Dem Populismus die rote Karte zeigen

Die Debatte der Innenminister:innen zur Sicherheit in deutschen Fußballstadien ist an Populismus kaum zu überbieten und zeichnet ein Bild fernab der Realität, findet Sebastian Schneider.

Liest man die jüngsten Nachrichten rund um die Anfang Dezember anstehende Innenministerkonferenz, könnte man sofort glauben, der deutsche Profifußball sei zurück in den 80iger Jahren. Zahlreiche Innenminister:innen treten in die Öffentlichkeit und reden über die Verhältnisse in und um deutsche Fußballstadien, als geschehe dort Woche für Woche die nächste Apokalypse. Warum eine komplett unnötige Sicherheitsdebatte in Gang gesetzt wird, bleibt unklar. Vermutlich lässt sich dieses Thema besser durch den deutschen Boulevard jagen, als die eigentlichen Probleme in den Bundesländern.

Als regelmäßige Stadionbesucher:innen fragt man sich, welche Auswirkungen die Inhalte dieser Debatte haben werden und welche Spiele sich die Innenminister:innen ansehen, um zu einer solch weltfremden Einschätzung zu gelangen. Besonders spannend ist dabei der Blick auf die Statistiken. Vor allem die eigens von der “Zentrale Informationsstelle Sport” (ZIS) vorgelegten Jahresberichte unterstreichen, dass die Anzahl an Straftaten und Verletzten im Kontext des Profifußballs seit Jahren rückläufig ist.

Daher wirken die von den Innenminister:innen in der “Bund-Länder-offene-Arbeitsgruppe” (BLAG) geplanten weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen grotesk. Eine zentralisierte Vergabe von Stadionverboten, personalisierte Tickets, KI-Gesichtsscanner an den Eingängen usw. sind Maßnahmen, die Stadionbesucher pauschal kriminalisieren, gängeln und ein Problem lösen wollen, das es nicht gibt. Dass diese bisher an die Öffentlichkeit gelangten Vorhaben allein auf das Thema Stadion abzielen, entlarvt den Populismus dieser Debatte. Risiken auf der An- oder Abreise werden offensichtlich ignoriert. Bei vielen Fans sorgten daher auch die Äußerungen von Innenminister Michael Ebling für Unverständnis. Stadionverbotsverfahren in Mainz laufen professionell und akribisch ab, keinesfalls zu harmlos.

Selbstverständlich ist nichts zu beschönigen, wenn sich Vorfälle ereignen, wie jüngst im Vorfeld des Auswärtsspiels gegen Eintracht Frankfurt am Mainzer Hauptbahnhof. Klar ist aber auch, dass rund um Großveranstaltungen dieser Art nicht alles harmonisch verläuft. Es ist aber niemandem geholfen, wenn mit solchen, singulären Ereignissen bundesweit pauschale Maßnahmen begründet werden, die für Millionen von Fußballfans massive Einschränkungen bedeuten. Da sollte es auch niemanden wundern, dass sich die Fans bundesweit solidarisieren und Demonstrationen wie am vergangenen Wochenende in Leipzig stattfinden.

Statt hinter verschlossenen Türen über Fußballfans zu reden und sich unter dem Vorwand der Sicherheit neue Einschränkungen der Fankultur auszudenken, sind alle Politiker:innen dazu aufgerufen, den Dialog mit den Betroffenen zu suchen. Auch die Proficlubs sollten versuchen, auf die Politiker:innen einzuwirken. Denn nur in einem offenen Dialog auf Augenhöhe können sinnvolle Ergebnisse erzielt werden, nur so kann die einmalige Fankultur bewahrt werden.