Aufräumen im eigenen Kopf

Eigentlich ist rein biologisch gesehen alles ganz einfach. Wir sind irgendwann auf diesem Planeten geboren worden. Diese Gemeinsamkeit haben wir alle auf unserer Erde. Die zweite Gemeinsamkeit: Irgendwann gehen bei uns allen die Lichter wieder aus.

Das war es allerdings mit den Gemeinsamkeiten auch schon. Das, was zwischen Geburt und Tod liegt, nennen wir bei Pflanzen, Tieren und Menschen Leben. Das Leben der Pflanzen und der Tiere klammere ich dieses Mal bewusst aus, obwohl es natürlich angebracht ist, diese Lebewesen zu respektieren, zu schützen und sich für sie einzusetzen – alleine schon deswegen, damit wir und unsere Nachkommen eine lebenswerte Welt vorfinden.

Wir Menschen sind bei der Geburt alle gleich. Kein Kind kommt mit einer implementierten Kreditkarte ohne Limit oder einer eingeimpften Staatsbürgerschaft auf die Welt. Wir alle erblicken mehr oder weniger auf dieselbe Art und Weise das Licht der Welt. In eben jenem Moment allerdings gelten bereits Konventionen, die nicht natürlich sind, sondern von Menschen festgelegt wurden.

Welchen Sechser die meisten von uns im „Geburtslotto“ hatten, ist uns sicher nicht immer bewusst. Als Deutsche Staatsbürger haben wir seit unserer Geburt zahlreiche Privilegien, die uns in die Wiege gelegt wurden – ohne unser Zutun. Wir hätten auch Staatsbürger eines der anderen fast 200 Länder dieser Welt werden können. In den meisten Fällen wäre damit der Start ins Leben wahrscheinlich schwieriger ausgefallen. Das fällt mir aktuell wieder ein, da wir uns aufgrund der Pandemie in einer Ausnahmesituation befinden: Als Deutsche haben wir eine Bewegungsfreiheit ohne Gleichen. Wir können die meisten Ziele dieser Welt besuchen, ohne begründen zu müssen, warum wir uns dorthin begeben möchten. Länder, Grenzen, Staatsbürgerschaften sind nicht einfach so vom Himmel gefallen. Manche Ländergrenzen wurden von Menschen mit dem Lineal gezogen. Für die meisten Menschen auf unserer Welt ist das Passieren einer Grenze ein Ding der Unmöglichkeit. Die älteren unter uns können sich noch an die innerdeutsche Grenze erinnern. Wollte man sich von Thüringen nach Bayern begeben, war das bis 1990 womöglich ein Todesurteil. Das ist gerade mal 30 Jahre her – doch im Vergessen und Verdrängen liegt eine unserer Kernkompetenzen. Möchten Menschen ihren aktuellen Wohnsitz verlegen, z.B. von Aleppo nach Mainz, dann scheitert das nicht daran, dass ein Ozean dazwischenliegt, sondern daran, dass wir Menschen Grenzen gezogen haben, die das verhindern. Ich durfte diese 1995 in umgekehrter Richtung relativ einfach passieren. Als Deutscher konnte ich mit dem Zug problemlos nach Österreich fahren. Ich bekam ein Visum für Ungarn, Rumänien und Bulgarien ausgestellt. Die Türkei ließ mich mit dem deutschen Pass ohne zusätzlichen Papierkram einreisen und auch für Syrien bekam ich, dem Bundesadler auf dem Pass sei Dank, das Visum problemlos ausgestellt. Ich galt als Tourist – jemand, der aktuell die umgekehrte Route mit einem syrischen Pass nimmt, gilt als Flüchtling. Definiert haben das Menschen – nicht Mutter Natur. Selbstverständlich wollte ich nur ein paar Tage in Syrien bleiben und umgekehrt möchte jemand, der bei uns Schutz sucht, so lange bleiben, bis die Gefahr vorüber ist. Es geht bei dem Beispiel einfach darum zu zeigen, dass ein Stück Papier einen großen Unterschied macht – obwohl die Menschen biologisch gesehen nichts unterscheidet.

Voneinander lernen, wie hier in Sierra Leone, ist vielleicht das beste Mittel gegen Rassismus.

Kommen wir in Deutschland auf die Welt, ist die Chance relativ hoch, die ersten Tage zu überleben. Die Kindersterblichkeit ist weltweit von Land zu Land unterschiedlich. In Singapur, Island, Japan, Monaco und Slowenien liegt sie bei 2 Todesfällen pro 1000 Lebendgeborene, bei uns in Deutschland bei 3 und im Tschad bei 72, im Niger bei 79, in der Zentralafrikanischen Republik bei 84, in Somalia bei 93 und in Afghanistan bei 109. Natürlich herrscht in den letztgenannten Ländern ein anderes Klima. Das ist sicherlich noch nicht menschengemacht (wird es aber zunehmend, wenn uns Tiere und Pflanzen weiter egal sind). Die hohe Kindersterblichkeit liegt darin nicht begründet. Vielmehr ist sie darauf zurückzuführen, dass in all diesen Ländern Bürgerkriege die letzten Jahrzehnte geprägt haben. Diese Kriege sind kein Gesetz der Natur, sondern wurden von Menschen vom Zaun gebrochen. Die Gründe liegen teilweise einhundert Jahre zurück – z.B. in der willkürlichen Grenzziehung nach dem ersten Weltkrieg. Sofern wir jünger als 75 sind, ist die Chance relativ groß, dass wir noch nie einen Krieg miterleben mussten. Dass seit 1945 in Mitteleuropa Frieden herrscht, sehen wir oft als „natürlich“ an. Auf meiner Reise 1995 nach Syrien musste ich mich in Budapest entscheiden, ob ich über Belgrad oder Bukarest nach Istanbul reisen wollte. Niemand konnte mir in meinem Mainzer Reisebüro sagen, wie ich auf dem Landweg in die Metropole am Bosporus gelangen konnte. Daher besaß ich auch ein Visum für Rest-Jugoslawien. Von einer Reise dorthin wurde mir aber damals vom Auswärtigen Amt mittels der mittlerweile bekannten Reisewarnung abgeraten – weil in dieser Region gerade Krieg herrschte – eine Tages- und Nachtzugfahrt von Mainz entfernt. Das ist gerade mal 25 Jahre her und geographisch gesehen ebenfalls nicht sehr weit weg von uns.

Sprich – auf das Timing der Geburt kommt es an. Vor 1945 in Deutschland geboren worden zu sein, war nicht der oben genannte Sechser im Lotto. Und vor 1990 in der Deutschen Demokratischen Republik geboren worden zu sein, vielleicht auch nicht. Ich schreibe „vielleicht“, weil ich es nicht miterlebt habe, das Leben in der DDR. Allerdings habe ich, seit ich denken konnte, mit dem Wort „DDR“ etwas assoziiert. Ich habe im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung über dieses Land etwas erfahren. Gespräche in der Familie über die DDR gab es kaum, weil wir keine Verwandten „drüben“ hatten. Durch all die Einflüsse hat sich in meinem Kopf ein Bild der DDR geprägt. Es zeigt, dass ich nicht unvoreingenommen dieser DDR gegenübertrat. Ich habe Staatsbürger der DDR vor der Wende meines Wissens gar nicht getroffen. Trotzdem hatte ich mir ein Bild gemacht und in meinem Hirn etwas zu „DDR“ und den Menschen, die dort lebten, „abgelegt“.

Die Festung in Dakar, Senegal ist ein Relikt des Sklavenhandels – von hier wurden Schwarze Menschen nach Amerika verschifft. Der Spruch auf der Stehle blickt hoffnungsvoll in die Zukunft.

Neben der „richtigen“ Staatsbürgerschaft und dem „richtigen“ Timing gibt es einen weiteren Faktor bei der Geburt, der den Start ins Leben massiv beeinflusst. Die bereits angesprochene imaginäre „implementierte Kreditkarte“ ohne Limit. Vor dem Gesetz sind wir Menschen in Deutschland alle gleich. Doch bei der Geburt entscheidet sich schon manchmal der gesamte Lebensweg. Qua Geburt sind wir bereits Erben. „Die Bundesrepublik gehört immer noch zu den OECD-Staaten, in denen der Schulerfolg eines Kindes deutlich enger vom sozioökonomischen Hintergrund abhängt als in vielen anderen Ländern, sagt Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor.“ (Spiegel, vom 23.10.18) . Will sagen dass der Schulerfolg bei uns sehr wohl davon abhängen kann, ob man in eine finanziell gut ausgestattete Familie, bei der die Eltern Akademiker sind, hineingeboren wird, oder ob man in einer Familie aufwächst, die nicht so viel Kohle hat und in der die Eltern womöglich kein Abitur gemacht haben. Es macht auch einen Unterschied, mit welchem Geschlecht wir auf die Welt kommen. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein hehres Ziel aber noch lange nicht erreicht.

Mit den bisherigen Zeilen wollte ich ausdrücken, dass es alles andere als selbstverständlich ist, dass wir so ein Leben führen, wie wir es aktuell führen – im Positiven wie im Negativen. Die Liste der oben genannten Beispiele ist sicher nicht abschließend. Jeder von uns hat Probleme und das Leben stellt uns jeden Tag vor neue Herausforderungen – das gilt für alle Menschen weltweit. Vielleicht haben die Beispiele gezeigt, dass es Wert ist, die eigene Situation neu zu betrachten. Durch den Ausbruch von Corona hat sich das Leben von uns allen verändert. Wir mussten in unserem Alltag Änderungen notgedrungen vornehmen. Wir haben aber auch gelernt, uns und andere zu schützen. Wir haben als Gemeinschaft gezeigt, dass wir bereit sind zu lernen, dass wir Änderungen in unserem Verhalten vornehmen können.

Wir können die Welt in ihrer Gesamtheit nicht „retten“. Wir können uns für die Schwachen der Gesellschaft engagieren, für die Gleichstellung der Geschlechter, für faire Arbeitsbedingungen, für das Klima und die Natur u.v.m. Das ist alles löblich und ich habe großen Respekt vor den Menschen, die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass die Welt einen Tick „besser“ wird.

Ich erwarte so ein Engagement von Menschen für andere nicht – gerade weil viele Menschen auch in Deutschland große Probleme haben. Natürlich haben die eigenen Probleme Priorität. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir jeden Menschen nach seinem Handeln und Denken beurteilen sollten – nicht nach Staatsbürgerschaft, Alter, Geschlecht oder finanziellem Hintergrund. Aber das ist leider die graue Theorie. Schließlich gibt es da noch etwas, was uns Menschen unterscheidet: Die Hautfarbe.

Wenn man wie ich Rassismus nie erlebt hat, ist es fast unmöglich, nicht selbst das eine oder andere Mal in rassistische Denkmuster zu verfallen. Wer die bisherigen Zeilen gelesen hat, beweist Ausdauer. Diese Ausdauer kostet Zeit. Diese ist meiner Meinung auch notwendig, um „Rassismus [zu] entlernen“, wie Aminata Touré, Landtagsvizepräsidentin in Schleswig-Holstein sagt. Wir sollten „entlernen“, vielleicht sogar unbewusst, rassistisch zu agieren. Wir sollten Zeit investieren, um Artikel von Menschen zu lesen, die selbst von Rassismus betroffen sind und anschaulich beschreiben, wie Rassismus unterschwellig in unserem Alltag vorkommt – oft ungewollt und nicht so platt, dass jede*r bemerkt, um was es sich da gerade handelt. Ferner ist die Bereitschaft notwendig, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, und sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das einen selbst gar nicht unmittelbar betrifft.

Ich habe die vorletzte Woche den Text von Alice Hasters im Deutschlandfunk gelesen „Warum weiße Menschen so gerne gleich sind“. Sie zeigt zahlreiche Ansätze auf, mit denen wir unser eigenes Denken und Handeln hinterfragen können. Zunächst einmal geht es um die Definition von Rassismus. Sie zitiert den amerikanischen Rassismusforscher Ibram X. Kendi, der Rassismus als „Jegliche Vorstellung, die eine bestimmte ethnische Gruppe als einer anderen ethnischen Gruppe unterlegen oder überlegen betrachtet.“ definiert.

Diese Definition muss nach Hasters Meinung allerdings konkretisiert werden. Auf meinen Reisen durch Westafrika konnte ich an vielen Stellen koloniale Spuren des Rassismus an den Küsten des Senegals und Benins entdecken. Hier sind hunderttausende Schwarze Menschen verschifft worden, um in Amerika als Sklaven zu arbeiten. Organisiert wurde der Handel von Weißen, die sich den Schwarzen Menschen schlicht überlegen fühlten. Sie konstruierten „Rassen“ aufgrund der Hautfarbe. Daher ist die aktuelle Diskussion um das Entfernen des Wortes „Rasse“ aus dem Grundgesetz auch so wichtig – es gibt schlicht keine unterschiedlichen Rassen von Menschen. „Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung“ stellt die Deutsche Zoologische Gesellschaft in ihrer Jenaer Erklärung fest.

Eine „Norm“ bei Menschen aufzustellen ist abwegig. Daher kann der weiße Mensch auch keine Norm sein.

 „Weiße Menschen haben die Theorie etabliert, dass Charaktereigenschaften, kulturelle und soziale Fähigkeiten mit biologischen Merkmalen zusammenhängen. Dieses System nennt sich White Supremacy – Weiße Vorherrschaft.“ so Hasters. Dieses Denken wurde in den letzten Jahrhunderten etabliert. Sklavenhandel wurde mit der Zeit weltweit fast überall verboten und auch der Kolonialismus ist seit nunmehr 50 Jahren mehr oder weniger passé. Doch es kommt auf das Denken und Handeln von uns an. Papier ist geduldig. Wir sollten uns selbst fragen, ob wir auf einen uns unbekannten Schwarzen Menschen, der uns begegnet, genauso reagieren, wie auf einen Weißen. Es muss unerträglich sein, jeden Tag auf der Straße anders angeschaut zu werden, als andere Mitbürger*innen. Hasters beschreibt diese so genannte „Mikroaggression“ als „Mückenstiche“. Wie die Reaktion auf Schwarze Menschen ausfällt ist ihrer Meinung nach zunächst unerheblich. „Rassismus ist nicht erst Rassismus, wenn er böse gemeint ist“. Dabei geht es auch um vermeintliche Komplimente, wenn Leute in ihre Haare fassen möchten, weil diese „anders“ sind. Das Aufstellen einer Norm (weißer Mensch ohne Kraushaar) wirkt auf Schwarze Menschen ausgrenzend. 1999 war ich mit einer blondhaarigen Freundin in Westafrika unterwegs. Viele Kinder sind vor ihr weggerannt, weil sie einen Menschen mit blonden Haaren noch nie gesehen haben. Wir haben das damals als lustig empfunden, gerade auch weil die Erwachsenen gelacht haben und die Situation dazu einlud, ins Gespräch zu kommen. Aber wenn tagtäglich Menschen vor mir eine solche Reaktion zeigen, kann ich die von Hasters erwähnten „Mückenstiche“ nachempfinden.

Wenn ich bisher gefragt wurde, warum ich so oft nach Afrika gefahren bin, habe ich meist geantwortet, der wunderschönen Natur aber auch der Menschen wegen. Ich habe bei den Schwarzen Menschen verallgemeinert: Coolness, Lebensfreue, Gelassenheit – das waren manche der Attribute, die ich mit den Menschen in Afrika assoziiert habe. Nach Hasters ist das auch eine Art Rassismus, den ich da an den Tag gelegt habe – was ich mittlerweile nachvollziehen kann. Schließlich wird nicht jeder Mensch Afrikas die genannten Attribute verkörpern.

Hasters geht auch auf die Argumentation ein, dass manche Menschen „keine Hautfarben sehen würden“. Sie ist der Auffassung, dass diese Leute nicht in der Lage sind, Rassismus zu erkennen. Spätestens da sind wir an dem Punkt angelangt, dass es notwendig ist, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Daher ist meiner Meinung neben Empathie auch Vertrauen notwendig. Vertrauen gegenüber Menschen, die sich rassistisch angegangen fühlen. Das machen diese Menschen nicht, um Aufmerksamkeit für sich zu erhaschen, sondern um auf eine Situation aufmerksam zu machen, die bei näherer Betrachtungsweise naheliegt. Diese Menschen haben ein Recht darauf, dass dieses Problem angegangen wird.

Attribute Menschengruppen generell zu verpassen kann auch Rassismus sein – jeder Mensch reagiert anders auf diese Verkehrssituation in Cotonou, Benin. Coolness, Gelassenheit etc. empfindet hier sicher jeder von uns anders.

Ein weiterer Punkt, den ich mir selbst in der Debatte anlasten muss, ist das N-Wort (wahlweise auch das Z-Wort in Bezug auf Sinti und Roma), das immer noch in der Kinderliteratur Verwendung findet. Selbst nie mit Rassismus konfrontiert habe ich mir über dieses nie wirklich Gedanken gemacht, bis ich von guten Freund*innen vor ein paar Jahren darauf hingewiesen wurde. Hasters reagiert auf das N-Wort ziemlich souverän, da sie sich in Menschen wie mich hineinversetzt, die sich damit bisher nicht auseinandergesetzt haben. „Es ist das eine, Rassismus zu reproduzieren, weil man ihn nicht erkennt. Es ist etwas anderes, Rassismus zu reproduzieren, weil man die Perspektiven anderer Menschen nicht anerkennt.“. Sobald man dies allerdings erkennt und sich dennoch nicht gegen die Streichung des N-Wortes einsetzt, handelt man rassistisch. Auch dieser Aspekt hat mir zu denken gegeben.

Wir Menschen neigen oft dazu, Sachen aufzuwiegen. Ich gehe gar auf „Whataboutism“ ein, sondern bleibe beim Rassismus. Man könnte schließlich der Meinung sein, als weißer Mensch in Afrika ebenfalls von Rassismus betroffen zu sein, wenn ich dort zum Beispiel mehr für den Bus bezahlen musste als die Einheimischen. Hasters erkennt hier eher die Privilegien, die ich als Weißer habe, der dort als reich und höhergestellt gilt. Sie erkennt an, dass diese Erfahrungen nicht unbedingt positiv sind – es wird mir als weißem Menschen aber tatsächlich nicht unterstellt, dass ich kriminell oder sonstwie bedrohlich sei. Das genannte Beispiel mit dem Bus kann ärgerlich sein, hat aber tatsächlich nichts mit Rassismus zu tun. Es ist eher die Folge des Rassismus, da durch die Ausbeutung der ehemaligen Kolonien durch die Weißen, die „Norm“ entstand, dass Weiße reich und Schwarze Menschen arm sind.

Ein Privileg von Weißen ist es Rassismus zu ignorieren. Hasters schreibt „Die Anerkennung meiner Perspektive ist kein Selbstverständnis, sie ist ein Kampf.“. Und dass Schweigen nichts bringt, wissen wir alle. Wenn rassistische Sätze fallen, dann sollten wir das auch äußern. Fangen wir damit im Bekanntenkreis an: in der Familie, auf der Arbeit, in der Kneipe und hoffentlich bald auch wieder im Stadion.

Es sei denn, es ist uns egal, wie wir Menschen miteinander umgehen. Dann hätte es aber auch nichts gebracht, diesen langen Text zu lesen. Einfach einmal sein eigenes Denken und Handeln zu hinterfragen kostet kein Geld. Und zu versuchen, andere Menschen ausschließlich nach deren Denken und Handeln zu beurteilen auch nicht. Dieses Aufräumen im Kopf tut letzten Endes auch mir persönlich gut. In den letzten Jahrzehnten konnte ich mir auch ein Bild von Menschen aus der ehemaligen DDR machen, da ich glücklicherweise nach der Wende viele kennengelernt habe. Das pauschale Bild der DDR, das ich in meinem Kopf hatte, habe ich damit auch ersetzen können – durch einzelne Menschen, die ich nach ihrem Denken und Handeln beurteile.  

Quellen:

Rassismus – Grünen-Politikerin Touré: „Wir müssen Rassismus entlernen“ – Gesellschaft – SZ.de

Identitäten (7/7) – Warum weiße Menschen so gerne gleich sind – Deutschlandfunk

DZG2019 – Jenaer Erklärung – Deutsche Zoologische Gesellschaft e.V.

Wie wäre es mit einer Task Force „Green Deal für die Bundesliga“ liebe DFL?

Mainz 05 spielt morgen Abend in der alten Försterei. Es ist anzunehmen, dass der selbst ernannte erste klimaneutrale Fußballverein der Bundesliga heute mit dem Flugzeug nach Berlin reisen wird. Wer dabei Schnappatmung bekommt, weil die Nullfünfer innerdeutsch fliegen, oder weil wir angeblich gerade wirklich andere Probleme haben, dem sei das Weiterlesen nicht unbedingt zu empfehlen – Schwarz-Weiß-Malerei passt nicht wirklich zu unseren rot-weißen Farben und grünen Themen.

Grundsätzlich alles auszuschließen, sprich niemals (innerdeutsch) zu fliegen oder keine Rücksicht auf das Klima zu nehmen, ist in unserer komplexen Welt nicht zielführend. Würde von heute auf morgen sogar der gesamte Flugverkehr zum Erliegen kommen, wie es gegenwärtig fast der Fall ist, werden immer noch 97 Prozent des bisher ausgestoßenen Kohlendioxids (CO₂) emittiert – sprich diese rigorose Maßnahme hätte keine wirklichen Auswirkungen auf die Entwicklung des weltweiten Klimas. Dennoch ist es natürlich umweltfreundlicher mit der Bahn oder dem Bus nach Berlin zu reisen. Nur bringt es das Klima nicht wirklich weiter, wenn eine Gruppe von 20 Menschen auf diesen Flug verzichten sollte und sich das Flugverhalten und -angebot aller anderen Player nicht verändert.

Hier am Bruchweg zeigte Mainz 05 allerdings schon seine Bereitschaft zum Klimaschutz durch eine Solaranlage auf dem Stadiondach. Bäume sind ebenfalls eine Möglichkeit des Klimaschutzes, da sie CO₂ speichern.

Gegenwärtig dominiert die Corona-Krise aktuell – Fußball und Fliegen inklusive. Unabhängig davon, ob wir Geisterspiele für richtig oder falsch halten, war die Betriebsamkeit der DFL in der Krise bemerkenswert. Vor der Virus-Krise drehten sich glücklicherweise viele Diskussionen um die Klimaerwärmung. Langfristig ist dieses Thema auch bedeutsamer als Corona und wird hoffentlich bald wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Denn die Belastung der Luft durch Gase, die den menschengemachten Klimawandel begünstigen, hat durch die Pandemie höchstens eine kleine Pause eingelegt. Und nur weil kaum noch jemand über das Klima spricht, ist diese Problematik ja nicht aus der Welt.

Umso verwunderlicher finde ich es, dass ich auf der Seite der DFL bei der Suche nach dem Wort „Klima“ die Antwort erhalte: „Zu Ihrer Suche gibt es leider keine Ergebnisse.“ Dabei geriert sich die DFL ja als Interessenzusammenschluss von 36 kleinen und mittelständischen Unternehmen. Bei den meisten anderen Unternehmen in Deutschland ist das Thema „Klima“ mittlerweile in den Fokus gerückt, alleine schon deshalb um im weltweiten Wettbewerb langfristig nicht abgehängt zu werden. Umweltschutz und Wettbewerbsvorteile schließen sich in vielen Teilen der Wirtschaft schon länger nicht mehr aus. Die EU spricht von einem Green Deal der auf den Weg gebracht werden muss und viele Wirtschaftswissenschaftler fordern bei Förderprogrammen für einzelne Branchen in der Post-Corona-Zeit aus der nutzlosen Abwrackprämie für Autos in der Finanzkrise zu lernen und stattdessen Zukunftstechnologien, die das Klima schützen, finanziell zu supporten.

Beim zweiten Versuch auf der DFL-Seite mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ etwas zu finden, erhalte ich immerhin drei Ergebnisse: „Der Verteilerschlüssel“, „Neue Rechteperiode für vier Spielzeiten“ und „Stellungnahme des DFL-Präsidiums“. Bei den ersten beiden Treffern handelte es sich um die Verteilung der Gelder für die Medienrechte der Saisons 2017/2018 bis 2020/21. Beim letzten Treffer geht es um die Fortführung des Spielbetriebs in Zeiten der Pandemie: „Es steht außer Frage, dass künftig Nachhaltigkeit, Stabilität und Bodenständigkeit zu den entscheidenden Werten gehören müssen. Diese Werte gilt es nach Überwindung der akuten Krise in konkrete Maßnahmen umzusetzen.“.

Infoseite von Mainz 05 über die „Mission Klimaverteidiger“

Nachhaltigkeit setzt sich aus wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten zusammen. Ob die DFL tatsächlich auch die ökologischen Aspekte dabei berücksichtigt, darf zumindest angezweifelt werden. Aktuell dreht sich bei der Diskussion um die Neuausrichtung des Fußballs vieles um Gehaltsobergrenzen, Financial Fairplay und um eine gerechtere Verteilung der Fernsehgelder. Aber einen Ansatz, wie ihn Mainz 05 seit Jahren verfolgt, klimaneutral zu agieren, ist damit wahrscheinlich nicht gemeint.

Dass gerade der finanziell nicht wirklich perfekt ausgestattete Fassenachtsverein sich diesem wichtigen Zukunftsthema widmet, ist mehr als löblich. Mainz 05 ist hier Pionier und ich bin mir sicher, dass im Hintergrund viele richtige Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit getroffen werden. So sind viele Fanshop-Artikel mittlerweile GOTS-zertifiziert, was bedeutet, dass Shirts, Schals etc. zu fairen Bedingungen und ökologisch einwandfrei produziert wurden. Es gibt eine Kooperation mit der Mainzer Firma Got Bag, die Plastik als Beifang aus dem Meer fischen lässt und daraus einen Faden herstellt. In diesem Upcycling-Prozess entstehen schließlich schicke Rucksäcke aus Meeresplastik.

Zum Begriff „Klima“ findet sich aktuell kein Eintrag auf der Homepage der DFL.

Bereits im Header der 05-Startseite wird das Thema „Engagement“ erwähnt und auf die „Mission Klimaverteidiger“ verlinkt. Dort findet sich der Hinweis, dass die Solaranlage auf dem Stadiondach durch die Stromerzeugung jährlich den Ausstoß von 470 Tonnen CO₂ verhindert. Mit einem weiteren Klick gelangt man dann auf die komplette Meldung und findet hinter der Aussage mit den 470 Tonnen den Satz, „Mainz 05 ist seit 2010 klimaneutral.“.

Doch was bedeutet das? Zwar wird erklärt, dass mit Entega und dem Darmstädter Ökoinstitut regelmäßig Daten erhoben werden, um den CO₂-Fußabdruck zu bestimmen. In diesem Fußabdruck sind auch die Fanbewegungen enthalten, sprich die An- und Abreise zu Heim- und Auswärtsspielen. „Die dennoch verursachten CO₂-Emissionen werden über den Erwerb von Zertifikaten zur Förderung von Klimaschutzprojekten kompensiert.“, so die Aussage auf der Seite. Vom TÜV Rheinland hat der Verein auch ein entsprechendes Energie-Zertifikat erhalten. „Dabei wurden die Ergebnisse des CO₂-Fußabdrucks systematisiert, um noch gezielter und effektiver Maßnahmen für das Energiemanagement zu ermitteln und zu bewerten.“

Das ist alles vorbildlich. Natürlich ist für viele Menschen eine solche Kommunikation vollkommen ausreichend. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Verein tatsächlich ausschließlich auf die CO₂-Kompensation setzt, ob das Ökoinstitut und der TÜV ebenfalls nur den CO₂-Abdruck errechnen und zertifizieren oder ob der Verein tatsächlich den notwendigen zweiten Schritt geht und auch Non-CO₂-Emissionen kompensiert. Erfolgt eine solche Non-CO₂-Kompensation, sollte er es auch kommunizieren. Kompensiert er ausschließlich CO₂, besteht die Gefahr, dass Leute, die sich mit der Problematik auskennen, dem Verein gegebenenfalls „Greenwashing“ unterstellen könnten.

Atmosfair lehnt es ab, die Strecke Frankfurt – Berlin -Frankfurt zu kompensieren, da die Bahnfahrt klimafreundlicher ist.

Schließlich ist es wissenschaftlich erwiesen, dass neben CO₂ weitere Gase Einfluss auf den Klimawandel haben. Die Non-Profit-Organisation „atmosfair“ bietet auf ihrer Webseite die Möglichkeit an, Flüge zu kompensieren und zwar über den reinen CO₂-Abdruck hinaus: „Für die Berechnung der Klimawirkung von Non-CO₂-Emissionen über 9 000 Meter Höhe werden die CO₂-Emissionen in dieser Höhe mit einem Aufschlag von 2 multipliziert und dann zum reinen CO₂ addiert (‘Faktor 3’).“.

Möchte man nun die Flüge Frankfurt – Berlin – Frankfurt bei atmosfair kompensieren, erhält man allerdings den Hinweis, dass es eine Bahnverbindung mit besserem CO₂-Fußabdruck gibt. „Nach dem Klimaschutzgrundsatz „Vermeiden und Reduzieren vor Kompensieren“ bieten wir daher die CO₂-Kompensation für diesen Flug nicht an.“ Trotzdem wird der Abdruck errechnet: Es entstehen 58 kg CO₂-Emissionen und 50 kg Non-CO₂-Emissionen. Über diese Non-CO₂-Emissionen findet sich bei Mainz 05 kein Hinweis. Wird dieser Betrag pro Person, die heute nach Berlin fliegt, eingerechnet oder nicht? Das Öko-Institut sollte das ermitteln und entsprechend kommunizieren können. Unabhängig davon, ob sich heute die Mannschaft ins Flugzeug setzt oder doch den Bus nimmt, fliegen Nullfünfer für gewöhnlich durch die weite Welt: zu Vertragsverhandlungen, zum Scouting, zu anderen Auswärtsspielen. Würde dann allerdings nur der CO₂-Anteil kompensiert, wäre das Wirtschaften des Vereins CO₂-neutral aber nicht vollkommen klimaneutral. Die Frage ist auch immer, wie schnell die Kompensation erfolgen soll – auch darüber findet sich kein Beleg auf der Seite von Mainz 05.

Eine reine CO₂-Kompensation der Strecke Frankfurt – Berlin – Frankfurt mit Hilfe von Bäumen kostet auf Compensaid.com 2,59 €.

Neben atmosfair bietet auch „Compensaid.com“ eine Kompensation an und das auch tatsächlich auf der innerdeutschen Strecke zwischen Frankfurt und Berlin. Dabei kann zwischen verschiedenen Varianten gewählt werden: Möchte man innerhalb von 20 Jahren die Kompensation mit Hilfe von Bäumen durchführen, da diese CO₂ speichern, kostet das 2,59 € für die reine CO₂-Kompensation. Leider bietet die Seite keine Non-CO₂-Kompensation an. Würde man aber das o.g. Beispiel von atmosfair von 50 kg Non-CO₂-Emissionen nutzen, würden nochmals 2,32 € fällig. Das sind meiner Meinung nach Beträge, die jede Person, die fliegen möchte, auch bezahlen könnte. Alternativ gibt es mittlerweile nachhaltiges Flugbenzin (sustainable aviation fuel – SAF), das beispielsweise aus altem Speiseöl oder Holzabfällen hergestellt wird. Der Nachteil: SAF ist extrem teuer. Für die Strecke Frankfurt – Berlin – Frankfurt wären laut Compensaid 63,14 € für die reine CO₂-Kompensation fällig. Möchte man zusätzlich seinen Non-CO₂-Fußabdruck unmittelbar kompensieren, wären 54,43 € zusätzlich zu berappen.  

An diesem Beispiel erkennen wir, dass es bereits heute theoretisch möglich ist, fast klimaneutral zu fliegen. Es ist einfach eine Frage des Geldes. Da wären wir dann wieder beim Fußball. Was wäre das eigentlich für ein Signal, wenn die Branche ihre Flüge mit SAF kompensieren würde? Dadurch würde die Nachfrage nach SAF erhöht und langfristig der Preis sinken. Das wäre gesellschaftspolitisch ein riesen Gewinn. Das ist jedoch wahrscheinlich sehr unrealistisch, da das eingenommene Geld durch die Medienverträge anderweitig verwendet wird. Aber Mainz 05 sollte auf seiner Webseite erläutern, welche Klimaschutzprojekte gefördert werden, wie lange es dauert, um eine solche Kompensation (z.B. über Bäume) durchzuführen und ob diese Projekte von Organisationen, wie dem „Gold Standard“ zertifiziert werden. Der Gold Standard wird vom Umweltbundesamt wie folgt bewertet: „Achten Sie bei Kompensationsanbietern auf diese Zertifizierung. Die Gold-Standard-Foundation ist eine Non-Profit Zertifizierungsorganisation, die in der Schweiz registriert ist. Berechtigt zur Zertifizierung durch „The Gold Standard“ sind nur Projekte, die nachweislich zur Reduktion von Treibhausgasen führen und gleichzeitig gut für die lokale Umwelt und soziale Belange der Bevölkerung sind.“ Leider besteht auch bei Projekten immer die Gefahr des Greenwashings – daher ist die Zertifizierung so wichtig.

Die unmittelbare CO₂-Kompensation mit Hilfe von SAF kostet auf Compensaid.com 63,14 €.

Außerdem ist natürlich fraglich, wie der Verein die Fanströme berechnen möchte. Hätten wir am Mittwoch in Köpenick gespielt, wüsste der Verein ja nicht wirklich wer mit der Bahn, mit dem Bus, mit dem PKW oder mit dem Flugzeug nach Berlin gereist wäre. Natürlich interessiert sich die Mehrheit der Leute für solche Details nicht. Es ist allerdings meiner Meinung nach wichtig, die Berechnungsgrundlagen darzulegen, um tatsächlich nicht in den Verdacht des Greenwashings zu geraten. Airlines, die direkt eine Kompensationsmöglichkeit anbieten, lassen sich die Berechnungsgrundlagen durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften attestieren und diese auch publizieren. Es ist anzunehmen, dass der TÜV Rheinland, der Mainz 05 zertifiziert, eine solche Berechnungsgrundlage erstellt hat. Diese sollte entsprechend öffentlich zugänglich sein.

Ich habe als Fan diesbezüglich mittlerweile einen gewissen Anspruch, schließlich schreibt sich der Verein seit 2010 das Attribut der Klimaneutralität auf seine Fahnen. Allerdings sollte für so eine fundamentale Aussage auch entsprechende Belege erbracht werden. Für mich ist der Ansatz, klimaneutral zu agieren auch ein Grund, warum ich meinen Verein so wertschätze. Er ist trotz der oben gestellten Fragen, die sich sehr schnell beantworten lassen sollten, tatsächlich Vorbild: Für uns Fans, aber auch für andere Vereine in der Bundesliga und auch andere Vereine in anderen Sportarten. Wir lieben unseren Verein und werfen ihm oft vor, sich nicht richtig zu positionieren. Manche möchten aus Nullfünf ein zweites St. Pauli machen, das bei vielen gesellschaftlichen aber vielleicht eher unbequemen Themen eindeutig Stellung bezieht. Manche finden Union Berlin (trotz der Vorkommnisse 2002) cooler, weil die Fans das Stadion mit umgebaut haben. Ich finde, die Positionierung als Vorreiter beim Klimaschutz ist zumindest ein markanter Wesenszug unseres Vereins, der damit in der Liga nahezu ein Alleinstellungsmerkmal hat – dieses allerdings noch viel mehr herausstellen sollte, gerade in der nächsten Zeit.

Und die DFL? Die klopft sich aktuell auf die eigene Schulter. Ihr Konzept „Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb“ geht gegenwärtig einigermaßen auf. Mit Stolz verkündet sie, die ganze Welt würde darauf schauen. Ich würde mich freuen, wenn sie in Kürze eine entsprechende Task Force „Green Deal für die Bundesliga“ aufbauen würde. Schließlich sind alle Verantwortlichen der Meinung, dass die Bundesliga Vorbild-Charakter hat – auch gerade für die anderen Ligen in Europa. Die Premier League, die ja mit noch mehr Geld zugeschüttet wird, könnte es sich moralisch dann sicherlich nicht leisten, hintanzustehen, gerade auch weil in Großbritannien teilweise Umweltschutz wesentlich stringenter, insbesondere im Bereich der Supermärkte und Modefirmen (Fair Fashion), umgesetzt wird als bei uns, wo oft noch „billig“ vor „bio“ und „fast“ vor „fair“ steht.

Ferner begeistert Fußball alle sozialen Schichten, alle Geschlechter und die meisten Nationen. Klimaschutz geht uns alle an. Es bietet sich für die nächste Spielzeit tatsächlich die Chance, als Liga (und mit dem DFB als Verband) voranzugehen und den Klimaschutz zu priorisieren. Dann hätte die DFL eine weitere Möglichkeit, sich auf die Schulter zu klopfen und weltweites Vorbild zu sein – beim wichtigsten Thema unserer Zeit überhaupt.

Quellen: Die erwähnten Zitate stammen aus meinem Buch „Mit Bedacht fliegen – 19 Aspekte zur Reisevorbereitung in Zeiten von Flugscham und Greenwashing„, 119 Seiten, Eigenverlag, 2020.

Faires Händewaschen, ja bitte!

Teil 3 – Nachhaltige Handhygiene und mehr

„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“ stellte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe statt. Dieser Satz ist in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt. Schließlich wurden Reisen in der Debatte um den Klimaschutz relativ oft auf Ausflüge mit dem Billigflieger nach Malle reduziert. Dass wir beim Reisen unser Bewusstsein mit unseren Sinnen erweitern, Vorurteile abbauen und die Einheimischen vor Ort mit unserem Geld unterstützen und damit letztlich Fluchtursachen bekämpfen, ist in der Klimadebatte komplett untergegangen. Nun ist die Klimadebatte selbst fast vom Bildschirm verschwunden. Mittlerweile dreht sich nun vieles um Verhaltensweisen, die für Reisende bereits vor der aktuellen Krise selbstverständlich waren: Es geht um das Tragen von Masken, das „Hamstern“ von Klorollen, das gründliche Händewaschen und die regelmäßige Auffrischung von Impfungen. Gleichzeitig wird in dieser besonderen Zeit an Solidarität, Disziplin und Respekt appelliert, sprich an ein faires Verhalten den Mitmenschen gegenüber. Rund um die vier genannten Punkte ergeben sich meiner Meinung nach Möglichkeiten, faires Agieren mit sinnvollen Veränderungen des eigenen Verhaltens im Alltag zu kombinieren. Und vielleicht eignen sich manche Verhaltensweisen auch für den Alltag nach der Krise.

In den ersten beiden Teilen dieser Serie widmete ich mich dem Umgang mit Masken und Toilettenpapier. Erstere sind in vielen Weltgegenden bereits vor Covid-19 Standard gewesen. Letzteres gibt es in vielen Regionen unserer Erde gar nicht zu kaufen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es in anderen Kulturen unhygienisch zugeht – nur hygienisch auf eine andere Art und Weise. Durch die Verwendung von fair produzierten Masken und anderen Stoffprodukten aus Bio-Baumwolle bzw. die Nutzung von Toilettenpapier auf Recycling- oder Bambus-Basis lässt sich währende und nach der Krise fair konsumieren.

Händewaschen liegt mittlerweile voll im Trend – als Nebeneffekt können wir uns mit anderen Menschen sogar solidarisieren und sie während Covid-19 besonders unterstützen.

Teilweise ging es außerhalb Deutschlands bis zum Ausbruch von Covid-19 sogar ein Stück weit hygienischer zu. Dafür müssen wir nur ein paar Kilometer über die hoffentlich bald wieder geöffnete deutsch-französische Grenze fahren. Bestellten wir dort oder auch in Baku (Aserbaidschan) während des Aufenthalts für das EuropaLeague-Auswärtsspiel bei Qäbälä ein Eis in der Waffel, wurde es in einer kleinen Papiertüte um die Eiswaffel gereicht. Wer sich an die letzten Sommer bei uns erinnert, weiß, dass in den meisten Fällen die Eiskugeln in der Eiswaffel landeten und die Eisverkäufer*innen uns die Waffel mit den bloßen Händen überreichte. Danach wurde mit ihnen abkassiert und die dreckigen Münzen in Empfang genommen, ehe wieder mit den bloßen Händen die nächste Waffel befüllt wurde. Oder nehmen wir den Gang bei uns zur Bäckerei. Auch dort wurde bis dato oft das Brötchen oder Teilchen mit den bloßen Händen angefasst und in die Tüte gesteckt. Auch hier geht es im Ausland bereits seit Jahren oft hygienischer vor, indem Backwaren mit Handschuhen angegriffen werden und eine andere Person abkassierte oder die Handschuhe auf einem sauberen Platz abgelegt wurden, ehe es an das Abkassieren ging. Mittlerweile gibt es auch bei uns unter anderem für Eisdielen und Bäckereien strengere Hygieneauflagen und die genannten ganz simplen Standards, die ich von meinen Reisen her kannte, sind bei uns endlich auch Usus.

Eistüten werden nun auch in Mainz in einer Papiertüte serviert. Schließlich können die Eisverkäufer*innen sich nicht nach jeder verkauften Tüte die Hände waschen.

In vielen Ländern der Welt sind Messer, Gabel und Stäbchen natürlich nicht vollkommen unbekannt, liegen aber eigentlich nicht im Trend, um die leckeren Speisen zu verzehren. Besteck ist dort einfach kein Teil der Esskultur. In Südindien beispielsweise werden viele Currys mit Reis auf einem Bananenblatt ziemlich umweltfreundlich serviert: kein Einweggeschirr, kein Einwegbesteck, keine Servietten. Da das Essen mit der rechten Hand zum Mund geführt wird, ist es vollkommen normal, dass man sich spätestens nach dem Bestellen im Restaurant die Hände gründlich mit Seife wäscht. Denn die Hemmschwelle mit dreckigen Fingern zu Essen liegt natürlich wesentlich niedriger, wenn man kein Besteck zur Hand hat als mit dreckigen Fingern Messer und Gabel zu nutzen. In vielen Ländern der Welt wird auch Fladenbrot zum Essen gereicht, zum Beispiel in den arabischen Ländern. Auch dort brechen die Menschen vor dem Essen vom Tisch auf, um sich die Hände vor dem Essen nochmal gründlich zu reinigen. Auch nach dem Essen ist es vollkommen normal sich die Hände wieder mit Seife zu waschen. Schließlich möchte man natürlich nicht, dass man auch Stunden später am Geruch der Hände erkennen kann, was es zu Mittag oder zum Abendessen gab. Daher gibt es Wasserhähne mit Seife meistens sogar im Speiseraum selbst und nicht nur im Bad.

Essen ohne Besteck ist in Südindien normal. Daher wäscht man sich hier schon immer gründlich vorher und nachher die Hände.

Dass wir uns alle mittlerweile öfter die Hände waschen und Bäckereien und Eisdielen jetzt auch beim Verkauf noch etwas mehr auf Hygiene achten ist prima. Doch leider korreliert Covid-19 nicht nur mit verbesserter Hygiene, sondern auch mit viel mehr Müll. Ich war beispielsweise diese Woche beim Frisör. Wurde bisher mein Oberkörper mit einem Stofftuch abgedeckt, kam jetzt eine Einweg-Plastikfolie zum Einsatz. Theoretisch könnte man das Stofftuch nach dem Gebrauch auch einfach in die Waschmaschine stecken, es bei 60 Grad waschen, und/oder bügeln und es bedenkenlos wiederverwenden. Und natürlich wollte ich in der Zeit, als die Restaurants geschlossen waren, auch die Mainzer Lokale unterstützen und habe „To-Go“ bestellt. Leider wurden viele Speisen in Einwegplastik geliefert – was sich natürlich auch nicht immer vermeiden lässt, wenn Sößchen mitgeliefert werden. Aber ständig Pizza im Pappkarton zu bestellen, war mir ehrlich gesagt des Guten zu viel. Aber beim Händewaschen ist es ziemlich einfach auf Plastik zu verzichten.

Um die Hände gründlich zu reinigen ist Seife ein Muss, da durch die Inhaltsstoffe Bakterien und Viren abgetötet werden. Die ersten die eine Art Seife herstellten waren die Sumerer im heutigen Irak vor 4500 Jahren. Aber auch die Germanen kamen schon auf den Trichter, sich mit Seife zu reinigen. Erfinder der festen Seife, so wie wir sie heute kennen, waren die Araber im 7. Jahrhundert n. Chr. Die bis dahin verwendete Pottasche wurde durch gebrannten Kalk ersetzt, um der Seife ihre Festigkeit zu verleihen. Auch in Europa wurde die Seife der Renner, genauso wie Badehäuser.

Feste Seife ist billiger und besser für die Umwelt. Beim Kauf einer share-Seife wird gleichzeitig eine Seife an eine Organisation gespendet. Über den QR-Code erfährst Du wohin…

Es war eine Epidemie, die dem Seifenkonsum den zwischenzeitlichen Garaus machte. Da man damals nicht wusste, dass die dreckigen Gossen der Nährboden für Pest und Cholera waren, nahmen die Menschen an, das Wasser sei daran schuld. Daher bevorzugte man für viele Jahrzehnte die Trockenwäsche mit Puder. Das Ergebnis: die Pest raffte zirka 25 Prozent der damaligen Bevölkerung Europas dahin. Das Wissen um die Hygiene ließ die Seife ab dem frühen 19. Jahrhundert wieder zu alten Höhenflügen ansetzen. Leider wird das klassische Seifenstück mehr und mehr durch Flüssigseife ersetzt. Diese wird eigentlich immer in Plastikbehältnissen verkauft, wohingegen das Seifenstück bis heute in einer Pappverpackung daherkommt. Die Waschleistung ist bei beiden Produkten identisch. Allerdings ist die Flüssigseife deutlich teurer. Es gibt also eigentlich keinen ersichtlichen Grund, die Umwelt mit Flüssigseifenverpackungen aus Plastik zu belasten. Auch Nachfüllpackungen aus recycelter Plastik sind da nur Greenwashing. Mittlerweile gibt es sogar festes Duschgel und Shampoo aus Naturkosmetik – z.B. auch in den großen Drogeriemarktketten.

Wer sich noch einen Tick nachhaltiger die Hände waschen möchte, dem seien zum Beispiel die „share“ Produkte empfohlen, die es bereits in einer Supermarkt- und Drogeriemarktkette gibt. Zwar bietet „share“ ebenfalls Flüssigseife an, aber eben auch die klassischen Seifenstücke. „Share“ heißt auf Deutsch teilen. Das ist das Prinzip bei allen „share“ Produkten. Wir kaufen zum Beispiel ein Stück Seife. Dadurch spendet „share“ ein Stück Seife an Hilfsbedürftige. „share“ definiert dies als so genannten „sozialen Konsum“. Die Zutaten stammen aus nachhaltigen Quellen und auf jeder Packung können wir mit Hilfe eines QR-Codes nachvollziehen, wohin unser geteiltes Produkt geht. Es werden Initiativen in Deutschland und weltweit unterstützt. Gerade Seife ist in vielen Teilen der Welt keine Selbstverständlichkeit und für manche sogar ein Luxusgut. Daher hat zum Beispiel „Helfende Hände für Nepal Mainz e.V.“ bei den gepackten Notpaketen für Bedürftige in Nepal auch immer Seifen beigefügt. Zwei dieser Pakete konnten wir durch den Erlös mit den Turnbeuteln, den Soulbottles und meinen Büchern im Direktverkauf im April 2020 finanzieren.

Der Kauf der o.g. Seife unterstützt Kinder in Uganda bei der Handhygiene.

Es bieten sich uns also tatsächlich Möglichkeiten, hygienisch einwandfrei durchs Leben zu ziehen und dabei sogar noch grenzenlose Solidarität beim Einkauf im Supermarkt walten zu lassen und auf eine faire Art und Weise unsere Hände zu waschen.

Quellen:

„Die Geschichte der Seife“: https://www.ndr.de/geschichte/Die-Geschichte-der-Seife,seife196.html

„Teilen für eine bessere Welt“: https://www.share.eu/

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Bilder: Meenzer-on-Tour, Pixabay

Teil 1: Fairmummung, ja bitte!

Teil 2: Faire Geschäfte erledigen, ja bitte!