Geschichten von unterwegs: Impfung

„Impfung“  – um dieses Wort drehen sich am Jahresanfang 2021 Mitten in der Pandemie viele Diskussionen. Insbesondere für Reisende sind Impfungen seit jeher Routine – so wie es zum Beispiel für Asienbegeisterte Masken schon immer waren oder für die meisten Fernreisenden eine gründliche Handhygiene, zumindest wenn man Durchfallerkrankungen vermeiden wollte. Mit diesen Themen hatte ich mich am Anfang der Pandemie in den beiden Artikeln zu Masken und Händewaschen beschäftigt. Da sich aktuell so viel um das Thema „Impfung“ dreht, möchte ich dieses anhand von fünf Geschichten beleuchten, die ich auf Reisen durch Südamerika, Afrika und Asien erlebt habe.

Impfungen werden außerhalb Europas meist sehr dankbar entgegengenommen.
  • Impfpflicht in einem EU-Territorium

Verpflichtende Impfungen, wie sie aktuell debattiert werden, gibt es schon seit sehr langer Zeit – zumindest seitdem ich 1992 angefangen habe, außerhalb Europas ohne meine Eltern zu reisen. Ich denke da gar nicht an die bei uns im März 2020 eingeführte Masern-Impfpflicht, die ja nur für Menschen in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen gilt. Bereits seit Jahrzehnten existiert eine Gelbfieber-Impfpflicht für ein EU-Territorium und niemand hat sich bisher darüber aufgeregt. Ohne den entsprechenden Nachweis im gelben Impfausweis, ist eine Einreise nach Französisch-Guayana nicht möglich. Dieses französische Überseedepartement liegt in Südamerika, gehört aber zur „Grande Nation“ und zur EU. Die Flugzeit auf diesem innerfranzösischen Flug ab Paris beträgt mehr als acht Stunden und bei meinem Besuch 2002 wurde tatsächlich geprüft, ob ich die Gelbfieber-Impfung mindestens 10 Tage zuvor habe machen lassen. Ohne Impfung keine Reise in die Hauptstadt Cayenne – so einfach war das, da dieses Territorium nördlich von Brasilien zum Gelbfieber-Infektionsgebiet gehört. Fakt ist auch, dass viele Länder Reisende, die sich unmittelbar vor der Reise in einem Gelbfieber-Infektionsgebiet aufgehalten haben, nur mit entsprechender Impfung ins Land lassen. Ebenfalls Fakt ist, dass es (bisher) nicht die Airlines sind, die solche Impfpflichten aufstellen, sondern die Länder, in die die Airlines die Menschen befördern. Daher ist es natürlich gut, dass das vor dem Abflug geprüft wird.

Tropisches Frankreich: Französisch Guayana, 2002 bereist und ein EU-Territorium mit Gelbfieber-Impfpflicht
  • Wer kann sich schon das Geld für eine Spritze leisten?

Es gibt auch Länder, die führen aufgrund besonderer Ereignisse eine zeitweilige Impfpflicht ein: so geschehen beispielsweise 1998 in Burkina Faso. Dort fand der Afrika-Fußball-Cup statt. Das Land rechnete mit erhöhtem Reiseverkehr aus allen Staaten des Kontinents und führte daher eine Impfpflicht gegen Meningokokken ein. Darüber wusste ich gar nicht Bescheid, bekam die Impfung allerdings vor meiner Abreise nach eingehender Beratung im Impfzentrum Mainz verabreicht. Anders erging es meiner Mitreisenden, die eine Abneigung gegen Spritzen hatte. Sie hatte eine Art Phobie und sich daher vor der Abreise in Deutschland nicht impfen lassen. An der Grenze zwischen Mali und Burkina Faso angekommen, wurde sie vor die Wahl gestellt, wieder nach Mali zurückzukehren oder sich impfen zu lassen. Die Impffläschchen wurden in einer Kühltasche gelagert und die Kühlakkus sollten für die notwendige Kälte sorgen. Geimpft wurde im Lichtschein einer Öllampe, da wir erst abends die Grenze erreichten. Das waren weitaus unangenehmere Voraussetzungen als der Besuch im Impfzentrum in der Mainzer Uniklinik. Der Impfstoff an der Grenze war gratis. Jedoch musste für die Spritze bezahlt werden. Diese 0,20 Euro konnten sich viele Einreisende nicht leisten – so wurden sie vor Meningokokken geschützt, haben sich aber durch die Mehrfachnutzung der Spritze womöglich mit HIV oder anderen Krankheiten angesteckt – vor denen sogar auf großen Werbetafeln direkt an der Grenze gewarnt wurde. Eine wahrlich schlimme Szene, die so beispielhaft für so viele Dramen auf unserer Erde steht, von denen wir aber in der heimeligen Wohnung nichts mitbekommen, weil sie zu unbedeutend für die täglichen Nachrichten sind.  

Gästefans aus Kamerun in Burkina Faso 1998 – Grund eine temporäre Impfpflicht gegen Meningokokken einzuführen.
  • Impfgeschirr als Mittel zur Korruptionsbekämpfung

Eine Impfpflicht lädt korrupte Beamte auch immer zu einem Nebenerwerb ein. So eine Gestalt ist meinen beiden Mainzer Freunden und mir 1995 auf dem Weg von Mainz nach Kapstadt bei der Einreise in ein Land ebenfalls begegnet. Damals war die Cholera-Impfung in vielen Ländern noch Pflicht. Beim Studieren meines Impfausweises sagte der Beamte, die Impfung sei ungültig, da der Stempel meines Mainzer Arztes größer als das davor vorgesehene Stempelfeld sei. Wir müssten die Impfung an Ort und Stelle wiederholen, es gäbe aber nur eine Spritze für alle. Bei der Vorbereitung auf diese Reise wurde uns empfohlen, Spritzen mitzunehmen, da diese in manchen Ländern Mangelware sind. So entgegneten wir dem Beamten, wir hätten überhaupt kein Problem damit, uns nochmals impfen zu lassen, da wir Spritzen dabei hätten. Völlig verdutzt entgegnete er uns nur noch „Go away“ und schon waren wir in das Land eingereist.

  • Gratis-Impfung auf Polizeibefehl

Ganz anders erging es mir mit Beamten in Malaysia 20003 auf meiner einjährigen Weltreise von Mainz Hauptbahnhof nach Mainz Süd. Ich hatte mich im Dschungel für drei Tage verlaufen und mich mit Hilfe meines Kompasses aus dieser Bredouille selbst befreien können. Da ich im Dickicht bereits am ersten Tag auf einen Österreicher traf, dessen Familie im Dorf auf ihn vergeblich wartete, verständigte diese die Polizei. Die 16 Beamten fanden uns zwar nicht, aber als wir wieder im Dorf ankamen, mussten wir zum Polizeichef. Dieser sah die Schrammen auf unseren Armen und Beinen und meine völlig zerrissene Wanderhose. Schließlich ging es zuvor durch sehr viel dornige Büsche raus aus der Natur zurück in die Zivilisation. Er schickte uns ins Dorfkrankenhaus. Dort erhielten wir eine Auffrischung der Tetanus-Impfung, da aufgrund der vielen Schrammen nicht auszuschließen war, dass der eigentlich noch wirksame Impfschutz eventuell nicht mehr gegeben sei. Die Impfung war für uns kostenlos, da in Malaysia das Gesetz besagt, dass Patienten, die von der Polizei eingewiesen werden, gratis zu behandeln sind. 

Im Dschungel hinter den Teeplantagen lag der Grund, warum ich in Malaysia eine Tetanus-Impfung gratis bekam
  • Tollwut – (k)eine Impfung vorhanden

Eine ganz andere Problematik erlebten wir bereits zweimal mit der Tollwut-Impfung. Es gibt Regionen auf der Welt, die tollwutfrei sind, zum Beispiel Singapur. Daher konnten wir dort 2012 keine Tollwut-Impfung auftreiben. Tags zuvor waren wir von einer Katze auf Bali kurz vor Abflug nach Singapur gekratzt worden. Die indonesische Insel gehört zum Verbreitungsgebiet von Tollwut.  Bei Tollwut wird immer lieber einmal zu viel als einmal zu wenig geimpft, da diese Krankheit nahezu immer tödlich verläuft, wenn die Krankheit einmal ausgebrochen ist – es gibt kein Medikament dagegen. Daher flogen wir relativ schnell zurück nach Deutschland und holten dort die Auffrischung im Impfzentrum Mainz nach, da auch hier der behandelnde Arzt auf Nummer sicher gehen wollte. Sieben Jahre später eine ähnliche Situation im Oman 2019. Eine kratzende Katze und die Frage, wo wir die Impfung herbekommen sollten, da auch im Oman Tollwut noch grassiert. Im Krankenhaus der nächst größeren Stadt wurde uns ein Impfplan erstellt, da beim Wirkstoff, der im Oman verwendet wird, eine 3-fach Impfung notwendig ist, bei der alle 3-4 Tage geimpft werden soll. So lernten wir die Krankenhäuser des Landes ganz gut kennen – und das alles wieder gratis, da es ein Initiative der omanischen Gesundheitsbehörden gibt, um den Erreger der Tollwut zu bekämpfen. Bei dieser Initiative wird nicht nach Pass oder Herkunft entschieden, ob sie Anwendung findet. Sie gilt für alle Menschen, egal ob Touri oder Omani – schließlich macht auch der Tollwut-Erreger da keine Unterschiede. Übrigens hätte unsere Auslandskrankenversicherung die Impfungen alle übernommen, im Oman genauso wie in Malaysia oder Burkina Faso. Viele gesetzliche Krankenversicherungen übernehmen mittlerweile auch die Kosten für die Impfungen, die man vorab für eine Reise bekommt – inklusive der Kosten für die Impfberatung.

Auch Bali gilt als Tollwut-Risikogebiet, in dem nach einem Kratzer oder Biss durch eine Katze eine Impfung ratsam ist.

All diese Beispiele zeigen, um welche wichtigen Fragen es beim Impfen tatsächlich geht, sprich oft um Leben oder Tod. Das trifft auf die Tollwut-Impfung auf jeden Fall zu. Es geht auch um gesetzlich vorgeschriebene Solidarität bei der Gelbfieber-Impfung, denn natürlich gibt es Menschen, die diese Impfung tatsächlich nicht vertragen. Diese Menschen sollen durch geimpfte Menschen geschützt werden, um das Virus im Zaum zu halten. Es geht auch immer um die Menge der Viren/Bakterien, die man abbekommt, wie das Beispiel Tetanus in Malaysia zeigt. Es dreht sich auch immer um das Thema Angst, mit dem zum Beispiel der korrupte Beamte Geld erpressen wollte, denn es war schon klar, dass ein überdimensionierter Stempel den Impfschutz nicht beeinflusst und viele Menschen haben tatsächlich eine Phobie vor Spritzen. Und es geht um das Thema Geld, wie das dramatische Beispiel der 0,20 Euro für die Spritzen in Burkina Faso zeigt.

All diese Beispiele verdeutlichen auch, worum es nicht geht: Um das Anzweifeln von wissenschaftlichen Ergebnissen. Diese Ergebnisse sind Voraussetzungen dafür, dass Impfungen überhaupt zugelassen werden. Nein, niemand muss gutgläubig alles „schlucken“ (oder sich eine Spritze setzen lassen), aber Vertrauen in Experten sind Basis für ein Gemeinwohl. Das Internet bietet für jede Meinung einen Beleg. Wichtig sind aber die Fakten, die anhand von seriösen Quellen nachvollzogen werden können. Die meisten Menschen außerhalb Mitteleuropas haben gar nicht die Zeit, sich stundenlang mit irgendwelchen Theorien auseinanderzusetzen, da sie sich im Alltag mit dem Überleben „beschäftigen“ müssen. Und manche dieser Menschen haben sogar an Studien teilgenommen, die Voraussetzung dafür sind, dass Impfungen von Biontech, Moderna und Co. so schnell nach Ausbruch der Pandemie verfügbar waren. Und warum das alles so schnell ging, kann man auf der Seite „Zusammen gegen Corona“ des Bundesministeriums für Gesundheit nachlesen.

Bis den meisten von uns ein Impfangebot gegen Corona unterbreitet wird, haben wir also genügend Zeit, seriöse Quellen zu studieren und uns wieder anmal daran zu erinnern, welche Privilegien wir hier in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern genießen, wenn es um das Thema Impfen geht.

Bildnachweis: Christoph Kessel, Pixabay