Eine besondere Glaubensgemeinschaft

Trainerwechsel bei Mainz 05 und dann noch auswärts nach Posen und zu den Bayern. Fan-Kolumnist Alex Schulz glaubt dennoch an bessere Zeiten.

Nachdem am Freitag viel weißer Rauch am Europakreisel zu sehen war, hieß es vergangenen Sonntag „Habemus Papam!“ Na gut, ein Papst ist es nicht geworden, dafür aber ein neuer Coach, der uns die Erlösung bringen und den Fall in die Hölle der 2. Liga ersparen soll. Das alles wenige Wochen vor Weihnachten und dann wird es noch ein Fischer. Mehr schlechte Anspielungen fallen mir gerade nicht ein.

Wobei! Mit den anstehenden Aufgaben in dieser Woche und der aktuellen Tabellensituation hilft vermutlich nur viel Glaube und das eine oder andere Stoßgebet. Damit soll es aber auch jetzt gut sein.

Mindestens so schlecht wie die Anspielungen war das, was sportlich zu weiten Teilen in den vergangenen Wochen und Monaten geboten wurde. Umso erstaunlicher sollte da der lange Geduldsfaden der Fanlandschaft sein. Es ist nicht die erste schwere Saison in der Geschichte von Mainz 05, doch Stärke wurde immer aus einem ruhigen Umfeld und der Gemeinschaft gezogen. Auch gebührt dem größten Teil dieses Teams ein unfassbarer Dank, denn genau sie haben uns erst die Möglichkeit gegeben, spannende Reisen durch Europa zu erleben.

Aber hat man deshalb alles hinzunehmen? Mitnichten! Bei anderen Clubs wäre spätestens nach einer solchen Nichtleistung, wie sie die mitgereisten Fans in Freiburg geboten bekamen, der Baum richtig am Brennen gewesen. Anders der Umgang in Mainz: Material einpacken, selbstironisch die Laune hochhalten und dem Team durch Liebesentzug zeigen, dass es so nicht akzeptabel ist. Und dann beim Heimspiel wieder da sein und zumindest auf den Rängen das Bestmögliche raushauen. Leider sehen das nicht alle so. In Rumänien musste bei einigen mal Dampf abgelassen werden und die Nachfrage zuhause hat leider auch gelitten. Wer in schlechten Zeiten nicht dabei bleibt, darf sich in guten Zeiten nicht beschweren, wenn er hintenansteht.

Nach Freiburg passierte dann das, was im Fußballgeschäft nach so vielen Pleiten fast zwangsläufig folgt: Der Trainer, so verdient er auch sein mag, muss den Platz räumen und ein neuer Übungsleiter versucht sein Glück. Leider bleibt so keine Gelegenheit, Bo den Abschied zu geben, den er trotz der Situation verdient hätte. Klassenerhalt oder Gewinn der Conference League wären doch schöne Gelegenheiten, ihn nochmal zum Feiern einzuladen.

Am Donnerstag kann dann das Team erste einmal in der Conference League zeigen, dass die Moral und die Einstellung passen und sie weiterhin den Support verdienen. Denn schließlich kann man als Mainz 05 Spiele verlieren und wird dennoch gefeiert, solange alles in die Waagschale geworfen wurde. Selbiges gilt dann für das Spiel gegen die Bayern. Fußballdeutschland erwartet vermutlich, dass wir dort zweistellig abgeschlachtet werden. Eine gute Gelegenheit, um alle eines Besseren zu belehren.

Ob unter der Woche in Polen oder am Sonntagabend in München, es werden wieder viele 05ER die Reisen auf sich nehmen. Und die haben es einfach verdient, dass man sein Herz auf dem Platz lässt. Ich bin mir sicher, dass Urs Fischer auch genau das von jedem einfordern wird, den er aufs Feld schickt. Ob er Wunder wirken kann, werden wir dann in den nächsten Wochen erleben.

Wenn das Team die Grundtugenden wiederentdeckt und umsetzt, werden sie auch wieder Punkte und Siege einfahren. Und wer weiß, womöglich erleben wir dann bis Ostern die Wiederauferstehung. Ich habe weiterhin den festen Glauben daran, dass wir das gemeinsam schaffen werden.  

Wir fahr’n zu Mainz 05, weil wir alle einen an der Waffel haben

Der 1. FSV Mainz 05 steckt sportlich tief in der Krise. Für Felicitas Budde wird aber gerade in solchen Phasen deutlich, wo das Herz von Mainz 05 am lautesten schlägt.

Mainz 05 steht sportlich gesehen mit dem Rücken zur Wand. Tabellenletzter, acht Bundesligaspiele ohne Sieg, fünf Platzverweise in zwölf Partien, ein 0:4 in Freiburg ohne eigenen Torschuss bis zur 82. Minute. Und davor ein 0:1 in Craiova – gegen die Mannschaft mit den meisten Ballverlusten in der gesamten Conference League. Mainz 05 steht nicht nur unter Druck, der Verein blickt als Tabellenletzter auf den Scherbenhaufen der Leistungen aus der vergangenen Saison. Die sportliche Leitung hat bis Dienstagmittag nicht öffentlich reagiert, Signale sucht man vergebens. Bis jetzt ist unklar, wer am Freitag überhaupt an der Seitenlinie stehen wird.

Trotz der seit Wochen überschaubaren Leistungen sind die Fans am Donnerstag nach Craiova gefahren. Trotzdem war der Auswärtsblock in Freiburg gefüllt. Nicht, weil der Fußball sie gerade begeistert, sondern weil Mainz 05 mehr Gründe bietet, da zu sein als nur die Tabelle. Der Verein funktioniert auch dort, wo keine Kameras stehen. In den U-Mannschaften des NLZ, in der erfolgreichen Frauenmannschaft, als gelebter eingetragener Verein auf der Mitgliederversammlung. Der Fußball ist der Anlass, nicht die Ursache.

Wir fahren nicht nach Craiova, weil wir eine Topleistung erwarten. Wir fahren, weil wir uns treffen, weil diese Gemeinschaft existiert, weil dieser Verein ein Ort ist, den man nicht nur wegen Ergebnissen aufsucht. Auf Europas größtem Weihnachtsmarkt standen Mainzer zusammen mit Menschen aus Craiova, die 05-Fans als freundlich und offen wahrgenommen haben. Es war eine Auswärtsfahrt, auf der alles gestimmt hat – außer dem Fußball.

Natürlich ist man enttäuscht, sauer, ratlos. Sportlich läuft es katastrophal. Aber wenn Mainz 05 in dieser Zeit überhaupt noch etwas Stabilität hat, dann dort, wo die Menschen den Verein tragen. Nicht im Tabellenbild, sondern in der Art wie man zusammen unterwegs ist.

Am Donnerstag Craiova, am Sonntag Freiburg. Null Punkte, zwei Niederlagen, 0:5 Tore und trotzdem sind die Leute da. Nicht, weil alles gut ist, sondern weil Mainz 05 eben mehr ist als das, was gerade auf dem Platz schiefläuft. Wir gehen zu Mainz 05, weil wir alle einen an der Waffel haben.

Was bleibt von einem Stadionbesuch?

Die Digitalisierung des Stadionbesuchs schreitet immer weiter voran und wird mit Nachhaltigkeit begründet. Gleichzeitig schätzen viele Fans weiterhin Eintrittskarten aus Papier als Erinnerung an das besuchte Spiel. Einen möglichen Kompromiss stellt Christoph Kessel in seiner aktuellen Fan-Kolumne vor.   

Was bleibt von einem Stadionbesuch? Nach dem Spiel werden wir Fans auf unzähligen Kanälen in den sozialen Netzwerken mit Bildern, Videos und Berichten zum Spiel überschüttet. Dabei ist es allerdings unerheblich, ob wir im Stadion tatsächlich dabei gewesen sind. Blicken wir ein Jahrzehnt zurück, dann blieb uns damals immer eine mehr oder weniger schön gestaltete Eintrittskarte. „Der Fußball lebt durch seine Emotionen“ heißt es immer so schön. Das haptische Gefühl, eine Eintrittskarte in der Hand zu halten, ist für viele Stadionbesuchende durch nichts zu ersetzen. Daher besteht bei vielen Menschen, zumindest für besondere Spiele, der Wunsch nach Eintrittskarten aus Papier. Schließlich gibt es viele Leute, die ihre Eintrittskarten seit Jahrzehnten sammeln.

Digitalisierung ist für den Verein Mainz 05 laut gerade publiziertem Nachhaltigkeitsbericht besonders relevant. Folglich ist es aus Vereinssicht ein logischer Schritt, das Ticket auf digitale Lösungen umzustellen. Werden Tickets aus Recyclingpapier hergestellt, werden durchschnittlich 78 % Wasser, 68 % Energie und 15 % CO2-Emissionen im Vergleich zu Frischfaserpapier eingespart. Der weltweite Anteil des Internets an den globalen CO₂-Äquivalenten wird auf ungefähr 4 % geschätzt, was grob der Menge des internationalen Flugverkehrs entspricht. Daher zieht das Argument, dass die Digitalisierung des Stadionerlebnisses besonders nachhaltig ist, nicht wirklich. Trotzdem wird Nachhaltigkeit als Totschlagargument genutzt, um auf Papier zu verzichten. Würde der Verein Nachhaltigkeit beim Stadionerlebnis an anderen Stellen konsequent als ausschlaggebendes Kriterium einsetzen, dürfte es keine Einwegkartons für Wasser geben und das Catering wäre vegan. Gerade beim letzten Punkt pocht der Verein zu Recht darauf, Menschen beim Thema Nachhaltigkeit mitnehmen zu wollen. Daher wäre ein Blick nach Dortmund sinnvoll. In der BVB-Fanwelt gibt es die Möglichkeit, an einem Automaten ein Erinnerungsticket für 2 Euro erstellen zu lassen. Das wäre doch ein Kompromiss. Bis dieser gegebenenfalls realisiert wird, gilt ein großer Dank den aktiven Fans, die für die Europapokal-Heimspiele solche Tickets gratis anbieten. Oder man besucht zum Beispiel Spiele  der Mainz-05-Frauen, bei denen es am Bruchweg und auswärts immer noch „wirkliche“ Eintrittskarten gibt.