Medias 2011

Es ist Herbst, die Blätter fallen und bald kommen in der Glotze die ersten Jahresrückblicke. Für alle Mainz 05 Fans war dieses Jahr 2011 eine Achterbahnfahrt sondergleichen. Da war zum Beispiel die längste Auswärtsfahrt des Jahres. Eine gekürzte Version des Reiseberichts hierzu findet Ihr in der Ausgabe #28 der TORToUR, dem Mainzer Fanzine. Den kompletten Groundhopping-Bericht lest ihr hier:

Eriwan, Reykjavík, Sevilla – diese drei Ziele auf unser Europa-Hopping-Tour klingen noch heute in meinen Ohren nach viel mehr als Europapokaaal. Allerdings kannte ich zumindest vom Namen her auch diese drei Ziele schon vor 2005. Medias hieß nun das Ziel der Begierde anno 2011. Schon mal gehört? Ich jedenfalls nicht.

Während das Hinkommen zu den drei Abenteuerspielplätzen vor sechs Jahren mit dem Flieger recht unspektakulär zurückgelegt werden konnte (ok – nach Sevilla ging’s für mich ab Madrid mit dem Zug – von Reykjavik zurück musste ich via Kopenhagen fliegen, da die Kiste nach Frankfurt voll war – und von/nach Eriwan ab/nach Hahn ist auch von Mainz ’ne Weltreise) aber Medias war wirklich Hopping pur, da ich mit einem Kumpel fliegen wollte und wir a) keine 450 Euronen für den Ausflug verplanen wollten und somit der Fanflieger nicht in Frage kam und ich b) berufsbedingt eine Möglichkeit hatte, mit ihm vergleichsweise günstig mit dem Flugzeug nach Bukarest  zu gelangen. Dort am späten MIttwoch Abend in der Ex-Heimat-Hauptstadt meines Kumpels angekommen, der als Kind rumäniendeutscher Eltern nach Westdeutschland zog, musste erstmal der Taxipreis am Flughafen Otopeni ausgehandelt werden. Draußen an den Taxis steht schon 3,51 Lei/KM – was ca. 20 € in die Innenstadt bedeutete. Irgendwie hatte ich etwas von 1,50 Lei/KM im Internet gelesen, doch diese Taxis schienen wie vom Erdboden verschlockt. Na – worscht – 20 € vereinbart und es ging nicht ins Taxi hinein sondern auf den angrenzenden Parkplatz hinaus. Und was sahen wir da stehen? Die 1,50 Lei/KM Taxis…

Das Hopping-Ziel
Das Hopping-Ziel

Am nächsten Tag ersparten wir uns das Taxi, hüpften für 75 Euro-Cent zu zweit in die Metro, um ein paar Stationen weiter, unseren Mietwagen abzuholen, der uns ins knapp 300 km entfernte Medias bringen sollte. An besagter Adresse stand ein Wohnhaus mit Efeu-überwuchertem „Europcar“-Schild im Vorgarten. Wir liefen einmal um den Block, um den Eingang oder wenigstens ein paar Autos im Hof zu finden – nix da. Kein Auto, kein Ladenlokal. Das Schild schien irgendwann einmal vom Himmel gefallen zu sein, denn das sah alles sehr nach Villenwohngebiet à la Meenzer Grüngürtel aus – aber nicht nach einem Mietwagenverleih. Also hat mein Kumpel die spielenden Kids auf rumänisch angequatscht, ob das hier ein Mietwagenverleih sei? „Keine Ahnung“ auf rumänisch braucht bei der eindeutigen Gestik keine Übersetzung. Das Trolleygerumpelgeräusch von Touristen brachte uns dann doch auf die Fährte, denn das Wohnhaus war tatsächlich die Mietwagenstation. Im Wohnzimmer wurde uns der Mietvertrag gereicht und man wusste sogar Bescheid, dass wir unseren Mietwagen am Flughafen zurückgeben wollten. Der Opel Astra war zwar nicht der bestellte Dacia, das war aber gar nich verkehrt, denn der Turbodiesel erwies sich als zugkräftiges Gefährt, ideal zum Überholen von Pferdefuhrwerken, Traktoren und anderen schleichenden Vehikeln – schließlich konnten wir nur 100 km Autobahn nutzen, ehe es danach 160 km durch die Karpathen in Richtung Sibiu (Herrmannstadt) ging.

Das Fahren auf der Autobahn war recht unspektakulär und ließ uns schon Mittagessenpläne für Sibiu schmieden – doch auf Rumäniens Landstraßen wurde der Essensplan schnell Makulatur und das Entlangcruisen sehr schnell sehr spektakulär …schließlich wusste ich nie so recht, wie schnell man eigentlich unterwegs sein durfte. OK – bei uns gibt es Ortsschilder und das bedeutet 50 km/h. Einfach – aber halt nicht rumänisch. In Rumänien gibt es Ortsschilder, Ortschilder mit 50 km/h Gebot im Schild und welche mit 70 km/h Gebot. So und wieviel fährt man dann bei den „nackischen“ Ortsschildern? Mit 50 wurden wir gnadenlos überholt, mit 60 auch – aber da tauchten auch schon die ersten Radarfallen auf. Irgendwann passten wir uns der lokalen Geschwindigkeit halbwegs an und rauschten mit 70 durch die Radarfalle und in diesem Moment wurden wir von einer Karosse mit 90 Sachen überholt – aber die Radarfallen schienen irgendwie wohl gerade Mittagspause zu machen – zum Blitze machen waren sie jedenfalls nicht aufgelegt.

Die Innenstadt von Medias in Mainz-05-Hand
Die Innenstadt von Medias in Mainz-05-Hand

Natürlich düste nicht jeder 90 Sachen innerorts sondern auch manchmal nur 20 außerorts – gut außerorts kam fast nie vor, da sich ein Straßenkaff ans nächste reihte und wir letztlich ca. 60 km in der Stunde zurücklegen konnten – wenn wir die mit Spielstraßentempo zuckelnden LKWs überholen konnten. Nach 4:15 Stunden Fahrt oder 260 km erreichten wir unser Hotel in Sibiu (Herrmannstadt) und ich streikte. Nein, ich wollte nicht mehr mit dem Mietwagen weiter nach Medias. Ich wollte ein Bier – in Rumänien herrscht 0,0 Promille auf der Gass‘ – und ich war vom Fahren noch viel fertiger als später vom Elfmeterschießen. Also zum Bahnhof, doch den Zug, den es in Rumänien ja theoretisch fast überall gibt, den hatten wir gerade verpasst – und es fahren nur 4 Züge zwischen Sibiu und Medias. Der Bus? Den gab es auch, aber erst 2 Stunden später um halb sieben, dann wären wir wohl zur „nicht mehr möglich gehaltenen“ Verlängerung im Stadion gewesen. Also….50 km….mit dem Taxi! Wir zahlen am Ende soviel wie vom Flughafen nach Bukarest für die fast 4-fache Strecke und dafür ging es auch fast in Überschallgeschwindigkeit über die Landstraße, die plötzlich gar nicht mehr so guten Belag bot – und Anschnallgurte für die Kundschaft gab es in der Karosse auch nicht. Das war nicht fair! Wenn ich in Afrika oder Asien unterwegs bin – dann gilt gleiches Recht für alle, sprich kein Gurt für alle! Doch hier hatte der Fahrer einen und wir genossen Freies Sitzen auf der Rückbank. Also reklamierten wir in bester Fatmir Vata Manier bei unserem Chefe, uns doch bitte am Leben zu lassen und nicht im dreistelligen KM/H Bereich über die rumpelige Allee zu fliegen – wir sagten wir hatten ZEIT!

Zeit hatten wir auf diesem Trip eigentlich keine, aber lieber komme ich zu spät zum Spiel als zu früh in die rot-weiße Kiste. Zeit zum Essen war dann doch noch und mein Kumpel empfohl die ach so kleinen Würstchen, die hier in Siebenbürgen DIE Spezialität wären. Er, in der Gegend vom Glubb aufgewachen, konnte mir versichern, dass die Dinger nicht größer sind, als die „3 im Wecklä“ im Frankenstadion. Wir hatten Hunger, er schlug 4 pro Person vor und ich dachte, nö 04 Würste passen nicht – 05 Wörschte gilt’s zu futtern. Die Bedienung fragte „sonst noch was?“ und wir fielen gnadenlos auf diese Frage rein. Huch, wir hatten ja den ganzen Tag nichts mehr gegessen, jetzt gibt es 5 Winzlinge auf den Teller und eventuell später nix im Stadion. Also noch herrliche Beilagen aus Bohneneintopf, Krautsalat und Kartoffelbrei bestellt. Und natürlich das eine oder andere Kaltgetränk. Die „Vorspeisen“ kamen direkt und irgendwann auch das Fleisch, begleitet von neugierigen Blicken der Anwesenden, denn die Würste hatten die Länge unserer Feuerworscht und waren noch ein wenig dicker! Na super! Und das für einen Fleischvermeider wie micht, der 2010 beim WM-Grillen den lieben Tieren zu liebe auf Tofu-Wurst-Esser gemacht hat!

05-Würste pro Person, bitte!
05-Würste pro Person, bitte!

Auf geht’s Mainzer kämpfen und Würste vernichten! Wir waren in Championsleague-Form, waren gut im Spiel gegen die Wurst, und vernichteten die 10 Gegner gnadenlos. Dann rollten wir ins Stadion…und mussten miterleben, dass es dieses Jahr die einziger Europa-Fahrt mit dem Fußball-Spocht-Verein werden würde. Bereits in der Halbzeit machten wir die Rückfahrt nach dem Schlusspfiff klar: mit ein paar Freunden, die mit dem Mietwagen hierher unterwegs waren und auch nach Sibiu mussten. Diese mussten ihren Flieger in Sibiu kriegen und irgendwie waren die Verkehrsverhältnisse innerorts wieder etwas undurchsichtig. Mit 80 Sachen ging es schließlich gen Westen gegen Medias‘ Einbahnstraßen zurück auf die Hauptstraße. Nur gut, dass die rumänische Polizei anderes zu tun hatte, als Verkehrsüberwachung in der rumänischen Pokal-Schreck-Stadt zu machen. Die Jungs ließen uns in der Stadt raus…genau gegenüber vom „Non-Stop-Kiosk“. Da es im Stadion nur Pepsi und das wohl nur bis zur Halbzeit gab, würde ein kühles Bierchen nachts um halb eins jetzt wirklich gut tun. Ruckzuck zwei Pils bestellt, wunderte ich mich über den Preis. 14 Lei – das entspricht 3,50 €! In einem Kiosk…in Rumänien! Da stimmt was nicht – aber es stimmte alles bis auf meine Vorstellung der Volumina von zwei Bier, denn das zierliche Mädchen hievte aus dem Kühlschrank zwei 2,5 Liter-Plastikflaschen kalten Gerstensafts auf den Thresen! Na dann Prost!

Im Mainzer Block des Gaz Metan Stadions
Im Mainzer Block des Gaz Metan Stadions

Den Heimweg zum Hotel fanden wir über einen Umweg – denn ein Schalke-Fan, der gerade sein freiwilliges soziales Jahr in Sibiu leistete, musste uns ja noch zum Spiel befragen und mitteilen, dass Medias gerade letzter der Liga sei…Nun ja, was entgegnet man einem Gazprom-Sympathisanten, nach verlorenem Elfmeterschießen bei Gaz Methan? „Viel Spaß mit Christian Fuc..!“ Und Tschüss!

 Die Nacht war kurz und knapp. Zum Glück gab es ein großes Frühstücksbuffet, denn um 15.15 Uhr startete unser Flieger zurück nach Westeuropa und wir entschlossen uns, die „Panorama-Straße“ durch die Karpathen nach Bukarest zu nehmen. Meine Theorie war folgende: Der ca. 100 km Dauer-Straßenkaff-Fahrt auf dem Hinweg mit Radarfallen-Dauerpräsenz und dadurch bedingtem Dauerstress zwischen Überholt und vielleicht doch Geblitzt werden, sollten wir dort entkommen, denn für über 50 km gab es dort gar kein Kaff (und auch keine Radarfalle). Außerdem sollte man dort schneller vorankommen, da man außerorts ja 90 oder so fahren durfte. Die ersten Kilometer entpuppte sich dieser Matchplan als perfekt! Zwar fuhren wir auf unendlichen Serpentinen dem Himmel entgegen bis auf 2.000 Meter Höhe, doch die rasenden Rumänen schafften mit ihren Autos gerade mal 20 km/h und so wurde die Kurvenfahrt zu einem Computer-Spiel unter realistischen Bedingungen – Auto um Auto wurde überholt, Kurve um Kurve abgehakt und dann waren wir oben…am Tunnel in die Walachei. Durch die Röhre zogen dichte Nebelschwaden und die Geschwindigkeit in dem engen Ding musste rapide gesenkt werden. Unser Navi zeigte bisher als voraussichtliche Ankunftszeit 13.30 Uhr an. Perfekt für einen Abflug um viertel nach drei. Doch jetzt ging es ja durch die rumänische Pampa und dort ist wohl bisher noch nicht so viel Fördergeld der EU für den Straßenbau angekommen. Die Straße wurde erstmal enger, der Belag am Rande ausgefranzt und mit weidenden Kühen belegt. Ich fühlte mich so langsam nach Indien versetzt – aber hey wir sind gerade aus dem EUROPA-Pokal rausgeflogen nicht aus dem WELT-Pokal.

Panorama-Straße durch die Karpathen
Panorama-Straße durch die Karpathen

Irgendwann hatte die Straße keine Lust mehr Straße zu sein sondern lieber Schlaglochpiste! Gut, dass wir die Selbstbeteiligung durch eine Zusatzversicherung auf 150 € gesenkt hatten – wir dachten allerdings eher an Fahrzeugklau statt an Fahrzeugvernichtung beim Abschluss der Police. Aber das Navi war gnadenlos – irgendwann hatte es wieder GPS-Empfang und plötzlich stand da 14:15 Uhr statt 13:30 Uhr als voraussichtliche Ankunftszeit… Gut Meldeschlusszeit war 14:45 Uhr – aber 30 Minuten für die Mietwagenabgabe und wo war eigentlich diese Abgabe? Womöglich wieder in einem Wohnviertel in der Nähes des Airports?

Gut…weiter…irgendwann erreichten wir dann wieder die 100 km Autobahn bis kurz vor Bukarest. Dort waren 130 km/h erlaubt – wenn es nicht regnet. Was machte also Petrus? Genau, erst tröpfelte es und ich sagte mir, die 80 km/h bei Regen, die dort vorgeschrieben sind, gelten nur bei nasser Fahrbahn. Der Gedanke wurde von Petrus erraten und so kübelte es auf einmal und das Navi war wieder gnadenlos: 14:30 Uhr war jetzt angesagt! Und dann das noch, bei der Ausfahrt auf den Ring war Stau, da im Kreisel ein LKW liegenblieb. So durfte ich erstmals im Rechtsverkehr mal gegen den Uhrzeigersinn in einen Kreisel einbiegen – fühlte sich so komisch an, wie ein Auswärtssieg bei den Bayern! Und weiter ging es im 40 km/h Tempo auf der Ringgasse von Bukarest eingekeilt von LKWs bis kurz vor den Flughafen, wo dann eine letzte Radarfalle in der Ausfahrt grüßte. Um 14:30 Uhr waren wir dann tatsächlich am Flughafen angekommen und das Mietwagenzentrum nur einen Steinwurf vom Terminal entfernt. Das Auto war heil geblieben, die zahlreichen Kratzer und der Stein in der Scheibe wurden tags zuvor schon im Wohnzimmer registriert und somit setzten wir zum Endspurt der Meenzer in Rumänien an, checkten um 14.40 Uhr ein und starteten um 15.15 Uhr nach Paris! Bahnhöfe passieren, z.B. in Lautern kann manchmal länger dauern!

Nach dem Ende des Europa-Pokal-Ausflugs nach Medias
Nach dem Ende des Europa-Pokal-Ausflugs nach Medias

Ja in Paris hätten wir auch spielen können…aber das ist ein anderes Thema….wir zogen sofort weiter nach Köln/Bonn mit einer kleinen Propellerkiste, da mein Kumpel freitags abends auf ’ne Party wollte. Ich hatte eh nix mehr bis zum Sonntagsspiel gegen Leverkusen geplant und so tat ich ihm den Gefallen mit ihm dorthin zu düsen, äh nee zu propellern. Bisher hatte auf dieser Reise alles geklappt, über Paris nach Bukarest die Flieger bekommen, das Mietwagenzentrum in Bukarest gefunden, die Radarfallen nicht zum Blitzen gebracht, das Spiel gew…öh nee, angeguckt, die Karpathen durchquert und via Paris wieder die Bundesrepublik erreicht. Doch es gibt ja in Deutschland eine Institution, die immer wieder gerne Pläne durchkreuzt, auch wenn wir europäisch unterwegs sind: Die Deutsche Bahn AG! Und daher brannte es irgendwo lichterloh, so dass weder eine Bahn nach Deutz noch in umgekehrter Richtung nach Troisdorf verkehrte! Verkehrte Welt eigentlich – im Indian Light alias Rumänien funzt alles und im Wirtschaftswunderland Schland ging gar nichts mehr. Jetzt machte ich als 05-Fan den Magath, zückte die Kohle, verabschiedete mich schnell von meinem Kumpel und düste mit dem Taxi nach Siegburg zum ICE-Bahnhof. Auf die Bahn ist ja Verlass und so hatte ein ICE in Richtung Frankfurt Flughafen natürlich genau die Verspätung, die ich brauchte, um diesen noch zu erreichen. 30 Minuten später war ich am Flughafen Frankfurt und mein Kumpel immer noch nicht weg vom Köln Bonner Airport…verkehrte Welt! Meine liebe S 8 brachte mich dann auf die richtige Rheinseite, 30 Minuten früher als die geplante Verbindung vor dem Streckenbrand und das Kapitel Europapokaaal hatte dann auch für mich ein Ende! Was bleibt ist der Eindruck, dass es manches Mal ganz gut tun kann, Europokaaal nur alle paar Jahre zu machen, denn diese Fahrt war extrem anstrengend und ein Erlebnis, das sich 1a an die Europa-Fahrten anno 2005 anschließt….danke Jungs des Kaders 2010/2011 für dieses einmalige Hopping!

Argentinien 2011 letzter Teil

Auch die zweite Woche mit dem Auto in Argentinien haben sowohl wir Insassen als auch unser VW Gol gut überstanden – danke Wolfsburg! Jetzt kann ich diesem Verein wenigstens etwas Positives abgewinnen. Aber vom Gewinnen rede ich als Mainzer lieber mal nicht zurzeit, lieber vom Reisen durch Argentinien.

Die Hauptstraßen sind dort eigentlich entweder Autobahnen mit einer grünen breiten Wiese als Trennung oder langgezogenen Landstraßen, die zum Überholen von extrem langen, unzähligen LKW-Kollonnen aus Brasilien einladen. Aber die Nebenstraßen…

Nebenstraße in der Provinz Misiones
Nebenstraße in der Provinz Misiones

Nein, es handelt sich dabei um keine Schlaglochpisten sondern eigentlich immer um Erdstraßen. Somit lohnt sich beim Autofahren in der Pampa wirklich den Wetterbericht vorab zu studieren. Wir hatten zwar einen höhergelegten VW aber kein Allradfahrzeug. So machten wir uns nach den Regenfällen der letzten Tage mit etwas mulmigen Gefühl auf die Strecke in das Tierparadies Esteros del Iberrá. Dieses liegt auf halbem Weg zwischen Buenos Aires und Iguazú fernab von jeder Teerstraße. Diese Abgeschiedenheit war für uns natürlich Fluch und Segen zugleich. Segen, weil es nur wenige Touristen gibt, die die über 100 km lange Piste in Angriff nehmen, um dieses Naturparadies zu entdecken, Fluch, weil wir befürchten mussten, bei Regen, den es dort halt immer wieder gibt, dann mal ruckzuck ein paar Tage von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. So gingen wir auf die Piste und waren froh, dass die ersten 10 km sogar geteert waren – warum? Keine Ahnung, denn der Belag verschwand von einem auf den anderen Meter und die Erdstraße, wurde zunehmend schlechter, sprich es gab tiefe Furchen aber zum Glück keine Schlammlöcher in denen man stecken bleiben konnte. Durch die Höherlegung des Autos kamen wir nach 4 Stunden Fahrtzeit dann in Colonia Pellegrini dem einzigen Ort auf dieser 100 km Strecke an.

Unser Lieblingstier: ein Capybara
Unser Lieblingstier: ein Capybara

Auf dem Weg dorthin trafen wir bereits Capybaras, im Deutschen auch bekannt als „Wasserschwein“. Diese liebenswerten Viecher haben mit einer Sau aber rein gar nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um die größten Nagetiere der Welt, die bis zu 75 kg schwer werden können. Uns erinnerten die Capybaras eher an Tiere von Loriot mit ihrer platten Schnauze und ihrem vollschlanken Körper der aus einem wasserdichten struppigen Fell besteht. Schließlich lieben es Capybaras sich in Tümpeln vom vielen Pflanzenfressen auszuruhen. So badete direkt am Straßenrand ein Capybara in einer Pfütze und ließ sich durch uns nicht im geringsten stören. Neben unzähligen Vogelarten entdeckten wir auf einer Bootsfahrt auch viele Kaimane und bei einer Wanderung auch sehr scheue Affen, die anders als in Indien es vorzogen, in den Baumkronen sich von Ast zu Ast zu hängeln als auf dem Boden wehrlosen Brillenträgern ihre Sehhilfen zu klauen – wie mir geschehen, 2008 im nördlichen Teil des Subkontinents.

Nach ein paar Tagen Natur pur im Zelt ohne Gewitter oder Platzregen setzten wir unsere Autofahrt nach Nordosten auf der Piste fort – dem trockenen Wetter sei Dank. Denn die Piste sollte noch wesentlich schlechter werden, als die auf der Hinfahrt genommene. Wären wir auf dieser zurück gefahren, hätten wir ca. 300 km an zusätzlicher Strecke gehabt – ein Umstand auf den wir gerne verzichtet haben. Nach Absprache mit den Einheimischen, die unseren VW Gol für tauglich für diese Strecke bei diesen Witterungsverhältnissen hielten, zogen wir frühmorgens weiter. Zunächst wurde die Piste einfach nur ein großer Sandkasten, bei dem man fast froh sein konnte, dass noch eine gewisse Feuchtigkeit im Boden war, die den Sand zusammenklebte und wir immer mit Vollgas gemäß der Devise „Augen zu und durch“ weiterkamen. Irgendwann aber trafen wir auf Furchen und Rinnen die zum Teil einen halben Meter tief und dann auch noch verschlammt waren. Da musste ich imaginär öfter mal die Daumen drücken und drei Kreuze machen, aber der Volkswagen hielt durch und uns in der Spur. Das Auto schlingerte mehr als einmal aber wir kamen durch bis zur Teerstraße nach ca. 130 km…wieder ohne Kaff.

Ruine der Jesuiten-Mission San Ignacio Mini
Ruine der Jesuiten-Mission San Ignacio Mini

Den Rest des Tages ging es dann auf einfach zu fahrender Hauptstraße weiter zu den ehemaligen Jesuiten-Missionen in der Provinz „Misiones“ – dem nordöstlichsten Teil Argentiniens. Dort missionierten im 17. Jhdt. spanische Jesuiten-Möche bei der einheimischen indigenen Guaraní-Bevölkerung erfolgreich, in dem sie um die Kirchen herum große Dörfer gründeten, in denen demokratisch gewählte Vertreter den Alltag der bekehrten Guaranís bestimmten. Diese fanden das Christentum wohl sicher auch dadurch attraktiv, da diese Dörfer Schutz vor Sklavenhändlern boten. Im heutigen Paraguay, Argentinien und Brasilien finden sich mehrere dieser Stätten, die für ca. 50 bis 100 Jahre im 18./19. Jhdt. vollkommen vom Dschungel überwuchert wurden, da diese Dörfer irgendwann von Sklavenhändlern dann doch erfolgreich eingenommen wurden – unterstützt von den damaligen Kolonialmächten Spanien und Portugal. Heute sind von diesen Bauten nur noch die Grundmauern zu sehen, aber ähnlich wie in Angkor Wat oder bei den Pyramiden in Mexiko sehen Ruinen im Dschungel immer sehr beeindruckend aus und es kommt so eine Indianer Jones Athmosphäre auf.

Die Iguazu-Wasserfälle von der brasilianischen Seite
Die Iguazu-Wasserfälle von der brasilianischen Seite

Nach einem Nachmittag als gefühlter Harrison Ford ging es dann zu unserem Ziel der Reise, den Iguazú-Wasserfällen. Der Lonely Planet hat es ganz gut beschrieben: Es gibt Wasserfälle und Wasserfälle und es gibt die Iguazú-Fälle! Damit ist alles gesagt – zumindest für diejenigen von Euch, die das Glück bereits hatten, einmal am Rand dieses tosenden Rauschens zu stehen. Allen anderen sei gesagt, wenn Ihr irgendwie mal die Möglichkeit habt, dorthin zu kommen, macht es! Was da Mutter Natur für eine Show abzieht ist wirklich schon fast unwirklich. Und zugleich sind diese Fälle aufgrund ihrer Größe gar nicht so überlaufen. Gerade die argentinische Seite bietet unzählige Wanderwege und Stege an, von denen man die Fälle aus fast allen Positionen bestaunen kann. Brasilien bietet auf einem recht kurzen Weg ein sagenhaftes Rund-Um-Panorama. Daher sollte jeder, der das Glück hat, mal dort zu sein auch beide Seiten besuchen. Auf dieser Reise steht für jeden Schwerpunkt unserer Tour ein anderes, lustig anzusehendes Säugetier symbolhaft für diesen Ort. Waren es die Capybaras in Iberá so waren es in Iguazú die Coatis, Nasenbären, die mit riesigem Büschelschwanz. Die Tiere erinnerten mit diesem hochstehenden Schwanz an Autoscooter die durch die Gegend huschten – immer auf der Suche nach Nahrung, vorallem bei Mülleimern, die bereits so konstruiert waren, dass die Viecher sie eigentlich nicht aufbekamen. Diese versuchten es trotzdem unentwegt, dort an Nahrung zu gelangen und manches Mal war dieses ewige Versuchen sogar von Erfolg gekrönt – anders als zurzeit bei unseren Meenzern.

Coati - Nasenbär in Iguazú
Coati – Nasenbär in Iguazú

Iguazú bot aber auch kulinarische Highlights – gerade für Vegetarier, denn ansonsten sieht es für Fleischverschmäher in Argentinien oft was die Vielfalt an Speisen angeht recht mau aus. Meistens gab es nur Pasta in drei Formen: Bandnudeln, Ravioli und Canneloni, wobei letztere meist sehr lecker waren, da sie recht voll mit Spinat gefüllt waren. Saucenmäßig blieb meist nur die Tomaten-Variante „Filetto“ oder die mächtige „Blanca“, die Weiße, die hauptsächlich aus Sahne besteht. In Iguazú gab es in vielen gehobenen Hotels Buffets mit einer riesigen Auswahl an fleischlosen Speisen – neben großer Pasta- und Grillauswahl. Dazu wird natürlich ein guter Malbec-Rotwein oder Torrontes-Weißwein genossen – beides Traubensorten, die in Europa entweder gar nicht (Torrontes) oder nur als (Bordeaux-)Verschnitt existieren, da diese Sorten nicht robust genug für unser wechselhaftes Wetter sind.

Irgenwann waren wir dann vollgefuttert und auch vom Wein her gut gefüllt, so dass wir uns auf die 1.500 km lange Rückreise nach Buenos Aires mit dem Auto machten. Statt auf der Hauptstraße zurückzubrettern, nahmen wir uns wieder Zeit, auf den Nebenstraßen dieses vielfältige Land zu entdecken, so z.B. die breitesten Wasserfälle der Welt. Gut, wenn man von Iguazú kommt, dann sind alle anderen Wasserfälle der Welt eigentlich nur ein kleines Plätschern, aber die Saltos de Moconá waren die Reise wert. Der Rio Uruguay fällt direkt an der brasilianisch-argentinischen Grenze auf 3,5 km Länge mitten im Fluss abprupt ab, so dass auf der argentinischen Flussseite der Strohm zunächst ebenerdig weiterfließt, während er auf der brasilianischen Seite auf diesen 3,5 km bis zu 16 m an Höhe verliert. Dieses Phänomen mit dem Boot aus nächster Nähe zu betrachten, ist ein äußerst nasses, rumpeliges aber auch einmaliges Vergnügen – zumal die Fälle wirklich am Ende der Welt liegen. Zum nächsten Kaff waren es 75 km und dieses El Soberbio war selbst ein Fleckchen Erde an dem die Zeit wohl stehen geblieben ist. Samstag abends in der Kneipe wurde ein Endlos-Medley aus 90er Jahren Dance-Floor gespielt. „Rhythm is an Dancer“, „What is love?“ und Dutzende andere eigentlich längst vergessen One-Hit-Wonder hauten mir einen Ohrwurm nach dem anderen ins Hirn…“I’m too sexy for my car…“ ging mir noch Tage danach im Kopf herum – diese Zeitreise war aber noch das beste an dem Restaurant, denn kulinarisch war es gerade nach Iguazú ein Ritt durch die Hölle. Die Palmherz-Pizza bestannd eigentlich nur aus dickem Teig mit einer Komplett-Belegung aus Mozarella und einem Hauch Tomaten-Sauce. Die Palmherzen waren recht überschaubar angeordnet und die alternative Pasta (dieses Mal Bandnudeln) wurde mit Tomatensauce aus dem Tetra-Pak kredenzt. Es gibt sicherlich leckerere Speisen – aber wenigstens war das Quilmes-Bier schön kühl, denn hier oben im Nordosten Argentiniens ist es tropisch feucht-warm…und somit ideales Biergarten-Wetter.

Saltos de Moconá
Saltos de Moconá

Doch jede Reise geht mal zu Ende und somit ging es für uns weiter nach Süden in Richtung Buenos Aires. Ein letztes Mal besuchten wir einen der unzähligen Nationalparks Argentiniens – dieses Mal waren eigentlich Pflanzen in El Palmar die Attraktion. Wie es der Name schon vermuten lässt, geht um fast ausgerottete Palmen, aber der eigentliche Hit waren die Viscacha – trollige Chinchilla-Viecher, die nachtaktiv waren und uns mit ihrem Grunzen, Quieken und Pupsen in den Zeltschlaf „sangen“.

"Schlafstörer": Viscacha
„Schlafstörer“: Viscacha

Bevor wir die zweite Zeltnacht antraten, überlegte es sich der Himmel nochmals anders und nach einer recht langen Trockenperiode von einer Woche kübelte es plötzlich was das Zeug hielt. Dieses Dreckswetter veranlasste wohl den Restaurant-Besitzer im National Park dazu seinen Laden gar nicht erst aufzumachen, so dass wir abends plötzlich die Wahl hatten, im Kiosk des Campingplatzes Chips und Bier zu kaufen oder auf der 12 km langen Piste mit dem Auto in die Zivilisation zurück zu düsen, um etwas vernünftiges zum Futtern zu bekommen. Möchtegern-Gourmets wie wir setzten natürlich auf die zweite Variante, so dass wir in stockfinsterer Nacht bei Platzregen, dem Essen im insgesamt 18 km entfernten nächten Kaff entgegen rollten – mit Scheibenwischern, die mehr den Regen auf der Scheibe verschmierten, als diesen von dieser wegzuschaufeln. Die Fahrt auf der Piste verlief recht einfach und wir glaubten, auf der Hauptstraße wäre die Fahrt noch leichter hinter sich zu bringen, doch zu früh gefreut! Mögen argentinische Straßen einen guten Belag haben, so mangelt es diesen dafür meist an eindeutigen Fahrbahnmarkierungen. Tagsüber ist es ja auch leicht, die Spur auch ohne Mittelstreifen zu halten, aber nachts, bei null Sicht, Gegenverkehr und heizenden Lastern war dies alles auf einmal gar nicht mehr so einfach und garantiert nicht lustig. Die Scheinwerfer des LKWs direkt hinter uns praktisch auf dem Kofferraum kleben zu haben ist kein tolles Gefühl und diese 6 km Fahrt war der blanke Horror, nur getoppt durch das Abwägen der Situation, in der wir uns nun befanden. Sollten wir nach dem Essen in ein Hotel gehen und dort die Nacht verbringen, um den Platzregen abzuwarten oder wieder auf der Straße wieder 6 km Horror überstehen? Nun ja erstmal was essen in einem Kaff, in dem man wohl sonst nie anhalten würde. Nacht, Platzregen, leeres Restaurant und eine Besitzerin, die Vegetarier wohl noch nie im Leben gesehen hatte – irgendwie beste Horrorfilm-Zutaten. Das vorgesetzte Essen bestand aus Gnocchis mit Fleischsoße, obwohl dreimal angefragt „sin carne“ (ohne Fleisch), aber dafür mit einem riesigen Salatberg aus frischen Zutaten…

National-Park El Palmar bei schönem Wetter
National-Park El Palmar bei schönem Wetter

Das angeblich einzige Hotel bestand aus einem Schuppen direkt am Highway und hätte als Horrorfilm-Kulisse praktischen Nutzen gehabt und so begaben wir uns auf den Rückweg zu den pupsenden Viscachas, die natürlich in ihren wohl warmen trockenen Höhlen den Regen abwarteten. Ich hängte mich an einen LKW dran, der durch die nasse Nacht rauschte, aber als dieser auf über 60 km/h beschleunigte gab ich auf und ließ ihn ziehen – denn ich sah außer den Heckleuchten gar nichts – und die Einfahrt zum Nationalpark konnte ich auch nur groß anhand der Kilometersteine abschätzen. Zum Glück war der nächste heizende LKW mehr als einen Kilometer entfernt und so konnte ich im Schneckentempo die 6 km zurücklegen. Aber zum Ende dieser Strecke war der Abstand zum LKW vollkommen aufgebraucht und dieser wollte uns praktisch von der Straße hupen – also schnell die Warnblinkanlage aktiviert und auf den zum Glück vorhandenen Seitenstreifen geflüchtet. Der LKW rauschte von dannen und ich konnte mit Hilfe des Fernlichts die Einfahrt lokalisieren. Der Rückweg auf der Piste war dann ein pures Vergnügen – keine hupend-heinzenden LKWs – nur eine Capybara-Familie, die es auf der Piste zu umkurven galt. Das Zelt trotzte dem Regen, hielt dicht und trocknet gerade in unserem Wohnzimmer, denn gestern sind wir dann rechtzeitig zum nächsten 05-Spiel wieder im goldischen Meenz angekommen.

Argentinien 2011

Nachdem die Mainzer in Kaiserslautern das erste Mal seit April mit mir auswärts verloren haben, war es an der Zeit, dass die 05er mal wieder ohne mich auf fremden Platz antreten sollten, um Punkte zu holen. Wärend die rot-weißen Jungs Unentschieden in Nürnberg spielten, verschlug es uns in ein anderes fußballverrücktes Land, das wir alle noch von der WM im letzten Jahr kennen. Als Deutscher wird man nach der grandiosen Niederlage gegen „Alemania“ in Argentinien aber immer noch sehr freundlich begrüßt.

Ebenfalls 2010 waren wir ja hier schon einmal unterwegs, aber Argentinien ist so groß und vielfältig, dass einem dort die Ziele so schnell nicht ausgehen. Letztes Jahr Berge, Seen und Vulkane, dieses Mal Sümpfe, Flüsse und Wasserfälle, denn es ging nach Nordost-Argentinien. Trotz des guten Busnetzes ist es in Argentinien von Vorteil seinen eigenen fahrbaren Untersatz zu haben und so gönnten wir uns den Luxus, mit einem VW Gol unterwegs zu sein. Wenn wir diese Tour pannenfrei überstehen sollten, dann empfinde ich vielleicht endlich auch mal ein ganz kleines Stückchen Sympathie für den Retortenverein aus Wolfsburg – aber erstmal losfahren und abwarten.

Unser VW Gol in der argentinischen Pampa
Unser VW Gol in der argentinischen Pampa

Die Mietwagenübergabe am Flughafen war bereits sehr bizarr. Nach einer eher strapaziösen Einreiseprozedur, die us-amerikanische Verhältnissen entsprach, standen wir in der kleinen Emfpangshalle des Flughafens Buenos Aires Ezeiza und sahen die Mietwagenschalter von Hertz, Alamo und einen lokalen Anbieter. Wo war eigentlich unser Europcar-Schalter? Nun gut, dafür druckt man ja seine Reservierung aus und liest diese dann endlich auch mal durch! „Meet and Greet Information Desk“ stand da geschrieben. In wahrer Voraussicht, was die lange Einreiseprozedur anbetrifft, haben wir die Abholzeit auf 3 Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit fixiert – auch um einen Mietwagentag vor dem Rückflug zu sparen. Dumm nur, dass der Flieger pünktlich war und wir nun noch 90 Minuten bis zum Meet & Greet hatten. Insgeheim hatten wir darauf spekuliert, die Kiste früher abzuholen. Dass wir nun auf einen Abholer warten mussten, durchkreuzte unseren Plan ein wenig. Aber zum Glück stand ja eine Telefonnummer auf der Reservierung und mit meinen rudimentären Spanisch-Kenntnissen konnte ich mich verständlich machen, dass wir bereits am Info-Schalter standen; denn in Argentinien spricht man „no mucho ingles“ auch bei Europcar nicht.

Aber in Argentinien funktioniert fast immer alles reibungslos und so kreuzte Gerardo wenige Minuten später am Info-Schalter mit einer Europcar-Klatte auf und führte uns in ein Hinterzimmer des Flughafens. Das Büro erinnerte eher an eine Flugdienstberatung, da dort unzählige Ordner mit Flugkarten und Airport-Infos über Uruguay lagerten. An ein Mietwagen-Büro erinnerte rein gar nichts. Dort sollten wir zwischen VW und FIAT wählen – nun gut Ihr wisst, wie wir gewählt haben denn steht FIAT nicht für „Feher in allen Teilen“ und auf Bunga-Bunga-Kisten aus dem Materazi-Land hatten wir keine Lust. Dann lieber den VfL Wolfsburg unterstüzten!

Unser VW-Model „Gol“ zu Deutsch „Tor“ passt somit zu Südamerika wie die Faust aufs Auge. Es handelt sich um eine Kreuzung aus „Golf“ und „Polo“. Gewöhnungsbedürftig waren die nicht vorhandene Zentralverriegelung und die manuellen Fensterheber. Dafür gab’s Klimaanlage und das Ding war höhergelegt – keine dumme Maßnahme, wie sich im Laufe der Reise rausstellen sollte.

Der höhergelegte VW meisterte alle Pisten
Der höhergelegte VW meisterte alle Pisten

Einmal „on the road“ stellten wir uns der Herausforderung vom Flughafen, der im Süd-Osten von Buenos Aires liegt, nach Nord-Westen uns durch die Tango-Metropole zu schlängeln. Auf der Karte sah alles ganz einfach aus…einfach auf der Autobahn bleiben…oder halt ein Navi haben. Aber die 60 € für eine Tomtom-Argentinien-Karte fanden wir etwas übertrieben, schließlich gibt es ja auch Straßenschilder. Doch diese verrieten immer nur die nächsten Ausfahrten oder den Weg ins Zentrum. Auch in Frankreich führen alle Wege nach Paris, nur dort gibt es eine Ringautobahn und Schilder, die in die Provinz weisen. Hier endet alles in „La Capital“, so auch die Autobahn. Statt Fernverkehrsziele zu nennen, steht auf den Schildern lieber der Name der Autobahn. Diese tragen meist Namen von irgendwelchen argentinischen Helden oder so eindeutige Begriffe wie „Autopista del Sol“ – Sonnenautobahn – und das bei wolkenverhangenem Himmel auch kein wirklicher Hinweis, wo es hingeht. So kam es wie es kommen musste und wir endeten auf einem der riesigen Boulevards der Hauptstadt, der die Champs Elysees oder die 5th Av. als kleine Feldwege einem vorkommen lässt. Der Boulevard des 9. Juli hatte in unserer Richtung mindestens 7 Spuren, weiter kam ich nicht mit dem Zählen, da die Ampel wieder auf grün sprang. Aber was zählen hier schon Spuren – hier wurde mit dem Auto so gefahren, wie ich in Vietnam mit dem Rad unterwegs war: nach vorne gucken – was stört mich der Verkehr hinter mir. So wurde links und rechts überholt, die Spuren ignoriert, auch weil die Fahrbahnmarkierung manches Mal verschwand und somit noch enger nebeneinander her gerollt werden konnte. Dank meines einigermaßen ausgeprägten Orientierungssinns und der Tatsache, dass Buenos Aires ans Meer grenzt und somit nur 3 Richtungen zum Weiterkommen existieren, fanden wir dann irgendwann den richtigen Autobahnnamen und auch dieselbige Fahrstraße, die uns aus der 12 Millionen Metropole herausführte.

Landschaft in Nord-Ost-Argentinien
Landschaft in Nord-Ost-Argentinien

Einmal draußen, nahm der Verkehr mit jedem zurückgelegten Kilometer mehr ab, so dass wir uns bald die Straße fast nur noch mit unzähligen LKWs teilen mussten. Unser erstes Ziel der Reise, die Kleinstadt Colón am Rio Uruguay gelegen, war 345 km entfernt und wir kalkulierten eigentlich mit einem 80er km/h-Schnitt. Doch die Auotbahn, die auf der Karte eigentlich über 150 km früher hätte aufhören müssen, führte noch viel weiter nach Norden und somit waren 120 km/h erlaubt und durchaus auch fahrbar. Was für eine angenehme Überraschung! Laut Goolge-Maps befanden wir uns auf einer gebührenpflichtigen Straße, was durchaus stimmte, denn alle 100 km mussten wir umgerechnet zwischen 0,30 und 0,50 € Maut zahlen…dem argentinischen Nummernschild sei Dank wurde uns immer der Preis für Einheimische berechnet!

Der Rio Uruguay in der Provinz Corrientes
Der Rio Uruguay in der Provinz Corrientes

In Colón angekommen, zahlte sich dann das höher gelegte Fahrgestell bereits erstmals aus. Wie fast alle lateinamerikanischen Städte ist der Ortskern in quadratischen Blöcken angelegt, der von Einbahnstraßen durchzogen wird. Vor jeder Kreuzung ging es ein zwei Meter relativ steil nach unten. Dann auf der Querstraße geht es ruckzuck wieder nach oben. Dieses Hindernis der Verkehrsplaner hat den Vorteil, dass man sich mit normalem Auto nur mit 20 km/h durch die Gegend traut, möchte man nicht ständig aufsetzen. Wir konnten somit ein wenig schneller vorankommen, doch da auch Rechts vor Links zumindest auf den Nebenstraßen angesagt war, brachte dies auch nicht viel ein. Aber der Weg war ja für uns eh das Ziel, so dass das langsame Dahintuckern durch das Städtchen zum Fremdenverkehrsamt sehr angenehm war. Argentinien ist für mich eines der wenigen Länder, in denen es sich tatsächlich lohnt, die Touri-Infos aufzusuchen. In praktisch jeder Ansiedlung gibt es so ein Büro, das tatsächlich auch fast den ganzen Tag geöffnet ist, Fragen nach Übernachtungen und Sehenswürdigkeiten beantworten kann und eine praktische Übersichtskarte gratis uns mit auf den Weg gibt. Dazu sind die Angestellten meist hoch erfreut, dass sich Gäste aus Alemania auf den weiten Weg in ihre Stadt gemacht haben und so haben Sie immer große Freude uns Fremden weiterzuhelfen.

Dieses Mal erhielten wir den Tipp, dass von den unzähligen Campingplätzen, die um die Stadt verteilt sind, nur ein einziger zurzeit offen hat – es ist schließlich gerade erst Frühling geworden. Für umgerechnet 5 € pro Nase konnten wir unser Zelt im weiten Grün aufstellen. Ein paar Angler waren ebenfalls am Zelten, ansonsten war es recht ruhig auf dem Platz, bis morgens um 6 uns auf einmal ein Donnergrollen weckte. Mit Gewitter am Morgen hatten wir nicht unbedingt gerechnet. Aber es fing nicht an zu regnen und so entschieden wir uns, noch eine Nacht zu bleiben und die Umgegbung sowie die Stadt näher kennenzulernen. Kaum hatten wir uns entschieden, fing es dann natürlich an zu kübeln und wir waren plötzlich auf das herrliche September-Wetter in Deutschland sehr neidisch! Es blieb zunächst beim Gewitterschauer und mit Regenschirm bewaffnet begannen wir dem Flusslauf zu folgen. Der Himmel war weiterhin ein großes Grau aber der Regen hatte aufgehört. Ca. 3 km außerhalb des Kaffs gab es plötzlich ein extrem lautes Donnergrollen und ein Blitz schoss wie aus dem Nichts durch den Himmel. Erstmal schmissen wir uns auf den Boden und warteten ab. Aber außer einsetzendem Regen passierte nichts weiter, so dass wir die Beine in die Hände nahmen und ins Kaff zurück joggten. Nun hatte das Gewitter so richtig Spaß am Donnern und Blitzen bekommen – perfekt abgestimmt auf den nun herunterprasselnden Dauerregen.

Gut, dass Colón auch für diese Umstände eine nette Alternative bietet und so ging es für uns den Nachmittag über in die heißen Quellen zum Chillen. Dort traf sich jung und alt und lungerte im Becken herum. Oder man ruhte mit einer Thermoskanne bewaffnet auf einer Bank und trank den omnipräsenten Mate-Tee. Dieser wird mit einer speziellen Tasse und metallenem Strohhalm konsumiert. In der Folgezeit konnten man Argentinier überall mit den Kannen und Tassen entdecken. Und natürlich gibt es an der Tankstelle einen Heißwasser-Automaten, bei dem man eine Liter-Kanne mit heißem Wasser gegen einen Münzeinwurf betanken kann. Die Trinker erinnernt dabei eher an Opium-Konsumenten mit seiner Pfeife. Interessant auch die Tatsache, dass man diesen Tee praktisch nie auf der Karte des Restaurants angeboten bekommt – wahrscheinlich weil sowieso jeder nicht ohne seine Kanne das Haus verlässt.

Zurück auf dem Campingplatz war Umziehen angesagt, da wir unmöglich bei Dauerdonner auf der Wiese hätten schlafen können. Der Campingplatzbesitzer verstand unsere Lage und bot uns einen überdachten Platz an den Geschirr- und Wäschewasch-Becken an. Das war tatsächlich der perfekte Ort zum schlafen: trocken, überdacht und nur 3 m zum WC! Am späten Abend war dann auch der Spuk mit dem Gewitter zu Ende und wir konnten eine geruhsame Nacht verbringen.

Ein etwas ungewöhnlicher Zeltplatz
Ein etwas ungewöhnlicher Zeltplatz

Am nächsten Tag ging es weiter nach Norden. Das Autofahren an sich bereitet außerhalb von Buenos Aires keine großen Schwierigkeiten. Allerdings sind die Geschwindigkeitsbegrenzungen manches Mal arg übertrieben. Da wird ruckzuck mal ein 20 km/h Schild hingestellt – ohne richtig ersichtlichen Grund. Natürlich wird dieses von den Einheimischen gnadenlos ignoriert und auch mir blieb dann meist keine andere Wahl als mit „Augen zu und durch“ Taktik weiterzurollen. Denn wer hat schon Lust an seinem Kofferraum einen 40-Tonner kleben zu haben und eine riesige Blechkarawane hinter sich her zu ziehen. In Deutschland mit seinem Schilderwald weiß man eigentlich immer, wieviel man fahren darf, da auch Geschwindigkeitsbeschränkungen wieder aufgehoben werden. In Argentinien gibt es immer nur Beschränkungsschilder, deren Reichweite dem Autofahrer selbst überlassen bleibt. Dummerweise gibt es aber auch immer wieder mal Radarkontrollen – diese werden aber großflächig vorher angezeigt. Überhaupt scheint die Verkehrsplaner das eine oder andere Mal ihr Gewissen zu plagen, denn oftmals wird vor einer Beschränkung auf überdimensionierten Schildern lang und breit oft auf 4 bis 6 Zeilen erklärt, warum jetzt die Geschwindigkeit gedrosselt werden muss. Will man den Inhalt dieser Kurzgeschichten komplett aufnehmen, bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als zu wenden und nochmals am Schild vorbeizudüsen und den Rest des Schilds zu lesen.

Oftmals gibt es in Argentinien auch routinemäßige Polizeikontrollen. Andererseits ist man als Novize auf argentinischen Straßen nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der Straßenverkehrsgesetze. So muss neben einem Warndreieck und einer Warnweste auch ein Feuerlöscher mit an Bord sein. Und das Abblendlicht muss wie etwa in Skandinavien dauerhaft auch am Tag eingeschaltet sein. Diese Regelung hatte ich so halbwegs adaptiert nur ausgerechnet nach einem Tankstopp hatte ich das Licht nicht eingeschaltet. Prompt gerieten wir in eine Polizeikontrolle und wurden herausgewunken. Der Polizist war freundlich aber bestimmt und machte mich auf das nicht eingeschaltete Licht aufmerksam. Er ging davon aus, dass dieses gar nicht funktionierte. Auf die Idee, dass ich es einfach vergessen hatte, einzuschalten kam er nicht und ich wollte so schnell wie möglich weg von hier – und für eine Diskussion mit einem Polizisten reichten meine Spanischkenntnisse auch nicht aus. So musste ich mitkommen, den Fahrzeugschein und Führerschein vorlegen. Alles wurde auf einer Quittung notiert und schließlich hatte ich eine Strafe von 408,36 Argentinischen Pesos zu berappen – das entspricht ca. 75 €! Immerhin erhielt ich einen Rabatt von 25 %, da ich einsichtig war und ich nicht den Verkehr mit meiner Zuwiderhandlung gefährdete – wenigstens etwas…

Mittlerweile haben wir über 1.000 weitere Kilometer ohne zusätzlichen Strafen absolviert und sind an den Iguazú-Wasserfällen angekommen. Was wir auf dem Weg dorthin und vor Ort erleben, erzähle ich dann im nächsten Kapitel.