Form eines Bürgersteiges zu erreichen.  

Von Surinam können einige Regionen unserer Erde wirklich etwas Lernen, was das Zusammenleben von Kulturen anbetrifft. Die Bevölkerung besteht aus ca. 50% Afroamerikanern, die seit der Abschaffung der Sklaverei, nicht mehr in den Plantagen der Weißen arbeiten wollten. Daher wurden neue Arbeiter aus Indien und Indonesien herbeigeschafft, die mittlerweile die anderen 50% der Bevölkerung ausmachen. Vier große Weltreligionen sind in Surinam durch diese multikulturelle Gesellschaft hier vertreten: Moslems (Indonesier und einige Inder), Hindus (Inder), Christen (Afroamerikaner) und Juden (einige Weiße). Dieser Mischmasch an Religionen und Kulturen lebt hier nicht nebeneinander sondern miteinander. In Parbo z. B. steht die Synagoge direkt neben der Moschee und keiner hat damit ein Problem. Natürlich sind die Surinamesen auf ihre kleine heile Welt gerade in diesen Zeiten mächtig stolz und meiner Meinung nach haben sie auch einen guten Grund dazu…  

Kulinarisch hat dieser Völkermischmasch natürlich auch paradiesische Zustände für Gourmets hervorgebracht. Frühstücken auf europäisch mit gutem Koffie (Cafe) und Schokokuchen, dann einen Chicken-Curry-Sandwich als Zwischenmahl bevor es Nasi Goreng oder Bami Goreng als Mittagessen gibt. Nachmittags dann die leckeren Früchte von den Märkten als Vitaminschocker (Litschis, Bananen, Mangos, Papayas etc.) und abends von den Holländern Pommes mit Mayo. Na dann guten Appetit.  

Von Parbo ging es weiter an der Nordküste Südamerikas weiter in Richtung Westen, um in das dritte Guyana, das nun auch tatsächlich einfach Guyana (früher Britisch Guyana) zu gelangen. Der Name Guyana soll eigentlich von einem Indianerstamm, den Yuyannas abgeleitet sein. Andere Quellen besagen, dass Guyana „Land des reichlichen Wassers“ bedeutet. Dieser Interpretation stimme ich voll zu, da hier alle paar Kilometer riesige Ströme bei der Reise nach Westen zu überqueren sind. Außerdem regnet es hier regelmäßig auch in der Trockenzeit, und Guyanas Hauptstadt ist mit Kanälen (ähnlich wie in Freiburg)durchzogen. Und schließlich gibt es hier noch den höchsten frei fallenden Wasserfall (ohne Kaskaden) der Welt.  

Auch das dritte Guyana hat mit dem, was man sich unter dem Subkontinent Südamerika vorstellt absolut nichts gemein. Vielmehr ist das Land von karibischen Einflüssen geprägt, und ich fühle mich an meine Reise letztes Jahr durch die Inselwelt der kleinen Antillen stark erinnert. Auch die „No Problem People“ tauchten in Guyana wieder auf. Die erste dieser Personen war ein etwas makaberer Typ im Moslemgewand und sehr sehr langem Bart, der sich selbst ständig „Bin Ladin“ nannte, und es total cool fand, einen Ami (ich), der gar keiner war, mit seinem „Terror Ship“ (japanischer Minibus) vom Grenzfluss zu Surinam in die Hauptstadt Georgetown zu bringen. Zu seinem „Service“ gehörte Schwarztauschen von US-Dollar zu einem echt guten Kurs (wo im Busch soll man auch eine Bank finden), die gleich mit dem Fahrpreis verrechnet wurden. Danach besorgte er für alle Nasi Goreng hinter der Grenze zum Essen, und er drängelte so geschickt mit seinem „Terror Ship“, dass wir als erste wieder von der Fähre über einen weiteren Fluss herunterkamen, und dann in der Pole Position Richtung Georgetown düsen konnten. Natürlich setzte er mich auch noch genau an meinem Hotelschuppen ab, den ich mir vorher ausgesucht habe, da er das finanzielle Budget nicht sonderlich belastet.  

Genau dort traf ich dann zum erstem Mal auf dieser Tour so richtige Touris, die dann natürlich auch noch genau aus Mainz kommen müssen. Per Email hatten Steffen, Jochen und ich ganz sponti-mässig ausgemacht, uns in Georgetown, wenn irgendwie möglich zu treffen. Dass dies dann geklappt hat, war natürlich gut, für die Brauereiindustrie Guyanas und ein harter Job für einige Barkeeper…  

Nach einem Tag trennten sich dann wieder unsere Wege, da Jochen und Steffen unbedingt den Schildkröten beim Eierlegen zuschauen wollten, und ich nun langsam landeinwärts touren wollte, um irgendwann mal am Amazonas in Manaus herauszukommen.  

Bis es bei mir weiterging, versuchte ich den Lieblingssport Guyanas endlich mal zu verstehen. Um es vorwegzunehmen: Beim Cricket Game West Indies (alle Karibikstaaten) gegen Indien war ich zwar physisch anwesend, doch ich raffte nicht gerade viel. Außerdem kam ich mitten im Spiel erst an, da diese Verrückten doch tatsächlich von 9.30 bis 17.30 durchspielen. Wer gewonnen hat? Keine Ahnung! Obwohl zahlreiche Guyana-Fans mir versuchten, irgendeine Logik bei diesem Spiel zu zeigen. Vielleicht könnt Ihr mir ja weiterhelfen. Auf jeden Fall war das Spiel eh nur Nebensache, denn es gab einen extra DJ der das Publikum ständig mit guten Beats einheizte, und die Stimmung zum Kochen brachte. Doch die Stimmung artete nur in eine grenzenlose Party aus, ohne dass auch nur eine Person irgendwie aggressiv wurde. Tja, andere Länder andere Sitten. Hooligans gibt es hier einfach nicht, dazu sind die Leute einfach viel zu locker drauf…  

Am nächsten Tag ging es dann wieder on the road bzw. ON AIR, denn in Guyana kann man viele Gegenden weder mit dem Boot (zu viele Wasserfälle) noch mit dem Auto (keine Strassen, zu viel Wald) erreichen. Daher gibt es das gute alte Flugzeug. Doch hier läuft das Fliegen etwas anders ab, als wir es kennen. Die Maschine vom Typ Briten Norman Islander hatte lediglich 9 Sitze, wobei eigentlich 10 Passagiere mitkommen hätten können, da der Sitz des Co Piloten leer blieb –  drastischste Sparmaßnahme? – keine Ahnung. Die Maschine kann nur 65 Gallonen Treibstoff tanken, dies sind rund 250 Liter oder 200 kg. Daher werden schon mal ein paar Kerosinfässer hinten in den Gepäckraum verladen. Gefahrgutverordnungen gibt es hier wohl eher nicht. Übrigens verbraucht ein Airbus A320 schon 200 kg Kerosin, um überhaupt mal zur Startbahn zu rollen. Mit 90 Knoten etwa 160 km/h flogen wir dann über den Regenwald Guyanas. Vor dem Abflug aber mussten allerdings erstmal alle Passagiere gewogen werden. Die Resultate waren vor allem für die weiblichen Passagiere sehr schockierend gewesen. Handgepäck wurde auch gewogen und bei einer Freigepäckgrenze von 25 lbs. etwa 12 kg, musste ich doch für sage und schreibe 38 lbs. Übergepäck zahlen (20 US$). Die Tatsache, dass hier so exakt gearbeitet wurde, hatte in mir erst mal ein gutes Gefühl ausgelöst. Auch der Start war eigentlich echt lässig. Dumm nur, dass wir genau in eine Gewitterfront herein geflogen sind. Der Regen und die Wolken durchschüttelten das Flugzeug wie ein Mixer einen Wodka Martini, und als es begann, ins Flugzeug hereinzuregnen, fing ich langsam an, mir so meine Gedanken zu machen. Als es dann auch noch blitzte wollte ich nur noch heil wieder rauskommen. Für Leute mit Flugangst war dies eine richtige Schocktherapie gewesen.  

Ich machte mir zwischen Hoffen und Bangen, dann Gedanken, wie ich den Rück- bzw. Weiterflug irgendwie verhindern könnte, denn ich hatte keine große Lust mehr, falls ich denn überhaupt heil lande, noch mal mit dieser Kiste zu fliegen. Das Einzige was mich irgendwie beruhigte, waren die anderen Passagiere, die z. T. sogar schliefen! Der Pilot hinter dem ich unmittelbar saß, machte seine Aufzeichnungen während des Gewitters, als ob er einen Lottoschein ausfüllen würde, und zum Glück funktionierte wenigstens das GPS-Gerät, mit dem die Maschine ausgestattet war. Und plötzlich war alles vorbei. Flogen wir die ganze Zeit durch Wolken in einer Höhe von 6800 Fuß (ca. 2.200 m ) – mehr lässt die nicht vorhandene Druckkabine nicht zu – wurde es immer heller und dann war mein Ziel auch schon erkennbar: Die Kaieteur Wasserfälle, die wie gesagt, die höchsten der Welt ohne Kaskaden sind, wurden durch die Wolkendecke sichtbar.

Der Pilot flog auch noch extra eine Schleife, damit jeder dieses herrliche Naturschauspiel von oben genießen konnte. Rundherum nur Regenwald und ein mäandernder Fluss, der plötzlich in einer Stufe von 800 Fuß von einem Hochplateau in die Tiefe stürzt. Der Airstrip und 3 Häuser waren die einzigen Zeugen von Zivilisation in diesem Gebiet. Ich war natürlich der Einzige der hier ausstieg, die anderen Mitflieger hatten natürlich besseres zu tun, als sich mitten im Regenwald absetzen zu lassen. Doch so ganz alleine war ich nun auch nicht, denn schließlich gibt es Paul, den indianischen Ranger, der in einem „Guesthouse“ direkt an den Fällen für den Fall ausharrt, das so jemand wie ich, mal hier vorbeischaut.  

Wie die Story weitergeht… Schauen wir mal… Ich muss jetzt mal langsam was zu Essen fassen, denn meine Fingermuskulatur ist mittlerweile vom Tippen ganz schön beansprucht…