Same same but different

Mainz 05 wird zumTestspiel gegen Newcastle United antreten.

Eigentlich wurde zum Testspielgegner von Mainz 05 und dessen Eigentümer, dem Staatsfonds von Saudi-Arabien, bereits alles gesagt. Manche inklusive Trainer Bo Svensson finden es gut, sich mit dem Verein aus der Premier League sportlich zu messen. Viele Facebook-Kommentierende, die Supporters Mainz sowie die Kommentare einiger Journalist*innen (und hier) stellen die Auswahl des Gegners in Frage. Im Leitbild von Mainz 05 heißt es: „Wir stehen für Offenheit, Respekt und Mitmenschlichkeit…Wir heißen alle Menschen, die diese Werte teilen, willkommen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, körperlicher und geistiger Verfassung, Religion, sozialer Stellung oder sexueller Identität“. Viele dieser Werte werden in vielen Teilen der Welt nicht gelebt (auch teilweise nicht in Deutschland). Wir bekommen es in anderen Weltregionen allerdings meist nicht mit, da in den Medien immer dieselben zwanzig, dreißig Länder präsent sind, die Einfluss auf uns und unser Land haben. Saudi-Arabien gehört aufgrund seiner Bodenschätze und aufgrund seiner Affinität zum Fußball allerdings dazu.

Aber dann bin ich auf dieses Zitat gestoßen: „Die arabischen Staaten sind doch alle gleich, was diese Werte angeht.“ Es stammt aus einer Antwort auf einen Facebook-Post von Mainz 05, in dem der Verein den Testspielgegner Newcastle United in der Sommerpause verkündet und zielt neben Saudi-Arabien auf Katar. Letzteres richtet im Spätherbst die Männer-Fußball-Weltmeisterschaft aus. Dabei handelt es sich um Länder, deren Regierung und teilweise auch deren Gesellschaft ein anderes Werteverständnis haben, als viele Menschen in Deutschland.

Natürlich kann man es sich einfach machen und alle Länder und deren Gesellschaften, die unsere Werte nicht teilen, moralisch boykottieren. In der Praxis klappt das ohnehin nicht, wenn wir tanken möchten und Öl aus Saudi-Arabien in unser Auto fließt oder demnächst Gas aus Katar unsere Wohnung mit Wärme versorgt. Man kann es sich sogar noch einfacher machen und sich sagen, so ist der Profi-Fußball halt heute. Das ist die klassische Schwarz-Weiß-Denke, die halt immer einfacher ist, als sich mit Themen gezielt auseinanderzusetzen. Grautöne sind mühsam, erfordern Zeit, sich diese zu erarbeiten und in der Schnelllebigkeit des Internets ist Zeit für viele ein zu kostbares Gut.

Aber vielleicht nimmt man sich doch ein paar Minuten Zeit und beschäftigt sich zumindest ein bisschen mehr mit diesen beiden Ländern, die aktuell die Gemüter erhitzen. Und vielleicht schätzt man am Ende die Meinung von Expert*innen mehr als das eigene Bauchgefühl oder die verzerrte Darstellung durch verschiedene Interessengruppen.

Den rein subjektiv besten Eindruck erhält man natürlich, wenn man mal selbst in den genannten Ländern vorbeischaut oder mit ihnen direkt in Berührung kommt. Im Falle von Saudi-Arabien ist mir das zweimal passiert. Einmal ging es darum, 1995 auf dem Landweg von Mainz nach Kapstadt gegebenenfalls über das Land zu reisen und einmal landete ich auf dem Rückflug aus Eritrea in Saudi-Arabien zwischen. Mein erster Versuch in der saudischen Botschaft in Amman (Jordanien) scheiterte, da damals Saudi-Arabien nur Geschäftsreisende und muslimische Pilgerreisende ins Land ließ. Mit Touristen und Fußballvereinen im Ausland wollte man damals noch nichts zu tun haben (anders als 2022). Zwei Jahre später beim Zwischenstopp mussten alle alkoholischen Getränke an Bord des Flugzeugs weggesperrt werden, ehe zur Landung angesetzt wurde. Das Flugzeug durfte ich damals nicht verlassen und konnte so nur einen kurzen Blick aus dem Flugzeugfenster auf den Flughafen Jeddah werfen. Nach dem Start in Richtung Frankfurt erhoben sich fast alle zugestiegenen Fluggästinnen und begaben sich auf die Toilette. Wenige Minuten später kamen sie unverschleiert wieder aus dem WC in Jeans heraus. Es war eine sehr bizarre Erfahrung.

2016 auf dem Weg nach Baku zum Europa League Spiel von Mainz 05 blieb ich einen Tag lang in Katar. Das Land hat sich damals bereits für Touristen geöffnet, das Einreisevisum gab es am Flughafen und Kleidungsvorschriften für Frauen gab es damals nicht. Zum selben Zeitpunkt wäre es immer noch unmöglich gewesen, nach Saudi-Arabien als Tourist*in einzureisen.

Gefühlt war man damals also in dem einen Land Willkommen, im anderen nicht. Aber um den subjektiven Eindruck, das oben angesprochene Bauchgefühl und um mich persönlich geht es schon gar nicht. Trotzdem blicke ich gerne auf bereits (fast) bereiste Länder zurück und verfolge aufmerksam ihre Entwicklung. Um beide Länder gut zu vergleichen eignet sich daher als erstes ein Blick auf die Seite des Auswärtigen Amts. Dieses teilt seine Einschätzung unter Anbetracht der in Deutschland vorhandenen Werte für jedes Land der Welt mit, damit man sich objektiv ein Bild aus der Sicht eines Reisenden machen kann. Da geht es bei Saudi-Arabien und Katar zunächst um den Punkt „Reiseinfos“:

Frauen

Saudi-Arabien: „Obwohl das Tragen einer Abbaya (schwarzer Ganzkörperumhang) für Frauen keine Pflicht mehr sein soll, sollten die in Saudi-Arabien vorherrschenden gesellschaftlichen Regeln beachtet werden. Unverheirateten Frauen wird angesichts möglicher rechtlicher Konsequenzen dringend von einer Entbindung in Saudi-Arabien abgeraten. Die unerwünschte Kontaktaufnahme ausländischer Männer zu nicht verwandten saudischen Frauen kann zu einer Anzeige wegen sexueller Belästigung führen. Körperlicher Kontakt muss für dieses Vergehen nicht vorliegen, es reicht zum Teil, dass sich eine Frau sexuell belästigt fühlt.“

Katar: „Frauen unterliegen keinen besonderen Beschränkungen oder Verboten.“

Christen

Saudi-Arabien: „Vermeiden Sie die Verteilung christlich-religiöser Symbole.“
Katar: Keine Hinweise

LGBTIQ

Saudi-Arabien: „Homosexuelle Handlungen sind in Saudi-Arabien strafverfolgt und auch gesellschaftlich nicht akzeptiert. Prostitution, homosexuelle Handlungen und außerehelicher Geschlechtsverkehr werden in Saudi-Arabien nach Ermessen des Richters mit Freiheitsentzug und/oder Stockschlägen bestraft, ggf. kann auch die Todesstrafe verhängt werden.“

Katar: „Das Strafrecht in Katar ist geprägt durch islamische Moralvorstellungen. Es sollte Reisenden bewusst sein, dass homosexuelle Handlungen und nichtehelicher Geschlechtsverkehr verboten sind und strafrechtlich geahndet werden. Es sind bisher keine Fälle von Verhaftungen von LGBTIQ-Personen bekanntgeworden, eine „aktive“ Verfolgung findet nicht statt.“

Rechtliche Besonderheiten

Saudi-Arabien: „Das kaum kodifizierte saudi-arabische Strafrecht beruht auf der islamischen Scharia hiesiger Auslegung mit den bekannten, ggf. bis hin zu Prügel- und sonstigen Körperstrafen und Amputationen reichenden Strafsanktionen.“

Katar: „Die Gebräuche und Gesetze von Katar sind stark durch den Islam und dessen Glaubensinhalte und Wertvorstellungen geprägt.“

Pressefreiheit

Geht es um weitere Werte ist, man auf die Hilfe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) angewiesen. Möchte man die Situation von Medienschaffenden und die Pressefreiheit betrachten, sind „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) ein guter Anlaufpunkt. Die weltweite Rangliste 2022 wird von Norwegen (Kategorie „Gut“) angeführt und auf dem letzten, dem 180. Platz liegt Nord-Korea. Saudi Arabien liegt auf Platz 166 und hat vier Plätze im Vergleich zu 2021 gut gemacht. Dennoch fällt es gemäß RSF in die Kategorie „Sehr ernst“. Katar liegt auf Platz 119 und hat im Vergleich zu 2021 9 Plätze gut gemacht. Das Land fällt laut RSF in die Kategorie „Schwierig“. Deutschland liegt auf Platz 13 und fällt in die Kategorie „Zufriedenstellend“. Zwischen „Zufriedenstellend“ und „Schwierig“ liegt nur eine Kategorie „Erkennbare Probleme“.

Menschenrechte

Wenn es um Werte geht, darf das Thema „Menschenrechte“ natürlich nicht fehlen. Eine gute Anlaufstelle ist Amnesty International (AI), die auch über erreichte Verbesserungen in den Ländern berichtet:

„Vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 versprach Katar weitere Reformen seiner Arbeitsgesetze. Außerdem gab der Weltfußballverband FIFA seine Pläne auf, die Anzahl der Teams bei der WM 2022 in Katar auf 48 zu erhöhen. Die FIFA war zuvor wegen menschenrechtlicher Bedenken unter Druck geraten. Eine derartige Vergrößerung wäre nur möglich gewesen, wenn sich weitere Länder in der Region als Gastland zur Verfügung gestellt hätten. Doch Amnesty machte gemeinsam mit anderen NGOs, Gewerkschaften, Fan- und Spielergruppen auf das Menschenrechtsrisiko aufmerksam, das so eine Erweiterung mit sich gebracht hätte – nicht zuletzt für die Wanderarbeiter, die beim Aufbau der nötigen Infrastruktur eingesetzt werden.“

„Um der Zusage nachzukommen, Arbeitsmigrant_innen vor Ausbeutung zu schützen, hat Katar dafür gesorgt, dass diese nicht länger eine Erlaubnis ihrer Arbeitgeber_innen benötigen, um den Arbeitsplatz zu wechseln. Zudem kündigte Katar die Einführung eines neuen, nicht diskriminierenden Mindestlohns an. Vor dem Hintergrund der im Jahr 2022 in Katar stattfindenden Fußballweltmeisterschaften setzt sich Amnesty International seit Jahren für die Rechte von Arbeitsmigrant_innen ein. Die angekündigten Reformen sind zu begrüßen, müssen aber schnell und vollständig umgesetzt werden.“

AI selbst hält von einem Boykott der WM nichts, sondern möchte die WM dazu nutzen, weiter auf die Situation der Arbeitsmigrant*innen vor Ort hinzuweisen.

Generell berichtet AI über die Menschenrechtslage in den einzelnen Ländern, so auch zum Thema Hinrichtungen. AI zu Katar: „Im Februar 2021 setzte der Emir die Hinrichtung eines tunesischen Mannes aus, der wegen Mordes zum Tode verurteilt worden war. Es gab im Jahr 2021 keine Berichte über Hinrichtungen.“ AI zu Saudi-Arabien: „Saudi-Arabien ließ im März 2022 an einem einzigen Tag 81 Menschen hinrichten.“

Geht es um politische Freiheit und Demokratie, empfiehlt sich ein Blick auf den „Annual Freedom in the World“ Bericht von Freedomhouse. Im aktuellen Bericht führen Norwegen, Schweden und Finnland die Liste an (40 Punkte für politische Freiheitsrechte, 60 Punkte für bürgerliche Freiheitsrechte). Saudi-Arabien konnte 7 Punkte erzielen (1 Punkt für politische Freiheitsrechte, 6 Punkte für bürgerliche Freiheitsrechte). Katar erhielt 25 Punkte (7 bzw. 18 Punkte). Beide Länder gelten in dem Report als „not free“. Im Vergleich kommt Deutschland auf 94 Punkte (39/55 Punkte) und gilt als „free“. Zwischen „not free“ und „free“ gibt es nur eine Kategorie „partly free“.

Anhand dieser Fakten kann sicher jede*r von uns seine eigene Meinung zu den beiden Ländern bilden, insbesondere zur Behauptung, dass die arabischen Staaten alle gleich sind, was diese Werte angehen, wie in dem Facebook-Post in den Raum geworfen wurde. Mit Hilfe dieser Rankings und Informationen lässt sich damit recht einfach die grundlegende Situation in einem Land betrachten. Damit kann sich im Jahr 2022 niemand herausreden, von einer Situation in einem Land nichts gewusst zu haben.

Und möchte man sich an einem Leitbild orientieren, das die Mitglieder*innen-Versammlung, also das höchste Gremium eines Vereins legitimiert hat, könnten diese Anlaufstellen sicherlich zur Entscheidungsfindung entscheidend beitragen, wenn man dieses Leitbild leben möchte.

Raus aus der Schublade

Sagt Euch der Name Riku Riski etwas? Ja? Prima, dann hat habt Ihr ein gutes Gedächtnis, denn er schaffte es vor wenigen Wochen in die weltweiten Nachrichten und Ihr habt ihn in diesen schnelllebigen Zeiten immer noch auf dem Schirm. Respekt!

Die Corniche in Doha, Katar.
Die Corniche in Doha, Katar.

Nein, der Name sagt Euch nichts (mehr)? Dann geht es Euch so wie mir und wie fast allen Leuten, die ihn Anfang 2019 auch (noch) nicht kannten. Er blieb einem Trainingslager der finnischen Fußballnationalmannschaft in Katar fern, weil er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte, dorthin zu reisen. Dass sich ein Fußballprofi mit dem Gewinner der Asienmeisterschaft 2019 und dem Gastgeberland der WM 2022 auseinandersetzt, ist sehr löblich. Dass er zu dem Schluss kommt, aus ethischen Gründen dorthin nicht zufahren, ist seine persönliche Entscheidung.


Zwischenstopp in Katar auf dem Weg nach Baku 2016

Auch die Bayernfans machten am 19. Spieltag auf Katar aufmerksam. In einem überdimensionierten Plakat sah man Rummenigge und Hoeneß von „Hervorragenden Trainingsbedingungen“ sprechen – dabei hatten sie nur Dollarzeichen im Sinn, während im Hintergrund Menschen ausgepeitscht wurden. Der SPIEGEL machte letzte Woche mit einem Artikel auf, der auf das Jahr 2015 zurückgeht, in dem die Handball WM im Wüstenstaat stattfand und ein Geschäftsmann um seinen Lohn gebracht wurde, für eine Last-Minute-Kopie des Weltpokals, die er kurzfristig angefertigt hat – ohne einen Vertrag aufzusetzen… mit der entsprechendem Werbeagentur wohlgemerkt, nicht mit dem Staat Katar. Philipp Köster, Chefredakteur der 11FREUNDE, reiht sich in der aktuellen Ausgabe seines Magazins mit seiner oftmals sehr lesenswerten Kolumne „Rot wegen Meckerns“ unter dem Titel „Lästige Moral“ ebenfalls ein, da Oliver Bierhoff im Auftrag des DFBs Katar auch einen Besuch abgestattet hatte. Für so ziemlich jeden Kommentator ist damit die Lage klar: Der Fußballspieler der Gute, der FC Bayern geldgeil, der DFB unmoralisch und der Geschäftsmann die arme Sau. Ergo ist Katar für sie das große böse Wüstenland, das gerade einmal so groß wie Hessen ist, aber das aufgrund seines Reichtums durch immense Gasreserven (nicht Ölquellen, wie so manch einer behauptet) sich alles leisten bzw. kaufen kann. In unserer komplexen Welt sind wir alle oft etwas überfordert, und wir versuchen unwillkürlich Dinge möglichst rasch zu ordnen. Man kann auch von Schubladendenken sprechen. Doch diese Schwarz-Weiß-Malerei greift in unserer heutigen Welt einfach zu kurz. Aber der Reihe nach.

Die WM nach Katar zu vergeben stieß bei vielen Fußballfans auf strikte Ablehnung. Was bildet sich dieser Zwergstaat eigentlich ein? Aber es ging um die Vergabe einer Fußballweltmeisterschaft. Diese sollten eigentlich alle Mitgliedsstaaten der FIFA ausrichten dürfen, gerade dann, wenn es finanziell in den Rahmen passt, was man beispielsweise von Ländern wie Südafrika oder Brasilien nicht wirklich behaupten kann. Dieses Rumgeheule, nicht nur von vielen Sommermärchen-Fans, erinnert gerade an die so genannte „Traumbundesliga“, in der zahlreiche Traditionsvereine genannt werden, die doch so viel lieber in der ersten Liga spielen sollten als die Jungs aus Mainz oder Freiburg. Und wie ist Katar an die WM gekommen? Wahrscheinlich so ähnlich wie Deutschland 2006. Kann man ablehnen, aber hat es Deutschland tatsächlich besser gemacht?

Einmal die WM an Katar vergeben, kam der nächste Kritikpunkt auf: Auf den WM-Baustellen würden Sklaven arbeiten. Die Aussage von Franz Beckenbauer, er habe in Katar gar keine Sklaven gesehen, lasse ich mal lieber unberücksichtigt. Aber durch die Vergabe der WM an Katar rückte dieses Land in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Plötzlich schaute man hin und stellte Missstände fest. Diese gab es aber nicht nur auf den WM-Baustellen, sondern generell im Bausektor. Ob ein Gastarbeiter auf einer Stadion-Baustelle oder in einem Wolkenkratzer mangels Arbeitsschutz sein Leben lässt, ist unerheblich – der Umstand an sich, dass ein Mensch stirbt, ist eine Tragödie. Daher kann man es auch als Glücksfall bezeichnen, dass das Land jetzt mindestens noch drei Jahre unter der genauen Beobachtung steht, was die Baustellen angeht. Dank guter journalistischer Arbeit tut sich auch etwas. Und der mediale Druck wird sicherlich in der nächsten Zeit nicht geringer. Ende 2018 änderte Katar seine Regeln in Bezug auf den Aufenthalt von Gastarbeitern (und Fußballprofis) im Land. Diese können nun jederzeit das Land verlassen, was früher nicht möglich war, und das ist sicherlich auch ein Verdienst von Menschenrechtsaktivisten.

Die beste Möglichkeit, sich ein Bild von einem Land zu machen, ist allerdings dorthin zu fahren oder mit den betroffenen Leuten zu sprechen, die dort lebten. Ich habe beides gemacht. Doha, die Hauptstadt, war 2016 eine große Baustelle und die meisten Menschen, denen ich begegnet bin, hatten gar keine katarische Staatsbürgerschaft. Sie gehörten zu den besagten Gastarbeitern und hielten sich zeitlich befristet in Katar auf. Jahre zuvor traf ich in Nepal auf einen ehemaligen Gastarbeiter, der in Katar einige Jahre verbracht hatte. Er war dankbar, als Fahrer so viel Geld verdient zu haben, dass er sich, zurück in seiner Heimat, mit seinem erworbenen Auto eine Existenz aufbauen, und mich nun durch den Himalaya-Staat kutschieren konnte. Auf die Arbeitsverhältnisse angesprochen, war er voll des Lobes über das Land – auch diese Geschichten gibt es. Sie klingen halt nur nicht so spektakulär, herzzerreißend und dramatisch, sind aber auch ein Teil der Wahrheit.

Katar möchte sich als Sportnation etablieren. Ob man das nun gut findet oder nicht, wichtig ist, dass die Welt auf das Land und auch seine Nachbarn schaut. Denn dort arbeiten tatsächlich Tausende von Gastarbeitern hauptsächlich aus Südasien, weil sie sich dort mehr für ihr Leben versprechen als in der Heimat. Man stelle sich vor, die arabische Halbinsel wäre kein solcher Jobmagnet und diese Menschen würden über den Iran und den Irak in die Türkei und nach Europa flüchten, da sie sich dort ein besseres Leben als in Pakistan, Indien oder Sri Lanka versprächen.

Einige Nachbarstaaten verstehen sich aktuell gar nicht mit Katar. Sie versuchen Katar sogar ziemlich zu isolieren. Al Jazeera, der einzige TV-Sender in der arabischen Welt, in der Pressefreiheit gelebt wird, und der sehr stark mit der weltweit anerkannten BBC kooperiert, hockt in…Katar. Und eine der Forderungen der Nachbarn an Katar ist Al Jazeera endlich zu schließen, sprich das zarte Pflänzchen der Pressefreiheit in dieser Region endlich kaputt zu treten, damit man zu Hause wieder ungestörter sein Ding drehen kann.

Ich denke das Beispiel Katar zeigt, dass es heute nicht mehr so einfach ist, ruckzuck ein Urteil zu einem Sachverhalt zu fällen. Vielleicht war es das auch früher nicht. Auf den ersten Blick scheint Katar vielen ein Staat zu sein, den es komplett abzulehnen gilt. Beim näheren Hinschauen fällt uns dann vielleicht auf, dass wir in einer mittlerweile seit Jahrzehnten funktionierenden Demokratie leben und unsere Nachbarstaaten uns nicht feindlich gesinnt sind. Welcher Staat außer Israel ist in der Region eine Demokratie? Richtig, der Jemen! Und da stellt sich dann doch die Frage, ob wir mit unserem westlichen Gesellschaftsverständnis überall ein Copy/Paste durchsetzen wollen, um einen Staat toll zu finden. Das hat in Afghanistan nicht funktioniert und der Arabische Frühling ist letztlich auch überall gescheitert. Übrigens war Katar eines der Länder, in denen es keine Proteste während des Arabischen Frühlings gab – vielleicht weil die Einwohner mit dem autokratischen Stil des Emirs aufgrund des Wohlstands zufrieden sind und Meinungsfreiheit in Katar (im Vergleich zu seinen Nachbarn) nicht vollkommen fremd ist, 70 % der Immatrikulierten auf den Unis von Katar Frauen sind und Homosexualität laut Auswärtigem Amt in Berlin nicht aktiv verfolgt wird.

Sich mit Katar auseinanderzusetzen ist gut. Das Katar-Bashing von manchen Leuten bringt mediale Aufmerksamkeit und Zuspruch von fast allen Seiten. Sich in diesem Zusammenhang für die Rechte von Homosexuellen und von Frauen mit Hilfe von ein paar Zeilen „einzusetzen“ ist sicherlich nicht verwerflich, aber den Betroffenen vor Ort bringt eine Kolumne in einem deutschen Magazin für Fußballkultur sicherlich so rein gar nichts. Das erinnert ein bisschen an die Kritik in den sozialen Netzwerken „weißen, alten Männern“ gegenüber. „Weiße, alte Männer“ sind in diesem Zusammenhang, wir Menschen aus der westlichen Welt, die schon immer wussten, dass das was für uns gut ist, auch gut für alle anderen Erdenbewohner ist. Ja, die Demokratie ist auch meiner Meinung nach die beste Staatsform, die es real existierend gibt. Aber auch bei uns hat es Jahrzehnte gebraucht, um diese gedeihen zu lassen. Es ist ja auch nach wenigen Jahren erst mal 1933 gescheitert. Und bis 1989 war dieses in Teilen Deutschlands weiterhin nicht präsent. Gleichzeitig sollte man es auch tolerieren, wenn Menschen in anderen Regionen sich nicht für die Demokratie stark machen, weil sie vor ihrer Haustür erleben, was in einer Demokratie wie dem Jemen gerade abgeht. Wenn wir vor die Wahl gestellt werden: Auf der einen Seite Demokratie, Bürgerkrieg, Hunger und fehlende Versorgung der Kranken und andererseits Autokratie, Wirtschaftswachstum, relative Meinungs- und Pressefreiheit, gratis Krankenversorgung, ist es nur menschlich, sich für letzteres zu entscheiden

Der FC Bayern und der DFB haben mit ihrer Katar-Connection die Chance, Missstände anzusprechen – hinter verschlossenen Türen und nicht im Rahmen einer Pressekonferenz, einer Pressemitteilung oder einem Social Media Post. Mit Dr. Jörg Englisch hat der DFB einen Compliance-Beauftragten, dessen Aufgabe es sein sollte, mit Katar Themen wie Arbeitsschutz, Mindestlohn, die Rolle von Minderheiten etc. zu besprechen. Gleiches gilt für den FC Bayern, der einen Compliance-Beauftragten endlich einstellen sollte. Journalisten sollten weiterhin das Land kritisch beobachten und bei den Rechten der Gastarbeiter genau hinschauen. Denn schließlich ist es eigentlich eine gute Sache, dass Katar so die Weltöffentlichkeit sucht und die Nähe zu den Erfolgreichen im Fußball. Es gibt 195 Staaten auf der Erde und in vielen läuft vieles falsch. Nur wenige wie Katar suchen das Licht der weltweiten Öffentlichkeit. Dies gilt es zu nutzen, um in diesen Staaten tatsächlich etwas zu bewegen, damit ein mündiger Spieler wie Riku Riski zukünftig ohne schlechtes Gewissen dorthin reisen kann und sich im besten Fall selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, ggf. Aktivisten zu treffen, statt einfach den Kopf in den Sand zu stecken und das Land zu meiden.

Katar – Aserbaidschan 2016

„Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen“ – so der deutsche Dichter Matthias Claudius vor mehr als 200 Jahren. Das gilt heute eigentlich unverändert und lässt sich auch wunderbar auf jede noch so kurze Auswärtsfahrt, etwa in den Frankfurter Stadtwald, übertragen. Die bis dato längste Auswärtsfahrt mit unserem Fußball- und Sportverein von 1905 führte uns pünktlich zum 100-jährigen Vereinsjubiläum nach Armenien. Doch der Fußballgott wollte diese Fahrt natürlich zum runden 111-jährigen Vereinsgeburtstag nochmal ein wenig toppen: So wurde uns Ende August der FK Qäbälä aus Aserbaidschan zugelost. 

Bereits die ganze extrem lange Sommerpause fieberte ich diesem Termin der Auslosung entgegen und war mit dem Ergebnis eigentlich recht zufrieden. Natürlich hätte es auch Kasachstan sein dürfen, denn wenn schon weit weg, dann doch bitte gleich mal einen neuen Länderpunkt sammeln, aber eigentlich war Aserbaidschan schon ein sehr schickes Los, da dieses Land mich bereits bei meinem ersten Besuch 2009 sehr in seinen Bann gezogen hat. Dumm nur, dass es 2009 noch das Visum bei der Ankunft gab. Erst im Laufe des Tages der Auslosung wurde mir im Gespräch mit anderen 05ern bewusst, dass wir beim Los „Aserbaidschan“ um eine Beantragung eines Visums nicht herumkommen würden. Dann kam die Auslosung und bämm – wurde uns natürlich das Team aus dem Kaukasus zugelost. 

Am Tag der Auslosung wurde dann die Arbeit recht schnell beendet und sich mit den wirklich wesentlichen Dingen beschäftigt: Wie das Visum bekommen und wie hinkommen. Klar, die einfachste Variante wäre der Nonstop-Flug mit Lufthansa gewesen. Aber wenn man schon den Länderpunkt Aserbaidschan hat, dann sollte doch bitte auf der An- oder Abreise noch ein neuer Länderpunkt drin sein. Gut, so viele Airlines fliegen nicht dorthin und mit Aeroflot aus Russland, Turkish Airlines oder Ukraine Intl. hätte es auch keinen neuen Länderpunkt gegeben. Aber wieso nicht mal mit Qatar Airways? Das Ticket mit 21 Stunden Stopover war gleich freitags nachts gebucht und ebenfalls mitten in der Nacht ging es an die Beantragung des E-Visums, was sich als einfachste Variante herausgestellt hatte, da das Konsulat von Aserbaidschan in Frankfurt mittlerweile dicht gemacht hat. Und nach Stuttgart oder Berlin zu düsen, darauf hatte ich nun nicht wirklich Lust, da das Hertha-Spiel erst im November stattfindet und wir diese Saison erst gar nicht nach Stuckitown in der Liga fahren werden.

Die Beantragung des E-Visums setzte zwar einige Kenntnisse von Photoshop heraus, da man sämtliche Dokumente in ein JPG-Format konvertieren musste, das Passbild ein exakt vorgegebenes Format einhalten musste, seitenlange Anträge auszufüllen waren und ich dann noch gutgläubig meine Kreditkartendaten preis gab. Aber am Ende klappte alles wunderbar. Nach 5 Arbeitstagen (aserbaidschanisch gerechnet), was ca. 14 Tagen entsprach, stand das Visum zum Download bereit und bereitete uns keinerlei weitere Kopfschmerzen.

In der Zwischenzeit spielten unsere rot-weißen Jungs ihr Premierenspiel im Stadion am Europakreisel gegen St. Etienne und nur 20.000 Leute, wollten sich das Gekicke angucken. Ich kapiere es einfach nicht, warum auch schon 2011 gegen Medias und 2014 gegen Tripolis so wenige Leute Bock auf internationalen Fußball made in Meenz haben. Klar, die Liga hat Priorität, aber wie geil ist es eigentlich vor 25 Jahren noch regelmäßig in der Oberliga Südwest gegen Eintracht Trier gespielt und dann lange Jahre gegen Fürth verloren zu haben und jetzt plötzlich in der Europa League Gruppenphase mitzumischen. Die Hertha-Fans würden wohl gerne mit uns tauschen…

Knapp zwei Wochen nach der Heimpremiere ging es schließlich los, zur längsten Auswärtsfahrt ever. Die 6 Stunden nach Doha vergingen im wahrsten Sinne wie im Flug und es erwartete einen das Austragungsland der Fußball WM 2022: Katar. Kaum gelandet gab es das erste Problem! Wie einreisen? An jedem normalen Flughafen gibt es für ankommende Passagiere zwei Schilder (plus die fürs WC): Ankunft und Transfer, sprich einmal der Hinweis für die, die einen Weiterflug haben und einmal für die normalerweise sich in der Mehrheit befindenden Leute, die hier ankommen und bleiben möchten.

Anders in Doha: Hier gab es nur Transfer. Ja, wir wollten auch nach Baku, aber bitte erst in 21 Stunden. Wie können wir hier am ultramoderenen Super-Dupi-Mega-Airport einreisen? Das Personal war etwas überfragt. Wer will bitte schon nach Doha? Na ja, spätestens zur WM in 6 Jahren, kenne ich da ein paar Nasen, die sich das Land geben wollen. Nach mehrmaligen Durchfragen konnten wir dann die Sicherheitskontrolle in umgekehrter Richtung passieren und schafften es  tatsächlich zur „Immigration“. Anders als für Aserbaidschan bekommt man für Katar sein Visum tatsächlich am Flughafen (wenn man es denn zur Immigration schafft). Das einzige, was die freundliche Dame wirklich interessiert hat, war die Kreditkarte, zur Bezahlung der umgerechnet 25 € Gebühr für das Visum und schon waren wir drin.

Da es mittlerweile 2 Uhr morgens war, ging es ruckzuck mit dem Taxi ins Hotel und am nächsten Morgen staunten wir nicht schlecht, als wir die Vorhänge im Zimmer zurückzogen. Wir blickten auf eine riesige Baustelle und unfertige Gebäude auf denen Inder und Nepali sich Tee im Schatten kochten. Tatsächlich kam ich mir eher wie in Indien vor als wie im, nach Bruttosozialprodukt pro Kopf gerechnet, reichsten Land der Erde. Der Kaiser Franz sagte ja, er hätte keine Sklaven auf den WM-Baustellen gesehen. Vielleicht hätte er halt mal in der Innenstadt von Doha aus dem Fenster gucken sollen. Klar steht den Leuten nicht „Sklave“ auf der Stirn und die Leute sind ja tatsächlich aus freien Stücken in diesem Land. Aber es ist halt auch nicht zu leugnen, dass diese Menschen in ärmlichen Verhältnissen das Land Katar für die WM aufrüsten. 

Viele haben ja ein massives Problem damit, dass die WM dort bald stattfindet. Ich denke allerdings, dass jeder Mitgliedsstaat der FIFA das Recht hat, dieses Turnier zu veranstalten. Nur weil wir ein paar Mal Weltmeister wurden und anscheinend irgendjemand irgendwelche Entscheider gut bezahlt hat, sollten ausschließlich wir Europäer, Amerikaner, Südafrikaner oder Ost-Asiaten ein Recht haben, WM-Veranstalter zu werden? Es ist doch gut, dass Katar und die dortigen Arbeitsbedingungen jetzt mindestens noch sechs Jahre im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen. Und Katar muss über kurz oder lang diese Bedingungen verbessern, möchten sie nicht als die Buhmänner des Fußballs dastehen. Ich habe vor 3 Jahren in Nepal mit Leuten gesprochen, die Katar über den grünen Klee gelobt haben, da sie dort ein vielfaches von dem als Gastarbeiter verdienten als in Kathmandu. Von daher müssen wir wohl mal unsere Schwarz-Weiß-Malerei überdenken. 

Dass die WM nur noch eine große Marketingveranstaltung ist, weiß eh jeder, der sich mit dem Fußball ein wenig beschäftigt, und da ist es doch weitaus schöner, mit dem lokalen Fußballverein mal international zu fahren. In diesem Sinne sind wir dann nach 21 Stunden in diesem etwas bizarren Land, dessen Einwohner wir eigentlich gar nicht zu Gesicht bekamen, sondern nur dessen Gastarbeiter, dann mal weiter nach Baku geflogen. Bei all den Problemen, die es aktuell mit der Migration von Menschen gibt, war es interessant zu sehen, dass die Kataris wohl irgendwie überhaupt kein Problem haben, dass so viele Fremde in ihrem Land leben und arbeiten und somit den Wohlstand ihres kleinen Landes wohl eher vermehren, als diesen zu bedrohen.

3 Stunden später erreichten die Hauptstadt Aserbaidschans und wieder war es zwei Uhr nachts. Normalerweise verlasse ich die Gepäckausgabe und gehe an zahlreichen Menschen, die Pappschilder in die Höhe halten, ein wenig neidisch vorbei, da auf mich niemand wartet und ich mich stattdessen mit den lokalen Taxifahrern auf einen akzeptablen Preis einigen muss. Doch dieses Mal erblickte ich glücklicherweise gleich meinen Namen und war froh, dass das Hotel tatsächlich Sahin, unseren Fahrer schickte. Das Hotel erhielten wir mit dem E-Visum, da man dieses Papier nur bekommt, wenn man noch eine Zusatzleistung wie Hotel oder Altstadttour gemeinsam bucht. Das Hotel lag direkt in der Innenstadt und nachts um zwei war der Verkehr dann sehr spärlich, so dass es ruckzuck ins Hotel ging, denn schließlich war bereits seit mehr als zwei Stunden Spieltag.

Das Schöne an Baku, was viele ja als „Klein-Dubai“ bezeichnen, ist neben dem so viel angenehmeren Klima als in Dubai die Tatsache, dass diese Stadt einerseits ihren Zugang zum Meer in einen Nationalpark umgewandelt hat, an dem man auf einer Promenade kilometerweit flanieren kann und andererseits blieb die mittelalterliche Altstadt und die Neustadt mit ihren Häuserzeilen aus dem 19. Jahrhundert vom Bauwahn der 2000er Jahre verschont. Die monströsen Glaspaläste als Zeichen des Reichtums durch Öl und Gas wurden auf die Hügel und an den Stadtrand gebaut. Trotzdem wurden leider für manche Prachtbauten, z.B. für die Austragung des Grand Prix d’Eurovision 2012, dennoch zahlreiche Häuser einfacher Leute abgerissen. Auch hier ist wieder einmal Schwarz-Weiß-Malerei nicht wirklich angebracht. Klar ist der Abriss absolute Kacke, aber andererseits ist die Stadt abends voll mit Leuten, die in die Kaffees, Kneipen und Bars strömen – in einem muslimischen Land. Hier genießen die Menschen ihr Leben, die Sicherheit und den bescheidenen Wohlstand. Man geht zu Vapiano essen und zu Starbucks Kaffee trinken – egal ob mit Kopftuch (eher die Ausnahme) oder ohne Kopftuch (die große Mehrheit). Und die Regierung pumpt Millionen ihres Geldes, das sie durch Bodenschätze einnimmt, in die Infrastruktur des Landes. Andererseits legt sie auf die Meinung ihrer Bürger, insbesondere wenn diese von ihrer Meinung abweicht, nicht sonderlich viel Wert. Meinungsfreiheit geht wohl wirklich anders.

Vielleicht sollten wir uns tatsächlich mal glücklich schätzen, mit dem was wir in Deutschland haben, sprich einigermaßen Wohlstand (im Vergleich zu 99% aller anderen Erdenbewohner) und Demokratie, die das Recht auf freie Meinungsäußerung einschließt. In Aserbaidschan geht es vielen Menschen wohl einigermaßen ok – was in dieser Weltregion schon mal viel Wert ist, wenn man an die aktuellen Verhältnisse in den Nachbarländern Syrien, Irak oder Türkei denkt. Aber natürlich fehlt das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf freie Wahlen. Aber einfach das Land arrogant als Diktatur abhandeln, ist halt auch zu einfach. Sahin unser Taxifahrer erzählte, er und seine Familei hätten kein Interesse ihr Land zu verlassen, um etwa nach Deutschland zu kommen. Sie möchten hier etwas aufbauen, so z.B. auch in Lahic, dem Bergdorf 200 km westlich von Baku, das wir mit Sahin am Wochenende besuchten. Rustam unser Guesthouse-Besitzer schaffte es einen luxuriösen Homestay zu schaffen – mitten in den Bergen ohne Teerstraße, dafür mit WLAN-Empfang. Die Verbindung war so gut, dass man sogar 05er TV gucken konnte – ohne ruckeln und das mitten in der Pampa des Kaukasus. Würde dies mal in Hotels in Deutschland so gut funktionieren… Und von wildfremden Menschen Äpfel auf der Straße geschenkt zu bekommen, habe ich bisher immer nur in muslimisch geprägten Ländern wie der Türkei, Syrien oder Eritrea erlebt. 

Zurück in Baku wurden wir von unseren ständigen Begleitern, die streunenden Katzen wieder herzlich begrüßt, da wir seit unserer Ankunft mehr als ein Kilo Katzenfutter unters Katzenvolk gebracht haben. Die Tiere sahen durchweg gepflegt aus und waren auch relativ gut genährt. Trotzdem machten wir uns mit dem aserbaidschanischen Kitekat ständig neue Freunde und natürlich sollten auch diese Vierbeiner etwas davon haben, wenn Mainz 05 mal international spielt und wir fast eine Woche und mehr als 12.000 km für unseren Fußballverein bis in den Fernen Osten Europas unterwegs sein durften.