Q wie quasi mitendrin in der Sommerpause

Die Sommerpause ist so lang wie nie in diesem Jahr. Und dann schon am 33. Spieltag den Ligaverbleib fix gemacht…gähn – das war nicht immer so bei Mainz 05. Man denke nur an 1997, Stichwort WOB bzw. Volkspark oder an 2002 bei Eisern Union oder an 2003 bei der doppelten Eintracht… Und genau da drum ging es gestern mitten in dieser ellenlangen Sommerpause. Gespickt mit Anekdoten erinnerten zwei Helden von 2004 an die Jubiläums-Saison, die genau vor 15 Jahren ihren Anfang nahm, mit dem bekannten Ende beim Spiel gegen die dritte Eintracht im Bunde, die aus Trier.

Bierbank statt Stehplatz - Sommerpause halt.
Bierbank statt Stehplatz – Sommerpause halt.


„Wo genau hab‘ ich was verpasst?“ – diese Entschuldigung gilt diesmal so gar nicht, nachdem sogar der Verein mit einer Push-Mitteilung am Freitag alle Nutzer der 05-App auf das Q-Block-Sommerfest hingewiesen hat. Zum ersten Mal luden die Fans des FSV zu einem selbst organisierten Sommerfest im Stadion am Europakreisel ein – nicht die in der Szene Aktiven, sondern alle, die Bock auf Nullfünf haben. So richtig Bock machte alleine schon das Ambiente hinter der Rheinhessentribüne mit Kleinfeld zum Kicken, Hüpfburg für die Kids, Speis‘ und Trank zu fairen Preisen und einer Ausstellung von Motto-Shirts, Stickern und Schals der aktiven Fans des FSV. Dazu wurden die mittlerweile immer weniger grauen Ecken und Felder des Stadions mit Bannern geschmückt und die Streetart, die mittlerweile viele Teile des Stadion so einzigartig macht, kam spätestens gegen 19.05 Uhr beim Licht der untergehenden Sonne so richtig zur Geltung.

Leider heute keine selbstverständlichen Aussagen.
Leider heute keine selbstverständlichen Aussagen.

Davor durften aber auch schon alle Zuhörer strahlen, als die Ex-Spieler Sandro, Tamás, Moderator und Ex-Capo Ludo und Matthias vom Fanprojekt, damals als Ultra mitten im Geschehen dabei, im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Jubiläums-Saison 2003/2004 Revue passieren ließen. Natürlich wurden im Laufe des Gesprächs auch solche „Unworte“ wie „Fürth“ und „Bielefeld“ thematisiert, aber am interessantesten war zu erfahren, wie die Jungs nach dem damaligen 0:0 in Regensburg über die Sache „Aufstieg“ dachten. Allgemeiner Tenor in der Mannschaft war, dass Mainz 05 nun endlich mal dran sei mit dem Aufsteigen, nach dem zweimaligen unglücklichen Scheitern 2002 und 2003, was es so in Fußballdeutschland voher und nachher in seiner Dramatik nie gab. Und deshalb war man sich so sicher, Trier zu bezwingen, Conor Casey mit einem Erstligavertrag auszustatten und endlich eine Woche am Theater feiern zu können…

Speis' und Trank zu fairen Preisen durften auch nicht fehlen.
Speis‘ und Trank zu fairen Preisen durften auch nicht fehlen.

Überhaupt Tamás Bódog: Für mich ja eigentlich der NiNo 2, was normalerweise Redseligkeit betrifft. Aber er befand sich für seine Begriffe fast schon im Monolog-Modus und es war einfach herrlich, den vier Jungs zuzuhören. Gleichzeitig nutze Sandro, wie neulich in der Länderspielpause, die Gunst der Stunde, alle einzuschwören:

Als Dankeschön erhielten Sandro und Tamás Q-Block-Fanutensilien überreicht.
Als Dankeschön erhielten Sandro und Tamás Q-Block-Fanutensilien überreicht.

Punkt 1: In Mainz funktioniert immer nur alles über das Kollektiv. Das war letzte Saison nach Hoffenheim an Fastnacht am Bobbes. Die Länderspielpause kam zur richtigen Zeit und, so ist es mittlerweile Tradition und Sitte in der goldenen Stadt am Rhein, es wurde wieder gemeinsam die Situation gerettet – sprich der Klassenerhalt gesichert…und das in Liga 1, was Mitte/Ende der Neunziger noch in Liga 2 unerkannte Emotionen hervor ruf. Und da wären wir bereits bei Punkt 2: Es gibt nur 18 Vereine in der Republik, die erste Liga spielen dürfen. In der nächsten Saison ist das weder in Hamburg noch in Köln der Fall, aber der FSV aus Mainz am Rhein ist zum 9.-mal in Folge mit dabei! Vielen ist leider nicht bewusst, wo wir herkommen. Erstligafußball ist in Mainz immer noch etwas außergewöhnliches und nicht der Standard! Das müssen wir uns alle immer mal wieder vor Augen halten.


Die grauen Wände hinter der Rheinhessen-Tribüne sind mittlerweile eine Minderheit.
Die grauen Wände hinter der Rheinhessen-Tribüne sind mittlerweile eine Minderheit.

Nichtsdestotrotz verändern sich die Rahmenbedingungen. Sandro und Tamás erzählten von eingen Nonstop-Reisen vom Auswärtsspiel direkt ins Europalace in Kastel. So etwas ist heute eigentlich undenkbar. Aber eigentlich undenkbar ist auch, dass der Trainer eines Erstligisten im Jahr 2018 bei einer Fanveranstaltung wie anno dazumal der Kloppo im Café am Ballplatz stundenlang am Tresen steht und mit den Leuten babbelt. Aber hier an diesem Nachmittag war nicht nur er, sondern auch Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats und der Direktion präsent und ansprechbar. Und wer bei diesen Leuten mal was loswerden wollte – die Situation war nie so günstig wie gestern Nachmittag. Die immer beschworene Fannähe hat sich gestern tatsächlich gezeigt und ist nicht einfach ein abgelutschter Marketing-Gag. Hier ziehen wirklich alle an einem Strang, der Verein mit Fanabteilung und Fanbeauftragten aber auch wir Fans. Sandro brennt auf die neue Saison und hat die, die gestern dabei waren, sicherlich gleich mal alle mitgenommen. Wie schon die Veranstaltung „Samstags halb vier, Fußball, Bratwurst, Bier“ wurde mit viel Liebe und Leidenschaft ein toller Rahmen für wunderbare Begegnungen gelegt, in der man sich mal mit vielen Leuten austauschen konnte. Ein großes Dankeschön an den Q-Block für diese gelungene Veranstaltung. Wiederholung in der nächsten Sommerpause sehr erwünscht! Und alle, die dieses Mal nicht dabei waren…es lohnt sich, Mainz 05 von mitten drin zu erleben…in der ellenlangen Sommerpause!

Ehrenmänner und so

Die Sommerpause ist da und mit ihr kommt zeitgleich die Transferperiode, die für Spielerberater das Schlaraffenland, für Manager das Zahlen jonglieren und für uns Fans die Mischung aus Freud und Leid bedeutet – letzteres gilt zumindest für diejenigen unter uns, die noch an Spielern hängen, sich über manchen Transfer freuen und sich über andere richtig ärgern. Dann wird in den sozialen Netzwerken so sicher wie das Amen in der Kirche der Begriff „Ehrenmann“ ins Kommentarfeld getippt. Der „Ehrenmann“-Faktor schlug in dieser Woche ganz krass aus, als Mainz 05 Philipp Mwene verpflichtet hat. Er kam vom 1. FCK ablösefrei, da sein Vertrag nicht für die 3. Liga galt. Auch Leon Balogun wechselte in dieser Woche seinen Verein, um seinen Traum, einmal in der Premier League aufzulaufen, zu realisieren. Sein Vertrag lief einfach so aus. Gleichzeitig werden teilweise Verträge ein Jahr vor Ablauf des Vertrages noch schnell mal, wie bei Julian Baumgartliner, verlängert – zu verbesserten Konditionen für die Spieler(berater) und ruckzuck ist der Spieler dann spätestens am Ende der nächsten Saison weg. Ferner gibt es Spieler, die noch ein Jahr Vertrag haben, und bei denen es heißt, die müssten jetzt schnell noch verkauft werden, damit man noch Geld machen kann. Dies wird interessanterweise oft von uns Fans gefordert. Und dann gibt es noch die Ausstiegsklauseln, wie bei Suat Serdar. Umgekehrt gibt es Spieler wie aktuell beim Effzeh und beim Ex-Dino, die ihre Verträge verlängern – trotz Abstieg in die zweite Liga. Bei letzteren wird das Wort „Ehrenmänner“ auch genutzt und da sind sich dann eigentlich alle einig, dass dieses Wort zurecht Verwendung findet – bei Vereinen, die es sich auch mal leisten können, Erstligagehälter in Liga 2 zu zahlen, (was den ideellen Wert der Verlängerung keinesfalls in Frage sondern nur relativieren soll).

Der Wechsel von Baumi nach einer Vertragsverlängerung nach Leverkusen wurde von vielen Fans kritisiert.
Der Wechsel von Baumi nach einer Vertragsverlängerung nach Leverkusen wurde von vielen Fans kritisiert.

Was bedeutet „Ehrenmann“ denn eigentlich? Für den Duden sind dies ehrenhafte Männer, auf deren Wort man sich verlassen kann. Als Synonyme werden Gentlemen, Herr, Kavalier genannt – drei Begriffe, die im Fußball dann doch eher wenig Verwendung finden, beziehen sie sich doch eher auf das Verhältnis Mann/Frau. Und von Ehrenfrauen liest man sehr wenig und der Duden gibt das Synonym Hofdame an. Alleine an den Synonymen und dem Verweis des Dudens auf den Gebrauch „veraltet“ (bei der Ehrenfrau), erkennt man, dass dieser Begriff im kommerziellen Fußball vielleicht einfach nicht seinen Platz hat. Um auf Philipp Mwene zurückzukommen: Er hat seinen Vertrag erfüllt, müsste also gemeinhin als Ehrenmann gelten. Gilt er bei vielen nicht, weil er von Lautern nach Mainz wechselte. Dabei hat er ja Wort gehalten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass in dem Vertrag nicht stand, dass er nach Ende des Vertrages nicht nach Mainz wechseln dürfe. Gleiches gilt für Leon, der seinen Vertrag erfüllt hatte. Und natürlich für Suat, der sich ja auch „nur“ an den Vertrag gehalten hat. Natürlich erhalten die Vereine bei diesen Transfers keine oder vergleichsweise wenig Kohle. Und wenn dann so richtig Kohle fließt, dann handeln wir da auch nicht wirklich stringent. Baumis Wechsel zu Leverkusen kam nicht wirklich gut an, Shinjis Wechsel zu Leicester hingegen wurde irgendwie als „verständlich“ abgetan und der Wechsel von Jhon zum Effzeh war als Meisterstück von Rouven gefeiert worden. Die meisten von uns kennen die Spieler doch gar nicht persönlich. Wir erhalten durch Vereine weichgespülte Verlautbarungen und auch Journalisten bekommen nur selten bis gar nicht mehr die Möglichkeit, die tatsächlichen Beweggründe für einen Wechsel zu recherchieren.

Bei Shinji wurde der Wechsel als "verständlich" bewertet.
Bei Shinji wurde der Wechsel als „verständlich“ bewertet.

Ich persönlich versuche die Transferperiode mittlerweile möglichst emotionslos zu verfolgen. Ich freue mich vielmehr über die Art des Abschieds von Spielern, mit der ich nicht gerechnet hätte, wie jüngst bei Leon, der teilweise sehr humoresk und wunderschön die gemeinsamen drei Jahre zusammengefasst hat und chronologisch einen tollen Bogen gespannt hat vom Auswärtssieg bei den Bayern, über die Feier des Klassenerhalts gegen die SGE hin zum ersten Auswärtssieg beim BVB. Und selbst der Wechsel vom Killermiffel 2006 zur launischen Diva vom Main, wird, zumindest bei mir, nach 12 Jahren mittlerweile nur noch mit einem Grummeln im Bauch abgearbeitet. Ich hoffe, dass man in Lautern (und in Mainz) irgendwann mal sagen kann, cool, dass der Philipp mal bei uns gespielt hat – wie z.B. auch der Loris.

Loris hilft Junior wieder auf - bleibt zu hoffen, dass die LFC-Fans Loris wieder aufgebaut haben.
Loris hilft Junior wieder auf – bleibt zu hoffen, dass die LFC-Fans Loris wieder aufgebaut haben.

Halten wir es doch daher lieber so, wie es die Fans des FC Liverpool gestern in Bezug auf Loris taten: Einen Spieler mit YNWA versuchen wieder aufzubauen. Diejenigen, die teilweise auch durch den Mantel der Satire, einen Menschen, der bereits psychisch am Boden liegt, verbal weiter runter putzen, handeln für mich ehrlos. Die Reaktion der Fans aus Liverpool hingegen war aller Ehren wert! Ehrenfrauen und -männer halt!






Umparken im Kopf

Könnt Ihr Euch noch an diesen Claim erinnern? Dieser stammt von dem Rüsselsheimer Autobauer, dessen Name am Stadion am Europakreisel prankt. Wieso kam es zu diesem Werbespruch? Das Unternehmen galt als bieder, muffig und unkreativ – und wollte weg von diesem Image. Visuell sollte Kloppo mithelfen, dass dieses Umdenken bei den Autokäufern tatsächlich stattfindet.

Die berühmte Klatschpappe fand ihren Einsatz...
Die berühmte Klatschpappe fand ihren Einsatz…

Ich weiß nicht, ob diese Werbekampagne tatsächlich von Erfolg gekrönt war, wenn ich heute in der einzig verbliebenen Mainzer Tageszeitung lese, dass die Verträge mit allen Vertragshändlern gekündigt und neu verhandelt werden. Doch die Idee, mal gewohnte Klischees zu überdenken, halte ich für sehr gut. Und da ist der eine oder andere Journalist herzlich eingeladen mitzumachen.

Man kann ja für Montagsspiele sein. Schließlich sind die Vereine Mainz 05 und SC Freiburg auch bei der entsprechenden Abstimmung dafür gewesen. Man kann den Protest gegen Montagsspiele schlecht finden. Schließlich gibt es einen entsprechenden Fernsehvertrag, der bis 2021 die aktuelle Regelung von fünf Spielen am Montag pro Saison vorsieht und daran wird sicher nicht gerüttelt. Man kann es kontraproduktiv finden, die eigene Mannschaft in so einem wichtigen Spiel nicht in der gewohnten Art und Weise verbal zu unterstützen. Schließlich unterstützten die Fans der restlichen 16 Vereine an diesem Spieltag von Freitag bis Sonntag ihre Teams trotzdem. Man kann das Pfeifen über 90 Minuten unerträglich, die Klatschpappen für unsäglich und das Werfen von Klorollen für kindisch halten. Gründe habe ich ja oben genannt.

Allerdings sollte man sich als Journalist auf jeden Fall und auch gerne als Kommentator-Troll in den sozialen Netzwerken noch ein paar weitere Gedanken machen, bevor man mit den Fingern auf der Maus ausrutscht oder seine Meinung per Videobotschaft in die Welt sendet.

Die Kritik für den Protest ziehen spätestes seit Dienstag Nachmittag einzig und alleine die Ultras (wahlweise nur aus Mainz oder aus Mainz und Freiburg) auf sich. Wenn man nun schaut, dass beim Einlaufen der Mannschaften fast 26.000 Zuschauer die schwarzen Klatschpappen „GEGEN MONTAGSSPIELE“ hochhielten, dann wird das Ultra-Bashing unglaubwürdig. Oder glauben die Kritiker wirklich, dass es Ultras gibt, die auf der Haupttribüne sitzen (!) und darüber wachen, dass die Pappen ja hochgehalten werden? 

genauso wie Klorollen...
genauso wie Klorollen…

Auf den Pappen stand übrigens auch nicht drauf, wer diese entworfen hat. Woher haben die Kritiker eigentlich die Information, dass das die Ultras waren? Die verhalten sich doch angeblich so konspirativ, dass da nichts nach außen dringt. Das übliche „aus gut unterrichteten Kreisen“ habe ich nirgends gelesen und dass Ultras nicht gerne mit Journalisten sprechen, ist mittlerweile selbsterklärend. Neben den Supporters gibt es seit ein paar Monaten die Fanabteilung bei Mainz 05, zwei Organe, die die Faninteressen der Ultras, aber auch aller anderen Fangruppen vertreten. 26.000 Klatschpappen, hunderte Klorollen, sehr viele Trillerpfeifen bringt eine Gruppe nicht einfach so ins Stadion. Das lässt den Schluss zu, dass diese Aktionen von offizieller Seite vorbereitet worden sind. Und die Pappen wurden von nahezu jedem Zuschauer zum Protest verwendet.

Und da sind wir dann beim Umparken im Kopf angekommen: Mittlerweile gibt es in Mainz eine aktive Fanszene, die sich aus weit mehr Köpfen speist, als aus der Ultraszene Mainz. Es gibt noch nicht einmal einen Dauerkonsens innerhalb der Szene. Einzelne Fangruppen positionieren sich regelmäßig zu aktuellen Themen teilweise auch mit kontroversen Ansichten. In der Fanszene gibt es kein Meinungsmonopol. Anders als in der Mainzer Medienlandschaft, wo mittlerweile im Print-Bereich ein Monopol existiert, und dieses auch genutzt wird, um Stimmung zu erzeugen – wohlgemerkt nach einem Sieg der Nullfünfer in einem „Sechs-Punkte-Spiel“. Aber das war ja letztes Jahr bei der Vorstandswahl schon die gleiche Leier. Aber zurück zum Spiel: Man kann bald zu dem Schluss kommen, dass hier klammheimlich einige auf eine Niederlage gehofft haben, garniert nach Möglichkeit mit viel Pyro – da hätte sich der im Kopf perfekt eingeparkte Text noch schneller abfassen lassen.

und Vuvuzelas
und Vuvuzelas

Aber bereits im gestrigen Zeitungsbericht besagter Tageszeitung, der nicht als Kommentar gekennzeichnet war, wurden die ersten verbalen Giftpfeile abgeschossen: Die Fehler im Spielaufbau wurde aber noch allgemein den „Fans“ angelastet. Wäre dieser Bericht als Kommentar abgefasst worden, in dem natürlich ein Journalist seine Meinung sagen kann, wäre die Chose nicht ganz so krass gewesen. Aber in einem Spielbericht, der doch eher ausgewogen sein sollte, so (ab)wertend über die Fans herzuziehen war bereits grenzwertig. Dass da zwei Mannschaften mit den gleichen Begleitumständen zu kämpfen hatten, wurde völlig ausgeblendet. Dass der Freiburger Torhüter womöglich wegen der Begleitumstände den Ball Levin in die Beine spielte…hat der Verfasser entweder nicht mitbekommen (weil er noch die Klorollen aufwickelte) oder bewusst weggelassen. Wohlgemerkt benutze ich das Wort „womöglich“, denn niemand kann den Grund kennen, warum Schwolow so ein Blackout hatte.

In dem Spielbericht wird der Protest als Störfeuer abqualifiziert. Dass solch ein Text genau ebendies im Verein erreichen kann, ist dem Autor anscheinend egal oder den Klickzahlen geschuldet und damit sogar gewünscht. Statt verbal abzurüsten, wurde am Dienstag Nachmittag die allgemeine Kritik an den Fans nun auf die Ultras fokussiert – Mittels Videobotschaft und einem Begleittext, der von Selbstinszenierung der Ultras spricht. Das verspricht wieder garantiert tolle Klickzahlen, denn mit so ein paar Stichworten wie „Ultra“, „Pyro“ etc. werden die Kommentartrolle wieder zum virtuellen Leben erweckt. Die Kritik an den Aktionen fällt unter die Meinungsfreiheit, aber aus fehlendem Willen zum Umparken im Kopf oder aus purer Lust am Klickzahlen nach oben treiben, eine Menschengruppe so an den medialen Pranger zu stellen geht gar nicht. Aber das ist halt auch unsere Scheinheiligkeit im Fußballgeschäft. Die Sportmedien leben vom an den Pranger stellen. Spieler werden nach jedem Spiel benotet – ein Unding sondergleichen. Sollte das nach dem Tod von Robert Enke nicht alles besser werden? Die Nullfünf Mixed Zone hat auch Spieler bewertet, aber bewusst auf Noten verzichtet. Viele Sportmedien lechzen aber nur danach, dem einen Spieler am einen Spieltag in den Himmel zu loben und am nächsten Spieltag eine „5“ oder „6“ zu attestieren. Und so wurde den „Ultras“ einfach mal eine „6“ mitgegeben und diese praktisch zum medialen Abschuss freigegeben.

A propos Spieler. Es wurden ausschließlich Spielerkommentare abgedruckt, die die Atmosphäre im Stadion beklagten. Ein Blick auf den Instagram Account von Leon zeigt nachkicks folgende Bildunterschrift: „Amazing support from the fans“. Der Spieler fand die Unterstützung phantastisch und gedruckt wird schön ausschließlich das Gegenteil. Mag ja sein, dass es viele Spieler nicht gut fanden, aber diesen Satz hätte Leon sicher nicht geschrieben, wenn er nicht auch dahinter stehen würde. Oder diktieren jetzt auch die Ultras, was Leon zu schreiben hat? Dass ein Spieler lieber mehrmals montags als in der zweiten Liga (wo er auch montags spielt) spielt, ist nachvollziehbar. Aber hier interviewt ein Profi-Journalist einen Fußballprofi. Beide hängen am Tropf der Bundesliga. Und vielleicht ist es dem einen oder anderen Journalisten sogar ganz Recht, montags statt samstags oder sonntags zu arbeiten. Nur für die, die der Profi-Fußball mal gemacht wurde, die Fans, die sind leider noch keine Profi-Fans, die mal schön das Wochenende vorglühen können, um dann am Montag Abend im Block steil zu gehen und den von manchem Journalisten geforderten Support abzuliefern, wie der Zeitungsbote morgens das frisch gedruckte Printmedium. Proteste sind ein Bestandteil unserer Demokratie wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Nur sollte man mit diesen immer verantwortungsvoll umgehen. Die Proteste richteten sich nicht gegen eine spezielle Gruppe von Menschen, sondern gegen Organe wie DFB oder DFL – die Kritik gegenüber den Protestierenden allerdings schon.

Den verursachten verbalen Scherbenhaufen durfte dann Wortpiratin Mara heute in ihrem Blogbeitrag zusammenkehren. Als gelernte Journalistin sollte sie vielleicht mal eine Schulung bei manchen Kollegen in Sachen Fankultur und Demokratieverständnis durchführen – so quasi als Frühjahrsinspektion, damit das Umparken im Kopf vielleicht doch noch gelingt.