Spätlese Mönchengladbach 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Nach über drei Monaten Auswärtsabstinenz ging es am Sonntag auf meiner Lieblingsbahnstrecke endlich wieder den Rhein hinab in Richtung NRW. Die Deutsche Bahn nutzt die Wochenenden gerne zu Bauarbeiten an der Strecke, so dass es natürlich nie langweilig wird. Allerdings war die Umleitung über die falsche Rheinseite im Fahrplan bereits einkalkuliert, so dass es einfach nett war, dieses Mal rechtsrheinisch flussabwärts zu düsen und die ganzen Burgen auf der richtigen Rheinseite bestaunen zu können. Dabei gab es endlich auch wieder etwas richtig Tolles auf die Ohren.

Vor der Pandemie war es für mich bereits ein Ritual, die eine oder andere Podcastfolge der „Hinterhofsänger“ im Zug auf dem Weg zum Auswärtsspiel zu hören. Mittlerweile gibt es in den Folgen immer illustrere Gäste, so auch zur westfälischen Doppelfolge „Dortmund/Bielefeld“ mit Alex Hack, einen Spieler aus dem Kader, der mit einer guten Portion Humor ausgestattet ist. Statt dieser völlig austauschbaren Interviews zehn Sekunden nach Abpfiff am Spielfeldrand, gab uns Alex viele ungefilterte Einblicke ins Team und nahm uns als Zuhörende mit in die Kabine. Die Kurzweiligkeit der Folge lag aber auch an den guten Fragen und der Nähe, die die Podcast-Hosts Felicitas und Jan, aufgebaut haben. So ließ sich ziemlich entspannt an einem „gestörten Bahnübergang“ (Original-Bahnansage) vorbeizuckeln, mit ein paar Minuten Verspätung in Köln eintrudeln und die Regionalbahn nach Rheydt erreichen.

Mit einer grandiosen Podcastfolge der Hinterhofsänger und dem Klapprand ging es an den Niederrhein.
Mit einer grandiosen Podcastfolge der Hinterhofsänger und dem Klapprand ging es an den Niederrhein.

02 (N)immer nuff:

Rheydt, wieso Rheydt? Die Stadt liegt südlich von Mönchengladbach relativ nah am Borussia-Park. Wie bei uns in Mainz gibt es sowohl von Rheydt als auch vom Gladbacher Hauptbahnhof Shuttle-Busse zum Stadion. Aus Vor-Pandemie-Zeiten wusste ich, dass die Dinger insbesondere nach Spielschluss komplett überfüllt waren. Darauf hatte ich aus nachvollziehbaren Gründen nicht sonderlich große Lust und kam auf die Idee, die „Elversberg-Strategie“ auf dieser Fahrt anzuwenden. Zu unserem Pokalauftritt im Saarland in dieser Saison nahm ich mein Klapprad mit, da Elversberg keinen Bahnanschluss hat und ich vom Neunkirchener Hauptbahnhof aus zum Stadion geradelt bin. Da es problemlos möglich ist, das zusammengeklappte Rad mit in den ICE zu nehmen, starte ich in Rheydt Hauptbahnhof die kurze Radtour zum Borussia Park. Der Weg zum 6 Kilometer entfernten Stadion war ausgeschildert und nach drei Stunden Sitzen und Podcasts hören war, es eine nette Abwechslung, mal eine halbe Stunde in die Pedale zu treten.

Mit dem Klapprad war es leicht, die Shuttle-Busse zu umgehen.
Mit dem Klapprad war es leicht, die Shuttle-Busse zu umgehen.

03 Kon-Trolle

Warum die Tickets im Vorverkauf personalisiert werden mussten, weiß ich nicht. Kontrolliert wurde das genauso wenig wie 3G, das vorher noch explizit angekündigt wurde. Die Realität sah schließlich so aus, wie vor etwas über zwei Jahren, als ich in Gladbach mein bisher letztes Auswärtsspiel mit einer kreativen Kurve in einem Gästeblock erleben durfte. Die Auswärtsfahrten in der zweiten Jahreshälfte 2021 waren so etwas wie ein Substitutionsprogramm für Auswärtssüchtige. Sie halfen nach der langen Zeit der Geisterspiele mit der Gesamtsituation besser umzugehen, waren aber weit von dem entfernt, was ich unter einer netten Auswärtsfahrt verstehe. Umso schöner, dass wir in Gladbach erstmals die Möglichkeit hatten, praktisch unter normalen Bedingungen die Mannschaft zu pushen.

Die günstigste Speise ist vegetarisch - damit wird die Saisonspende um einen Euro aufgerundet.
Die günstigste Speise ist vegetarisch – damit wird die Saisonspende um drei Euro aufgerundet.

04 Kampf um den Mampf

Ich kann mich noch an Gladbach-Fahrten erinnern, bei denen es Pfandbecher gab. Leider geht der Verein da aktuell den umgekehrten Weg von Mainz 05, das ja endlich wieder Pfandbecher im Stadion am Europakreisel eingeführt hat. In Gladbach gab es die Einwegbecher und sehr wenige Müllbehälter, um diese zu entsorgen. Wie es nach einem Spiel in einem vollen Gästeblock aussehen mag, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Vielleicht ist dieses Agieren aber auch einfach ehrlich. Dieses in die Irre führende Storytelling von kompostierbaren Bechern wird erst gar nicht versucht rüber zu bringen. Der gesamte Müll wird ungetrennt am Ende einfach verbrannt. Fertig aus. Das ist zwar nicht nachhaltig aber in Deutschland leider ja oft immer noch Standard. Wenn der Müll dann wenigstens nicht nach Süd-Ost-Asien exportiert wird, wie bisher leider üblich, sondern bei uns „entsorgt“ wird, dann laden wir unsere Probleme wenigstens nicht auf ärmere Länder ab, die unserem Abfall gegen Entgelt eine neue Heimat bieten.

Wenigstens konnte die Pandemie der Bierauswahl nichts anhaben. Es gab weiterhin die Wahl zwischen Pils aus Bitburg und Altbier der regionalen Brauerei Bolten. Die günstigsten Speisen (Pommes und Brezeln) waren vegetarisch und mit 2,50 € für die Fritten auch recht preiswert. Wahrscheinlich hatte Gladbach während der Pandemie statt Klopapier bereits Speiseöl gebunkert, um jetzt so günstig die frittierten Kartoffeln anbieten zu können. Leider waren aber die Ketchup- und Mayo-Selbstbedienungsanlangen abgebaut und man bekam die Saucen in der Plastik-Kleinstverpackung gereicht.

Einweg statt Mehrweg - gut dass diese Zeiten in Mainz vorbei sind.
Einweg statt Mehrweg – gut dass diese Zeiten in Mainz vorbei sind.

05 Käfighaltung

Dass nicht mehr als geschätzte 450 Nasen die recht kurze Distanz an einem Sonntagnachmittag auf sich nahmen und erstmals nach zwei Jahren die rot-weißen Jungs unterstützen, finde ich wirklich schade. Der Stehblock war groß genug, um Abstand zu halten, falls man das wollte. Wer Maske im Block tragen wollte, wurde nicht dumm angeguckt. Unten im Getümmel wurde meiner Meinung nach die Mannschaft gut unterstützt und ich konnte wirklich zum ersten Mal nach über zwei Jahren mal wieder für 90 Minuten abschalten von Pandemie und schrecklicher Kriegstreiberei. Gerade in der zweiten Halbzeit sprang der Funke von der Mannschaft auf den Block über und wieder zurück. Es war eigentlich fast wie früher – nur früher hätten wir uns vielleicht in der Nachspielzeit noch ein Tor gefangen. So wurde nachkicks von denjenigen die Bock hatten, der ruckzuck geleerte Borussia-Park noch mit Fangesängen beschallt – wie schon bei der Hinfahrt beim Podcast-Hören wahrlich eine Wohltat für die Ohren.

"Fußball lebt durch seine Fans" - endlich waren die Kurven wieder gut gefüllt.
„Fußball lebt durch seine Fans“ – endlich waren die Kurven wieder gut gefüllt.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 knüpft an alte Zeiten an, was wirklich gut getan hat.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Von der Fügung Nullfünfer:in zu sein

Wir schreiben den 23. Dezember 2021 – ein Tag, der für viele von uns immer mit der Auswärtsfahrt nach Sinsheim verbunden sein wird. Nicht wegen des Spielverlaufs, nicht wegen des Ergebnisses, sondern wegen der Geschehnisse im Gästeblock. Auch letztes Jahr blickte ich auf diesen Tag in einem Blogpost zurück und schrieb damals „der Gästeblock stimmte plötzlich den Klassiker von „Wham!“ an. Smartphones wurden hochgereckt, nicht um Bilder zu machen, sondern um dem Gesang einen passenden visuellen Rahmen zu geben. Es entstand eine ganz besondere, besinnliche Stimmung, die sicherlich viele der Auswärtsfahrer*innen mit zurück nach Mainz in die Weihnachtsfeiertage nahmen.“

Als ich diese Zeilen 2020 schrieb, war der allgemeine Gemütszustand eher semi gut. Ich formulierte damals „Sportlich gesehen läuft es bei Mainz 05 seit Beginn der Geisterspiele mehr schlecht als recht. Das ist ein gefundenes Fressen für die Internet-Fans bei Twitter und Facebook. Da spätestens seit November ohnehin alles was Spaß macht, verboten ist, lässt sich wunderbar von zu Hause aus dozieren, dass Mainz 05 stirbt, alle rauszuwerfen sind und sich die Spieler tatsächlich noch im Streik befänden.“ Und weiter „Mainz 05 spielt immer noch in der 1. Liga und steigt vielleicht im nächsten Jahr ab. Es gab schon andere Clubs, denen das passiert ist. Klar ist das eine suboptimale Aussicht, gerade auch weil Rouven Schröder hingeworfen hat. Aber wer sind wir? Und welche Messlatte legen wir an den Tag, wenn Brauseclaubs, Sinsheim-Scheichs und Konsorten immer mehr das Bild der Liga prägen? Eine Dauerkarte für Nullfünf in der 1. Liga? Und wie ergeht es einem Club auf Augenhöhe wie Freiburg? Der war auch schon zwischenzeitlich mal abgestiegen – und hat noch nicht mal Christian Streich gestrichen. Von Vereinen wie Darmstadt, Düsseldorf, Bielefeld mal ganz zu schweigen, die sogar bis in die 3. oder 4. Liga durchgereicht wurden und bekanntlich auch noch am Leben sind.“

„Last Christmas“ 2018 in Hoffenheim

Vor einem Jahr gab es noch keine Impfungen und Schnelltest für alle waren ein Fremdwort, Restaurants geschlossen und touristische Übernachtungen verboten. Man kann schon sagen, dass es damals ziemlich düster aussah – auch abseits des Platzes.

Heute, ein Jahr später, nahm der Verein diese Szenerie auf und ließ in der Stadt Plakate mit dem „neuen Trainer Bo“, einem Herzen in der Hand und „Last Christmas I gave you my heart“ aufhängen. Das Land legt gerade ein ziemliches Impftempo an den Tag, wir können uns, obgleich vielleicht sogar schon geboostert, trotzdem vor dem Familientreffen easy testen lassen, ins Restaurant gehen und im Hotel übernachten. Aber für uns vielleicht das größte Geschenk – wie letztes Jahr: Nullfünfer:in zu sein.

Wir können heute mit großer Dankbarkeit auf die Entwicklungen nach dem Pokalheimspiel gegen Bochum vor einem Jahr zurückblicken. Es gab so viel Positives, angefangen mit den Änderungen im sportlichen Verantwortungsbereich. An dieser Stelle trotzdem nochmals ein großes Dankeschön an Rouven Schröder, der ja weit über seine Funktion in den Monaten zuvor überall einspringen musste – diesen Job teilen sich jetzt mit Christian Heidel und Martin Schmidt gleich zwei Personen. In der Jahrestabelle steht der Verein mit 57 Punkten auf Platz 7. Mehr muss ich glaube ich dazu nicht schreiben, denn die sportliche Entwicklung ist allseits bereits gewürdigt worden.

Im Winter 2021 waren Stadionbesuche noch weit weg

„Aber die Spieler sind, egal welche Leistung sie bringen, doch nicht das Herz des Vereins, das dafür sorgt, dass der Verein lebt. Der Verein lebt durch seine Fans und Mitglieder*innen.“ schrieb ich am Ende meines Textes letztes Jahr. Unser Verein hat auch in diesem Jahr wieder gezeigt, wie lebendig er ist.

Am 28. März legitimierte die Mitgliederversammlung das Leitbild des Vereins. Ein großes Dankeschön an alle, die an dessen Ausarbeitung beteiligt waren. Dieses Leitbild wurde nicht von außen herangetragen, sondern sind das Ergebnis von Diskussionen der AG Identifikation der Fanabteilung. Es ist so etwas wie das „Grundgesetz“, auf dem wir uns alle innerhalb des Vereins bewegen.

Überhaupt die Fanabteilung – kurz nach dem Klassenerhalt wurde im Mai eine neu AG „Vereingeschichte“ gegründet. Und das obwohl wir ja gar keine Tradition haben!. Und es war die Fanabteilung, die direkt nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und Umgebung Sachspenden sammelte. Bis heute engagieren sich Leute aus dem Umfeld des Vereins dort und helfen beim Wiederaufbau – Respekt! Und „Das Gänsje packt mit an“ hieß es kurz darauf in den Sozialen Netzwerken nach dem Start der Initiative durch die Supporters Mainz. Insgesamt kamen über 26.000 Euro zusammen, die dem Mehrgenerationenhaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler im Herbst symbolisch übergeben wurden.

Im Frühjahr gab es plötzlich überall Schnelltest

Konnten wir den (Weg zum) Klassenerhalt auch nicht im Stadion feiern, gab es weitere Institutionen, die auch in Zeiten der Geisterspiele für uns immer da waren, das Fanprojekt zum Beispiel, das über Telefon, E-Mail, Video und Social Media sowie im persönlichen Einzelgespräch immer ein offenes Ohr für Hilfesuchende hatte.

Kaum zu glauben aber wahr, wir konnten ab August tatsächlich auch wieder ins Stadion gehen. Die Auswärtswart nach Elversberg war ein großes Wiedersehen mit vielen bekannten Nasen und den Fanbeteuer:innen, die sicherlich genauso erfreut waren, wie wir mitgereisten Fans, dass es wieder losgehen konnte.

Hatte ich vorher noch befürchtet, dass der Stadionbesuch einher gehen würde mit Stehplatzverbot und Sperrungen des Gästeblocks waren die tatsächlichen Bedingungen meiner Meinung nach absolut ok. Weniger ok waren die Schmähungen, die spätestens beim Hertha-Spiel echt peinlich wurden. Leider fehlt ohne organisierten Support da ein Korrektiv, das das nach ein paar Sekunden in Mainz immer unterbunden hat.

Das erste Spiel wieder im Gästeblock – 1. Runde DFB-Pokal im Sommer 2021

In der Stadt Gutenbergs wurde auch während der Geisterspiele fleißig in die Tasten gehauen. Es sind viele tolle neue Ausgaben von Fanzines in diesem Jahr herausgebracht worden. Chapeau! Und ein neues Mainz 05-Buch hat es auch in die Regel des Buchhandels geschafft. „Mainz 05 – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ von Wortpiratin Mara Pfeiffer, die jüngst vom Medium Magazin als Nummer 3 der Sportjournalist:innen des Jahres ausgezeichnet wurde. In der Begründung heißt es „Sie interessiert, wie der Sport mit anderen gesellschaftlichen Bereichen vernetzt ist. Dabei scheut sie sich auch nicht, den Finger in Wunden zu legen. So zum Beispiel bei den Recherchen zu patriarchalen Strukturen in Sportverbänden oder den Umgang mit LGBTQIA+-Personen.“ Eine verdiente Auszeichnung, wie ich meine.

Und natürlich gab es auch viel auf die Ohren, was wir den Podcast-Macher:innen der „Hinterhofsänger“ zu verdanken haben. Da ich keine Ahnung vom Spielgeschehen habe und mich lieber mit veganer Stadionwurst beschäftige, lasse ich mir nachkicks gerne von den dreien erklären, was, wieso, weshalb, warum so geschehen ist.

Tolle Fanzine-Ausgaben und ein neues 05-Buch sind in diesem Jahr auch erschienen.

Diese vielen Beispiele und viele Beispiele, die ich jetzt leider vergessen habe, zeigen, dass unser Verein lebt und gut gerüstet ins neue Jahr gehen kann. Natürlich sind die kurzfristigen Aussichten aufgrund der Pandemie nicht wirklich rosig. Mit dem Wissen im Hinterkopf, was wir alle in diesem Jahr mit unserem Verein erlebt haben, dürfen wir, denke ich, dennoch positiv auf 2022 blicken.

Es geht nicht um halbvolle oder leere Gläser. Es geht darum, dass wir gemeinsam erlebt haben, dass Mainz 05 vieles macht, nur nicht untergehen. Dieses Wissen sollte unsere Laune heben und uns das Gefühl vermitteln, welche Fügung es doch war, in diesem Jahr Nullfünfer:in zu sein. „Hoffen wir das Beste für das nächste Jahr, gesundheitlich, sportlich aber auch menschlich – Mainz 05 wird niemals untergehn – weil wir immer einen an der Waffel ham!“ waren die letzten Zeilen meines Blogposts letztes Jahr – das gilt auch für dieses Jahr!

Spätlese Frankfurt 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Zum letzten Spiel dieses besonderen Jahres, was Fußballspiele im Allgemeinen und Auswärtsfahrten im Besonderen angeht, die kürzeste Auswärtsfahrt in der Bundesliga anzutreten, ist natürlich angenehm. Allerdings waren Fahrten zur Diva am Main, besonders mit der S-Bahn, nicht immer ein großes Vergnügen. Die S8 war meist übervoll besetzt und die Fahrtzeit meist um die Hälfte länger als üblich, weil sich noch Leute reinquetschen wollten, obwohl es schon längt keinen Platz mehr gab. Das waren mitten in der Pandemie wirklich keine tollen Voraussetzungen. Doch durch die Reduzierung der maximalen Zuschauerzahl auf 15.000 ohne die Reduzierung der Frequenzen war die Bahnfahrt so angenehm wie nie.

Der beste Platz in der S-Bahn während der Pandemie: An der Tür, die auch geschlossen noch Luft durchlässt

Die Bahn war leerer als ein paar Tage zuvor, als ich sie mitten im Berufsverkehr nehmen musste. Alle Leute trugen Masken – auch über der Nase. Niemand umging das Gebot durch Essen oder Trinken. Um auf Nummer sicher zu gehen, stand ich direkt an den Eingangstüren, die nicht wirklich dichthalten. So war es angenehm zugig und der Luftaustausch, der ohnehin alle paar Minuten durch das Öffnen sämtlicher Türen stattfand, war auch während der Fahrt gegeben. Dass bei 15 Euro Eintrittsgebühr die Hin- und Rückfahrt im RMV enthalten war, die an sich bereits mehr als 10 Euro kostet, war die positive Krönung. Umgekehrt muss man sich allerdings fragen, warum eine Hin- und Rückfahrt mit der S-Bahn nach Frankfurt fast genauso viel kostet wie eine Fahrt mit dem Sparpreis mit der Bahn zum Beispiel nach Köln.  

02 (N)immer nuff:

An der S-Bahn-Station „Stadion“ angekommen, ein ähnliches Bild wie in der Bahn: Relativ leere Bahnsteige, Treppen und Unterführungen. Aber ein riesiges Polizeiaufgebot stand als Empfangskomando den wenigen Ankommenden Spalier. Man könnte meinen, die Cops hätten aktuell besseres zu tun, als im Frankfurter Stadtwald Fans beider Vereine beim Marsch zum Stadion zu beobachten. Auf Stress hatten allerdings weder Fans noch Cops Bock, so dass es problemlos weiter zum Stadion ging. Wo sich sonst Getränkestand an Getränkestand reihte, sah ich auf der gesamten Strecke drei vereinzelte Buden – ein ziemlich trostloses Bild und gleichzeitig Symbolbild für die Pandemie-Verlierer. Hoffen wir, dass die Veranstaltungsbranche das überleben wird.  

Die Cops sind da, die meisten Fans aber nicht.

03 Kon-Trolle

Wie mittlerweile üblich, wurde am Eingang zunächst der Impfausweis mit dem Perso verglichen und danach die eigentliche Kontrolle durchgeführt. Da genügend Personal vorhanden war und Eintracht-Fans die Möglichkeit hatten, ihre Gesundheitsdokumente vorab in einer App zu hochzuladen, ging das alles zügig über die Bühne – ohne zusätzlichen Müll zu produzieren. Gut, dass da die Lernkurve auch bei Mainz 05 im Laufe der Hinrunde anstieg, und die unsäglichen Bändchen der Vergangenheit angehören.

Mag die Pandemie auch die Gesellschaft komplett durchgewirbelt haben, es gibt Dinge, die sich im Waldstadion trotzdem nicht geändert haben: Die zweite Kontrolle vor Block 20 auf der Osttribüne zum Beispiel – mit Sicherheitspersonal, das mehr an einen Auslandseinsatz der Bundeswehr erinnerte als ein Fußballspiel unter Nachbar:innen. Es gibt natürlich Rituale, die einem in der Pandemie Halt geben – dieses gehört allerdings für mich weniger dazu.

Fantrennung zur schnelleren Kontrolle – links mit Registrierung in der App, rechts ohne Registrierung (auch aktuell nur 2G)

Wird man in anderen Stadien aufgefordert, sich vor der Kontrolle umzudrehen, geht es vor dem Gästeblock direkt zur Sache: Abstand zwischen beiden Nase vielleicht 10 Zentimeter– mit Maske zwar kein Problem, aber dennoch ein ziemlich überflüssiges und befremdliches Prozedere im Kontext der aktuellen Situation, zumal wir doch bei der SGE als peinliche Bonbonwerfer seit 1905 bekannt sind. Wozu also dieser martialisiche Mist liebe Nachbar:innen?  

04 Kampf um den Mampf

Wie kann sich ein Verein von der Masse abheben? Durch die gerade beschriebenen  Sicherheitskonzepte vielleicht, durch die fehlende Möglichkeit der Gratis-Nutzung des ÖPNVs wie es die Bayern immer machen und Bayer 04 in dieser Saison leider auch – ganz sicher – kommt aber beides eher semi gut an. Nein, sich von der Konkurrenz abheben, gelingt mit einem für die Region typischen Angebot an Speis und Trank. Und da ist die SGE schon weit vorne dabei mit ihrem heißen Äppler der Rödelheimer Firma Possmann, auf den Fraa Rauscher mit ihrer Bembel-Lotterie geschickt vorkicks hinweist. Bei Außentemperaturen gefühlt um den Gefrierpunkt herum, war der Apfelwein auch wesentlich leckerer als (noch) süße(re) Glühweine, die es im Winter ja in vielen Stadien gibt.  

Die vegane Wurstvariante war mit die teuerste Alternative.

Was den Mampf anbetrifft, macht mich die Preisgestaltung etwas ratlos. Zwei Wurstvarianten kosteten 3,60 Euro, zwei 3,80 Euro. Zusätzlich wurde auch eine vegane Variante angeboten, was natürlich sehr löblich ist. Diese kostete ebenfalls 3,80 Euro. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Knapp vier Euro für eine vegane Wurst im Stadion aufzurufen, ist vollkommen in Ordnung. Es geht um das Verhältnis zwischen einer „normalen“ Wurst und einer fleischlosen Alternative. Denn mit dieser Preisgestaltung wird eindeutig gezeigt, wieviel Tiere Ende 2021 in Deutschland wert sind – nichts… Wahrscheinlich sind die Einkaufspreise einfach weitergegeben worden. Das zeigt einmal mehr, dass Empathie gegenüber Tieren in unserer Gesellschaft im besten Fall Hund und Katz entgegengebracht wird, Schweinen, Hühnern und Kühen aber leider nicht. Letztere sind nur Lebensmittel auf Beinen. Trotzdem flossen drei Euro zusätzlich in die #Saisonspende, da es auch eine Brezel für 2,80 € gab. In ihrer Größe ähnelte sie der Ditschbretzel, war damit wirklich überteuert, aber gleichzeitig die günstigste angebotene Speise im Angebot.  

Die vegane Wurst war schmackhaft und lecker.

Funfact am Rande: In der Bankenstadt war Cash angesagt, es sei denn man hatte eine MasterCard. Andere Zahlungsmittel wurden nicht akzeptiert. Das ist mindestens so retro wie der Auftritt von Fraa Rauscher in Schürze und Kopftuch.

05 Käfighaltung

Ob es für das Wohl von Attila so gut ist, den armen Steinadler vorkicks an einer Kette durch das Stadion zu schleppen, sei dahingestellt. Angeblich stört sich das lebende Maskottchen nicht an der Kakophonie im Stadion. Wenigstens wurden dem Vogel nicht die Flügel gestutzt, denn er wollte mindestens einmal aus dem Stadion wegfliegen, was die Kette allerdings verhinderte. Ein lebendiges Tier als Maskottchen einzusetzen, das sein Leben in einer Volliere verbringt, ist schon fragwürdig. Steinadler möchten fliegen und nicht in einem Käfig bis zum nächsten Spieltag warten, ehe er wieder einmal angekettet durchs Stadionrund getragen wird.

Attila, der einzige ohne Maske am Samstagnachmittag

Er war aber das einzige Lebewesen, das sich am Samstagmittag ohne Maske im Stadion bewegte, schließlich herrschte wie bei uns eine Maskenpflicht am Platz. Das trübte die Stimmung zumindest am Anfang keineswegs. Obwohl es keinen organisierten Support gab, machten die 15.000 Leute schon ganz gut Lärm. Gegenseitiges Anprollen war relativ selten zu vernehmen – anders als das peinliche Runtermachen der Hertha ein paar Tage zuvor im heimischen Stadion. Leider fehlt durch den nicht vorhandenen organisierten Support aktuell ein Korrektiv, das so etwas nach ein paar Sekunden unterbindet. Hoffentlich ändert sich das im nächsten Jahr.

Bahnhofsromantik zum Abschluss der Auswärtsfahrten in 2021

Ich fürche allerdings eher, dass die Rückrunde mit Geisterspielen startet. Um so glücklicher schätze ich mich, in diesem Jahr und der Hinrunde wieder viele Spiele besuchen konnte und die Faszination Stadionbesuch mich mit ein wenig Hochgefühl durch die Pandemie trug.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 zeigt, dass Fraa Rauschers Output grundsolide lecker ist – Prost!

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour