Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:
Möchte man manche Reisen möglichst „nachhaltig“ gestalten, muss man halt mal „vor fahren“. So fuhr ich die Strecke Mainz – Bukarest bereits 1995 mit dem Zug (auf dem Weg mit Öffis nach Kapstadt). Damals ging es in zwei Nachtfahrten mit ungarischem und rumänischem Visum in die Hauptstadt von Rumänien. Diesmal konnte ich die Reise ohne Reisepass und Visum antreten. Dem Schengen-Raum sei Dank reichte diesmal ein Perso. Leider musste ich diesmal den Flieger nehmen. Schließlich hatte ich praktisch keine Urlaubstage mehr. Daher ging es mit der Bahn nur vom Flughafen Bukarest bis nach Craiova.

Das Zugticket war 28 Tage vor Reiseantritt schnell über die App gebucht. Tatsächlich konnte ich die Zugfahrt bereits am Flughafen antreten, denn seit 2023 hat er Bahnanschluss. Das sah bei meinem Medias-Besuch 2011 noch anders aus. Am Bukarester Nordbahnhof angekommen, konnte ich keine großen Unterschiede zu meinen bisherigen Besuchen 1995 und 2003 feststellen. 2003 ging es von hier ebenfalls über Budapest und Österreich mit dem Zug nach Mainz zurück. Das war damals das Ende meiner einjährigen Weltreise mit Öffis rund um unseren verrückten Planeten.

Die Zugfahrt nach Craiova selbst war komplett unspektakulär und alles andere als Hochgeschwindigkeitsverkehr. Für die 204 Kilometer brauchte der Zug laut Fahrplan über 4 Stunden. Vorbei ging es durch die vollkommen flache Walachei im Hochnebel in Richtung Spielort. Mit ein paar Minuten Verspätung erreichte ich schließlich Craiova.

02 (N)immer nuff:
Der Weg vom Bahnhof zum Hotel führte mich zwei Kilometer weit an grauen Plattenbauten entlang. Auf grauen Straßen und bei grauem Himmel erreichte ich das einzig großen Hotel der Stadt. Dort erstrahlte in herrlichem Rot-Weiß der Bus von Mainz 05. Dieser musste durch halb Europa hierher gurken. Schließlich kann das Team vom Flughafen ins Hotel und von dort ins Stadion nur in diesem Bus fahren. Gewohnte Abläufe…so wichtig im Profifußball.

Zu unserem Erfahrungsschatz gehört es mittlerweile, dass so ein Bus Idiot*innen auf den Plan ruft. In Trondheim wurden schön die Reifen demoliert. Und es ist halt alles andere als nachhaltig, solche Leerfahrten zu veranstalten. Gut, dass die CO2-Emissionen, die ein solches Handeln nach sich zieht, nicht im Nachhaltigkeitsbericht des Vereins thematisiert werden.

Und wer sagt, das wird halt so auf Europapokalfahrten gemacht, der war 2005 wohl nicht in Reykjavik dabei. Damals stiegen Klopp und Co. aus einem isländischen Bus aus und standen dann mit uns vor verschlossenem Stadion. Das ist aber eine andere Geschichte 😉
03 Kon-Trolle
Der Weg vom Hotel ins Stadion führte praktisch nonstop durch einen Weihnachtsmarkt. Craiova ist den Älteren unter uns sicherlich nur durch den Fußball bekannt. Aber tatsächlich befindet sich in der Stadt der größte Weihnachtsmarkt Europas. Laut Travelbook hat dieser die Ausmaße von 40 Fußballfeldern. Er ist übrigens noch bis zum 4. Januar 2026 geöffnet – falls noch jemand hin möchte.

Für den Lichterzauber muss sicher ein ganzes Atomkraftwerk herhalten. Aber es sah halt auch echt verdammt kitschig hübsch aus. Hinter zwei, drei Straßenecken war auch schon das Stadion erreicht. Anders als bei vielen anderen Stadien befand sich der Eingang für uns direkt auf dem Hauptplatz. Es waren keine mega Umwege nötig, um hineinzugelangen. Und die lockere Security sorgte für einen entspannten Weg in den Block.
04 Kampf um den Mampf
Außer in Stuttgart lebt man als auswärtsfahrende Person, die pflanzliche Kost zu sich nimmt, in der Bundesliga in einem Schlaraffenland. Es gibt eigentlich immer etwas zu futtern. Aber international sieht das meist nicht ganz so toll aus.

Daher stattete ich vorkicks zwischen Weihnachtsmarkt und Stadion dem einzigen veganen Café der Stadt einen Besuch ab. Dort schlug ich meinen Magen mit veganen Törtchen voll. Schließlich sah ich auch auf dem Weihnachtsmarkt nicht wirklich etwas pflanzliches – mit Ausnahme von Glühwein vielleicht…
05 Käfighaltung
Das Schöne an internationalen Auswärtsfahrten sind oft die Begegnungen vor dem Spiel. Und natürlich ergebnisunabhängig nach dem Spiel (diesmal vorallem an der Hotelbar des Teamhotels). Zu den unangenehmen Erscheinungen hingegen zählen bizarre Elfmeter, mit denen es in Craiova startete und dieser das Spiel entschied. Auch ellenlange Videobeweise sind einfach nur noch gestört. Warum man 5 Minuten braucht, um etwas zu entdecken? Das Abseits von Kacper sollte sich mit einem Blick entdecken lassen. Oder das „Foul“, das zum Elfer führte. Anonsten ist das einfach nur noch abstoßend – genauso wie komplett überflüssige Blocksperren.

Fast eine Stunde durften wir den Block nicht verlassen. Am Ende fanden sich im weiten rund keine Heimfans mehr. Die Craiova-Ultras hatten in der Zwischenzeit sogar die Reste ihrer Choreo abgebaut. Am Ende verblieb der Mainzer Mob und eine Hundertschaft Polizist*innen im weiten Rund. So glotzte man sich eine Stunde lang an. Dann wurde auf Kommando die Blocksperre aufgehoben. Wir konnten zurück auf den Weihnachtsmarkt trotten. Dieser war schließlich auch um 22 Uhr noch geöffnet und belebt – dem tristen Grau als Kontrastprogramm zum Trotz.
Fazit: Der Jahrgang 2025/2026 zeigt, dass man international viel Zeit mitbringen muss. Für den elenden VAR, die Blocksperre und das Entdecken des größten Weihnachtsmarkt Europas.
Rot-weiße Grüße,
Christoph – Meenzer on Tour

