Portugal 2013

Bom dia,

heißt „Guten Tag“ im Portugiesischen. Gerne würde ich auch auf Portugiesisch Euch ein frohes neues Jahr wünschen, doch leider lassen dies meine begrenzten Kenntnisse dieser schönen Sprache nicht zu. Gleichfalls wisst Ihr jetzt genau, wohin es uns die letzten Tage zog.

Bei der Reiseplanung sind uns natürlich mehrere Faktoren im deutschen Winter wichtig. Es soll schon ein wenig wärmer sein als bei uns, die Sonne sollte öfters erscheinen als am grauen Januar-Himmel zwischen Elbe und Isar und aufgrund der Kürze des Aufenthalts sollte die Reise nicht ans andere Ende der Welt führen. Natürlich sollte auch das Budget nicht unbedingt überstrapaziert werden, denn in vielen Ländern weltweit kam es zu massiven Preisanstiegen – auch weil der Euro im Vergleich zur jeweiligen Landeswährung an Wert verlor.

Also wieder Portugal, denn dort gefiel es uns bereits zur Jahreswende 2011/2012 sehr gut. Das Land liegt nicht weit weg von uns und die Sonne überwintert dort tatsächlich und sorgt wenigstens am Tag für wohlige Temperaturen knapp unter 20°C. Der Tourismus scheint dort allerdings sehr zyklisch zu verlaufen, denn es herrscht nach Weihnachten tiefste Nebensaison. Außer Rentnern von den britischen Inseln trifft man dort kaum andere Reisende an und der Geldbeutel wird tatsächlich sehr geschont – dem Euro sei Dank!

Denken wir an Portugal, denken manche vielleicht zum Glück noch an Cristiano Ronaldo oder Luiz Figo – die Nicht-Fußball-Fans allerdings eher an die Schuldenkrise. Dass Portugal wirklich in der Misere steckt, erkennt man eigentlich schon bei der Landung mitten in der Stadt. Der altertümliche Flughafen Portela platzt aus allen Nähten und zeigt dann doch den Unterschied zu Griechenland gleich auf: In Athen steht ein nagelneuer Flughafen und dort wurde die Notbremse, was Investitionen angeht, wohl zu spät gezogen, wenn sie überhaupt bereits gezogen wurde. Auch Portugal wollte einen neuen Airport bauen; „wollte“ ist hier wohl das wichtige Wort, das den Unterschied macht.

Allerdings trifft man auf der Fahrt durchs Land auf Projekte, die teilweise abgeschlossen sind, deren Sinn sich allerdings dem Durchreisenden nicht so ganz erschließen.Da gibt es vierspurige Straßen mit weit ausholenden Auf- und Abfahrten – aber keine Autos, die diese Straßen nutzen, obwohl diese gratis zu befahren sind. Die vormals genutzte zugegebenermaßen engere, aber schlaglochfreie Straße, wird ihrem Schicksal überlassen und dient als großer Bürgersteig. Leider trifft man auch immer wieder auf unfertige Projekte, deren Sinn sich gar nicht erschließt: Brücken ohne Zufahrten, verwaiste Brückenpfeiler und platt gewalzte Flächen für eine Autobahn (?) darben in der Landschaft dahin. Hier wurde wohl zu spät die Notbremse gezogen und man ahnt, warum das Land tatsächlich ein Problem hat und das heißt nicht „Verkehrsinfarkt“, wie zum Beispiel in vielen Ländern Asiens.

Das Reisen auf Portugals Straßen im Jahr 2013 erinnert mich fast schon an Reisen in Burma oder durch Afrika, wo es Minuten oder noch länger dauerte, ehe sich mal Gegenverkehr blicken ließ. Bei Benzinpreisen die denen in Deutschland entsprechen, kann es sich wahrscheinlich niemand mehr leisten, mal einfach so auf vier Rädern durch die Gegend zu düsen. Auf den Autobahnen, die nur gegen Gebühr zu nutzen sind, kommt man sich dann endgültig wie in der Autowerbung vor: kilometerlange vierspurig ausgebaute neue Fahrbahnen ohne jeglichen Mitbenutzer – bei 20 € für 250 km auch nicht wirklich ein Wunder. Wie sich die Kosten für diese Infrastrukturmaßnahmen je wieder einspielen lassen sollen, wage ich nicht zu beurteilen.

Außerdem schreckt dann noch die Art der Zahlung zahlungskräftigere Kunden wie uns von der Nutzung ab. Durften wir die Euros für die Nord-Süd-Trasse direkt vor Ort entrichten, wie dies auch z.B. in Frankreich üblich ist, wenn es Maut gibt, die nicht pauschal wie in der Schweiz erhoben wird, dachte man sich für die Querverbindung an der südlichen Algarve-Küste ein noch moderneres Modell aus, so wie es auf den deutschen Autobahnen für LKW vorgeschrieben ist. Dumm nur, dass viele Mietwagen gar keine Box zur Registrierung der gefahrenen Kilometer an Bord haben. So mussten wir die Maut im Postamt entrichten – allerdings nicht unmittelbar nach der Nutzung, sondern erst zwei Tage später und spätestens nach 7 Tagen, sonst begeht man eine Straftat bei Nichtzahlung! Goethes Satz „Reisen bildet“ gilt auch 2013 noch, denn so ein kompliziertes System kannte ich bisher noch nicht und es wird auch nirgends darauf hingewiesen, dass die Gebühren erst zwei Tage später der Post vorliegen. Bezahlung online? Im Offline-Land Portugal nicht möglich…

Trotzdem macht das Reisen in Portugal einen großen Spaß, gerade weil man schnell vom Fleck kommt und mit neuen Navigationsgeräten, auch sehr schnell direkt von A nach B dirigiert wird. Manche Navis sind sogar auf Feldwege programmiert, so dass wir ruckzuck von der vierspurigen jungfräulichen Schnellstraße auf eine unbefestigte Schlaglochpiste geleitet wurden, da wir die Option „ökonomischte Route“ zuvor eingegeben hatten. So wird das Reisen dann sogar noch zum kleinen Abenteuer und das in Europa.

Abgesehen von den Investitionsruinen am Fahrbahnrand oder auf der Fahrbahn finden sich kaum Anzeichen für ein nahezu bankrottes Land. Wohnhäuser scheinen nicht geräumt zu werden, wie dies in Spanien leider der Fall ist, auch die öffentliche Infrastruktur funktioniert – es fahren Busse und der Müll wird abgeholt – und die Armut ist kaum offen zu sehen. In Mainz gibt es mehr bettelnde Menschen als in allen in einer Woche bereisten portugiesischen Städten zusammen. Auch Ressentiments gegen Deutschland oder Deutsche sind überhaupt nicht zu finden – anders als die TV-Bilder beim Besuch von Kanzlerin Merkel in Lissabon suggerierten.

Für alle bezogenen Waren und Dienstleistungen erhielten wir Rechnungen auf denen die 23 % Mehrwertsteuer ausgewiesen waren, für uns eine Selbstverständlichkeit, für andere südeuropäische Länder aber anscheinend ja nicht unbedingt und für den Rest der Welt wirklich nicht üblich. Diese kleinen Zettelchen sind für mich aber auch der Hoffnungsschimmer, dass es Portugal bald wieder besser geht, denn so fließen tatsächlich Gelder in die Staatskasse und anhand der Tatsache, dass Projekte, die vielleicht nicht unbedingt wirklich durchzuführen sind, aktuell gestoppt werden, findet wohl ein Umdenken im Staate Portugal statt, der dem Land hoffentlich die Wende bringt. Denn zum Glück werden weiterhin auch Straßen und andere Infrastruktureinrichtungen repariert – was zwar auch Geld kostet aber den Menschen auch Arbeit bringt und somit auch wieder Konsum, der zu 23 % versteuert wird.

Wir planen auch Ende des Jahres wieder nach Portugal zu fahren – nicht, weil es besonders günstig ist, dort dem Winter zu entkommen, sondern weil die wunderschöne Küste, die sehr netten Menschen und das gute Essen immer wieder Gründe sind, dorthin zu fahren und wenn man mit seinem Geld ein wenig die arg gebeutelte Staatskasse aufbessert…um so besser.

Indonesien 2012

Selamat Pagi,

heißt so viel wie „guten Morgen“ auf Bahasa Indonesia. Nach neun Jahren habe ich es in diesen Tagen endlich mal wieder nach Indonesien geschafft, genauer gesagt auf die wohl berühmteste Insel des Archipels schlechthin: nach Bali.

Gespannt war ich schon, was sich in neun Jahren auf dem Eiland getan hat, das ich damals noch klassisch mit öffentlichen Verkehrsmitteln bereiste. Ein Blick in den aktuellen „Lonely Planet“ wunderte mich doch sehr, als dieser riet, Bali am besten per Mietwagen zu entdecken! Der „Lonely Planet“, die „Bibel“ der Individualtouristen, schlägt vor, einen biederen Rent-a-Car-Urlaub zu machen? Zugegebenermaßen war 2003 das Reisen mit Bemos (Minibussen) und Ojeks (Motorradtaxis) alles andere als komfortabel, schnell und lungenfreundlich. Dafür war es extrem billig und halt die Art des Reisens, die ich immer mit der australischen Reisebibel gleichgesetzt habe. 2003 stand im „South-East-Asia Travel Survival Kit“ des Lonely Planets wohl auch nichts von Mietwagen im Kapitel „Getting around“.

Nun gut, die Monate vor der Reise planten wir dann mal mit einem Mietwagen…in Indonesien…im Linksverkehr – aber so Recht daran glauben wollten wir doch noch nicht so, zumal es außer Avis keine bekannte Mietwagenrepräsentanz auf der Insel gibt. In den letzten Jahren hatte sich allerdings meine Art des Reisens bereits geändert. Nach der Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln um die Welt 2002-2003, strampelte ich zunächst durch Süd-Ost-Asien, Skandinavien und Osteuropa mit dem Fahrrad; sozusagen der erste Schritt weg von Kühlschrankbussen und Abgasschleudern. Dann 2010 der erste zaghafte Versuch auf Mauritius mal einen Tag lang den Linksverkehr mit einem Auto zu entdecken. Das ging damals erstaunlich gut, der lokale Vermieter hatte einen verständlichen Vertragstext mit Vollkaskoversicherung inklusive aufgesetzt und auch das Fahren im Chaos von Mauritius‘ Straßen funktionierte einwandfrei. Im Frühjahr 2012 schließlich der erste „Langzeitfahrversuch“ in einem tropischen Land für zwei Wochen in Costa Rica funktionierte ebenfalls prima. So entstand dann so langsam tatsächlich der Plan, dem Rat des „Lonely Planet“ zu folgen, mit dem Mietwagen die Insel zu entdecken.


Unser Suzuki Katana in den Bergen Balis
Unser Suzuki Katana in den Bergen Balis

Ich fürchtete allerdings erst gar keinen Mietwagen zu bekommen, da dummerweise die beste Reisezeit für Bali in unseren Sommermonaten liegt und die Insel dann von Touristen aus Süd und Nord in die Zange genommen wird. Australier haben die Möglichkeit in wenigen Stunden für recht wenig Geld mit dem Billigflieger von Downunder auf die Insel zu fliegen und waren natürlich präsent. Aber auch Europäer scheint es nach Bali zu ziehen. Die KLM-Maschine, die uns von Singapur nach Denpasar brachte, war jedenfalls proppenvoll und Franzosen und Holländer sollten wir auf der gesamten Reise an allen Orten wieder treffen. Eurokrise hin oder her, auch Spanier fanden wir zuhauf – Deutsche hingegen im Vergleich zu früheren Reisen außerhalb Europas recht wenige.

Die Einreise nach Indonesien verlief dieses Mal weitaus entspannter als 2003, da man sich sein Touristenvisum am Flughafen für 25 US$ kaufen konnte. Der erste Versuch, indonesischen Boden zu betreten, scheiterte vor neun Jahren noch kläglich, da ich von Ost-Timor über Land einreisen wollte und ich nicht wusste, dass das Inselreich seine abtrünnige Provinz nicht als eigenen Staat anerkannte. Damals musste ich zurück nach Dili in die Hauptstadt Ost-Timors fahren und mir bei der Ständigen Vertretung Indonesiens in Dili ein Visum besorgen, da die visafreie Einreise nur bei offiziellen Grenzübergängen möglich war. 2012 musste ich nur die relativ lange Schlange an Mitreisenden erdulden, die ebenfalls auf die Idee kamen, mal auf Bali Urlaub zu machen – eine weit angenehmere Erfahrung als zwei Tage mit Visa-Kram zu verschwenden.

Mit dem Mietwagen durch den äußeren Krater des Vulkan Batur
Mit dem Mietwagen durch den äußeren Krater des Vulkan Batur

Google sei Dank findet man mit dem Suchbegriff „Bali Car Rental“ viele Angebote lokaler Unternehmen und meine Befürchtung, kein Auto mehr zu bekommen, war ziemlich unbegründet – dies schrieb allerdings auch schon wer? Natürlich, der „Lonely Planet“. Letztlich lag es wohl daran, dass auf Bali kaum ein Tourist ein Auto mietet, zumindest nicht zum selber Fahren. Wir trafen überall auf Touristen, die sich über die Insel kutschieren ließen, von einheimischen Fahrern wohlgemerkt. Daher konnte man im Internet bereits zwischen „self drive“ und „with driver“ wählen. Ebenfalls recht viele junge Reisende wählen ein Mofa zum Fortkommen und Entdecken der Insel. Eigentlich auch eine gute Idee, nur mit einem großen Rucksack auf dem Rücken, die kurvenreichen, steilen Straßen Balis zu erleben, war dann doch nicht so ein prickelnder Gedanke. Allerdings unternehmen die meisten Touristen sowieso nur Tagesausflüge vom Süden der Insel mit seinen Sandstränden ins Landesinnere. Dafür ist dann ein Mofa sicherlich auch die perfekte Wahl – allerdings nur wenn man die Abgase im Straßenverkehr der Insel erfolgreich ignorieren kann. Nach der Ankunft auf Bali schrieben wir dann den BCR an, den „Bali Car Rental“ und orderten ein Auto für den nächsten Tag und für die nächsten knapp zwei Wochen. Wir entschieden uns für die günstigste Variante, einen betagten Suzuki Katana. Das ist eine Art Placebo-Geländewagen. Er sieht so aus wie einer, ist aber gar keiner, da er erstens kein Allradantrieb hat und zweitens völlig unter-motorisiert ist. Punkt 1 ist gar kein Problem, da alle Straßen auf Bali asphaltiert sind. Punkt 2 ist ebenfalls zu vernachlässigen, da man meist eh nur mit 40 km/h auf den Straßen entlang zuckeln kann. Kein Placebo-Effekt hingegen ist der Platz zwischen Boden des Autos und der Straße, der gar nicht groß genug sein kann, da man oftmals auf den engen Straßen vom Fahrbahnrand abkommen muss, um den Gegenverkehr auszuweichen und auch Schlaglöcher gibt es auf den Nebenstraßen zuhauf.

Fahrt zu den Reisterrassen in Jatiluwih
Fahrt zu den Reisterrassen in Jatiluwih

Der „Bali Car Rental“ weckte bei mir positive Erinnerungen an Balis Einwohner. Eine grenzenlose Freundlichkeit und vorbildliche Servicementalität. Auf meine Email-Anfrage wurde umgehend geantwortet und natürlich war es selbstverständlich, dass uns das Auto auf dem Hotelparkplatz zugestellt wird und bei der Abgabe später auch wieder dort entgegengenommen wird. Dass die Abgabe an einem ganz anderen Hotel stattfinden sollte – auch kein Problem. So stand dem Abenteuer Autofahren in Indonesien nichts mehr im Wege und die 10 Meter Fahren auf dem Hotelparkplatz in Quarantäne waren wunderbar. Danach wurden wir in die Freiheit des indonesischen Verkehrs entlassen, der mich bereits 2003 teilweise völlig entnervte. Das mit dem links fahren war gar nicht mal so schlimm, da ja die Fahrerseite rechts liegt und man intuitiv links fährt. Das ist auch ein Vorteil gegenüber dem Mofa-Leihen. Eines morgens hätte ich fast eine Touristin auf dem Mofa platt gefahren, da diese als Geisterfahrerin wohl etwas gedankenverloren mir in einer Kurve direkt vor die Windschutzscheibe fuhr. Dass indonesische Mofa-Fahrer einem links vom Wagen entgegenkommen ist natürlich, nur wissen diese auch, dass ihr Terrain gefühlt 30 cm vom Fahrbahnrand Richtung Fahrbahnmitte liegt – die Touristin hingegen fuhr mitten auf der von mir aus gesehen linken Fahrbahn fast ins Verderben.

Die Unsicherheit der Mofa fahrenden Touristen ist wohl auch tatsächlich das schwierigste Unterfangen beim Autofahren auf Bali. Denn der große Rest der Verkehrsteilnehmer fährt getreu dem Motto „immer nach vorne schauen“. Alles was vor einem liegt hat Vorfahrt. Diese unsichtbare Verkehrsregel hatte ich zum Glück bereits bei meinen Fahrradreisen durch Süd-Ost-Asien gelernt. Alle anderen gewöhnlichen Regeln, so auch der Linksverkehr, haben sich dieser Regel unterzuordnen. Daher sind einheimische Geisterfahrer auch nichts besonderes genauso wie das omnipräsente „links vor rechts“. Sprich, es ist ganz normal, dass von links auch neue Verkehrsteilnehmer hinzustoßen, ohne dass diese auch nur schauen, ob in diesem Moment der Herr aus Deutschland mit seinem Suzuki angefahren kommt. Daher sollte man seine Zeit auch erst gar nicht mit dem Schauen in Seitenspiegel oder Rückspiegel verschwenden. Das ganze hat schon fast etwas philosophisches: Als Autofahrer blickt man grundsätzlich nur nach Vorne. Die Vergangenheit in Form von Blicken in Spiegel bleibt ausgeblendet. Natürlich kann ich die europäische Fahrweise nicht vollkommen über Bord werfen und gerade bei Überholmanövern ist ein ganz schneller Schulterblick nach links hinten nicht zu verachten – nur hat man dazu eigentlich in Indonesien gar keine Zeit – es könnte sich ja schon längst wieder eine neue Verkehrssituation vor der Windschutzscheibe ergeben haben.

Linksverkehr war eigentlich kein Problem
Linksverkehr war eigentlich kein Problem

Die ersten Meter in freier Wildbahn waren schließlich problemlos zurückgelegt. Ein Kreuz- und Querfahren findet auch zur Rushhour im vom Verkehrsinfarkt bedrohten Süden Balis nicht statt – genauso wenig wie Dauerhupkonzerte. Die Hupe findet hier sogar recht wenig Einsatz, lediglich beim Überholen von Verkehrsteilnehmern der selben oder einer höheren Kaste – schließlich ist auf Bali der Hinduismus quasi Inselreligion, sprich wenn man als Autofahrer ein Auto oder einen LKW überholt. Die Hupe ist quasi einem Klingelton gleichzusetzen, der einfach darauf aufmerksam macht, dass jetzt überholt wird.All das hatte ich bereits nach einem Kilometer verstanden und wir machten uns daran, von Sanur im Süden der Insel zunächst nach Westen fortzukommen. Es stellte sich das wohlige Gefühl ein, alles richtig gemacht zu haben. Das Auto rollt, wenn auch zunächst nur im Stop and Go. Man weiß, dass man (noch) richtig ist und die verkrampften Muskeln auf dem Sitz entspannen sich zunehmend. Plötzlich wurden wir nach exakt 1,54 km von einem Polizisten auf dem Motorrad überholt und raus gewunken. Stimmt, da war ja noch was. Man kann sich ja im Verkehr wohlfühlen und denken, man packt das Fahren in fremden Ländern, aber es gibt ja auch noch die Cops, die da ein Wort mitzureden haben.

Letztes Jahr hat mich die Begegnung mit argentinischen Verkehrspolizisten 75 € gekostet, da ich nach einen Zwischenstopp vergessen hatte, mein Abblendlicht wieder einzuschalten – in Argentinien ist das Pflicht. So schlug bei mir die Begeisterung für den Mietwagenurlaub auf Bali nach nur etwas mehr als tausend Metern ins totale Gegenteil um. Wir kurbelten das Fenster runter – elektrische Fensterheber gibt es beim Katana natürlich nicht. Nach vorne beugen ging nicht, da die antiquierten Anschnallgurte noch keine Gurtaufroller hatten. Aber wenigstens waren wir angeschnallt – so dass ich gespannt war, was der Polizist von uns eigentlich wollte. In freundlichem Ton bat er um den Führerschein – den internationalen natürlich! Diesen hatte ich parat, da man in fast allen Ländern, sogar in den USA theoretisch, diesen grauen Riesenlappen dabei haben muss. Mietwagenfirmen kontrollieren das nie, da der eigentliche Fahrtauglichkeit-Nachweis der lokale Führerschein ist. Das Dokument dabei zu haben ist womöglich im Süden Balis nicht selbstverständlich und rein theoretisch eine Quelle zum Erstellen eines Bußgelds. Anscheinend wird im Süden Balis besonders gern der internationale Führerschein von Cops kontrolliert, denn im Lonely Planet findet sich ein eigener Absatz zu diesem Thema, gesetzt den Fall, dass man das Dokument nicht vorweisen kann und man keine Lust auf lange Bußgeldverfahren hat. Unser Cop wollte uns schon eine gute Weiterfahrt wünschen, da kam bei ihm noch der Gedanke auf, nach den Fahrzeugpapieren zu fragen. Diese waren anscheinend auch korrekt, denn danach entließ uns der Ordnungshüter wieder in den indonesischen Straßenverkehr und wir waren glücklich zum Nulltarif durch diese Kontrolle gekommen zu sein. Die restlichen 1.152 km dieser Reise wurden wir übrigens nie wieder kontrolliert.

An Balis relativ leerer Nordküste
An Balis relativ leerer Nordküste

Die nächste Herausforderung warte dann gleich wieder auf uns: das sich Zurechtfinden! Bali ist durchsetzt mit Myriaden von Straßen aber Straßenschilder sind hier Mangelware. Auf der gesamten Reise habe ich zweimal ein Verkehrsschild mit Geschwindigkeitsbegrenzung (60 km/h) gesehen. Stoppschilder gab es rund ein Dutzend. Vorfahrt beachten – unser umgestülptes Dreieck – gab es gar nicht – schließlich gilt ja das Gesetz des nach vorne gucken! Tja und auch Ortsschilder sind auf Bali eine seltene Erscheinung. In welchem Ort man sich gerade befindet ließt man am besten an den Schildern der Unternehmen vor Ort ab, da diese praktisch immer ihre komplette Adresse angeben. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Hinweisschilder auf kleinen Straßen komplett fehlten. Schaut man sich auf Google Maps oder einer Karte die Straßen an, findet man oft einen tollen direkten Weg von A nach B. In der Realität findet man im Gewirr der Sträßchen dann den direkten, richtigen oftmals gar nicht mehr und riesige Umwege sind in Kauf zu nehmen. Von der Südost-Küste bei Sanur zur Westküste durch das dicht besiedelte Südbali zu gelangen, war am Ende nur möglich, da wir uns nach dem Stand der Sonne richteten und so grob die Himmelsrichtungen wussten.

Ein weiteres Problem bei der Beschilderung auf Bali besteht darin, dass wenn es schon endlich ein Schild gab, dieses meist das nächste Kaff angab und die nächste größere Siedlung aber nicht. Manchmal gibt es auch eine Differenz bei den Ortsnamen auf Karten und Schildern. Semarapura heißt zum Beispiel oft noch Klungkung – alles klar oder? Wir entschieden ab der nächsten Fahrt einen Kompass ins Handschuhfach zu legen und waren froh irgendwann den Großraum Südbali hinter uns zu lassen und doch noch auf die richtige Straße zu gelangen. Hat man einmal das ländliche Bali erreicht, das sich zum Glück noch über rund zwei Drittel der Insel erstreckt, nördlich der Inselhauptstadt Denpasar, dann weiß man endlich seinen Mietwagen tatsächlich zu schätzen. Bali wird von West nach Ost von einer Vulkankette durchzogen und die kleinen Bergsträßchen werden nur selten von Bemos befahren. So wäre es nahezu unmöglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln das ländliche, gebirgige Bali zu entdecken. Einmal von der Inselringstraße im Süden abgebogen, findet man sich nach wenigen Kilometern in der Natur wieder. Die Südseite der Berghänge ist nahezu komplett mit Reiseterrassen durchzogen. Teile dieser alten Kultivierung stehen in der Gegend von Jatiluwih sogar heute unter dem Schutz des Weltkulturerbes der UNESCO und sind sogar frei von Abfällen – einem leider in Asien immer wieder kehrendem Problem.

Reisterrassen an der Straße nördlich von Antosari
Reisterrassen an der Straße nördlich von Antosari

Es war herrlich in dieser Kulturlandschaft spazieren zu gehen. Dieses friedliche Bali nur wenige Kilometer vom Lärm im Süden entfernt war tatsächlich Erholung pur – allerdings weniger für das Auto, denn die steilen Straßen stellten den Karren immer wieder vor Probleme. Oftmals ging es im Schneckentempo Steigungen von vielleicht 15 % bergauf im ersten Gang. Später trafen wir auf LKW, die auf einer Bergstraße von ca. 5 km auf der Hälfte ihre Motoren kühlen und stoppen mussten, um die gesamte Distanz zurücklegen zu können. Diese Straßen führen natürlich zu erhöhtem Bensin-Konsum. Daher gibt es auf Bali ein sehr dichtes Netz an Tankstellen mit noch mehr Tankwarten. Der Boxenstopp an Balis Tankstellen dauerte meist nur eine Minute – und bei Benzinpreisen von 0,40 Euro pro Liter stellten diese auch keine besondere Strapaze für das Reisebudget dar. Abseits der Tankstellen verkaufen die Einheimischen Benzin sogar aus der Glasflasche im Tante-Emma-Laden an der Ecke, so dass man nie Angst haben musste, stehen zu bleiben.

Am ersten Fahrtag brauchten wir für 120 km knappe 4 Stunden mit dem Auto! In manchen Ländern der Erde kann man diese Distanz in dieser Zeit fast mit dem Fahrrad zurücklegen. Unser erstes Ziel, ganz im Westen der Insel gelegen, mit Blick auf die Vulkane der Nachbarinsel Java war Pemuteran und der Taman Nasional Bali Barat, der einzige Nationalpark der Insel. Anders als im Lonely Planet angepriesen ist Pemuteran kein idyllisches Dörfchen mit Traumstrand sondern ein typisches, langgezogenes Straßenkaff ohne jegliche Seitenstraße, in das Luxusressorts mit Zimmerpreisen von mehr als 100 Euro pro Nacht hinein gebaut wurden. Dazwischen finden sich so genannte „Homestays“ – relativ einfache Unterkünfte der Einheimischen für Individualreisende. Zahlt man im Rest von Südasien für solche Übernachtungsmöglichkeiten vielleicht 10 Euro pro Nacht für ein enges, spartanisches Zimmer mit Dusche/WC und Ventilator aber ohne Klimaanlage sind auf Bali dafür oft schon fast 30 Euro in der Hauptsaison zu entrichten. Für das doppelte an Euro erhält man dann allerdings 3 bis 4-Sterne-Luxus, wo man z. B. in Indien hingegen vielleicht das doppelte dafür berappen muss. Wir lernten recht schnell mit dieser etwas gewöhnungsbedürftigen Situation umzugehen und genossen für etwas mehr Geld wirklich wunderbare Unterkünfte auf der Insel.

Am Strand von Pemuteran kurz vor Sonneuntergang
Am Strand von Pemuteran kurz vor Sonneuntergang

Im Nationalpark ging es per Pedes mit einem Führer quer durch die Mangroven und die trockene, savannenartige hellbraune Landschaft Westbalis, die mit den immer grünen Reiseterrassen wenige Kilometer weiter östlich gar nichts mehr gemein hat. Größere Wanderung sind auf Bali mittlerweile fast ausnahmslos mit Führer durchzuführen. Das ist meiner Meinung nach eine eigentlich gute Sache, denn so haben auch die Einheimischen etwas vom Tourismus auf dieser Insel, die ja hauptsächlich von Badetouristen lebt, die in internationalen Ressorts einen Großteil ihres Aufenthalts verbringen. Alle Führer die wir im Laufe der Reise engagierten, waren zurückhaltende, gut bis sehr gut Englisch ,sprechende Einheimische, die mit großem Enthusiasmus mit uns zu Fuß unterwegs waren. Die recht hohen Kosten für die Führer von z.B. 45 Euro für 3 Stunden zu zweit im Nationalpark, die meist relativ fix waren, zahlten wir gerne, sofern davon auszugehen war, dass ein Großteil des Geldes beim jeweiligen Führer verbleibt – was aber leider nicht immer sicherzustellen war.

Wanderung an der Mangroven-Küste im Taman Nasional Bali Barat
Wanderung an der Mangroven-Küste im Taman Nasional Bali Barat

Unser nächstes Ziel unserer Reise war das Bergdorf Munduk, zwischen hellgrünen Reiseterrassen und dunkelgrünen tropischen Bergwaldhängen gelegen. Dort war es dann auch mal möglich, alleine auf Wanderschaft zu gehen, da die Bewässerungssysteme für die Reisterrassen immer mit einem kleinen Pfad versehen waren. Verirren war recht unmöglich und sofern größere Passagen der Wege mit Treppenstufen ausgestattet waren, störten auch keine ansonsten ab und zu auftauchenden Mofa-Fahrer mehr den Wandergenuss in der puren Natur. Statt Gedröhne von Motoren dominierten Vogelgesang und Wasserrauschen. Von Munduk aus lassen sich auch die zentralen Bergseen der Insel auch prima erkunden. Auf einer extrem steilen Bergstraße geht es zunächst auf den Kraterrand eines riesigen längst erloschenen Vulkan. Die Straße schlängelt sich auf dem Rand entlang, oberhalb der im Krater befindlichen Seen Danau Bayan und Danau Tamblingan. An beiden Seen kann man entlang spazieren – eigentlich ohne Führer. Aber am zweit-genannten See hatte sich eine Vereinigung von Bergführern gebildet, die praktisch ein Wandern alleine unmöglich machte. Das nervte uns zunächst, bis wir am Seeufer einerseits Zelte entdeckten und sahen, dass das ganze Dorf unter Wasser stand. Ein Hinweisschild klärte auf, dass die vulkanischen Aktivitäten zu einem plötzlichen Anstieg des Wasserpegels um fünf Meter vor zwei Jahren führten und die Bewohner praktisch über Nacht ihr Zuhause verloren. Da waren wir dann doch etwas peinlich berührt und engagierten natürlich gerne eine Bergführerin, die uns dann sicher durch den Dschungel begleitete und uns mit einer Schärpe ausstattete: Der Grund war ein in der Nähe gelegener Hindu-Tempel, den Balinesen traditionell mit Sarong (Stofftuch) und Schärpe aufsuchen. An fast jedem Tempel in Bali kann man gegen eine Spende einen Sarong leihen und sich dann adäquat angezogen diese religiösen Stätten anschauen – so profitieren auch wieder Einheimische vom Besuch der Fremden.

Durch Vulkanismus untergegangens Dorf am Danau Tamblingan
Durch Vulkanismus untergegangens Dorf am Danau Tamblingan

Mit dem Erreichen des Wasserpalastes in Tirta Gangga in Ost-Bali traf ich dann erstmals auf einen Ort meiner Weltreise. Meist hat man ja Angst, dass Orte, die man in guter Erinnerungen hat, sich im Lauf der Zeit zum „Schlechten“ ändern – gerade in Asien, wo sich oftmals innerhalb eines Jahres bereits sehr viel ändert. Die einzige Änderung in Tirta Gangga: das Warung (lokales Restaurant), das ich vor 9 Jahren besuchte ist expandiert und hat jetzt auch einen Essbereich auf dem Dach – fertig. Das Essen auf Bali wäre ein eigenes leckeres Kapitel und würde den Rahmen hier spregen. Es war gut und es ist gut und weiterhin sehr günstig. Der Verkehr war damals schon heftig und hat sich bis auf die Region um Ubud nicht wirklich verschlimmert. Die Menschen auf Bali sind immer noch sehr freundlich und zuvorkommend und dass die Hotelpreise 2003, 6 Monate nach dem Terroranschlag von Kuta, natürlich heute vollkommen andere sind, war absehbar. Es war einfach schön zu sehen, dass es doch noch Plätze in Asien gibt, die unverändert angenehm bleiben, trotz unserer touristischen Dauerpräsenz.

Der Wasserpalast in Tirta Gangga
Der Wasserpalast in Tirta Gangga

Viele Bali-Reisende, die nicht an den Stränden im Süden bleiben, zieht es in die kulturelle Hauptstadt nach Ubud. Dort hat der Verkehr wie gesagt leider extrem zugenommen und im Zentrum der Stadt war es wirklich nicht mehr angenehm zu bleiben. Die Außenbezirke eignen sich aber immer noch zum Entspannen, da dort wunderschöne Unterkünfte aufgemacht haben, mit Blick auf Reisfelder oder ganz im Westen auf den Ayung Fluss tief unterhalb der Ortsteile Sayan und Kedewatan. Allerdings befürchte ich, dass die Bauwut in Ubud dazu führen könnte, dass die Stadt immer mehr ausfranzt und heutige Reisefelder bald Baugrund für neue Ressorts sind. Wir betrachteten Ubud nur noch als Ausgangsbasis für Tagestouren z. B. zum Vulkan Batur.

Blick vom Vulkan Batur (1.717 m) auf den Gunung Abang (2.152 m)
Blick vom Vulkan Batur (1.717 m) auf den Gunung Abang (2.152 m)

Meine bisherigen Vulkanbesteigungen in Indonesien waren allesamt sehr frustrierend verlaufen, da ich mich jedes Mal um vier Uhr morgens auf den Weg bergan machte, um rechtzeitig vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu stehen und um nichts zu sehen, da immer eine Wolke jegliche Sicht über den Kraterrand verbaute. Dieses Mal ließen wir es daher beim Batur ganz lässig angehen, vertrauten auf die Wettervorhersage, die behauptete, dass es mittags aufklaren sollte. Das ist zwar so eine Art von Vorhersage, wie dass es im Juli in Deutschland Dauerfrost geben soll, schließlich zieht es sich in der Regel in den Tropen spätestens mittags zu – aber egal. Und die Wettervorhersage hatte Recht! Mit Wayan einem drahtigen Mitvierziger als Bergführer erklommen wir den zweitheilgsten Berg Balis in lockeren zwei Stunden zur Mittagszeit und wurden mit einer herrlichen Sicht auf den äußeren Kraterrand belohnt. Die Wolken blieben außerhalb des äußeren Kraterrands und endlich sah ich mal etwas anderes als Nebel auf dem Gipfel eines indonesichen Vulkans.

Ruhige Seitenstraße in Ubud
Ruhige Seitenstraße in Ubud

Zurück in Ubud war dann Stau angesagt. Der Verkehrsinfarkt wird hier schon vorgezogen, da in der Stadt 365 Tage im Jahr Tempelfeste veranstaltet werden und bei diesen dann einfach mal die gesamte Straße oder wenigstens ein guter Teil davon mit Betenden in weißen Gewändern belagert wird. Nirgends auf der Welt habe ich so eine Spiritualität im Alltag festgestellt wie auf Bali. Prozessionen finden inselweit täglich statt. Die Menschen leben ihre Kultur und tragen nicht wegen der Touristen ihre traditionellen Gewänder, sondern weil sie wohl Teil ihrer Identität im größten muslimischen Land der Welt sind. Der Stau war zugegebenermaßen nervig, aber was beschwere ich mich hier groß. Ich bin Gast und muss mich natürlich den Gegebenheit des Gastlandes anpassen. Insgesamt war mein zweiter Aufenthalt auf Bali ein wunderbares Abenteuer und es bleibt zu hoffen, dass sich die Insel und ihre Menschen ihren Charakter bewahren, die dieses Eiland so einzigartig machen.

Medias 2011

Es ist Herbst, die Blätter fallen und bald kommen in der Glotze die ersten Jahresrückblicke. Für alle Mainz 05 Fans war dieses Jahr 2011 eine Achterbahnfahrt sondergleichen. Da war zum Beispiel die längste Auswärtsfahrt des Jahres. Eine gekürzte Version des Reiseberichts hierzu findet Ihr in der Ausgabe #28 der TORToUR, dem Mainzer Fanzine. Den kompletten Groundhopping-Bericht lest ihr hier:

Eriwan, Reykjavík, Sevilla – diese drei Ziele auf unser Europa-Hopping-Tour klingen noch heute in meinen Ohren nach viel mehr als Europapokaaal. Allerdings kannte ich zumindest vom Namen her auch diese drei Ziele schon vor 2005. Medias hieß nun das Ziel der Begierde anno 2011. Schon mal gehört? Ich jedenfalls nicht.

Während das Hinkommen zu den drei Abenteuerspielplätzen vor sechs Jahren mit dem Flieger recht unspektakulär zurückgelegt werden konnte (ok – nach Sevilla ging’s für mich ab Madrid mit dem Zug – von Reykjavik zurück musste ich via Kopenhagen fliegen, da die Kiste nach Frankfurt voll war – und von/nach Eriwan ab/nach Hahn ist auch von Mainz ’ne Weltreise) aber Medias war wirklich Hopping pur, da ich mit einem Kumpel fliegen wollte und wir a) keine 450 Euronen für den Ausflug verplanen wollten und somit der Fanflieger nicht in Frage kam und ich b) berufsbedingt eine Möglichkeit hatte, mit ihm vergleichsweise günstig mit dem Flugzeug nach Bukarest  zu gelangen. Dort am späten MIttwoch Abend in der Ex-Heimat-Hauptstadt meines Kumpels angekommen, der als Kind rumäniendeutscher Eltern nach Westdeutschland zog, musste erstmal der Taxipreis am Flughafen Otopeni ausgehandelt werden. Draußen an den Taxis steht schon 3,51 Lei/KM – was ca. 20 € in die Innenstadt bedeutete. Irgendwie hatte ich etwas von 1,50 Lei/KM im Internet gelesen, doch diese Taxis schienen wie vom Erdboden verschlockt. Na – worscht – 20 € vereinbart und es ging nicht ins Taxi hinein sondern auf den angrenzenden Parkplatz hinaus. Und was sahen wir da stehen? Die 1,50 Lei/KM Taxis…

Das Hopping-Ziel
Das Hopping-Ziel

Am nächsten Tag ersparten wir uns das Taxi, hüpften für 75 Euro-Cent zu zweit in die Metro, um ein paar Stationen weiter, unseren Mietwagen abzuholen, der uns ins knapp 300 km entfernte Medias bringen sollte. An besagter Adresse stand ein Wohnhaus mit Efeu-überwuchertem „Europcar“-Schild im Vorgarten. Wir liefen einmal um den Block, um den Eingang oder wenigstens ein paar Autos im Hof zu finden – nix da. Kein Auto, kein Ladenlokal. Das Schild schien irgendwann einmal vom Himmel gefallen zu sein, denn das sah alles sehr nach Villenwohngebiet à la Meenzer Grüngürtel aus – aber nicht nach einem Mietwagenverleih. Also hat mein Kumpel die spielenden Kids auf rumänisch angequatscht, ob das hier ein Mietwagenverleih sei? „Keine Ahnung“ auf rumänisch braucht bei der eindeutigen Gestik keine Übersetzung. Das Trolleygerumpelgeräusch von Touristen brachte uns dann doch auf die Fährte, denn das Wohnhaus war tatsächlich die Mietwagenstation. Im Wohnzimmer wurde uns der Mietvertrag gereicht und man wusste sogar Bescheid, dass wir unseren Mietwagen am Flughafen zurückgeben wollten. Der Opel Astra war zwar nicht der bestellte Dacia, das war aber gar nich verkehrt, denn der Turbodiesel erwies sich als zugkräftiges Gefährt, ideal zum Überholen von Pferdefuhrwerken, Traktoren und anderen schleichenden Vehikeln – schließlich konnten wir nur 100 km Autobahn nutzen, ehe es danach 160 km durch die Karpathen in Richtung Sibiu (Herrmannstadt) ging.

Das Fahren auf der Autobahn war recht unspektakulär und ließ uns schon Mittagessenpläne für Sibiu schmieden – doch auf Rumäniens Landstraßen wurde der Essensplan schnell Makulatur und das Entlangcruisen sehr schnell sehr spektakulär …schließlich wusste ich nie so recht, wie schnell man eigentlich unterwegs sein durfte. OK – bei uns gibt es Ortsschilder und das bedeutet 50 km/h. Einfach – aber halt nicht rumänisch. In Rumänien gibt es Ortsschilder, Ortschilder mit 50 km/h Gebot im Schild und welche mit 70 km/h Gebot. So und wieviel fährt man dann bei den „nackischen“ Ortsschildern? Mit 50 wurden wir gnadenlos überholt, mit 60 auch – aber da tauchten auch schon die ersten Radarfallen auf. Irgendwann passten wir uns der lokalen Geschwindigkeit halbwegs an und rauschten mit 70 durch die Radarfalle und in diesem Moment wurden wir von einer Karosse mit 90 Sachen überholt – aber die Radarfallen schienen irgendwie wohl gerade Mittagspause zu machen – zum Blitze machen waren sie jedenfalls nicht aufgelegt.

Die Innenstadt von Medias in Mainz-05-Hand
Die Innenstadt von Medias in Mainz-05-Hand

Natürlich düste nicht jeder 90 Sachen innerorts sondern auch manchmal nur 20 außerorts – gut außerorts kam fast nie vor, da sich ein Straßenkaff ans nächste reihte und wir letztlich ca. 60 km in der Stunde zurücklegen konnten – wenn wir die mit Spielstraßentempo zuckelnden LKWs überholen konnten. Nach 4:15 Stunden Fahrt oder 260 km erreichten wir unser Hotel in Sibiu (Herrmannstadt) und ich streikte. Nein, ich wollte nicht mehr mit dem Mietwagen weiter nach Medias. Ich wollte ein Bier – in Rumänien herrscht 0,0 Promille auf der Gass‘ – und ich war vom Fahren noch viel fertiger als später vom Elfmeterschießen. Also zum Bahnhof, doch den Zug, den es in Rumänien ja theoretisch fast überall gibt, den hatten wir gerade verpasst – und es fahren nur 4 Züge zwischen Sibiu und Medias. Der Bus? Den gab es auch, aber erst 2 Stunden später um halb sieben, dann wären wir wohl zur „nicht mehr möglich gehaltenen“ Verlängerung im Stadion gewesen. Also….50 km….mit dem Taxi! Wir zahlen am Ende soviel wie vom Flughafen nach Bukarest für die fast 4-fache Strecke und dafür ging es auch fast in Überschallgeschwindigkeit über die Landstraße, die plötzlich gar nicht mehr so guten Belag bot – und Anschnallgurte für die Kundschaft gab es in der Karosse auch nicht. Das war nicht fair! Wenn ich in Afrika oder Asien unterwegs bin – dann gilt gleiches Recht für alle, sprich kein Gurt für alle! Doch hier hatte der Fahrer einen und wir genossen Freies Sitzen auf der Rückbank. Also reklamierten wir in bester Fatmir Vata Manier bei unserem Chefe, uns doch bitte am Leben zu lassen und nicht im dreistelligen KM/H Bereich über die rumpelige Allee zu fliegen – wir sagten wir hatten ZEIT!

Zeit hatten wir auf diesem Trip eigentlich keine, aber lieber komme ich zu spät zum Spiel als zu früh in die rot-weiße Kiste. Zeit zum Essen war dann doch noch und mein Kumpel empfohl die ach so kleinen Würstchen, die hier in Siebenbürgen DIE Spezialität wären. Er, in der Gegend vom Glubb aufgewachen, konnte mir versichern, dass die Dinger nicht größer sind, als die „3 im Wecklä“ im Frankenstadion. Wir hatten Hunger, er schlug 4 pro Person vor und ich dachte, nö 04 Würste passen nicht – 05 Wörschte gilt’s zu futtern. Die Bedienung fragte „sonst noch was?“ und wir fielen gnadenlos auf diese Frage rein. Huch, wir hatten ja den ganzen Tag nichts mehr gegessen, jetzt gibt es 5 Winzlinge auf den Teller und eventuell später nix im Stadion. Also noch herrliche Beilagen aus Bohneneintopf, Krautsalat und Kartoffelbrei bestellt. Und natürlich das eine oder andere Kaltgetränk. Die „Vorspeisen“ kamen direkt und irgendwann auch das Fleisch, begleitet von neugierigen Blicken der Anwesenden, denn die Würste hatten die Länge unserer Feuerworscht und waren noch ein wenig dicker! Na super! Und das für einen Fleischvermeider wie micht, der 2010 beim WM-Grillen den lieben Tieren zu liebe auf Tofu-Wurst-Esser gemacht hat!

05-Würste pro Person, bitte!
05-Würste pro Person, bitte!

Auf geht’s Mainzer kämpfen und Würste vernichten! Wir waren in Championsleague-Form, waren gut im Spiel gegen die Wurst, und vernichteten die 10 Gegner gnadenlos. Dann rollten wir ins Stadion…und mussten miterleben, dass es dieses Jahr die einziger Europa-Fahrt mit dem Fußball-Spocht-Verein werden würde. Bereits in der Halbzeit machten wir die Rückfahrt nach dem Schlusspfiff klar: mit ein paar Freunden, die mit dem Mietwagen hierher unterwegs waren und auch nach Sibiu mussten. Diese mussten ihren Flieger in Sibiu kriegen und irgendwie waren die Verkehrsverhältnisse innerorts wieder etwas undurchsichtig. Mit 80 Sachen ging es schließlich gen Westen gegen Medias‘ Einbahnstraßen zurück auf die Hauptstraße. Nur gut, dass die rumänische Polizei anderes zu tun hatte, als Verkehrsüberwachung in der rumänischen Pokal-Schreck-Stadt zu machen. Die Jungs ließen uns in der Stadt raus…genau gegenüber vom „Non-Stop-Kiosk“. Da es im Stadion nur Pepsi und das wohl nur bis zur Halbzeit gab, würde ein kühles Bierchen nachts um halb eins jetzt wirklich gut tun. Ruckzuck zwei Pils bestellt, wunderte ich mich über den Preis. 14 Lei – das entspricht 3,50 €! In einem Kiosk…in Rumänien! Da stimmt was nicht – aber es stimmte alles bis auf meine Vorstellung der Volumina von zwei Bier, denn das zierliche Mädchen hievte aus dem Kühlschrank zwei 2,5 Liter-Plastikflaschen kalten Gerstensafts auf den Thresen! Na dann Prost!

Im Mainzer Block des Gaz Metan Stadions
Im Mainzer Block des Gaz Metan Stadions

Den Heimweg zum Hotel fanden wir über einen Umweg – denn ein Schalke-Fan, der gerade sein freiwilliges soziales Jahr in Sibiu leistete, musste uns ja noch zum Spiel befragen und mitteilen, dass Medias gerade letzter der Liga sei…Nun ja, was entgegnet man einem Gazprom-Sympathisanten, nach verlorenem Elfmeterschießen bei Gaz Methan? „Viel Spaß mit Christian Fuc..!“ Und Tschüss!

 Die Nacht war kurz und knapp. Zum Glück gab es ein großes Frühstücksbuffet, denn um 15.15 Uhr startete unser Flieger zurück nach Westeuropa und wir entschlossen uns, die „Panorama-Straße“ durch die Karpathen nach Bukarest zu nehmen. Meine Theorie war folgende: Der ca. 100 km Dauer-Straßenkaff-Fahrt auf dem Hinweg mit Radarfallen-Dauerpräsenz und dadurch bedingtem Dauerstress zwischen Überholt und vielleicht doch Geblitzt werden, sollten wir dort entkommen, denn für über 50 km gab es dort gar kein Kaff (und auch keine Radarfalle). Außerdem sollte man dort schneller vorankommen, da man außerorts ja 90 oder so fahren durfte. Die ersten Kilometer entpuppte sich dieser Matchplan als perfekt! Zwar fuhren wir auf unendlichen Serpentinen dem Himmel entgegen bis auf 2.000 Meter Höhe, doch die rasenden Rumänen schafften mit ihren Autos gerade mal 20 km/h und so wurde die Kurvenfahrt zu einem Computer-Spiel unter realistischen Bedingungen – Auto um Auto wurde überholt, Kurve um Kurve abgehakt und dann waren wir oben…am Tunnel in die Walachei. Durch die Röhre zogen dichte Nebelschwaden und die Geschwindigkeit in dem engen Ding musste rapide gesenkt werden. Unser Navi zeigte bisher als voraussichtliche Ankunftszeit 13.30 Uhr an. Perfekt für einen Abflug um viertel nach drei. Doch jetzt ging es ja durch die rumänische Pampa und dort ist wohl bisher noch nicht so viel Fördergeld der EU für den Straßenbau angekommen. Die Straße wurde erstmal enger, der Belag am Rande ausgefranzt und mit weidenden Kühen belegt. Ich fühlte mich so langsam nach Indien versetzt – aber hey wir sind gerade aus dem EUROPA-Pokal rausgeflogen nicht aus dem WELT-Pokal.

Panorama-Straße durch die Karpathen
Panorama-Straße durch die Karpathen

Irgendwann hatte die Straße keine Lust mehr Straße zu sein sondern lieber Schlaglochpiste! Gut, dass wir die Selbstbeteiligung durch eine Zusatzversicherung auf 150 € gesenkt hatten – wir dachten allerdings eher an Fahrzeugklau statt an Fahrzeugvernichtung beim Abschluss der Police. Aber das Navi war gnadenlos – irgendwann hatte es wieder GPS-Empfang und plötzlich stand da 14:15 Uhr statt 13:30 Uhr als voraussichtliche Ankunftszeit… Gut Meldeschlusszeit war 14:45 Uhr – aber 30 Minuten für die Mietwagenabgabe und wo war eigentlich diese Abgabe? Womöglich wieder in einem Wohnviertel in der Nähes des Airports?

Gut…weiter…irgendwann erreichten wir dann wieder die 100 km Autobahn bis kurz vor Bukarest. Dort waren 130 km/h erlaubt – wenn es nicht regnet. Was machte also Petrus? Genau, erst tröpfelte es und ich sagte mir, die 80 km/h bei Regen, die dort vorgeschrieben sind, gelten nur bei nasser Fahrbahn. Der Gedanke wurde von Petrus erraten und so kübelte es auf einmal und das Navi war wieder gnadenlos: 14:30 Uhr war jetzt angesagt! Und dann das noch, bei der Ausfahrt auf den Ring war Stau, da im Kreisel ein LKW liegenblieb. So durfte ich erstmals im Rechtsverkehr mal gegen den Uhrzeigersinn in einen Kreisel einbiegen – fühlte sich so komisch an, wie ein Auswärtssieg bei den Bayern! Und weiter ging es im 40 km/h Tempo auf der Ringgasse von Bukarest eingekeilt von LKWs bis kurz vor den Flughafen, wo dann eine letzte Radarfalle in der Ausfahrt grüßte. Um 14:30 Uhr waren wir dann tatsächlich am Flughafen angekommen und das Mietwagenzentrum nur einen Steinwurf vom Terminal entfernt. Das Auto war heil geblieben, die zahlreichen Kratzer und der Stein in der Scheibe wurden tags zuvor schon im Wohnzimmer registriert und somit setzten wir zum Endspurt der Meenzer in Rumänien an, checkten um 14.40 Uhr ein und starteten um 15.15 Uhr nach Paris! Bahnhöfe passieren, z.B. in Lautern kann manchmal länger dauern!

Nach dem Ende des Europa-Pokal-Ausflugs nach Medias
Nach dem Ende des Europa-Pokal-Ausflugs nach Medias

Ja in Paris hätten wir auch spielen können…aber das ist ein anderes Thema….wir zogen sofort weiter nach Köln/Bonn mit einer kleinen Propellerkiste, da mein Kumpel freitags abends auf ’ne Party wollte. Ich hatte eh nix mehr bis zum Sonntagsspiel gegen Leverkusen geplant und so tat ich ihm den Gefallen mit ihm dorthin zu düsen, äh nee zu propellern. Bisher hatte auf dieser Reise alles geklappt, über Paris nach Bukarest die Flieger bekommen, das Mietwagenzentrum in Bukarest gefunden, die Radarfallen nicht zum Blitzen gebracht, das Spiel gew…öh nee, angeguckt, die Karpathen durchquert und via Paris wieder die Bundesrepublik erreicht. Doch es gibt ja in Deutschland eine Institution, die immer wieder gerne Pläne durchkreuzt, auch wenn wir europäisch unterwegs sind: Die Deutsche Bahn AG! Und daher brannte es irgendwo lichterloh, so dass weder eine Bahn nach Deutz noch in umgekehrter Richtung nach Troisdorf verkehrte! Verkehrte Welt eigentlich – im Indian Light alias Rumänien funzt alles und im Wirtschaftswunderland Schland ging gar nichts mehr. Jetzt machte ich als 05-Fan den Magath, zückte die Kohle, verabschiedete mich schnell von meinem Kumpel und düste mit dem Taxi nach Siegburg zum ICE-Bahnhof. Auf die Bahn ist ja Verlass und so hatte ein ICE in Richtung Frankfurt Flughafen natürlich genau die Verspätung, die ich brauchte, um diesen noch zu erreichen. 30 Minuten später war ich am Flughafen Frankfurt und mein Kumpel immer noch nicht weg vom Köln Bonner Airport…verkehrte Welt! Meine liebe S 8 brachte mich dann auf die richtige Rheinseite, 30 Minuten früher als die geplante Verbindung vor dem Streckenbrand und das Kapitel Europapokaaal hatte dann auch für mich ein Ende! Was bleibt ist der Eindruck, dass es manches Mal ganz gut tun kann, Europokaaal nur alle paar Jahre zu machen, denn diese Fahrt war extrem anstrengend und ein Erlebnis, das sich 1a an die Europa-Fahrten anno 2005 anschließt….danke Jungs des Kaders 2010/2011 für dieses einmalige Hopping!