Quo vadis Mainz 05?

Eigentlich ist doch alles im Lot bei uns in der goldenen Stadt. Wir haben bekanntlich eine Jahreszeit mehr als der Rest der Welt und für viele von uns ist die aktuelle, die nullfünfte, selbstverständlich die schönste Jahreszeit von allen! Ich greife, anders das mittlerweile auch in Mainz dafür bekannte Fachmagazin, ungern in den demokratischen Entscheidungsprozess ein, aber wenn die Fraktionen von CDU, SPD, Grüne, FDP, ÖDP und FWG den Vorschlag des OBs gut finden, dann wird wohl am 7. Februar das „Margittsche“ an ihrem 75. Geburtstag die zweite Ehrenbürgerin der Stadt Mainz – mit Hilfe einer demokratischen Abstimmung im Stadtrat und zwar durch einem Mehrheitsentscheid. Es wäre erst die zweite Frau überhaupt nach Anna Seghers 1981 und eine, die ausgerechnet aus der von Männern dominierten Fassenachtsszene stammt.

Stadion am Europakreisel in Mainz
Stadion am Europakreisel in Mainz

Und wir befinden uns glücklicherweise im Jahr 2018 und nicht im Jahr 1970. Da saß Lenelotte von Bothmer im Deutschen Bundestag und der Bundestagsvizepräsident hatte angekündigt, er werde der Abgeordneten das Rederecht entziehen, wenn sie – in Hosen!!! – erscheinen würde. In dieser Epoche sind wohl einige Menschen hängengeblieben oder hängen an diesen alten Zeiten, wenn man bedenkt, was in den letzten Wochen in unserem Städtchen so abgegangen ist. Nein, früher war nicht alles besser (die Bundesliga per se mal ausgenommen). Und Ende 2017 hat sich in unserem Land sogar etwas Revolutionäres zugetragen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass es zukünftig mehr als zwei Geschlechter geben müsse – also mehr als Männer, besser bekannt als „Fußballexperten“, und Frauen, die davon „natürlich keine Ahnung“ haben. Die Parteien von Die Linke bis CDU/CSU haben darauf recht souverän oder gar nicht groß reagiert. Aber wie gehen eigentlich manche, vorzugsweise männliche, Journalisten diverser Medien in Zukunft damit um, dass die Karlsruher Richter sogar an der Abschaffung der Geschlechter rütteln?

Wahrscheinlich waren einige so verwirrt, dass sie dem Aufsichtsrat von Mainz 05 plötzlich rein zufällig in dieser Woche ganz krude Fragen stellten. Denn 2017 hat sich noch etwas Wunderbares getan: Die Mitglieder des eingetragenen Fußballsportvereins von 1905 haben dafür gesorgt, dass ab sofort ein Fanvertreter in den Aufsichtsrat entsendet wird, sofern er von der Mehrheit der anwesenden Mitglieder bestätigt wird. Und dass dieser Fanvertreter Nähe zu den Fans zeigt, in dem er bei Auswärtsspielen im Gästeblocksteht (wo denn sonst?)… Sachen gibt’s. Da muss natürlich investigativ nachgefragt werden, warum dieser Fanvertreter gar nicht auf die Idee kommt, im proppevollen Block bei den Lilien den Versuch zu unternehmen,den weder Security noch Feuerwehr wagen, Fackeln zu löschen. Warum, fast ein Jahr nach dem Spiel in Darmstadt, ausgerechnet in der Woche vor der Wahl darauf herumgeritten wird? Zeitgleich fragt ein anderes Medium, was ein Kandidat bzw. eine Kandidatin vom Fußball eigentlich versteht? Wahrscheinlich hat dieses Medium erstens nicht mitbekommen, dass wir nicht den Sportvorstand wählen. Zweitens würde dieses Medium Rouven Schröder sicher nicht fragen, was er vom Tischtennis oder vom Handball versteht und drittens war Harald Strutz meines Wissens erfolgreicher Leichtathlet und kein Fußballexperte. 1970 lässt grüßen!

Es gab in 2017 noch etwas wunderbares, was es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. Aufgrund der Zündelei in Darmstadt wurde schließlich von den damals handelnden Personen bei Mainz 05 beschlossen, den Ultras keine Karten mehr für Auswärtsspiele zukommen zu lassen. Sprich in höchster Not im Abstiegskampf entschloss man sich für Kollektivstrafen und dafür, eine große Gruppe von Menschen, für etwas büßen zu lassen, das Einzelne begangen haben. Was das für das Gerichtigkeitsempfinden junger Erwachsener für Auswirkungen hat, war anscheinend zweitrangig. Außerdem war diese Maßnahme entweder reine Symbolik, um Home-Pöbler zu besänftigen (dazu später mehr), oder man war so naiv zu glauben, dass diese Maßnahme tatsächlich greift – was natürlich auch etwas über die „Fannähe“ aussagt. Die Maßnahme griff bekanntlich nicht – denn ansonsten würden wir womöglich diese Saison gegen K-Town statt dreimal gegen Bembel-Town spielen. Denn wer stieg in Ingolstadt da nochmal runter vom Zaun und machte die rot-weißen Jungs so richtig heiß auf den Abstiegskampf? Es war keine der handelnden Personen im Verein, die das vielleicht wesentlich professioneller hinter den Kulissen taten – aber genau dieser Funke (Achtung: feuergefährlich) musste hin und her springen – in der Öffentlichkeit – zwischen Mannschaft und Fans. Und das war unbestritten ein Verdienst eines Mitglieds der Ultras, die an einem Sonntag Nachmittag nach Oberbayern fuhren, statt Nullfünf am Fernseher zu konsumieren und über das Ergebnis im Anschluss genüsslich zu meckern. Wunderbar!

Dass nun plötzlich alle gegen Kollektivstrafen sind, ist ja schön undgut. Aber das entscheidet glaube ich auch ein Vorstandsvorsitzender nicht alleine. Daher wählen wir am Sonntag auch keinen Allmächtigen – auch wenn das immer noch viele Männer im Fußball glauben, wenn man den Artikel vom Donnerstag in der AZ liest, in der der BVB-Boss dafür plädiert, dass einer der Kandidaten „den Laden wieder in Ordnung“ bringen soll. Herr Watzke sollte allerdings mitbekommen haben, dass es in Mainz demokratische Vereinsstrukturen gibt, in denen der den Laden in Ordnung bringen sollte, der die Mehrheit der anwesenden Mitglieder in einer entsprechenden Versammlung hinter sich bringt und nicht durch schwarz-gelbe Absolution – auch wenn es echte Liebe ist. Für die Demokratie wäre es hilfreich, wenn alle sich an diese Spielregeln halten würden, gerade wenn man Ultras vorwirft, sich nicht an Spielregeln zu halten, wenn diese im Stadion Pyro abbrennen. Man kann durchaus seit der Trump-Wahl ein wenig Angst vor der Macht der Mehrheit bekommen. Nur, egal ob in den USA oder in Mainz, wenn die Mehrheit der Meinung ist, dass die Alternative für sie keine Alternative ist, dann sollte diese Alternative dafür sorgen, entsprechende mehrheitsfähige Angebote zu unterbreiten – was im Umkehrschluss ausdrücklich nicht bedeutet, sowohl in den USA und in Mainz, dass der Wahlgewinner automatisch das Beste für Land bzw. Verein ist. Natürlich war im Nachhinein die Wahl von Kaluza alleine schon deshalb nicht der Knaller, weil wir am Sonntag schon wieder zur Wahl gebeten werden. Bei der Wahl am Sonntag tritt auch eine personifizierte Übergangslösung an. Vielleicht hat der Verein genau diese Übergangslösung nach der Ära Strutz gebraucht – aber vielleicht eher im Sommer 2017 für ein paar Monate als jetzt im Winter 2018 für drei Jahre – aber, das sollen einfach die anwesenden Mitglieder am Sonntag entscheiden.

Ich frage mich ganz ehrlich, was die Medien reitet, sich in solche ur-demokratische Entscheidungsprozesse einzumischen. Das Offenlegen der Definition des Ehrenamts à la Nullfünf und die Bezahlung dessen in Bezug auf den Vorgängers Kaluzas ist ein großer Verdienst der Medien – chapeau! Aber schon bei der Wahl des Aufsichtsrats im Sommer hat sich dann eine große Mainzer Tageszeitung nicht mit Ruhm bekleckert, als deren Verlagsangehöriger seine Kandidatur für den Aufsichtsrat nach Kaluzas Sieg zurückzog und mehre Medien den Ultas die „Schuld“ am Ausgang der Vorstandswahl gegeben haben. Hätte hätte Fahrradkette – aber, wenn er damals das demokratische Mehrheitsprinzip akzeptiert hätte, dann würde er womöglich jetzt im Aufsichtsrat Kontrolle ausüben. Womöglich auch die Kontrolle darüber, ob und wen der Aufsichtsrat ins Rennen um den Vorstandsvorsitz schickt. Die AZ hat vielleicht daraus gelernt, denn aktuell wird sachlich berichtet, ohne mit Schlamm in die Schacht der Lesergunst zu ziehen. Dafür fühlen sich jetzt andere Magazine berufen, ein Watergate am Rhein aufzudecken. Dafür wird auch eine Kollegin der Zunft zur Fan-Kolumnistin herabgestuft. Dass es sich dabei um eine Frau handelt – vielleicht Zufall – in einer von Männern dominierten Sparte des Journalismus vielleicht auch nicht. Nur sollte sich das Fachmagazin lieber wieder um Torwartkanonen und um die Elf des Spieltags kümmern, wenn man noch nicht einmal korrekt zitieren kann, denn so lässt es sich so viel schöner tendenziös berichten.

Viele 05-Sympathisanten bekommen es leider nicht auf die Kette, Mitglied zu werden. Und die mehr als 10.000 Mitglieder bekommen es nicht auf die Reihe, auswärts zu fahren, auch wenn es nur in Gefilde des SV Gonsenheim geht, um in der Halle 45 ihre Stimme abzugeben. Es ist doch so viel kuscheliger vor dem PC zu sitzen, lebenslanges Stadionverbot für Pyromanen zu fordern, Sandro rausschmeißen zu lassen und den rot-weißen Jungs kollektive Arbeitsverweigerung zu attestieren. Wir haben mehr als 10.000 Mitglieder und eigentlich müssten wir mal wieder nach Bembeltown ausweichen, wie anno 2005 für den UEFA-Cup, um alle Mitglieder unter ein Dach zu bekommen, wenn es um die Wahl des Vorstandsvorsitzenden geht. Aber wahrscheinlich wird am Sonntag selbst die Halle 45 nicht aus allen Nähten platzen – trotz dieser subtilen Mobilisierungsversuche, die ja ganz nett wären, würde es dem hehren Zwecke dienen, mehr Leute an die Wahlurne zu bewegen – egal, wen man da wählen möchte. Wem das Ergebnis im Nachhinein nicht passt, der schiebt es einfach auf die, die alle zwei Wochen durch die Republik düsen, die Mannschaft zum Großteil bedingungslos unterstützen und sich im Verein engagieren. Aber vielleicht gibt es ja noch Lernfähige unter den das letzte Mal daheim gebliebenen Mitgliedern, die sich aus der Komfortzone des Flatrate-Motzens rausbewegen und von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

Denn ich bin schlicht und einfach dafür, am Sonntag die Demokratie in unserem Verein hochleben zu lassen, wählen zu gehen und das Ergebnis zu akzeptieren – schließlich wird sicherlich kein Videobeweis dafür benötigt.Und dann lasst uns mit dem neuen Aushängeschild unseres Vereins gemeinsam den Abstiegskampf angehen, damit hier auch weiterhin alles im Lot bleibt. Und lasst uns als Mitglieder, wenn es die anwesende Mehrheit möchte, an diesem Tag Fußball-Geschichte schreiben.

Lasst uns Fehler akzeptieren

Warum ich ins Stadion gehe und nicht ins Internet, um mir zahlreiche Dekoder zuzulegen, um den Fußball auf dem Bildschirm zu betrachten? Hm, weil nunmal der abgedroschene 5-Euro-ins-Phrasenschwein-Werbespruch „Mittendrin statt nur dabei!“ tatsächlich stimmt.

Blick aus dem Gästeblock auf das Spielgeschehen im Borussia-Park
Blick aus dem Gästeblock auf das Spielgeschehen im Borussia-Park

Und was erlebte ich gestern im Gästeblock? Ein Tor, das erst nicht zählte, dann durch den Videobeweis doch. Eskalieren? Irgendwie nicht. Auch Abdou freute sich zunächst wie ein Schneekönig, dann wurde sein Jubeln abgebremst und schließlich zählte das Tor dann doch. Das kam mir irgendwie wie ein schales Bier vor und die Schmähgesänge gegen den DFB im Anschluss an das gegebene Tor aus dem Mainzer (!) Block zeigen schlicht, dass es Fußballfans halt auch um das Wie und nicht nur ums Gewinnen an sich geht.
Dass Jean-Philippe zuvor elfmeterreif gefoult wurde und der Videobeweis nicht zum Einsatz kam, nun ja. Denn schlimmer geht ja immer: Levins Schuss ins Glück, der Block eskaliert, um dann Sekunden später wieder runterkommen zu müssen. Da war es dann eigentlich schon fast egal, ob das Tor nun zählte oder nicht – die Emotionen wurden wunderbar zerstört.
Vor dem Anpfiff gestern wurde der Videobeweis zum x-ten mal auf der Anzeigetafel erklärt. Er soll den Fußball gerechter machen. Ein hehres Anliegen, eine für sich genommen gute Idee. Aber wenn man das gestrige Spiel betrachtet, hätte das erste Tor letztlich nicht gezählt. Der Gästeblock wäre explodiert und dem Schiedsrichter alles Übel dieser Welt gewünscht worden – so wie seit der Einführung der Bundesliga und schon weit davor. Levins Ding hätte der Schiri als Tor gewertet und der Gästeblock wäre explodiert. Vielleicht hätte es die eine oder andere Bierdusche gegeben. Wer auswärts fährt, der weiß, was es heißt, in der Höhle des Löwen einen Treffer bejubeln zu dürfen. Man steht sicher früh und vielleicht verkatert auf, fährt hunderte von Kilometern und denkt daran, wann sein Club das letzte Mal einen Dreier in der Fremde geholt hat – davon können wir Mainzer ein sehr bekanntes Liedchen singen. Und dann ein Tor für den eigenen (eingetragenen) Verein! Grandios, galaktisch, geil!
Wenn man aber das Versagen beim Foul an Jean-Philippe betrachtet, dann kann man folgendes Fazit ziehen: Der Videobeweis hat nicht dafür gesorgt, den Fußball gerechter zu machen, er hat es aber hinbekommen, dem Fußball seine Emotionen zu nehmen.
Warum der Fußball nicht gerechter wird ist klar. Weil hier Menschen am Werk sind. Und Menschen machen Fehler. Man will also eine Tatsachenentscheidung eines Menschen ggf. durch einen Videobeweis, der durch einen Menschen angeleiert wird, korrigieren. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. Vielleicht sollten wir einfach wieder mehr Vertrauen in die Leistung der Schiedsrichter entwickeln oder uns einfach daran laben, sich über ihre Tatsachenentscheidungen so richtig schön aufzuregen. Und sicher ist: Es gleicht sich bestimmt nicht alles an Fehlentscheidungen aus. Aber ein Fußballspiel lebt nun mal von seinen Emotionen. Dass Trainer und Offizielle den Videobeweis wollen, ist nachvollziehbar. Sie wollen das Unkalkulierbare, die Tatsachenentscheidung eines Menschen ausmerzen, damit sie im schlimmsten Fall nicht durch einen Fehler eines anderen um ihren Job gebracht werden. Denn diesen Leuten geht es nicht um Emotionen, sondern rein ums Geld. Und da wären wir schon wieder bei der Kommerzialisierung des Fußballs angelangt. Dass aber auch diese monetären Argumente letztlich ins Leere laufen, sollten die Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen.
Und wenn man wie ich als Stadiongänger vielleicht bis gestern dem Videobeweis, nicht erst seit dem Hertha-Spiel, freundlich gesonnen war, dann gestehe ich gerne meinen Fehler ein und denke, dass man diesen nach der Testphase oder gerne früher bitte abschaffen sollte. Er sorgt nicht für Gerechtigkeit und Berechenbarkeit, sondern nur für den Verlust von Emotionen. Und Fehler können tatsächlich sogar zum Schmunzeln anregen. Das hat Robin gestern wunderbar unter Beweis gestellt! Und wenn wir alle mal lernen, Fehler letztlich zu akzeptieren, dann wird der Fußball wieder menschlicher!
In diesem Sinne – pro Stadionverbot, aber nur für den Videobeweis!


Kommerzkritik und Ablöseapplaus – wie passt das zusammen? Ein Erklärungsversuch

Gestern kam in der AZ der neue Aufsichtsratsvorsitzende unseres Fußball- und Sportvereins von 1905 zu Wort. Auf die Frage, wie nahe Höhne bei der Auffassung von Kaluza sei, gegen die Kommerzialisierung im Fußball vorgehen zu müssen, gab es eine ziemlich wirre, nebelhafte Antwort, die darin endete, dass er die Ausführungen von Kaluza zu diesem Thema “intellektuell” nicht verstanden habe.

Davon ab, dass die Fragestellung der AZ (gegen die Kommerzialisierung des Fußballs “vorgehen zu müssen”) in mittlerweile gewohnter Weise die Neutralität dem Neugewählten gegenüber vermissen lässt, hat es meiner Meinung nach natürlich nichts mit fehlendem Intellekt zu tun, es nicht zu verstehen, wie einerseits Rouven Schröder für den Cordoba-Deal abgefeiert wird und andererseits man Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs üben kann. Es hat mehr damit zu tun, ob man Zuhören kann, z.B. der aktiven Fanszene, Fanclubs, Mitgliedern, etc. Da Höhne sicherlich nicht der einzige ist, dem es so geht, wage ich mal den Versuch zu erklären, wie beide Dinge zusammenpassen. Und gleichzeitig hoffe ich, dass er in dem Gremium, dem er vorsteht, dem Fanvertreter zuhört, der ihm die Meinung der Fans dazu sicherlich gerne vorträgt. Und last but not least, dass er solche Spitzen in Zukunft statt in der allzeit dafür bereiten AZ , in den entsprechenden Gesprächen mit Kaluza setzt.

Dabei ist die Sache meiner Meinung nach gar nicht so schwer. Extreme Einstellungen pro und kontra Kommerz kann man praktisch ausblenden. Fußball-Puristen werden bei Mainz 05 sicherlich ohnehin nicht mehr Prozente stellen, als aktuell die Piratenpartei, da dieser Verein seit 1991 bereits ununterbrochen im bezahlten Fußball aktiv ist und sich im Haifischbecken Bundesliga seither erfolgreich durchgebissen hat. Umgekehrt wird sicherlich auch nur eine kleine Minderheit soweit gehen wollen, dem sportlichen Erfolg alles unterzuordnen, um bspw. als Peugeot 05 auf Punktejagd zu gehen, um es langfristig mit den Bayern und Leipzig aufzunehmen. Diese Schwarz-Weiß-Malerei ist also Quatsch. Bleibt die berühmte Grauzone.

Die große Mehrheit der 05er hat nicht nur zum Ende der vergangenen Saison das große gemeinsame Ziel gehabt, drin zu bleiben: Das ging den Ultras so, den Modefans eh ;-), der Haupttribüne und dem 05er vor dem TV-Gerät sicherlich auch. Dass, um heute erstklassig spielen zu können, Geld notwendig ist, bestreitet auch niemand ernsthaft. Gleichzeitig dreht sich diese Geldspirale aber immer weiter nach oben und das auch immer schneller. Diesen Umstand nennt man gemein hin Kommerzialisierung. Und an dieser Spirale stören sich wohl tatsächlich immer mehr Fußballsympatihsanten. Dass immer mehr Geld im Umlauf ist, ist ein Resultat verschiedenster Prozesse und Entscheidungen, wie die immer weiter differenzierten Anstoßzeiten, Spiele am Montag, eine WM mit immer mehr Teilnehmern, Ausstiegsklauseln, Festablösen, Handgelder, Vergabe von Fußballgroßveranstaltungen unter undurchsichtigen Kriterien, Clubs, die nur aus Marketinggründen am Spielbetrieb teilnehmen, Schmiergelder, Korruption, eventuelle Einführung der Nettospielzeit (um Werbeblöcke einzustreuen), die ungleichmäßige Verteilung der Fernsehgelder, die gigantischen Einnahmen aus der Champions League, die Regionalliga-Problematik bei der ein Meister nicht unbedingt aufsteigt, Eventisierung mit Schlagerstars, asiatische Ausbildungsmannschaften etc.

Diese genannten Punkte, und wahrscheinlich habe ich da noch welche vergessen, finden immer mehr Leute einfach nicht gut. Bis zu einem gewissen Punkt machte man das in der Vergangenheit halt so mit. Es ging einem vielleicht schon auf den Keks montags nach Aachen, Gladbach oder Lautern zu fahren, die Verlängerung des Baumi-Vertrags erst gut zu finden um dann festzustellen, dass dieser diverse Klauseln hatte, die ihm ermöglichten plötzlich nach Leverkusen weiterzuziehen, etc. Wenn man nun das Gefühl hat, dass man an den Regeln dieses großen Spiels ohnehin nichts ändern kann steht man vor der Entscheidung: Verweigert man sich und wendet sich ab oder spielt man dieses Spiel namens “Fußball-Business” mit. Wenn letzteres zutrifft, dann geht es halt letztlich darum, dass mein Verein ein möglichst großes Stück von diesem Kuchen erhält. Schließlich handeln die Vereine, denen wir auf Augenhöhe begegnen, genauso. Und dann bejubelt man am Ende einen Rouven Schröder dafür, 15000000 Euro für den Verkauf von Cordoba erzielt zu haben. Dann freut man sich, dass Blümlein einen Rekordumsatz vermelden kann. Das gibt einem als Fan das Gefühl, dass sein Verein immer noch im Haifischbecken Bundesliga mithalten kann.

Dass man die Entwicklung des Fußballs aber kritisch hinterfragen darf, ist keine Kehrseite der Medaille. Und dass da jemand in Zukunft, der genau dafür auch gewählt wurde, um bei den entsprechenden Gremien dies anzumerken, nun an entscheidender Position sitzt, ist so schlecht doch nicht. Dass diese Gremien sich davon beeindrucken lassen, ist allerdings illusorisch, so lange die Repräsentanten der Mehrzahl der anderen Vereine es “intellektuell” nicht gebacken bekommen, ihren Mitgliedern zuzuhören, weil sie dies gar nicht tun müssen. Dass womöglich 50+1 demnächst fallen wird, macht die Situation diesbezüglich auch nicht besser. Aber vielleicht wird die eine oder andere Aktion bei uns im Verein dann in Zukunft anders verlaufen, als bspw. vor ein paar Monaten die Trikotbeflockung beim “Refugees Welcome”-Tag, bei der Mainz 05 brav mitgemacht hat, statt sich da vielleicht mal quer zu stellen. Und die Sehnsucht, der etwas andere Verein wieder zu werden, diese liest man aktuell in fast jeder Stellungnahme, von Kaluza, Röhr, Doetz oder Höhne. Und wenn man dem anderen mal zuhört, dann klappt’s vielleicht auch mit dem “intellektuellen” Verständnis für die Meinung des Gegenüber. Dass Kaluza das Gespräch mit den anderen Kandidaten um den Vorstandsvorsitz sucht, ist auf jeden Fall ein Anfang.