Kambodscha 2011 letzter Teil

Sua s’dei…

Poipet gilt unter westlichen Touristen sicherlich nicht als der Ort, warum man die Strapazen auf sich nimmt, um nach Kambodscha zu reisen. Poipet macht es allerdings den Touristen auch extra schwer, einen positiven ersten Eindruck von diesem Land zu erhalten.

Als eiserne Regel in Globetrotter-Kreisen gilt, dass keine angebotene Fahrtoption gratis ist, von daher hätte es auch mich verwundert, dass direkt hinter der Grenze ein Bus nur auf uns gewartet hat, der uns gratis zur Busstation bringen sollte. Im ersten Kapitel hatte ich bereits beschrieben, wie der Lonely Planet seine Leser auf diesen Grenzübertritt vorbereitet und auch dieses Detail war bereits ausführlich erklärt worden, so dass wir diesen Bus ruhigen Gewissens nehmen konnten, nachdem uns versichert wurde, dass er zum „International Tourist Terminal“ (ITT) fuhr, das direkt in der Stadt lag und nicht zum 8 km entfernten mitten im Nichts liegenden Poipet Tourist Passenger International Terminal (PTPIT) – einen perfekten Ort zum Abzocken von ahnungslosen Reisenden. Irgendwie erinnerte mich das Monthy Python’s „Das Lebendes Brian“ genauer gesagt an die „Volksfront von Judäa“ bzw. die „Judäische Volksfront“.

Endlich raus aus Poipet und ab nach Siem Reap
Endlich raus aus Poipet und ab nach Siem Reap

Den simpelsten Weg, einfach ein Taxi von der Grenze aus zu nehmen, blieb uns versperrt, denn in Poipet herrscht ein Kartell, das es Taxifahrern nicht erlaubt, Touristen dort aufzunehmen. Von daher war die Fahrt zur ITT unumgänglich, wollten wir relativ schnell, problemlos weiterreisen. Mir war dies alles von meinem ersten Grenzübertritt 2005 her unbekannt, denn schließlich reiste ich damals mit dem Drahtesel ein – vielleicht wäre das auch dieses Mal die richtige Methode gewesen, diesem Kartell zu entgehen.

Sei’s drum, der große Bus fuhr für uns zwei ein paar hundert Meter ins Landesinnere zur ITT, die relativ sauber und ausgestorben wirkte, da natürlich kambodschanische Reisende, irgendwo ein- und aussteigen, nur nicht an der für Touristen gebauten Busstation, in der die Fahrpreise wohl 3-mal so hoch sind, wie für normal sterbliche Khmer. Es gab genau drei Verkaufsschalter, wobei nur einer besetzt war und an allen drei Schaltern, standen die Fahrpreise und -ziele aufgelistet. Natürlich unterschieden sich die Preise überhaupt nicht – das ist ja der Sinn eines Kartells. Angeblich wechseln die Betreiber der Busstation täglich, so dass jeder Clan alle drei Tage abzocken darf. Die Fahrt im Bus nach Siem Reap sollte 9 US$ kosten für ca. 150 km. Zum Vergleich: eine Fahrt von Siem Reap nach Phnom Penh kostet im Luxusbus 7 US$ bei einer Wegstrecke von 300 km.

Sicherlich lacht der Leser jetzt, denn es geht hier tatsächlich nur um Cent-Beträge, um die man hier gebracht wird. Diese Einstellung konnten wir uns auch leisten, nur für Langzeitreisende, die mit ihrem Budget haushalten müssen, ist dies natürlich eine recht unangenehme Situation. Wir waren sogar so dekadent und nutzen die Dienste eines Taxis, das geteilt durch vier Personen 12 US$ pro Reisenden kosten sollte. Also würde das Taxi 48 US$ kosten, wenn man es komplett alleine mietet. Da der Japaner bereits verschollen war, der Frankfurter wohl nur mal kurz in Kambodscha vorbeischaute, um wieder in seine neue Heimat Thailand zu gelangen, nahmen wir das Taxi alleine für 40 US$. Und es ging sofort auf Tour in Richtung Siem Reap. 

Immer schön lächeln - wir haben unser Ziel erreicht!
Immer schön lächeln – wir haben unser Ziel erreicht!

Die 150 km Reise, die vor kurzem noch bis zu 12 Stunden dauerte, da angeblich diverse Gruppen ein Interesse hatten, die Fahrt nach Siem Reap überland möglichst unangenehm zu gestalten, damit eine als Monopolist auftretende Airline, die zwischen Bangkok und Siem Reap fliegt, weiterhin hohe Flugpreise erzielen kann (ca. 150 US $ einfache Strecke), war nun sehr angenehm. Auf der frisch geteerten Straße kamen wir innerhalb von 2 ½ Stunden vor den Stadttoren an. Unser Taxifahrer fragte uns gar nicht, wohin er uns bringen sollte, obwohl vereinbart war, dass wir direkt vor unserem Hotel abgeliefert werden sollten. Plötzlich bog er rechts in einen Innenhof ab und wir wurden vom Taxi auf ein Tuk-Tuk umgeladen. Das Kartell zeigte sich hier ein letztes Mal, denn nun wurden wir nach unserer Hoteladresse gefragt und ob wir bereits gebucht hätten. Beides bejahten wir, was zwar nicht stimmte, doch hier wird halt auf beiden Seiten mit harten Bandagen „gekämpft“. Neben uns und dem Tuk-Tuk-Fahrer war eine weitere Person an Bord. Da wurde uns schnell bewusst, dass das Kartell sicherlich noch mal ein paar Dollar Kommission beim Hotel einstecken wollte. Und natürlich wurden wir nicht zu unserem vereinbarten Hotel gebracht, sondern zu einem Etablissement, das auch Kommissionen zahlt. Dummerweise können wir lesen und sagten, die sei nicht unser Hotel. Der Kommissionsnehmer und der Kommissionsgeber des Hotels versuchten uns mit niedrigen Preisen zu überzeugen, doch wir beharrten darauf, eine Reservierung im anderen Hotel zu haben. Irgendwann hatten alle ein Einsehen und wir wurden tatsächlich zu unserem Hotel gebracht, nicht ohne zu versuchen, für den Folgetag einen Deal zum Besuch der Tempel von Angkor Wat abzuschließen. Freundlich lehnten wir dieses „verlockende Angebot“ ab und waren froh, dass es in unserem Hotel noch Zimmer gab.

Siem Reap, die Stadt ca. 8 km südlich der berühmten Tempelanlagen von Angkor Wat gelegen, hatte sich innerhalb der letzten 5 Jahre an manchen Stellen stark verändert. Es gab plötzlich eine Shopping-Mall mit Supermarkt und die Touristenmeile erinnerte nun stark an die „Khao-San-Road“, die Backpackerstraße in Bangkok. Der Verkehr in der Stadt war vielleicht wegen der absoluten Hochsaison schon fast ebenfalls mit Bangkok vergleichbar, aber trotzdem war Siem Reap noch ein angenehmer Ort zum Rasten – den vielen kulinarischen Optionen und dem hohen Standard seiner Guesthouses sei Dank.

Tomb Raider lässt Grüßen - auch Hollywood war schon da!
Tomb Raider lässt Grüßen – auch Hollywood war schon da!

Die Tempel von Angkor Wat besuchten wir wie ich 2005 wieder mit dem Rad. Dies ist sicherlich die schönste und umweltfreundlichste Art und Weise, diese Bauwerke mitten im Dschungel zu entdecken. Nur leider kommen auf diesen Gedanken fast nur westliche Reisende. Koreaner und Chinesen zieht es gruppenweise dorthin. Nun kann man streiten was ätzender ist, von einem Bus die Abgase einmalig einzuatmen oder von einer Kette von Tuk-Tuks, mit jeweils zwei asiatischen Touristen besetzt, überholt zu werden. Glücklicherweise fanden wir Mittel und Wege dem Gedränge recht häufig aus dem Weg zu radeln, in dem wir Tempel besuchten, die zu bestimmten Tageszeiten überlaufen waren, z.B. zum Sonnenauf- bzw. –untergang und während des Rest des Tages fast ausgestorben waren. In diesen Momenten zeigte sich, warum Angkor Wat auch 2011 noch ein wunderbares Reiseziel ist: die Atmosphäre ist das ein und alles! Wenn man mit hunderten von Touristen auf einem Tempel sitzt und die unzähligen Digitalkameras einen Elektrosmog der besonderen Art entwickeln, ein babylonisches Sprachgewirr herrscht und dazwischen noch Kinder versuchen Postkarten, Armreifen oder sonst einen Krimskrams loszuwerden versuchen, dann macht Angkor Wat keinen Spaß. Aber wenn man mit einer Handvoll Besuchern oder sogar alleine einen Tempel aufsucht, dann hört man plötzlich nur noch Vogelgezwitscher und kann in guter Indianer Jones Manier die Bauwerke aus dem 11. und 12. Jahrhundert n. Chr. entdecken. Dies ist uns relativ oft gelungen, zumal die Tempel von Angkor Wat sich über eine Größe erstrecken, die praktisch dem gesamten Rhein-Main-Gebiet entspricht.

Das Schöne an Siem Reap ist die Tatsache, dass man neben Tempeln auch andere lohnenswerte Ausflüge unternehmen kann, so zum Beispiel nach Kompong Pluk, das Stelzendorf im Tonlé Sap, dem See Kambodschas schlechthin. Der Pegel des Sees steigt und fällt mit Regen- und Trockenzeit, da dieses Gewässer mit dem berühmten Mekong-Fluss verbunden ist. Führt der Mekong Hochwasser vergrößert sich die Wasserfläche des Tonlé Sap um das 10-fache und der Pegel steigt um mehrere Meter an. Daher haben die Fischer der Dörfer am Seeufer ihre Häuser auf bis zu sieben Meter hohe Stelzen gebaut. Vor 5 Jahren war dieser Ausflug noch völlig unorganisiert zu machen. Mit einem kleinen Boot sind wir damals die Seestraßen entlang gefahren. Heute stehen dazu große Langboote zur Verfügung, die für 20 Leute Platz bieten, aber zum Teil nur mit ein oder zwei Touristen belegt sind. Da bekommt man als Reisender schon ein schlechtes Gewissen, dass man die Umwelt mit so einem riesigen Kahn belastet. Umgekehrt würde das Sammeln von Touristen und das Platzieren dieser auf ein Boot die Umwelt deutlich entlasten und gleichzeitig viele der Dorfbewohner arbeitslos machen. Dies ist das Grundproblem, das sich in Siem Reap aber auch in anderen touristischen Zentren dieser Welt stellt: will man nachhaltigen Tourismus entwickeln, müssen die Einheimischen auch davon profitieren. Daher kann man auch bis heute mit dem Tuk-Tuk oder dem Moped Angkor Wat besuchen – eine Umstellung auf Elektrofahrzeuge bedeutet Investitionen, die die Einheimischen nicht stemmen können. Der Bau eines neuen entfernten Flughafens soll eventuell einen Ausgleich für die Tuk-Tuk-Fahrer darstellen, wenn man tatsächlich irgendwann vielleicht nur noch mit Rad und E-Auto die Tempel besuchen darf – denn irgendwann wird ansonsten Angkor Wat am Abgas- und Stauproblem zu Grunde gehen.

Stelzendorf Kompong Pluk
Stelzendorf Kompong Pluk

Ein unterstützenswertes Projekt wird bereits heute am Tonlé Sap durchgeführt. Nur wenige Kilometer von Siem Reap entfernt befindet sich das Prek Toal Bird Sanctuary, das größte Brutgebiet Südostasiens. Dieses war akut durch die Abholzung und Eierjagd der Einheimischen bedroht, bis ein Ökotourismus-Projekt gestartet wurde. Statt die Bäume abzuholzen und die Eier der Brutvögel zu klauen, erhalten die Einheimischen jetzt ein festes Einkommen und sind als Ranger tätig. Schließlich wissen sie am besten, wo sich die Brutplätze befinden, haben sie diese ja jahrzehntelang bereits aufgesucht. Das Geld stammt zum Großteil von uns Touristen, die morgens um halb sechs vor Sonnenaufgang mit einem Boot über den Tonlé Sap in Richtung Vogelreservat unterwegs sind. Durch ein Wirrwarr an Kanälen gelangten wir bis auf ca. 300 Meter an die Brutplätze – nah genug um mit einem großen Fernrohr von einem Aussichtplatz in einer Baumkrone die Vögel zu beobachten und entfernt genug, um die Gefiederten nicht beim Brüten zu stören. In Kambodscha gibt es mittlerweile unzählige Ökotourismusprojekte, die immer nach demselben Motto ablaufen: für die Einheimischen muss sich der Lebensstandard durch die Durchführung des Projekts verbessern, ansonsten hat das Projekt keine Chance. Genau deshalb wird bei diesen Projekten genau darauf geachtet und von daher versprechen diese Projekte auch den gewünschten Erfolg.

Im Prek Toal Bird Sanctuary -Adler auf der Flucht vor den 05ern!
Im Prek Toal Bird Sanctuary -Adler auf der Flucht vor den 05ern!

Nach einer Woche Aufenthalt in Siem Reap fuhren wir dann weiter in Richtung Hauptstadt Phnom Penh. Wie schon in Argentinien im Frühjahr hatten wir auch hier wieder ein Panne. Doch dieses Mal mussten wir nicht in La Pampa 9 Stunden ohne viel Essen und Trinken ausharren. Vielmehr wurden wir während der 45 Minuten Sonderpause wegen eines gerissenen Keilriemens, von mitfahrenden Passagieren zu einem All-U-Can-Eat von Wassermelonen am Straßenrand eingeladen. Dies war nur der Höhepunkt an Freundlichkeiten, die uns von den Khmer in ihrem Land entgegen gebracht wurde. Bis auf die mafiösen Machenschaften auf der Fahrt nach Siem Reap wurden wir von nahezu allen Einheimischen freundlich und immer mit einem Lachen auf den Lippen empfangen. Siem Reap kennt den Massentourismus nun schon seit praktisch 100 Jahren und die These, dass die Einheimischen nach ein paar Jahren des Tourismus immer unfreundlicher werden, kann man in Kambodscha glücklicherweise getrost vergessen. Natürlich bekamen wir auch wieder alle Arten von Dienstleistungen angeboten von Postkarten über Tuk-Tuk-Fahrten zu Massagen oder Cold Drinks aber einmal freundlich abgelehnt war das für die Anbieter auch in Ordnung. Hartnäckiges Anpreisen ihrer Angebote, wie in anderen Touristengegenden durchaus üblich, gibt es in Kambodscha nicht.

Nachdem der Keilriemen ausgetauscht war, kamen wir nach sechs Stunden Fahrt in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh an. Übersetzt heißt die Stadt „Penh Berg“, aber der „Berg“ ist nur ein Hügel, auf dem ein buddhistischer Tempel steht. Wie auch in Siem Reap ließ es sich hier wunderbar schlemmen. Das Frühstück konnte man mit einer leckeren Nudelsuppe und üppigen Grünzeug sowie Rindfleischstückchen für Nicht-Vegetarier beginnen. Dazu ein starker Kaffee, der wie in Laos und Vietnam etwas anders geröstet wird als bei uns und entsprechend ganz anders schmeckt und ja es gibt auch hier, den Franzosen sei Dank, leckeres frisches Baguette und warme Croissants. Sowohl für Vegetarier als auch für Fleischesser gibt es über den Tag verteilt die leckersten Speisen an Straßenständen, in den Food Courts der Kaufhäuser oder einfach im eleganten Restaurant zu sehr moderaten Preisen für unsere Verhältnisse.

Endstation: Phnom Penh
Endstation: Phnom Penh

Etwas ganz besonderes war auch das Sylvester-Dinner in einer hippen Location in Siem Reap, das Nest Angkor.  Das eigentliche Khmer-Neujahrsfest findet im April statt, aber natürlich wurde auch in Kambodscha das neue Jahr standesgemäß gegrüßt. Das 6-Gänge-Essen bot einen kulinarischen Hochgenuss, doch das eigentlich erstaunlichste bot dann doch die Weinkarte. Neben erlesenen Tropfen aus Australien, Südafrika, Chile und Frankreich gab es auch einen deutschen Wein zu kosten: Riesling vom Weingut Gunderloch aus Nackenheim, Rheinhessen. So war unsere Heimat plötzlich mitten in Kambodscha wieder ganz nah am Tisch…allerdings entschieden wir uns für den nächst gelegenen Wein, der geographisch entsprechend aus Australien stammte.

Nach ein paar Tagen des Schlemmens via Phnom Penh und Singapur sind wir nun wieder in Deutschland angekommen, das uns mit relativ angenehmen Temperaturen und Sonne überraschte. Ich wünsche Euch für 2011 ein Jahr mit vielen spannenden (Reise)Erlebnissen und bester Gesundheit!

Kambodscha 2011

Sua s’dei…

… ist Khmer und heißt so viel wie „Hallo“.

Nach dem wir um Weihnachten herum vom Weihnachtsmann mit allzu viel Schnee bedacht worden sind, machten wir es den Mainz 05 Spielern gleich und flogen in den Süden – allerdings in die andere Richtung. Statt Barcelona hieß unser Ziel Bangkok und statt am Camp Nou zu trainieren, gingen wir in Kambodscha auf Tour.

Um ein Haar wäre unsere Reise allerdings so geendet, wie die der unzähligen Gestrandeten an Europas Flughäfen, nämlich direkt vor der eigenen Haustür. Wozu Wetterprognosen existieren, wissen sicherlich nur die Betreiber der Webseite des Deutschen Wetterdienstes im drittklassigen Offenbach. War für den 2. Weihnachtsfeiertag eigentlich trocken-kaltes Winterwetter vorhergesagt, schneite es sich kurz vor dem Start unserer Maschine in Frankfurt so richtig wieder ein. Enteisung war daher angesagt – und das kann in Frankfurt zur Geduldsprobe werden. Zunächst rollte die vereiste Maschine ein wenig Richtung Startbahn West umrundete ein paar Vorfeldgebäude und sammelte wie im Flug unzählige Minuten Verspätung – um schließlich auf einer Vorfeldposition von einem „Elefanten“ doch noch von Schnee und Eis befreit zu werden. Allerdings blieb der Schnee, der mittlerweile heftig von oben kam, auf dem gefrorenen Boden liegen und von einer Fahrbahnmarkierung war im Weiß schon lange nichts mehr zu sehen. Was bringt eigentlich ein enteistes Flugzeug, wenn die Startbahn mit Schnee bedeckt ist? Vielleicht war es einfach Glück, auf jeden Fall sind wir mit knapp einer Stunde Verspätung dann doch noch dem deutschen Winter entflogen und in Thailands Hauptstadt Bangkok gelandet.

Ziel unserer Reise: Kambodscha
Ziel unserer Reise: Kambodscha

Asiatische Städte ändern ihr Aussehen etwa so schnell wie die Trainergesichter des VfB Stuttgart – wobei Stuttgart ein gutes Stichwort in Bezug auf Bangkok ist. Dort wird einfach mal ruckzuck ein Bahnprojekt durchgezogen – allerdings wurde die Schnellbahn, die die Stadt mit dem relativ neuen Flughafen verbindet auch oben gebaut und nicht in die Erde verlegt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, vor gerade mal ein paar Jahren in Bangkok mit dem Rumpelbummelzug vom alten Flughafen in die Stadt zu tuckern – jetzt gleitet der Zug wie von Geisterhand auf Stelzen, dem Transrapid ähnlich, in die Stadt der Engel, in dies es uns nur zog, um möglichst schnell gen Osten aus ihr wieder heraus zu kommen. Schließlich wollten wir in den nächsten Tagen mit dem Rad die alten Khmer-Tempel von Angkor Wat erkunden.

Also ging es in eine von mehreren riesigen Busstationen, die um Bangkok herum verteilt sind. Innerhalb der Stadt geht auch ohne Fernbusse oftmals gar nichts. Dauerstau ist in Thailands Hauptstadt Programm und selbst das Hinauskommen mit dem Bus vom Stadtrand der Metropole aufs flache Land dauerte fast eine Stunde, denn auch im Großraum Bangkok besitzen mittlerweile viel zu viele Menschen viel zu viele Autos. Fuhren in den asiatischen Nachbarländern Thailands vor zehn Jahren die meisten Menschen noch mit dem Rad ist das Moped mittlerweile bereits in Vietnam und Kambodscha der fahrbare Untersatz der Mittel- und Unterschicht. Wenn dann vielleicht bereits in wenigen Jahren auch dort die Einwohner auf das vierrädrige Gefährt umsteigen, befinden sich auch dort ganze Ballungszentren im Dauerstau. An Umwelt- und Gesundheitsschäden möchte ich und wahrscheinlich auch der jeweils betroffene Staat lieber nicht denken. Schließlich verspricht „Entwicklung“ Fortschritt und natürlich wäre es vermessen, wenn wir Europäer den Asiaten das Recht auf diese „Entwicklung“ absprechen würden…nur ist damit der Umwelt leider nicht geholfen – und den Lungen der Asiaten auch nicht. 

Einer der Pluspunkte in Asien: leckeres Essen
Einer der Pluspunkte in Asien: leckeres Essen

Die Fahrt in die thailändische Grenzstadt Aranya Prathet war sehr unspektakulär. Das lag allerdings vielleicht auch daran, dass wir bereits seit fast 24 Stunden auf Reisen war und die  Außenwelt nur noch schemenhaft wahrgenommen wurde! In der Stadt angekommen checkten wir in einem Motel ein. Motels kannte ich bisher nur aus den USA oder Australien, aber tatsächlich hätten wir mit unserem Auto bis knapp ans Doppelbett fahren können – nur ja keinen Schritt zu viel machen müssen, scheint auch in Thailand mittlerweile die Devise zu sein, erkennbar an überdurchschnittlich vielen Übergewichtigen Einwohnern, vor allem im Vergleich mit dem „rückständigen“ Kambodscha und seiner dünnen Khmer-Bevölkerung.

Aber natürlich gibt es auch Dinge, die in Thailand sich nicht verändern, das gute Essen beispielsweise, dass es an den Futterständen in der Straße für sehr wenige Euro-Cent praktisch rund um die Uhr gibt. Gut gestärkt begann dann für uns der Spießrutenlauf, um die drei Punkte auf unserer To-do-Liste abzuarbeiten: Ausreise aus Thailand, Visa-Beschaffung für Kambodscha und Einreise nach Kambodscha. Um diese Liste schnell und günstig abzuarbeiten, half uns der Lonely Planet. Man kann ja auf dieses Buch schimpfen wie man möchte – viele erfahrene Reisende tun dies mit einer gewissen Arroganz unerfahrenen Globetrottern gegenüber oft recht gerne – aber in diesem Fall fasste der Reiseführer alle Unwägbarkeiten beim Grenzübertritt nach „Scambodia“ perfekt zusammen. Dies fing mit unserer Tuk-Tuk-Fahrt im dreirädrigen Motorradtaxi an. Dieses fuhr nicht nonstop zum Grenzposten, sondern legte einen Zwischenstopp an einem angeblichen kambodschanischen Konsulat ein, bei dem es das Visum für Kambodscha geben sollte. Warum allerdings wenige hundert Meter vor der Grenze ein Konsulat existiert, wenn man das Visum auch an der Grenze bekommt, bleibt demjenigen, der das weiß, schleierhaft. Natürlich wiesen wir bei der Ankunft am Konsulat darauf hin, im Hinterkopf wussten wir bereits, dass uns geantwortet werden würde, dass es das Visum nur noch hier im Konsulat gäbe – natürlich für mehr als die üblichen 20 US$. Daher beharrten wir darauf, zur Grenze zu fahren. Im Konsulat hatte man nur noch das Totschlag-Argument, wir wären in diesem Fall nicht mehr „Welcome“ – wo eigentlich im Konsulat, wo wir eh nicht hinwollten oder gar in ganz Thailand? Keine Ahnung, denn unserem Tuk-Tuk-Fahrer schien die ganze Sache etwas peinlich zu sein. Vielleicht bekommt er eine Provision, wenn unbedarfte Reisende tatsächlich im Konsulat ihren Passierschein zu überhöhten Tarifen ordern. Oder vielleicht wird er gar gezwungen zu stoppen – auf jeden Fall fuhr er uns nach den „Not-Welcome“-Tiraden des Konsularbeamten ohne weiters Aufsehen zur Grenze.

Das Tuk-Tuk ist das Taxi Asiens
Das Tuk-Tuk ist das Taxi Asiens

Dort angekommen trafen wir auf die Gattung „Zocker-Thai“. Da Glücksspiele in Thailand verboten sind, existieren im Niemandsland der thailändischen Anrainer Casinos en masse. Morgens um neun war die Schlange an emigrierenden Zocker-Thais bereits ellenlang, die Schlange bei den Ausländern glücklicherweise bedeutend kleiner. Die Ausreise aus Thailand verlief problemlos bis auf die Tatsache, dass wir uns ein zweites Mal anstellen mussten, da wir uns versehentlich bei „Tour Groups“ einfanden – nun ja wir waren ja zwei Personen und daher sicherlich eine „Tour Group“. Glauben wollten das die Thai-Bürokraten aber nicht, also hieß es halt nochmals anstellen, an der etwas längeren Schlange und zwar ganz hinten – reindrängeln wurde von der Beamtin am „Tour Group“ Schalter sofort mit bösen Gesten bestraft – unser Fehler halt. Vor uns in der Schlange stand ein nervöser Japaner und ein Deutscher, der nach Thailand ausgewandert ist. Der Deutsche versicherte dem Japaner, er hätte sein Visum vorher im Konsulat geholt, wir versicherten dem Japaner, dass er sein Visum in Kambodscha bei der Einreise erhalten würde. So recht überzeugt war der Reisende aus Fernost nicht, aber schließlich blieb er vor uns in der Schlange und reiste ebenfalls aus. 

Danach ging es per Pedes über den Müllgraben, der sicherlich mal der Grenzfluss zwischen Thailand und Kambodscha war und es hieß sich wieder vom Links- auf den Rechtsverkehr umzustellen, den französischen Kolonialherren sei Dank! Einen Meter in Kambodscha zurückgelegt, durften wir zunächst einen Wisch über unseren Gesundheitszustand ausfüllen. Seit SARS, der Schweine- und Vogelgrippe stehen die Asiaten voll und ganz auf das Ausfüllen von Gesundheitsformularen. Komischerweise füllten nur wir das Ding aus, gut die Zocker-Thais wollten ja eh nur an die Spieltische und nicht ins Land, aber unser Deutsch-Thai und der Japaner waren bereits entschwunden – und so ein Ausfüllen mit allem Drum und Dran dauert so seine fünf bis sechs Minuten. Der Gesundheitsbeamte war total glücklich, dass ich Verständnis für sein bürokratischen Krimskrams hatte und sprach ständig auf mich ein, dass so viele Fremde dafür so rein gar kein Verständnis hatten. Vielleicht war ich noch zu ausgeruht, um hier entnervt auf einen kleinen Khmer verbal draufzuhauen. Aber der Gute kann ja auch nichts für die Bürokratie, die in vielen Ländern außerhalb Europas so gehegt und gepflegt wird.

Wann erreichen wir endlich Angkor Wat?
Wann erreichen wir endlich Angkor Wat?

Quer über die Straße zwischen Zocker-Thais und völlig überladenen Khmers, die alle Art von Waren zum Teil mit riesigen Handkarren hin und her beförderten, ging es nun zur Visa-Beschaffung ins Gebäude der Einwanderungsbehörde. Über dem Schalter hing ein großes Schild mit den unterschiedlichen Visa und Gebühren, auf dem eindeutig vermerkt wurde, dass das Touristen-Visum 20 US$ kostet. Im Lonely Planet stand, dass die Beamten oftmals 100 Thai Baht (ca. 2,50 €) zusätzlich verlangten. Vor dem Schalter saß ein ranghoher Beamter, las Zeitung, würdigte uns keines Blickes, reichte uns allerdings die Antragsformulare für das Visum aus. Diese füllten wir aus, kramten ein Passphoto aus unserem Gepäck und fügten die 20 US$ bei. Er nahm alles entgegen und murmelte etwas von den magischen 100 Thai Baht auf Englisch. In diesem Moment trat wie aus dem Nichts auch wieder unser Japaner auf die Bühne und bekräftigte, dass wir 100 Thai Baht zu zahlen hätten. Ich ignorierte den Einwand des Japaners und fragte höflich den Beamten, wofür ich den Betrag entrichten solle und ob ich dafür auch eine Quittung bekäme. Zum Glück verschwand der Japaner so schnell wie er aufgekreuzt war, denn er war vollkommen glücklich, da er natürlich sein Visum bekommen hatte. Zwischen dem Beamten und mir herrschte für einen kurzen Moment ein eisiges Schweigen, ehe der Beamte die Dokumente wortlos über den Schalter zu den rangniedrigeren Beamten reichte, damit diese uns das Visum ausstellen konnten.

Fünf Minuten später war unser Visum fertig und wir konnten wieder ein paar Meter zurücklegen – dieses Mal zum Einreisegebäude. Normalerweise treffen sich die Ausreisenden beim Einreisen ins Nachbarland wieder, nur nicht hier am Ende der Welt an der thailändisch-kambodschanischen Grenze. Sämtliche Thais blieben im Niemandsland und die Tour-Groups waren auch schon fort, nur der Deutsch-Thai, der damit vor uns und dem Japaner geprahlt hatte, angeblich bereits mehrmals aus Thailand ausgereist und wieder eingereist zu sein, um ein neues 30-Tage-Visum für Thailand zu ergattern trat plötzlich wieder auf die Bildfläche. Wo er die letzten 30 Minuten blieb, bleibt sein Geheimnis. Nun fragte er uns plötzlich, wo wir die Einreiseformulare her hätten. Diese bunkerte ein Offizieller in seinem Tisch und gab sie nur nach Nachfragen raus. Für jemand, der angeblich dieses Aus- und Einreisespiel bereits mehrmals gemacht hatte, wirkte unser Deutsch-Thai ziemlich konfus und unerfahren – egal er war glücklich, dass wir im geholfen haben und als sich rausstellte, dass er eigentlich aus Frankfurt sei, war ich ja schon wieder ein wenig pikiert, dass ich zu einem Hessen so nett war, und ihm bei seinem Visa-Run behilflich war, aber wir Meenzer sind halt nett zu allen – sogar zu Frankfurtern!

Das Formular ausgefüllt, einmal in die Digitalkamera gelächelt und dann bekamen wir unseren Einreisestempel und waren bereit für die nächste Aufgabe, die da hieß möglichst stressfrei aus der kambodschanischen Grenzstadt Poipet nach Siem Reap, die Stadt in der Nähe der Tempel von Angkor Wat zu gelangen.

Argentinien 2010

Nach dem langen Winter in diesem Jahr und dem vor einem dreiviertel Jahr nie im Leben für möglich gehaltenen vorzeitigen Klassenerhalt der 05er stand für uns fest, dass es schnellstmöglich und unverzüglich uns mal wieder in exotische Gefilde ziehen musste! Komischerweise lief alles auf Südamerika hinaus und die Wahl fiel schließlich kurz nach Fastnacht auf Chile. Sobald wir allerdings ein Reiseziel ins Auge fassen bzw. dorthin aufbrechen, geschehen dort in schauerlicher Regelmäßigkeit merkwürdige Dinge: Stunden vor der Ankunft in Delhi 2008 explodierten dort ein paar Bomben, nachdem wir uns in den Norden des Subkontinents bequemt hatten, gab es damals die heftigsten Regenfälle seit 1946 und auch unser Spiekeroog-Camping-Aufenthalt 2009 war von extravaganten Naturphänomenen geprägt: Es donnerte und blitzte letzten Sommer auf der Nordseeinsel öfters früh morgendlich um unser Zelt herum, so dass uns Angst und Bange wurde. Kaum war also Chile ausgewählt rappelte dieses Mal die Erde und Chile war für uns passé. Vielmehr stand nun Argentinien auf unserer Agenda, zumal Maradonnas Fußballtruppe gerade im Testspiel 1:0 gegen Deutschland gewonnen hatte und somit vielleicht mit der Wahl des Reiseziels „Rache“ für diese Niederlage genommen werden könnte…

Unser Ziel in Argentinien: die Seenplatte in den Anden
Unser Ziel in Argentinien: die Seenplatte in den Anden

Bei vielen Argentinien-Experten stieß unsere Wahl auf Unverständnis, denn an der Seenplatte am Ostrand der Anden, rund 1.200 km südwestlich von Buenos Aires gelegen, sah es angeblich aus, wie bei uns: Wälder, Berge, Seen. Zugegebenermaßen kannte ich den westlichen Teil der Anden, der zu Chile gehört, von einer früheren Reise und konnte diese Vergleiche nicht vollkommen entkräften – wir hatten gleichzeitig allerdings trotzdem die große Neugierde, diesen Teil der Erde mal kennen zu lernen und sei’s drum, wenn es denn dann halt auch aussieht wie bei uns.
Ein Argument, was natürlich gegen eine solche Aktion à la „Sieht es da wirklich aus, wie bei uns?“ spricht, ist die Anreise und natürlich die Abreise, von der später noch zu berichten ist. Die Marathon-Anfahrt von Frankfurt via Paris nach Buenos Aires Ezeiza Flughafen, Bustransfer zum Aeroparque Flughafen in der Stadt und der Weiterflug nach Bariloche war schon etwas anstrengend – aber wenigstens blieb beim letzten Flug über die weiten Flächen der Pampa und der sich daran anschließenden Halbwüste im Schatten des Andenbogens nicht der Eindruck, man würde gerade von Frankfurt nach Berlin düsen: Canyon-artige braunfarbige Schluchten bis zum Horizont prägten das Bild bis ca. 3 Minuten vor der Landung als Nadelwälder und Felsmassive samt Schneeresten zum Vorschein kamen. Der erste Eindruck nach der Landung in Bariloche war eher der, nach Alaska gebeamt worden zu sein. Gelbe Mittelstreifen, gelbe Verkehrsschilder und breite Amischlitten aus den 1960ern und eine große Weite prägten das Bild – Rheinhessen, flurbereinigt, sieht da dann doch anders aus.

Ankunft mit LAN Argentinia in Bariloche

Ankunft mit LAN Argentinia in Bariloche

Gut, in Bariloche angekommen, erinnerten die Hotelnamen „Edelweis“ oder „Tirol“ dann doch ein wenig an unsere Alpenanrainer – aber die Country-Musik aus den Cafés und Kneipen und die donnernden Motoren, der röhrenden Acht- und Zwölfzylinder aus den Zeiten von JFK lassen Heidi-Gefühle doch nicht aufkommen – zumal die Verständigung natürlich auf Spanisch und nicht auf Schyzerdütsch oder Österreichisch abläuft und mit Englisch würde es wohl weniger „más“ denn „menos“ klappen. Beim Essen könnte es einem heimelig werden, wenn man auf der Speisekarte „Puree“ oder auch mal Fondue findet. Meist wird die Karte allerdings von drei Sachen geprägt: Steak, Milanesa (Schnitzel) und Nudelgerichten.  Viele Argentinier haben italienische Vorfahren und somit ist es wenig verwunderlich Pasta zu bekommen, dass es diese allerdings in allen besuchten Restaurants gibt, hat mich widerum überrascht. Und die Qualität überraschte noch mehr! Gut, uns asienverwöhnte Reisende, hat das Preisniveau natürlich besonders beim Essen gehen etwas geschockt – aber außerhalb von Indien oder Thailand ist es nun mal so, dass man für einen Euro kein Menu erhält – von daher gab es zu vernünftigen Preisen hier beste Essensqualität, so dass ich Argentinien gerade innerhalb Südamerikas zu den Essensparadiesen zählen würde. Die Teigwaren werden wohl durchgängig selbst gemacht und oft kann man diese „nackt“ bestellen und die Sauce separat dazu. Das hat für Vegetarier natürlich den Vorteil, Fleischsaucen einfach zu umgehen. Extravagante Nudelkreationen peppten die Karte immer wieder auf: Ravioli gefülllt mit Forelle oder Kürbis hat schon wirklich was! Manches Mal wurde die italienische Küche dann noch mit der spanischen kombiniert, in dem es zum Beispiel Tortilla als Vorspeise gab. Salate machen Vegetariern das Leben im Land leichter, die sonstigen eher fettigen vegetarischen Produkte wie Bratkartoffeln und Empanadas (Teigtaschen) oder Käsestücke zu umgehen.

Weinparadies Argentinien: Supermarkt in Bariloche
Weinparadies Argentinien: Supermarkt in Bariloche

Im Gebiet der Anden ist das Angeln äußerst populär und so gab es oftmals auch Forellenfilets zum Probieren. Hatte man dann die oft langen Speisekarten durchforstet wurde es kompliziert, denn nun ging es ans Wein aussuchen und die Weinkarte war in der Regel noch länger. Um es kurz zu machen: mit der Malbec- Traube kann man nichts falsch machen, wenn man trockenen Roten zu sehr fairen Preisen liebt. Angenehm war auch die Tatsache kleine Flaschen à 375 ml bestellen zu können, denn nicht jeder (Tourist) ist so trinkfest, als dass man zu zweit eine ganze Flasche kippen könnte. Der Nachtisch kommt oftmals etwas kompakt daher, wenn man sich für „dulce y queso“ (Süßes und Käse) entscheidet: eine streichholzschachteldicke Käsescheibe mit einer Scheibe etwas angedickter Marmelade liegt gerade abends bleiern im Magen, aber so ist’s halt. Schließlich fällt das Frühstück dann wieder sehr dürftig aus: Medialunas (deutsch Halbmonde bzw. Mini-Croissants) mit viel Café con Leche (Kaffee mit heißer Milch) ist der Klassiker und wird eigentlich automatisch bei jeder Übernachtung gratis dazu angeboten. Das Nationalgetränk Mate (-Tee) findet sich hingegen kaum auf einer Karte, dafür aber zuhauf bei allen Argentiniern in allen Lagen: beim Bus fahren, beim Schwätzchen halten, beim Stehen, beim Sitzen – einfach immer und überall.

Wandern in Villa Traful
Wandern in Villa Traful

Wir haben allerdings nicht nur gut gegessen, getrunken und die Hotels getestet, sondern sind täglich in den drei Nationalparks im Gebiet von Bariloche und San Martín de los Andes gewandert oder Rad gefahren. Dies ist für die Reisenden sehr erholsam zum Reisebericht schreiben allerdings eher dürftiger Stoff – denn zu erzählen, dass man durch eine wunderschöne Seenlandschaft gepaart mit ein paar teilweise schneebedeckten Dreitausendern und einem alles dominierenden Vulkan Lanín gelaufen ist, beeindruckt den Leser nicht wirklich. Daher nahm ich nach mehreren Tagen an, dass dieser Bericht sehr kurz und knapp ausfallen wird – was ja gar nicht so mein Ding normalerweise ist.

Volcán Lanín - Junín de los Andes
Volcán Lanín – Junín de los Andes

Da wir in einem relativ kleinen Gebiet von zirka 300 km vom Ausgangspunkt Bariloche bis zum Endpunkt Junín de los Andes unterwegs waren, konnte ich noch nicht einmal viel über den öffentlichen Nahverkehr erzählen, allerdings wussten wir, dass am Ende der Reise noch eine 300 km Busfahrt in sechs Stunden in die Provinzhauptstadt Neuquén anstand. So lagen die Hoffnungen am Ende darauf, etwas berichtenswertes zu finden. Doch diese Fahrt verlief auch recht unspektakulär in einem Doppelstockbus durch die Weiten des Vorandenlandes auf ca. 1.000 m Höhe. Der Bus war wie in Südamerika üblich Tage vorab bereits buchbar, wir konnten uns die Plätze wie beim Fliegen anhand eines Sitzplans aussuchen und die relative Pünktlichkeit des Busses erinnerte mehr oder weniger wirklich ein wenig an unsere Deutsche Bahn. In Neuquén steuerte der Bus zunächst den Flughafen an, was für uns natürlich praktisch war, wollten wir doch Stunden später in ca. 90 Minuten Flugzeit nach Buenos Aires zurück fliegen. Es war Ostermontag, der in Argentinien kein Feiertag ist, und daher nahmen wir an, das mit dem Fliegen sei kein großes Problem, doch die Flüge waren voll. Also ging es mit dem Taxi unter Benutzung des Meters zur Busstation, um einen Nachtbus nach Buenos Aires zu buchen. Dies dachten sich allerdings vor uns schon genug andere, so dass wir fast in Neuquén hätten versauern müssen – die teuerste Version des Busfahrens war allerdings noch genau für zwei Plätze buchbar: die super-duber-Bett-mit-Privatsphäre-Klasse für knapp 55 Euro für 1.200 km. Dieses Luxusreisen waren wir überhaupt noch nicht gewohnt, wenn man bedenkt,  dass wir in vielen anderen Ländern meist eingepfercht wie in einer Sardinenbüchse auf Tour gegangen sind. Also rein in den Luxus, man gönnt sich ja sonst nix!

Panorama-Busfahrt durch Argentinien
Panorama-Busfahrt durch Argentinien

Kurz nach der Abfahrt wurden Tabletts gereicht, die ergonomisch den Beinen angepasst waren. Einem kalten Abendessen zu dem sogar Wein kredenzt wurde, folgte ein heißes Abendessen, das wir aber im Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde – es ging auf Mitternacht zu – nicht einnahmen. Der Sitz wurde ruckzuck in ein Bett verwandelt und selbst meine 193 Zentimeter lagen komplett in der entspannten Horizontale. Argentinien Du Luxus-Land! Der guten Straßen sei dank düsten wir entspannt der „Capital Federal“ besser bekannt unter Buenos Aires entgegen. Im Morgengrauen hatte ich auf einmal den Gestank von Zigarettenqualm in der Nase. Nein, es wurde nicht im Bus geraucht – sondern draußen. Komisch, sollte der Bus doch nahezu nonstop in die Hauptstadt düsen. Plötzlich erstarb auch noch das Surren des Motors, was mich dann doch etwas nervös machte. Diese Ruhe war nicht normal und unser Zeitplan, mit vier Stunden zwischen der angeblichen planmäßigen Ankunft, die sogar auf der Fahrkarte angegeben war und unserem Abflug gen Europa, durchkreuzt. Ein guter Indikator, ob etwas normal ist oder nicht, stellen allerdings immer die Einheimischen dar – doch diese schlummerten noch und von diesen gab es in diesem Bus gerade im unteren Hoch-Luxus-Trakt gerade mal noch vier andere…also warten.

Luxus-Bus mit Problem: Motorschaden
Luxus-Bus mit Problem: Motorschaden

Langsam aber sicher bemerkten auch die anderen, dass wir wohl ein Problem hatten. Und so schlürften die ersten nach draußen in die so genannte Pampa: am Kilometerstein 598 – also knapp 600 km vor unserem Ziel – hatte der Bus es vorgezogen den Geist aufzugeben genau vor der Fleischfabrik „Carnes Pampeanas“. In der Pampa gestrandet zu sein – fast schon zu klischeehaft um wahr zu sein. So konnten wir zunächst einmal den ersten Sonnenaufgang der Reise erleben – bisher hatten wir es immer geschafft diesen zu verschlafen, da Folterfrühabfahrten nicht auf unserem Programm standen und der Glutball bereits um 7.30 Uhr am nahezu immer blauen Himmel umherturnte. Während an Bord eines Flugzeuges dauernd Ansagen gemacht werden, auch die Deutsche Bahn, erzählt ja von Zeit zu Zeit von „Störungen im Betriebsablauf“, machte keiner der beiden Fahrer irgendwelche Anstalten dem lieben Luxusvolk mal in seiner Gänze etwas zu erzählen. Gut die Sachlage war klar, die Klappe zum Motor geöffnet – warum sollte da noch jemand anderes dieselbige zur Erklärung öffnen? Ich sah nur, dass einer von beiden mit einem Keilriemen durch die Pampa lief – einer Domina mit Peitsche ähnlich…und den Gesprächen entnahm ich, dass auf die Mechaniker gewartet wird. Wenigstens hatten wir Handy-Empfang, was in Argentinien abseits der Orte gar nicht selbstverständlich ist. Bei einer Größe von den Ausmaßen Indiens und nur halb so vielen Einwohnern wie Deutschland ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich. So konnte wenigstens die Mechaniker verständigt werden und diese kamen nun auch so ca. nach drei Stunden mit einem Ford Pick-Up, Baujahr um den ersten deutschen Fußballweltmeistertitel 1954 rum.

Ein Ford rettet einen Mercedes: der Pick-up der Mechaniker
Ein Ford rettet einen Mercedes: der Pick-up der Mechaniker

Der Meister noch wesentlich älter als sein Gefährt mit dicker Robert Lemke Hornbrille und sein Geselle mit hoch Fistelstimme machten sich gemächlich an die Arbeit. Auf der Ladefläche befanden sich die unterschiedlichen Schraubenschlüssel und oft linste der Alte durch seine glasbausteingroßen Gläser auf die Schrauben und dozierte bzw. dirigierte wie ein Arzt am OP-Tisch den Gesellen, der ihm daraufhin die richtigen Schlüssel reichte. Die Passagiere lugten über die Schulter des Mechanikers hinweg und schauten ihm bei der Arbeit zu. Uns bewegte die Kälte dazu, erst einmal dutzende von Runden um den Parkplatz der Fleischfabrik zu drehen, damit uns etwas warm wurde, denn noch war es in La Pampa bitterkalt.
Nachdem die ersten Sonnestrahlen uns wärmten, regte sich auch der Magen und wir bekamen so langsam Hunger. Unsere Bettplätze lagen direkt neben der Bordküche – aber irgendwie hatten wohl andere schon früher Hunger gehabt, denn die Frühstücke waren bereits verspeist. Glücklicherweise hatten wir wenigsten noch ein paar Futterutensilien bei uns und auch eine große Flasche Wasser. Denn wir wussten ja nicht wo wir waren – 598 km vor der Buenos Aires kann alles heißen. Ein Kaff war nicht zu sehen und der Fabrikverkauf der Fleischfabrik machte um 9.00 Uhr auf, aber die Auslagen sahen eher so aus, wie im Ostblock Ende der 1980er Jahre – leeres weißes Regel angelehnt an weiß getünchte Wand.
Argentinier sind anscheinend geduldig, denn es regte sich niemand auf…noch nicht. Einer der Fahrer orderte ein Taxi und fuhr davon, angeblich Essen besorgen. Der andere Fahrer machte sich mit dem Gesellen in Richtung Fabrik mit dem ausgebauten Motorteil davon. Der Bus war herrenlos und die Argentinier irgendwann ziemlich hemmungslos, denn plötzlich wurde die Küche geplündert. Waren wir anfangs alle noch sehr zurückhaltend und haben uns einfach mal einen ultrasüßen Kaffee gezapft, standen mit der Zeit unsere Mitreisenden eher auf Bier, Schnaps und Saft, das es alles in Hülle und Fülle gab. Stank die Küche bald wie eine Bar auf der Reeperbahn morgens um fünf, roch das Bord-WC bald Indian-style nach Kloake. Glücklicherweise schloss die Tür recht dicht und so blieb der Gestank dort wo er hingehörte.

Nach weiteren zwei Stunden kam der Fahrer tatsächlich mit Essenstabletts zurück. Diese sahen so aus, wie die Dinger, die man mittlerweile auf Europa-Flügen serviert bekommt: viel Verpackung und wenig Inhalt. Eine Medialuna und noch ein wenig Süßkram – aber wir wussten ja argentinisches Frühstück konvergiert gegen Null. Nur war es halt schon später Vormittag und die Aussicht auf ein Mittagessen war eher eine Fatahmorgana. Überhaupt wurde uns so langsam mulmig, denn den ersten Flug nach Europa hatten wir abgeschrieben, aber den Flug am Folgetag wollten wir ja schon doch mal bekommen – schließlich mussten wir auch mal wieder irgendwann in Mainz ankommen.

Es nah anfangs nicht gut aus - doch irgendwann ging es weiter!
Es nah anfangs nicht gut aus – doch irgendwann ging es weiter!

Der ältere Mechaniker war noch aus der Generation Offline und hatte in seinem Ford die Gelben Seiten von Santa Rosa La Pampa. Dort fand ich eine Telefonnummer einer Busgesellschaft und wenig später hatten wir die Info, dass es nachts um halb eins einen Bus nach Buenos Aires gäbe, der auch noch Platz hatte – also in genau 14 Stunden. Auf meine Frage hin, ob denn die Panne zu beheben sei, antwortete der Mechaniker, ja sicher – irgendwann!  Seinen Angaben zufolge sei die Busstation etwa vier Kilometer entfernt. So konnten wir schon mal den „Worst Case“ planen. Vier Kilometer laufen mit allem Gepäck – eine Stunde, Ticket buchen und etwas zusätzliche Zeit einplanen – eine Stunde. Also sollten wir spätestens um 22.30 Uhr, in zwölf Stunden entscheiden von hier abzuhauen.

Ein paar Spaziergänge um den Parkplatz herum später kamen dann auch der zweite Busfahrer und der Geselle mit dem Motorteil wieder. Das Puzzle in Form des einzusetzenden Teils in den riesigen Motor vervollständigte sich in den kommenden Stunden peu à peu. In der Zwischenzeit, dem Alkohol sei vielleicht Dank, hatte eine Reisende ein Beschwerdemanifest formuliert, dass sie jetzt jedem unter die Nase hielt und das jeder unterschreiben sollte unter Angabe der Pass- und Ticketnummer. Über vier bis fünf handgeschriebene Seiten warf dieses den Busfahrern und der Busgesellschaft grobes Fehlverhalten vor. In großem Kreis trug sie dies der Menge vor und es hatte irgendwie theatralische Züge – wäre die Situation nicht so anstrengend gewesen ich hätte jetzt gesagt „großes Kino!“.

Abschied von den Anden, La Pampa und Argentinien
Abschied von den Anden, La Pampa und Argentinien

Die Mechaniker und die Busfahrer ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, obwohl diese mittlerweile auch von einigen angegangen wurden, da natürlich der Alkohol Hunger machte. Beim ersten Versuch sprang tatsächlich der Bus wieder an, der Motor surrte und die Polizei kam. Unsere große Referentin rannte davon, den Uniformierten entgegen. In großem Geschrei wurde den Cops jetzt erklärt, was hier vor sich ging – dabei wollten wir, die große Mehrheit doch einfach nur mal wieder los fahren. Irgendwann mussten die Busfahrer dann auch Stellung beziehen und diese hetzten die Fahrwilligen nun gegen die Streikenden auf, da wohl im Raum stand, dass jetzt erstmal zur nächsten Wache gefahren werden musste, um alles zu Protokoll zu geben. Na ja, irgendwie war dann doch die große Mehrheit dafür jetzt mal, nach 9 Stunden „Rast“, weiter zu fahren. Später gab es auf Kosten der Busgesellschaft einen Imbiss und mit ca. 9 Stunden Verspätung erreichten wir spätabends Buenos Aires und am nächsten Tag auch unseren Flieger nach Europa.
Wir waren um ein paar Gramm wegen des „Hungerns“ leichter – dafür aber um eine bizarre Reisegeschichte reicher, die es dann doch wert war, Euch zu erzählen. Und wie bei uns kam uns dann diese Reise doch nicht so ganz vor!