Argentinien 2011 letzter Teil

Auch die zweite Woche mit dem Auto in Argentinien haben sowohl wir Insassen als auch unser VW Gol gut überstanden – danke Wolfsburg! Jetzt kann ich diesem Verein wenigstens etwas Positives abgewinnen. Aber vom Gewinnen rede ich als Mainzer lieber mal nicht zurzeit, lieber vom Reisen durch Argentinien.

Die Hauptstraßen sind dort eigentlich entweder Autobahnen mit einer grünen breiten Wiese als Trennung oder langgezogenen Landstraßen, die zum Überholen von extrem langen, unzähligen LKW-Kollonnen aus Brasilien einladen. Aber die Nebenstraßen…

Nebenstraße in der Provinz Misiones
Nebenstraße in der Provinz Misiones

Nein, es handelt sich dabei um keine Schlaglochpisten sondern eigentlich immer um Erdstraßen. Somit lohnt sich beim Autofahren in der Pampa wirklich den Wetterbericht vorab zu studieren. Wir hatten zwar einen höhergelegten VW aber kein Allradfahrzeug. So machten wir uns nach den Regenfällen der letzten Tage mit etwas mulmigen Gefühl auf die Strecke in das Tierparadies Esteros del Iberrá. Dieses liegt auf halbem Weg zwischen Buenos Aires und Iguazú fernab von jeder Teerstraße. Diese Abgeschiedenheit war für uns natürlich Fluch und Segen zugleich. Segen, weil es nur wenige Touristen gibt, die die über 100 km lange Piste in Angriff nehmen, um dieses Naturparadies zu entdecken, Fluch, weil wir befürchten mussten, bei Regen, den es dort halt immer wieder gibt, dann mal ruckzuck ein paar Tage von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. So gingen wir auf die Piste und waren froh, dass die ersten 10 km sogar geteert waren – warum? Keine Ahnung, denn der Belag verschwand von einem auf den anderen Meter und die Erdstraße, wurde zunehmend schlechter, sprich es gab tiefe Furchen aber zum Glück keine Schlammlöcher in denen man stecken bleiben konnte. Durch die Höherlegung des Autos kamen wir nach 4 Stunden Fahrtzeit dann in Colonia Pellegrini dem einzigen Ort auf dieser 100 km Strecke an.

Unser Lieblingstier: ein Capybara
Unser Lieblingstier: ein Capybara

Auf dem Weg dorthin trafen wir bereits Capybaras, im Deutschen auch bekannt als „Wasserschwein“. Diese liebenswerten Viecher haben mit einer Sau aber rein gar nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um die größten Nagetiere der Welt, die bis zu 75 kg schwer werden können. Uns erinnerten die Capybaras eher an Tiere von Loriot mit ihrer platten Schnauze und ihrem vollschlanken Körper der aus einem wasserdichten struppigen Fell besteht. Schließlich lieben es Capybaras sich in Tümpeln vom vielen Pflanzenfressen auszuruhen. So badete direkt am Straßenrand ein Capybara in einer Pfütze und ließ sich durch uns nicht im geringsten stören. Neben unzähligen Vogelarten entdeckten wir auf einer Bootsfahrt auch viele Kaimane und bei einer Wanderung auch sehr scheue Affen, die anders als in Indien es vorzogen, in den Baumkronen sich von Ast zu Ast zu hängeln als auf dem Boden wehrlosen Brillenträgern ihre Sehhilfen zu klauen – wie mir geschehen, 2008 im nördlichen Teil des Subkontinents.

Nach ein paar Tagen Natur pur im Zelt ohne Gewitter oder Platzregen setzten wir unsere Autofahrt nach Nordosten auf der Piste fort – dem trockenen Wetter sei Dank. Denn die Piste sollte noch wesentlich schlechter werden, als die auf der Hinfahrt genommene. Wären wir auf dieser zurück gefahren, hätten wir ca. 300 km an zusätzlicher Strecke gehabt – ein Umstand auf den wir gerne verzichtet haben. Nach Absprache mit den Einheimischen, die unseren VW Gol für tauglich für diese Strecke bei diesen Witterungsverhältnissen hielten, zogen wir frühmorgens weiter. Zunächst wurde die Piste einfach nur ein großer Sandkasten, bei dem man fast froh sein konnte, dass noch eine gewisse Feuchtigkeit im Boden war, die den Sand zusammenklebte und wir immer mit Vollgas gemäß der Devise „Augen zu und durch“ weiterkamen. Irgendwann aber trafen wir auf Furchen und Rinnen die zum Teil einen halben Meter tief und dann auch noch verschlammt waren. Da musste ich imaginär öfter mal die Daumen drücken und drei Kreuze machen, aber der Volkswagen hielt durch und uns in der Spur. Das Auto schlingerte mehr als einmal aber wir kamen durch bis zur Teerstraße nach ca. 130 km…wieder ohne Kaff.

Ruine der Jesuiten-Mission San Ignacio Mini
Ruine der Jesuiten-Mission San Ignacio Mini

Den Rest des Tages ging es dann auf einfach zu fahrender Hauptstraße weiter zu den ehemaligen Jesuiten-Missionen in der Provinz „Misiones“ – dem nordöstlichsten Teil Argentiniens. Dort missionierten im 17. Jhdt. spanische Jesuiten-Möche bei der einheimischen indigenen Guaraní-Bevölkerung erfolgreich, in dem sie um die Kirchen herum große Dörfer gründeten, in denen demokratisch gewählte Vertreter den Alltag der bekehrten Guaranís bestimmten. Diese fanden das Christentum wohl sicher auch dadurch attraktiv, da diese Dörfer Schutz vor Sklavenhändlern boten. Im heutigen Paraguay, Argentinien und Brasilien finden sich mehrere dieser Stätten, die für ca. 50 bis 100 Jahre im 18./19. Jhdt. vollkommen vom Dschungel überwuchert wurden, da diese Dörfer irgendwann von Sklavenhändlern dann doch erfolgreich eingenommen wurden – unterstützt von den damaligen Kolonialmächten Spanien und Portugal. Heute sind von diesen Bauten nur noch die Grundmauern zu sehen, aber ähnlich wie in Angkor Wat oder bei den Pyramiden in Mexiko sehen Ruinen im Dschungel immer sehr beeindruckend aus und es kommt so eine Indianer Jones Athmosphäre auf.

Die Iguazu-Wasserfälle von der brasilianischen Seite
Die Iguazu-Wasserfälle von der brasilianischen Seite

Nach einem Nachmittag als gefühlter Harrison Ford ging es dann zu unserem Ziel der Reise, den Iguazú-Wasserfällen. Der Lonely Planet hat es ganz gut beschrieben: Es gibt Wasserfälle und Wasserfälle und es gibt die Iguazú-Fälle! Damit ist alles gesagt – zumindest für diejenigen von Euch, die das Glück bereits hatten, einmal am Rand dieses tosenden Rauschens zu stehen. Allen anderen sei gesagt, wenn Ihr irgendwie mal die Möglichkeit habt, dorthin zu kommen, macht es! Was da Mutter Natur für eine Show abzieht ist wirklich schon fast unwirklich. Und zugleich sind diese Fälle aufgrund ihrer Größe gar nicht so überlaufen. Gerade die argentinische Seite bietet unzählige Wanderwege und Stege an, von denen man die Fälle aus fast allen Positionen bestaunen kann. Brasilien bietet auf einem recht kurzen Weg ein sagenhaftes Rund-Um-Panorama. Daher sollte jeder, der das Glück hat, mal dort zu sein auch beide Seiten besuchen. Auf dieser Reise steht für jeden Schwerpunkt unserer Tour ein anderes, lustig anzusehendes Säugetier symbolhaft für diesen Ort. Waren es die Capybaras in Iberá so waren es in Iguazú die Coatis, Nasenbären, die mit riesigem Büschelschwanz. Die Tiere erinnerten mit diesem hochstehenden Schwanz an Autoscooter die durch die Gegend huschten – immer auf der Suche nach Nahrung, vorallem bei Mülleimern, die bereits so konstruiert waren, dass die Viecher sie eigentlich nicht aufbekamen. Diese versuchten es trotzdem unentwegt, dort an Nahrung zu gelangen und manches Mal war dieses ewige Versuchen sogar von Erfolg gekrönt – anders als zurzeit bei unseren Meenzern.

Coati - Nasenbär in Iguazú
Coati – Nasenbär in Iguazú

Iguazú bot aber auch kulinarische Highlights – gerade für Vegetarier, denn ansonsten sieht es für Fleischverschmäher in Argentinien oft was die Vielfalt an Speisen angeht recht mau aus. Meistens gab es nur Pasta in drei Formen: Bandnudeln, Ravioli und Canneloni, wobei letztere meist sehr lecker waren, da sie recht voll mit Spinat gefüllt waren. Saucenmäßig blieb meist nur die Tomaten-Variante „Filetto“ oder die mächtige „Blanca“, die Weiße, die hauptsächlich aus Sahne besteht. In Iguazú gab es in vielen gehobenen Hotels Buffets mit einer riesigen Auswahl an fleischlosen Speisen – neben großer Pasta- und Grillauswahl. Dazu wird natürlich ein guter Malbec-Rotwein oder Torrontes-Weißwein genossen – beides Traubensorten, die in Europa entweder gar nicht (Torrontes) oder nur als (Bordeaux-)Verschnitt existieren, da diese Sorten nicht robust genug für unser wechselhaftes Wetter sind.

Irgenwann waren wir dann vollgefuttert und auch vom Wein her gut gefüllt, so dass wir uns auf die 1.500 km lange Rückreise nach Buenos Aires mit dem Auto machten. Statt auf der Hauptstraße zurückzubrettern, nahmen wir uns wieder Zeit, auf den Nebenstraßen dieses vielfältige Land zu entdecken, so z.B. die breitesten Wasserfälle der Welt. Gut, wenn man von Iguazú kommt, dann sind alle anderen Wasserfälle der Welt eigentlich nur ein kleines Plätschern, aber die Saltos de Moconá waren die Reise wert. Der Rio Uruguay fällt direkt an der brasilianisch-argentinischen Grenze auf 3,5 km Länge mitten im Fluss abprupt ab, so dass auf der argentinischen Flussseite der Strohm zunächst ebenerdig weiterfließt, während er auf der brasilianischen Seite auf diesen 3,5 km bis zu 16 m an Höhe verliert. Dieses Phänomen mit dem Boot aus nächster Nähe zu betrachten, ist ein äußerst nasses, rumpeliges aber auch einmaliges Vergnügen – zumal die Fälle wirklich am Ende der Welt liegen. Zum nächsten Kaff waren es 75 km und dieses El Soberbio war selbst ein Fleckchen Erde an dem die Zeit wohl stehen geblieben ist. Samstag abends in der Kneipe wurde ein Endlos-Medley aus 90er Jahren Dance-Floor gespielt. „Rhythm is an Dancer“, „What is love?“ und Dutzende andere eigentlich längst vergessen One-Hit-Wonder hauten mir einen Ohrwurm nach dem anderen ins Hirn…“I’m too sexy for my car…“ ging mir noch Tage danach im Kopf herum – diese Zeitreise war aber noch das beste an dem Restaurant, denn kulinarisch war es gerade nach Iguazú ein Ritt durch die Hölle. Die Palmherz-Pizza bestannd eigentlich nur aus dickem Teig mit einer Komplett-Belegung aus Mozarella und einem Hauch Tomaten-Sauce. Die Palmherzen waren recht überschaubar angeordnet und die alternative Pasta (dieses Mal Bandnudeln) wurde mit Tomatensauce aus dem Tetra-Pak kredenzt. Es gibt sicherlich leckerere Speisen – aber wenigstens war das Quilmes-Bier schön kühl, denn hier oben im Nordosten Argentiniens ist es tropisch feucht-warm…und somit ideales Biergarten-Wetter.

Saltos de Moconá
Saltos de Moconá

Doch jede Reise geht mal zu Ende und somit ging es für uns weiter nach Süden in Richtung Buenos Aires. Ein letztes Mal besuchten wir einen der unzähligen Nationalparks Argentiniens – dieses Mal waren eigentlich Pflanzen in El Palmar die Attraktion. Wie es der Name schon vermuten lässt, geht um fast ausgerottete Palmen, aber der eigentliche Hit waren die Viscacha – trollige Chinchilla-Viecher, die nachtaktiv waren und uns mit ihrem Grunzen, Quieken und Pupsen in den Zeltschlaf „sangen“.

"Schlafstörer": Viscacha
„Schlafstörer“: Viscacha

Bevor wir die zweite Zeltnacht antraten, überlegte es sich der Himmel nochmals anders und nach einer recht langen Trockenperiode von einer Woche kübelte es plötzlich was das Zeug hielt. Dieses Dreckswetter veranlasste wohl den Restaurant-Besitzer im National Park dazu seinen Laden gar nicht erst aufzumachen, so dass wir abends plötzlich die Wahl hatten, im Kiosk des Campingplatzes Chips und Bier zu kaufen oder auf der 12 km langen Piste mit dem Auto in die Zivilisation zurück zu düsen, um etwas vernünftiges zum Futtern zu bekommen. Möchtegern-Gourmets wie wir setzten natürlich auf die zweite Variante, so dass wir in stockfinsterer Nacht bei Platzregen, dem Essen im insgesamt 18 km entfernten nächten Kaff entgegen rollten – mit Scheibenwischern, die mehr den Regen auf der Scheibe verschmierten, als diesen von dieser wegzuschaufeln. Die Fahrt auf der Piste verlief recht einfach und wir glaubten, auf der Hauptstraße wäre die Fahrt noch leichter hinter sich zu bringen, doch zu früh gefreut! Mögen argentinische Straßen einen guten Belag haben, so mangelt es diesen dafür meist an eindeutigen Fahrbahnmarkierungen. Tagsüber ist es ja auch leicht, die Spur auch ohne Mittelstreifen zu halten, aber nachts, bei null Sicht, Gegenverkehr und heizenden Lastern war dies alles auf einmal gar nicht mehr so einfach und garantiert nicht lustig. Die Scheinwerfer des LKWs direkt hinter uns praktisch auf dem Kofferraum kleben zu haben ist kein tolles Gefühl und diese 6 km Fahrt war der blanke Horror, nur getoppt durch das Abwägen der Situation, in der wir uns nun befanden. Sollten wir nach dem Essen in ein Hotel gehen und dort die Nacht verbringen, um den Platzregen abzuwarten oder wieder auf der Straße wieder 6 km Horror überstehen? Nun ja erstmal was essen in einem Kaff, in dem man wohl sonst nie anhalten würde. Nacht, Platzregen, leeres Restaurant und eine Besitzerin, die Vegetarier wohl noch nie im Leben gesehen hatte – irgendwie beste Horrorfilm-Zutaten. Das vorgesetzte Essen bestand aus Gnocchis mit Fleischsoße, obwohl dreimal angefragt „sin carne“ (ohne Fleisch), aber dafür mit einem riesigen Salatberg aus frischen Zutaten…

National-Park El Palmar bei schönem Wetter
National-Park El Palmar bei schönem Wetter

Das angeblich einzige Hotel bestand aus einem Schuppen direkt am Highway und hätte als Horrorfilm-Kulisse praktischen Nutzen gehabt und so begaben wir uns auf den Rückweg zu den pupsenden Viscachas, die natürlich in ihren wohl warmen trockenen Höhlen den Regen abwarteten. Ich hängte mich an einen LKW dran, der durch die nasse Nacht rauschte, aber als dieser auf über 60 km/h beschleunigte gab ich auf und ließ ihn ziehen – denn ich sah außer den Heckleuchten gar nichts – und die Einfahrt zum Nationalpark konnte ich auch nur groß anhand der Kilometersteine abschätzen. Zum Glück war der nächste heizende LKW mehr als einen Kilometer entfernt und so konnte ich im Schneckentempo die 6 km zurücklegen. Aber zum Ende dieser Strecke war der Abstand zum LKW vollkommen aufgebraucht und dieser wollte uns praktisch von der Straße hupen – also schnell die Warnblinkanlage aktiviert und auf den zum Glück vorhandenen Seitenstreifen geflüchtet. Der LKW rauschte von dannen und ich konnte mit Hilfe des Fernlichts die Einfahrt lokalisieren. Der Rückweg auf der Piste war dann ein pures Vergnügen – keine hupend-heinzenden LKWs – nur eine Capybara-Familie, die es auf der Piste zu umkurven galt. Das Zelt trotzte dem Regen, hielt dicht und trocknet gerade in unserem Wohnzimmer, denn gestern sind wir dann rechtzeitig zum nächsten 05-Spiel wieder im goldischen Meenz angekommen.

Argentinien 2011

Nachdem die Mainzer in Kaiserslautern das erste Mal seit April mit mir auswärts verloren haben, war es an der Zeit, dass die 05er mal wieder ohne mich auf fremden Platz antreten sollten, um Punkte zu holen. Wärend die rot-weißen Jungs Unentschieden in Nürnberg spielten, verschlug es uns in ein anderes fußballverrücktes Land, das wir alle noch von der WM im letzten Jahr kennen. Als Deutscher wird man nach der grandiosen Niederlage gegen „Alemania“ in Argentinien aber immer noch sehr freundlich begrüßt.

Ebenfalls 2010 waren wir ja hier schon einmal unterwegs, aber Argentinien ist so groß und vielfältig, dass einem dort die Ziele so schnell nicht ausgehen. Letztes Jahr Berge, Seen und Vulkane, dieses Mal Sümpfe, Flüsse und Wasserfälle, denn es ging nach Nordost-Argentinien. Trotz des guten Busnetzes ist es in Argentinien von Vorteil seinen eigenen fahrbaren Untersatz zu haben und so gönnten wir uns den Luxus, mit einem VW Gol unterwegs zu sein. Wenn wir diese Tour pannenfrei überstehen sollten, dann empfinde ich vielleicht endlich auch mal ein ganz kleines Stückchen Sympathie für den Retortenverein aus Wolfsburg – aber erstmal losfahren und abwarten.

Unser VW Gol in der argentinischen Pampa
Unser VW Gol in der argentinischen Pampa

Die Mietwagenübergabe am Flughafen war bereits sehr bizarr. Nach einer eher strapaziösen Einreiseprozedur, die us-amerikanische Verhältnissen entsprach, standen wir in der kleinen Emfpangshalle des Flughafens Buenos Aires Ezeiza und sahen die Mietwagenschalter von Hertz, Alamo und einen lokalen Anbieter. Wo war eigentlich unser Europcar-Schalter? Nun gut, dafür druckt man ja seine Reservierung aus und liest diese dann endlich auch mal durch! „Meet and Greet Information Desk“ stand da geschrieben. In wahrer Voraussicht, was die lange Einreiseprozedur anbetrifft, haben wir die Abholzeit auf 3 Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit fixiert – auch um einen Mietwagentag vor dem Rückflug zu sparen. Dumm nur, dass der Flieger pünktlich war und wir nun noch 90 Minuten bis zum Meet & Greet hatten. Insgeheim hatten wir darauf spekuliert, die Kiste früher abzuholen. Dass wir nun auf einen Abholer warten mussten, durchkreuzte unseren Plan ein wenig. Aber zum Glück stand ja eine Telefonnummer auf der Reservierung und mit meinen rudimentären Spanisch-Kenntnissen konnte ich mich verständlich machen, dass wir bereits am Info-Schalter standen; denn in Argentinien spricht man „no mucho ingles“ auch bei Europcar nicht.

Aber in Argentinien funktioniert fast immer alles reibungslos und so kreuzte Gerardo wenige Minuten später am Info-Schalter mit einer Europcar-Klatte auf und führte uns in ein Hinterzimmer des Flughafens. Das Büro erinnerte eher an eine Flugdienstberatung, da dort unzählige Ordner mit Flugkarten und Airport-Infos über Uruguay lagerten. An ein Mietwagen-Büro erinnerte rein gar nichts. Dort sollten wir zwischen VW und FIAT wählen – nun gut Ihr wisst, wie wir gewählt haben denn steht FIAT nicht für „Feher in allen Teilen“ und auf Bunga-Bunga-Kisten aus dem Materazi-Land hatten wir keine Lust. Dann lieber den VfL Wolfsburg unterstüzten!

Unser VW-Model „Gol“ zu Deutsch „Tor“ passt somit zu Südamerika wie die Faust aufs Auge. Es handelt sich um eine Kreuzung aus „Golf“ und „Polo“. Gewöhnungsbedürftig waren die nicht vorhandene Zentralverriegelung und die manuellen Fensterheber. Dafür gab’s Klimaanlage und das Ding war höhergelegt – keine dumme Maßnahme, wie sich im Laufe der Reise rausstellen sollte.

Der höhergelegte VW meisterte alle Pisten
Der höhergelegte VW meisterte alle Pisten

Einmal „on the road“ stellten wir uns der Herausforderung vom Flughafen, der im Süd-Osten von Buenos Aires liegt, nach Nord-Westen uns durch die Tango-Metropole zu schlängeln. Auf der Karte sah alles ganz einfach aus…einfach auf der Autobahn bleiben…oder halt ein Navi haben. Aber die 60 € für eine Tomtom-Argentinien-Karte fanden wir etwas übertrieben, schließlich gibt es ja auch Straßenschilder. Doch diese verrieten immer nur die nächsten Ausfahrten oder den Weg ins Zentrum. Auch in Frankreich führen alle Wege nach Paris, nur dort gibt es eine Ringautobahn und Schilder, die in die Provinz weisen. Hier endet alles in „La Capital“, so auch die Autobahn. Statt Fernverkehrsziele zu nennen, steht auf den Schildern lieber der Name der Autobahn. Diese tragen meist Namen von irgendwelchen argentinischen Helden oder so eindeutige Begriffe wie „Autopista del Sol“ – Sonnenautobahn – und das bei wolkenverhangenem Himmel auch kein wirklicher Hinweis, wo es hingeht. So kam es wie es kommen musste und wir endeten auf einem der riesigen Boulevards der Hauptstadt, der die Champs Elysees oder die 5th Av. als kleine Feldwege einem vorkommen lässt. Der Boulevard des 9. Juli hatte in unserer Richtung mindestens 7 Spuren, weiter kam ich nicht mit dem Zählen, da die Ampel wieder auf grün sprang. Aber was zählen hier schon Spuren – hier wurde mit dem Auto so gefahren, wie ich in Vietnam mit dem Rad unterwegs war: nach vorne gucken – was stört mich der Verkehr hinter mir. So wurde links und rechts überholt, die Spuren ignoriert, auch weil die Fahrbahnmarkierung manches Mal verschwand und somit noch enger nebeneinander her gerollt werden konnte. Dank meines einigermaßen ausgeprägten Orientierungssinns und der Tatsache, dass Buenos Aires ans Meer grenzt und somit nur 3 Richtungen zum Weiterkommen existieren, fanden wir dann irgendwann den richtigen Autobahnnamen und auch dieselbige Fahrstraße, die uns aus der 12 Millionen Metropole herausführte.

Landschaft in Nord-Ost-Argentinien
Landschaft in Nord-Ost-Argentinien

Einmal draußen, nahm der Verkehr mit jedem zurückgelegten Kilometer mehr ab, so dass wir uns bald die Straße fast nur noch mit unzähligen LKWs teilen mussten. Unser erstes Ziel der Reise, die Kleinstadt Colón am Rio Uruguay gelegen, war 345 km entfernt und wir kalkulierten eigentlich mit einem 80er km/h-Schnitt. Doch die Auotbahn, die auf der Karte eigentlich über 150 km früher hätte aufhören müssen, führte noch viel weiter nach Norden und somit waren 120 km/h erlaubt und durchaus auch fahrbar. Was für eine angenehme Überraschung! Laut Goolge-Maps befanden wir uns auf einer gebührenpflichtigen Straße, was durchaus stimmte, denn alle 100 km mussten wir umgerechnet zwischen 0,30 und 0,50 € Maut zahlen…dem argentinischen Nummernschild sei Dank wurde uns immer der Preis für Einheimische berechnet!

Der Rio Uruguay in der Provinz Corrientes
Der Rio Uruguay in der Provinz Corrientes

In Colón angekommen, zahlte sich dann das höher gelegte Fahrgestell bereits erstmals aus. Wie fast alle lateinamerikanischen Städte ist der Ortskern in quadratischen Blöcken angelegt, der von Einbahnstraßen durchzogen wird. Vor jeder Kreuzung ging es ein zwei Meter relativ steil nach unten. Dann auf der Querstraße geht es ruckzuck wieder nach oben. Dieses Hindernis der Verkehrsplaner hat den Vorteil, dass man sich mit normalem Auto nur mit 20 km/h durch die Gegend traut, möchte man nicht ständig aufsetzen. Wir konnten somit ein wenig schneller vorankommen, doch da auch Rechts vor Links zumindest auf den Nebenstraßen angesagt war, brachte dies auch nicht viel ein. Aber der Weg war ja für uns eh das Ziel, so dass das langsame Dahintuckern durch das Städtchen zum Fremdenverkehrsamt sehr angenehm war. Argentinien ist für mich eines der wenigen Länder, in denen es sich tatsächlich lohnt, die Touri-Infos aufzusuchen. In praktisch jeder Ansiedlung gibt es so ein Büro, das tatsächlich auch fast den ganzen Tag geöffnet ist, Fragen nach Übernachtungen und Sehenswürdigkeiten beantworten kann und eine praktische Übersichtskarte gratis uns mit auf den Weg gibt. Dazu sind die Angestellten meist hoch erfreut, dass sich Gäste aus Alemania auf den weiten Weg in ihre Stadt gemacht haben und so haben Sie immer große Freude uns Fremden weiterzuhelfen.

Dieses Mal erhielten wir den Tipp, dass von den unzähligen Campingplätzen, die um die Stadt verteilt sind, nur ein einziger zurzeit offen hat – es ist schließlich gerade erst Frühling geworden. Für umgerechnet 5 € pro Nase konnten wir unser Zelt im weiten Grün aufstellen. Ein paar Angler waren ebenfalls am Zelten, ansonsten war es recht ruhig auf dem Platz, bis morgens um 6 uns auf einmal ein Donnergrollen weckte. Mit Gewitter am Morgen hatten wir nicht unbedingt gerechnet. Aber es fing nicht an zu regnen und so entschieden wir uns, noch eine Nacht zu bleiben und die Umgegbung sowie die Stadt näher kennenzulernen. Kaum hatten wir uns entschieden, fing es dann natürlich an zu kübeln und wir waren plötzlich auf das herrliche September-Wetter in Deutschland sehr neidisch! Es blieb zunächst beim Gewitterschauer und mit Regenschirm bewaffnet begannen wir dem Flusslauf zu folgen. Der Himmel war weiterhin ein großes Grau aber der Regen hatte aufgehört. Ca. 3 km außerhalb des Kaffs gab es plötzlich ein extrem lautes Donnergrollen und ein Blitz schoss wie aus dem Nichts durch den Himmel. Erstmal schmissen wir uns auf den Boden und warteten ab. Aber außer einsetzendem Regen passierte nichts weiter, so dass wir die Beine in die Hände nahmen und ins Kaff zurück joggten. Nun hatte das Gewitter so richtig Spaß am Donnern und Blitzen bekommen – perfekt abgestimmt auf den nun herunterprasselnden Dauerregen.

Gut, dass Colón auch für diese Umstände eine nette Alternative bietet und so ging es für uns den Nachmittag über in die heißen Quellen zum Chillen. Dort traf sich jung und alt und lungerte im Becken herum. Oder man ruhte mit einer Thermoskanne bewaffnet auf einer Bank und trank den omnipräsenten Mate-Tee. Dieser wird mit einer speziellen Tasse und metallenem Strohhalm konsumiert. In der Folgezeit konnten man Argentinier überall mit den Kannen und Tassen entdecken. Und natürlich gibt es an der Tankstelle einen Heißwasser-Automaten, bei dem man eine Liter-Kanne mit heißem Wasser gegen einen Münzeinwurf betanken kann. Die Trinker erinnernt dabei eher an Opium-Konsumenten mit seiner Pfeife. Interessant auch die Tatsache, dass man diesen Tee praktisch nie auf der Karte des Restaurants angeboten bekommt – wahrscheinlich weil sowieso jeder nicht ohne seine Kanne das Haus verlässt.

Zurück auf dem Campingplatz war Umziehen angesagt, da wir unmöglich bei Dauerdonner auf der Wiese hätten schlafen können. Der Campingplatzbesitzer verstand unsere Lage und bot uns einen überdachten Platz an den Geschirr- und Wäschewasch-Becken an. Das war tatsächlich der perfekte Ort zum schlafen: trocken, überdacht und nur 3 m zum WC! Am späten Abend war dann auch der Spuk mit dem Gewitter zu Ende und wir konnten eine geruhsame Nacht verbringen.

Ein etwas ungewöhnlicher Zeltplatz
Ein etwas ungewöhnlicher Zeltplatz

Am nächsten Tag ging es weiter nach Norden. Das Autofahren an sich bereitet außerhalb von Buenos Aires keine großen Schwierigkeiten. Allerdings sind die Geschwindigkeitsbegrenzungen manches Mal arg übertrieben. Da wird ruckzuck mal ein 20 km/h Schild hingestellt – ohne richtig ersichtlichen Grund. Natürlich wird dieses von den Einheimischen gnadenlos ignoriert und auch mir blieb dann meist keine andere Wahl als mit „Augen zu und durch“ Taktik weiterzurollen. Denn wer hat schon Lust an seinem Kofferraum einen 40-Tonner kleben zu haben und eine riesige Blechkarawane hinter sich her zu ziehen. In Deutschland mit seinem Schilderwald weiß man eigentlich immer, wieviel man fahren darf, da auch Geschwindigkeitsbeschränkungen wieder aufgehoben werden. In Argentinien gibt es immer nur Beschränkungsschilder, deren Reichweite dem Autofahrer selbst überlassen bleibt. Dummerweise gibt es aber auch immer wieder mal Radarkontrollen – diese werden aber großflächig vorher angezeigt. Überhaupt scheint die Verkehrsplaner das eine oder andere Mal ihr Gewissen zu plagen, denn oftmals wird vor einer Beschränkung auf überdimensionierten Schildern lang und breit oft auf 4 bis 6 Zeilen erklärt, warum jetzt die Geschwindigkeit gedrosselt werden muss. Will man den Inhalt dieser Kurzgeschichten komplett aufnehmen, bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als zu wenden und nochmals am Schild vorbeizudüsen und den Rest des Schilds zu lesen.

Oftmals gibt es in Argentinien auch routinemäßige Polizeikontrollen. Andererseits ist man als Novize auf argentinischen Straßen nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der Straßenverkehrsgesetze. So muss neben einem Warndreieck und einer Warnweste auch ein Feuerlöscher mit an Bord sein. Und das Abblendlicht muss wie etwa in Skandinavien dauerhaft auch am Tag eingeschaltet sein. Diese Regelung hatte ich so halbwegs adaptiert nur ausgerechnet nach einem Tankstopp hatte ich das Licht nicht eingeschaltet. Prompt gerieten wir in eine Polizeikontrolle und wurden herausgewunken. Der Polizist war freundlich aber bestimmt und machte mich auf das nicht eingeschaltete Licht aufmerksam. Er ging davon aus, dass dieses gar nicht funktionierte. Auf die Idee, dass ich es einfach vergessen hatte, einzuschalten kam er nicht und ich wollte so schnell wie möglich weg von hier – und für eine Diskussion mit einem Polizisten reichten meine Spanischkenntnisse auch nicht aus. So musste ich mitkommen, den Fahrzeugschein und Führerschein vorlegen. Alles wurde auf einer Quittung notiert und schließlich hatte ich eine Strafe von 408,36 Argentinischen Pesos zu berappen – das entspricht ca. 75 €! Immerhin erhielt ich einen Rabatt von 25 %, da ich einsichtig war und ich nicht den Verkehr mit meiner Zuwiderhandlung gefährdete – wenigstens etwas…

Mittlerweile haben wir über 1.000 weitere Kilometer ohne zusätzlichen Strafen absolviert und sind an den Iguazú-Wasserfällen angekommen. Was wir auf dem Weg dorthin und vor Ort erleben, erzähle ich dann im nächsten Kapitel.

Argentinien 2010

Nach dem langen Winter in diesem Jahr und dem vor einem dreiviertel Jahr nie im Leben für möglich gehaltenen vorzeitigen Klassenerhalt der 05er stand für uns fest, dass es schnellstmöglich und unverzüglich uns mal wieder in exotische Gefilde ziehen musste! Komischerweise lief alles auf Südamerika hinaus und die Wahl fiel schließlich kurz nach Fastnacht auf Chile. Sobald wir allerdings ein Reiseziel ins Auge fassen bzw. dorthin aufbrechen, geschehen dort in schauerlicher Regelmäßigkeit merkwürdige Dinge: Stunden vor der Ankunft in Delhi 2008 explodierten dort ein paar Bomben, nachdem wir uns in den Norden des Subkontinents bequemt hatten, gab es damals die heftigsten Regenfälle seit 1946 und auch unser Spiekeroog-Camping-Aufenthalt 2009 war von extravaganten Naturphänomenen geprägt: Es donnerte und blitzte letzten Sommer auf der Nordseeinsel öfters früh morgendlich um unser Zelt herum, so dass uns Angst und Bange wurde. Kaum war also Chile ausgewählt rappelte dieses Mal die Erde und Chile war für uns passé. Vielmehr stand nun Argentinien auf unserer Agenda, zumal Maradonnas Fußballtruppe gerade im Testspiel 1:0 gegen Deutschland gewonnen hatte und somit vielleicht mit der Wahl des Reiseziels „Rache“ für diese Niederlage genommen werden könnte…

Unser Ziel in Argentinien: die Seenplatte in den Anden
Unser Ziel in Argentinien: die Seenplatte in den Anden

Bei vielen Argentinien-Experten stieß unsere Wahl auf Unverständnis, denn an der Seenplatte am Ostrand der Anden, rund 1.200 km südwestlich von Buenos Aires gelegen, sah es angeblich aus, wie bei uns: Wälder, Berge, Seen. Zugegebenermaßen kannte ich den westlichen Teil der Anden, der zu Chile gehört, von einer früheren Reise und konnte diese Vergleiche nicht vollkommen entkräften – wir hatten gleichzeitig allerdings trotzdem die große Neugierde, diesen Teil der Erde mal kennen zu lernen und sei’s drum, wenn es denn dann halt auch aussieht wie bei uns.
Ein Argument, was natürlich gegen eine solche Aktion à la „Sieht es da wirklich aus, wie bei uns?“ spricht, ist die Anreise und natürlich die Abreise, von der später noch zu berichten ist. Die Marathon-Anfahrt von Frankfurt via Paris nach Buenos Aires Ezeiza Flughafen, Bustransfer zum Aeroparque Flughafen in der Stadt und der Weiterflug nach Bariloche war schon etwas anstrengend – aber wenigstens blieb beim letzten Flug über die weiten Flächen der Pampa und der sich daran anschließenden Halbwüste im Schatten des Andenbogens nicht der Eindruck, man würde gerade von Frankfurt nach Berlin düsen: Canyon-artige braunfarbige Schluchten bis zum Horizont prägten das Bild bis ca. 3 Minuten vor der Landung als Nadelwälder und Felsmassive samt Schneeresten zum Vorschein kamen. Der erste Eindruck nach der Landung in Bariloche war eher der, nach Alaska gebeamt worden zu sein. Gelbe Mittelstreifen, gelbe Verkehrsschilder und breite Amischlitten aus den 1960ern und eine große Weite prägten das Bild – Rheinhessen, flurbereinigt, sieht da dann doch anders aus.

Ankunft mit LAN Argentinia in Bariloche

Ankunft mit LAN Argentinia in Bariloche

Gut, in Bariloche angekommen, erinnerten die Hotelnamen „Edelweis“ oder „Tirol“ dann doch ein wenig an unsere Alpenanrainer – aber die Country-Musik aus den Cafés und Kneipen und die donnernden Motoren, der röhrenden Acht- und Zwölfzylinder aus den Zeiten von JFK lassen Heidi-Gefühle doch nicht aufkommen – zumal die Verständigung natürlich auf Spanisch und nicht auf Schyzerdütsch oder Österreichisch abläuft und mit Englisch würde es wohl weniger „más“ denn „menos“ klappen. Beim Essen könnte es einem heimelig werden, wenn man auf der Speisekarte „Puree“ oder auch mal Fondue findet. Meist wird die Karte allerdings von drei Sachen geprägt: Steak, Milanesa (Schnitzel) und Nudelgerichten.  Viele Argentinier haben italienische Vorfahren und somit ist es wenig verwunderlich Pasta zu bekommen, dass es diese allerdings in allen besuchten Restaurants gibt, hat mich widerum überrascht. Und die Qualität überraschte noch mehr! Gut, uns asienverwöhnte Reisende, hat das Preisniveau natürlich besonders beim Essen gehen etwas geschockt – aber außerhalb von Indien oder Thailand ist es nun mal so, dass man für einen Euro kein Menu erhält – von daher gab es zu vernünftigen Preisen hier beste Essensqualität, so dass ich Argentinien gerade innerhalb Südamerikas zu den Essensparadiesen zählen würde. Die Teigwaren werden wohl durchgängig selbst gemacht und oft kann man diese „nackt“ bestellen und die Sauce separat dazu. Das hat für Vegetarier natürlich den Vorteil, Fleischsaucen einfach zu umgehen. Extravagante Nudelkreationen peppten die Karte immer wieder auf: Ravioli gefülllt mit Forelle oder Kürbis hat schon wirklich was! Manches Mal wurde die italienische Küche dann noch mit der spanischen kombiniert, in dem es zum Beispiel Tortilla als Vorspeise gab. Salate machen Vegetariern das Leben im Land leichter, die sonstigen eher fettigen vegetarischen Produkte wie Bratkartoffeln und Empanadas (Teigtaschen) oder Käsestücke zu umgehen.

Weinparadies Argentinien: Supermarkt in Bariloche
Weinparadies Argentinien: Supermarkt in Bariloche

Im Gebiet der Anden ist das Angeln äußerst populär und so gab es oftmals auch Forellenfilets zum Probieren. Hatte man dann die oft langen Speisekarten durchforstet wurde es kompliziert, denn nun ging es ans Wein aussuchen und die Weinkarte war in der Regel noch länger. Um es kurz zu machen: mit der Malbec- Traube kann man nichts falsch machen, wenn man trockenen Roten zu sehr fairen Preisen liebt. Angenehm war auch die Tatsache kleine Flaschen à 375 ml bestellen zu können, denn nicht jeder (Tourist) ist so trinkfest, als dass man zu zweit eine ganze Flasche kippen könnte. Der Nachtisch kommt oftmals etwas kompakt daher, wenn man sich für „dulce y queso“ (Süßes und Käse) entscheidet: eine streichholzschachteldicke Käsescheibe mit einer Scheibe etwas angedickter Marmelade liegt gerade abends bleiern im Magen, aber so ist’s halt. Schließlich fällt das Frühstück dann wieder sehr dürftig aus: Medialunas (deutsch Halbmonde bzw. Mini-Croissants) mit viel Café con Leche (Kaffee mit heißer Milch) ist der Klassiker und wird eigentlich automatisch bei jeder Übernachtung gratis dazu angeboten. Das Nationalgetränk Mate (-Tee) findet sich hingegen kaum auf einer Karte, dafür aber zuhauf bei allen Argentiniern in allen Lagen: beim Bus fahren, beim Schwätzchen halten, beim Stehen, beim Sitzen – einfach immer und überall.

Wandern in Villa Traful
Wandern in Villa Traful

Wir haben allerdings nicht nur gut gegessen, getrunken und die Hotels getestet, sondern sind täglich in den drei Nationalparks im Gebiet von Bariloche und San Martín de los Andes gewandert oder Rad gefahren. Dies ist für die Reisenden sehr erholsam zum Reisebericht schreiben allerdings eher dürftiger Stoff – denn zu erzählen, dass man durch eine wunderschöne Seenlandschaft gepaart mit ein paar teilweise schneebedeckten Dreitausendern und einem alles dominierenden Vulkan Lanín gelaufen ist, beeindruckt den Leser nicht wirklich. Daher nahm ich nach mehreren Tagen an, dass dieser Bericht sehr kurz und knapp ausfallen wird – was ja gar nicht so mein Ding normalerweise ist.

Volcán Lanín - Junín de los Andes
Volcán Lanín – Junín de los Andes

Da wir in einem relativ kleinen Gebiet von zirka 300 km vom Ausgangspunkt Bariloche bis zum Endpunkt Junín de los Andes unterwegs waren, konnte ich noch nicht einmal viel über den öffentlichen Nahverkehr erzählen, allerdings wussten wir, dass am Ende der Reise noch eine 300 km Busfahrt in sechs Stunden in die Provinzhauptstadt Neuquén anstand. So lagen die Hoffnungen am Ende darauf, etwas berichtenswertes zu finden. Doch diese Fahrt verlief auch recht unspektakulär in einem Doppelstockbus durch die Weiten des Vorandenlandes auf ca. 1.000 m Höhe. Der Bus war wie in Südamerika üblich Tage vorab bereits buchbar, wir konnten uns die Plätze wie beim Fliegen anhand eines Sitzplans aussuchen und die relative Pünktlichkeit des Busses erinnerte mehr oder weniger wirklich ein wenig an unsere Deutsche Bahn. In Neuquén steuerte der Bus zunächst den Flughafen an, was für uns natürlich praktisch war, wollten wir doch Stunden später in ca. 90 Minuten Flugzeit nach Buenos Aires zurück fliegen. Es war Ostermontag, der in Argentinien kein Feiertag ist, und daher nahmen wir an, das mit dem Fliegen sei kein großes Problem, doch die Flüge waren voll. Also ging es mit dem Taxi unter Benutzung des Meters zur Busstation, um einen Nachtbus nach Buenos Aires zu buchen. Dies dachten sich allerdings vor uns schon genug andere, so dass wir fast in Neuquén hätten versauern müssen – die teuerste Version des Busfahrens war allerdings noch genau für zwei Plätze buchbar: die super-duber-Bett-mit-Privatsphäre-Klasse für knapp 55 Euro für 1.200 km. Dieses Luxusreisen waren wir überhaupt noch nicht gewohnt, wenn man bedenkt,  dass wir in vielen anderen Ländern meist eingepfercht wie in einer Sardinenbüchse auf Tour gegangen sind. Also rein in den Luxus, man gönnt sich ja sonst nix!

Panorama-Busfahrt durch Argentinien
Panorama-Busfahrt durch Argentinien

Kurz nach der Abfahrt wurden Tabletts gereicht, die ergonomisch den Beinen angepasst waren. Einem kalten Abendessen zu dem sogar Wein kredenzt wurde, folgte ein heißes Abendessen, das wir aber im Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde – es ging auf Mitternacht zu – nicht einnahmen. Der Sitz wurde ruckzuck in ein Bett verwandelt und selbst meine 193 Zentimeter lagen komplett in der entspannten Horizontale. Argentinien Du Luxus-Land! Der guten Straßen sei dank düsten wir entspannt der „Capital Federal“ besser bekannt unter Buenos Aires entgegen. Im Morgengrauen hatte ich auf einmal den Gestank von Zigarettenqualm in der Nase. Nein, es wurde nicht im Bus geraucht – sondern draußen. Komisch, sollte der Bus doch nahezu nonstop in die Hauptstadt düsen. Plötzlich erstarb auch noch das Surren des Motors, was mich dann doch etwas nervös machte. Diese Ruhe war nicht normal und unser Zeitplan, mit vier Stunden zwischen der angeblichen planmäßigen Ankunft, die sogar auf der Fahrkarte angegeben war und unserem Abflug gen Europa, durchkreuzt. Ein guter Indikator, ob etwas normal ist oder nicht, stellen allerdings immer die Einheimischen dar – doch diese schlummerten noch und von diesen gab es in diesem Bus gerade im unteren Hoch-Luxus-Trakt gerade mal noch vier andere…also warten.

Luxus-Bus mit Problem: Motorschaden
Luxus-Bus mit Problem: Motorschaden

Langsam aber sicher bemerkten auch die anderen, dass wir wohl ein Problem hatten. Und so schlürften die ersten nach draußen in die so genannte Pampa: am Kilometerstein 598 – also knapp 600 km vor unserem Ziel – hatte der Bus es vorgezogen den Geist aufzugeben genau vor der Fleischfabrik „Carnes Pampeanas“. In der Pampa gestrandet zu sein – fast schon zu klischeehaft um wahr zu sein. So konnten wir zunächst einmal den ersten Sonnenaufgang der Reise erleben – bisher hatten wir es immer geschafft diesen zu verschlafen, da Folterfrühabfahrten nicht auf unserem Programm standen und der Glutball bereits um 7.30 Uhr am nahezu immer blauen Himmel umherturnte. Während an Bord eines Flugzeuges dauernd Ansagen gemacht werden, auch die Deutsche Bahn, erzählt ja von Zeit zu Zeit von „Störungen im Betriebsablauf“, machte keiner der beiden Fahrer irgendwelche Anstalten dem lieben Luxusvolk mal in seiner Gänze etwas zu erzählen. Gut die Sachlage war klar, die Klappe zum Motor geöffnet – warum sollte da noch jemand anderes dieselbige zur Erklärung öffnen? Ich sah nur, dass einer von beiden mit einem Keilriemen durch die Pampa lief – einer Domina mit Peitsche ähnlich…und den Gesprächen entnahm ich, dass auf die Mechaniker gewartet wird. Wenigstens hatten wir Handy-Empfang, was in Argentinien abseits der Orte gar nicht selbstverständlich ist. Bei einer Größe von den Ausmaßen Indiens und nur halb so vielen Einwohnern wie Deutschland ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich. So konnte wenigstens die Mechaniker verständigt werden und diese kamen nun auch so ca. nach drei Stunden mit einem Ford Pick-Up, Baujahr um den ersten deutschen Fußballweltmeistertitel 1954 rum.

Ein Ford rettet einen Mercedes: der Pick-up der Mechaniker
Ein Ford rettet einen Mercedes: der Pick-up der Mechaniker

Der Meister noch wesentlich älter als sein Gefährt mit dicker Robert Lemke Hornbrille und sein Geselle mit hoch Fistelstimme machten sich gemächlich an die Arbeit. Auf der Ladefläche befanden sich die unterschiedlichen Schraubenschlüssel und oft linste der Alte durch seine glasbausteingroßen Gläser auf die Schrauben und dozierte bzw. dirigierte wie ein Arzt am OP-Tisch den Gesellen, der ihm daraufhin die richtigen Schlüssel reichte. Die Passagiere lugten über die Schulter des Mechanikers hinweg und schauten ihm bei der Arbeit zu. Uns bewegte die Kälte dazu, erst einmal dutzende von Runden um den Parkplatz der Fleischfabrik zu drehen, damit uns etwas warm wurde, denn noch war es in La Pampa bitterkalt.
Nachdem die ersten Sonnestrahlen uns wärmten, regte sich auch der Magen und wir bekamen so langsam Hunger. Unsere Bettplätze lagen direkt neben der Bordküche – aber irgendwie hatten wohl andere schon früher Hunger gehabt, denn die Frühstücke waren bereits verspeist. Glücklicherweise hatten wir wenigsten noch ein paar Futterutensilien bei uns und auch eine große Flasche Wasser. Denn wir wussten ja nicht wo wir waren – 598 km vor der Buenos Aires kann alles heißen. Ein Kaff war nicht zu sehen und der Fabrikverkauf der Fleischfabrik machte um 9.00 Uhr auf, aber die Auslagen sahen eher so aus, wie im Ostblock Ende der 1980er Jahre – leeres weißes Regel angelehnt an weiß getünchte Wand.
Argentinier sind anscheinend geduldig, denn es regte sich niemand auf…noch nicht. Einer der Fahrer orderte ein Taxi und fuhr davon, angeblich Essen besorgen. Der andere Fahrer machte sich mit dem Gesellen in Richtung Fabrik mit dem ausgebauten Motorteil davon. Der Bus war herrenlos und die Argentinier irgendwann ziemlich hemmungslos, denn plötzlich wurde die Küche geplündert. Waren wir anfangs alle noch sehr zurückhaltend und haben uns einfach mal einen ultrasüßen Kaffee gezapft, standen mit der Zeit unsere Mitreisenden eher auf Bier, Schnaps und Saft, das es alles in Hülle und Fülle gab. Stank die Küche bald wie eine Bar auf der Reeperbahn morgens um fünf, roch das Bord-WC bald Indian-style nach Kloake. Glücklicherweise schloss die Tür recht dicht und so blieb der Gestank dort wo er hingehörte.

Nach weiteren zwei Stunden kam der Fahrer tatsächlich mit Essenstabletts zurück. Diese sahen so aus, wie die Dinger, die man mittlerweile auf Europa-Flügen serviert bekommt: viel Verpackung und wenig Inhalt. Eine Medialuna und noch ein wenig Süßkram – aber wir wussten ja argentinisches Frühstück konvergiert gegen Null. Nur war es halt schon später Vormittag und die Aussicht auf ein Mittagessen war eher eine Fatahmorgana. Überhaupt wurde uns so langsam mulmig, denn den ersten Flug nach Europa hatten wir abgeschrieben, aber den Flug am Folgetag wollten wir ja schon doch mal bekommen – schließlich mussten wir auch mal wieder irgendwann in Mainz ankommen.

Es nah anfangs nicht gut aus - doch irgendwann ging es weiter!
Es nah anfangs nicht gut aus – doch irgendwann ging es weiter!

Der ältere Mechaniker war noch aus der Generation Offline und hatte in seinem Ford die Gelben Seiten von Santa Rosa La Pampa. Dort fand ich eine Telefonnummer einer Busgesellschaft und wenig später hatten wir die Info, dass es nachts um halb eins einen Bus nach Buenos Aires gäbe, der auch noch Platz hatte – also in genau 14 Stunden. Auf meine Frage hin, ob denn die Panne zu beheben sei, antwortete der Mechaniker, ja sicher – irgendwann!  Seinen Angaben zufolge sei die Busstation etwa vier Kilometer entfernt. So konnten wir schon mal den „Worst Case“ planen. Vier Kilometer laufen mit allem Gepäck – eine Stunde, Ticket buchen und etwas zusätzliche Zeit einplanen – eine Stunde. Also sollten wir spätestens um 22.30 Uhr, in zwölf Stunden entscheiden von hier abzuhauen.

Ein paar Spaziergänge um den Parkplatz herum später kamen dann auch der zweite Busfahrer und der Geselle mit dem Motorteil wieder. Das Puzzle in Form des einzusetzenden Teils in den riesigen Motor vervollständigte sich in den kommenden Stunden peu à peu. In der Zwischenzeit, dem Alkohol sei vielleicht Dank, hatte eine Reisende ein Beschwerdemanifest formuliert, dass sie jetzt jedem unter die Nase hielt und das jeder unterschreiben sollte unter Angabe der Pass- und Ticketnummer. Über vier bis fünf handgeschriebene Seiten warf dieses den Busfahrern und der Busgesellschaft grobes Fehlverhalten vor. In großem Kreis trug sie dies der Menge vor und es hatte irgendwie theatralische Züge – wäre die Situation nicht so anstrengend gewesen ich hätte jetzt gesagt „großes Kino!“.

Abschied von den Anden, La Pampa und Argentinien
Abschied von den Anden, La Pampa und Argentinien

Die Mechaniker und die Busfahrer ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, obwohl diese mittlerweile auch von einigen angegangen wurden, da natürlich der Alkohol Hunger machte. Beim ersten Versuch sprang tatsächlich der Bus wieder an, der Motor surrte und die Polizei kam. Unsere große Referentin rannte davon, den Uniformierten entgegen. In großem Geschrei wurde den Cops jetzt erklärt, was hier vor sich ging – dabei wollten wir, die große Mehrheit doch einfach nur mal wieder los fahren. Irgendwann mussten die Busfahrer dann auch Stellung beziehen und diese hetzten die Fahrwilligen nun gegen die Streikenden auf, da wohl im Raum stand, dass jetzt erstmal zur nächsten Wache gefahren werden musste, um alles zu Protokoll zu geben. Na ja, irgendwie war dann doch die große Mehrheit dafür jetzt mal, nach 9 Stunden „Rast“, weiter zu fahren. Später gab es auf Kosten der Busgesellschaft einen Imbiss und mit ca. 9 Stunden Verspätung erreichten wir spätabends Buenos Aires und am nächsten Tag auch unseren Flieger nach Europa.
Wir waren um ein paar Gramm wegen des „Hungerns“ leichter – dafür aber um eine bizarre Reisegeschichte reicher, die es dann doch wert war, Euch zu erzählen. Und wie bei uns kam uns dann diese Reise doch nicht so ganz vor!