Was bleibt von einem Stadionbesuch?

Die Digitalisierung des Stadionbesuchs schreitet immer weiter voran und wird mit Nachhaltigkeit begründet. Gleichzeitig schätzen viele Fans weiterhin Eintrittskarten aus Papier als Erinnerung an das besuchte Spiel. Einen möglichen Kompromiss stellt Christoph Kessel in seiner aktuellen Fan-Kolumne vor.   

Was bleibt von einem Stadionbesuch? Nach dem Spiel werden wir Fans auf unzähligen Kanälen in den sozialen Netzwerken mit Bildern, Videos und Berichten zum Spiel überschüttet. Dabei ist es allerdings unerheblich, ob wir im Stadion tatsächlich dabei gewesen sind. Blicken wir ein Jahrzehnt zurück, dann blieb uns damals immer eine mehr oder weniger schön gestaltete Eintrittskarte. „Der Fußball lebt durch seine Emotionen“ heißt es immer so schön. Das haptische Gefühl, eine Eintrittskarte in der Hand zu halten, ist für viele Stadionbesuchende durch nichts zu ersetzen. Daher besteht bei vielen Menschen, zumindest für besondere Spiele, der Wunsch nach Eintrittskarten aus Papier. Schließlich gibt es viele Leute, die ihre Eintrittskarten seit Jahrzehnten sammeln.

Digitalisierung ist für den Verein Mainz 05 laut gerade publiziertem Nachhaltigkeitsbericht besonders relevant. Folglich ist es aus Vereinssicht ein logischer Schritt, das Ticket auf digitale Lösungen umzustellen. Werden Tickets aus Recyclingpapier hergestellt, werden durchschnittlich 78 % Wasser, 68 % Energie und 15 % CO2-Emissionen im Vergleich zu Frischfaserpapier eingespart. Der weltweite Anteil des Internets an den globalen CO₂-Äquivalenten wird auf ungefähr 4 % geschätzt, was grob der Menge des internationalen Flugverkehrs entspricht. Daher zieht das Argument, dass die Digitalisierung des Stadionerlebnisses besonders nachhaltig ist, nicht wirklich. Trotzdem wird Nachhaltigkeit als Totschlagargument genutzt, um auf Papier zu verzichten. Würde der Verein Nachhaltigkeit beim Stadionerlebnis an anderen Stellen konsequent als ausschlaggebendes Kriterium einsetzen, dürfte es keine Einwegkartons für Wasser geben und das Catering wäre vegan. Gerade beim letzten Punkt pocht der Verein zu Recht darauf, Menschen beim Thema Nachhaltigkeit mitnehmen zu wollen. Daher wäre ein Blick nach Dortmund sinnvoll. In der BVB-Fanwelt gibt es die Möglichkeit, an einem Automaten ein Erinnerungsticket für 2 Euro erstellen zu lassen. Das wäre doch ein Kompromiss. Bis dieser gegebenenfalls realisiert wird, gilt ein großer Dank den aktiven Fans, die für die Europapokal-Heimspiele solche Tickets gratis anbieten. Oder man besucht zum Beispiel Spiele  der Mainz-05-Frauen, bei denen es am Bruchweg und auswärts immer noch „wirkliche“ Eintrittskarten gibt.

Dem Populismus die rote Karte zeigen

Die Debatte der Innenminister:innen zur Sicherheit in deutschen Fußballstadien ist an Populismus kaum zu überbieten und zeichnet ein Bild fernab der Realität, findet Sebastian Schneider.

Liest man die jüngsten Nachrichten rund um die Anfang Dezember anstehende Innenministerkonferenz, könnte man sofort glauben, der deutsche Profifußball sei zurück in den 80iger Jahren. Zahlreiche Innenminister:innen treten in die Öffentlichkeit und reden über die Verhältnisse in und um deutsche Fußballstadien, als geschehe dort Woche für Woche die nächste Apokalypse. Warum eine komplett unnötige Sicherheitsdebatte in Gang gesetzt wird, bleibt unklar. Vermutlich lässt sich dieses Thema besser durch den deutschen Boulevard jagen, als die eigentlichen Probleme in den Bundesländern.

Als regelmäßige Stadionbesucher:innen fragt man sich, welche Auswirkungen die Inhalte dieser Debatte haben werden und welche Spiele sich die Innenminister:innen ansehen, um zu einer solch weltfremden Einschätzung zu gelangen. Besonders spannend ist dabei der Blick auf die Statistiken. Vor allem die eigens von der “Zentrale Informationsstelle Sport” (ZIS) vorgelegten Jahresberichte unterstreichen, dass die Anzahl an Straftaten und Verletzten im Kontext des Profifußballs seit Jahren rückläufig ist.

Daher wirken die von den Innenminister:innen in der “Bund-Länder-offene-Arbeitsgruppe” (BLAG) geplanten weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen grotesk. Eine zentralisierte Vergabe von Stadionverboten, personalisierte Tickets, KI-Gesichtsscanner an den Eingängen usw. sind Maßnahmen, die Stadionbesucher pauschal kriminalisieren, gängeln und ein Problem lösen wollen, das es nicht gibt. Dass diese bisher an die Öffentlichkeit gelangten Vorhaben allein auf das Thema Stadion abzielen, entlarvt den Populismus dieser Debatte. Risiken auf der An- oder Abreise werden offensichtlich ignoriert. Bei vielen Fans sorgten daher auch die Äußerungen von Innenminister Michael Ebling für Unverständnis. Stadionverbotsverfahren in Mainz laufen professionell und akribisch ab, keinesfalls zu harmlos.

Selbstverständlich ist nichts zu beschönigen, wenn sich Vorfälle ereignen, wie jüngst im Vorfeld des Auswärtsspiels gegen Eintracht Frankfurt am Mainzer Hauptbahnhof. Klar ist aber auch, dass rund um Großveranstaltungen dieser Art nicht alles harmonisch verläuft. Es ist aber niemandem geholfen, wenn mit solchen, singulären Ereignissen bundesweit pauschale Maßnahmen begründet werden, die für Millionen von Fußballfans massive Einschränkungen bedeuten. Da sollte es auch niemanden wundern, dass sich die Fans bundesweit solidarisieren und Demonstrationen wie am vergangenen Wochenende in Leipzig stattfinden.

Statt hinter verschlossenen Türen über Fußballfans zu reden und sich unter dem Vorwand der Sicherheit neue Einschränkungen der Fankultur auszudenken, sind alle Politiker:innen dazu aufgerufen, den Dialog mit den Betroffenen zu suchen. Auch die Proficlubs sollten versuchen, auf die Politiker:innen einzuwirken. Denn nur in einem offenen Dialog auf Augenhöhe können sinnvolle Ergebnisse erzielt werden, nur so kann die einmalige Fankultur bewahrt werden.

Per aspera ad astra

Alex Schulz hat in seiner aktuellen Fankolumne die Durchhalteparolen noch nicht satt und den Glauben an die Gemeinschaft nicht aufgegeben.

Dieser Tage ist es nicht leicht ein 05ER zu sein. OK, der vergangene Donnerstag bildet da definitiv eine Ausnahme. Das erlösende 2:1 durch Lee auf den letzten Drücker setzte alle aufgestauten Emotionen frei, die man in der Bundesliga nicht loswerden konnte. Und dennoch täuschen die 9 Punkte aus 3 Spielen deutlich darüber hinweg, dass auch diese Spiele mehr Krampf als Galavorstellungen waren. Da Fußball aber Ergebnissport ist, muss uns das nicht jucken und wir haben das Ticket zumindest für die Zwischenrunde vor Augen.

Wer diese europäischen Erlebnisse nicht zu schätzen weiß, sollte sich selbst fragen, ob er in den letzten 5 Jahren nicht gelegentlich mal über die geringen Ansprüche von Mainz 05 und die langweiligen Saisons im Mittelfeld gemeckert hatte.

Wenn wir als Verein wachsen wollen, braucht es eben solche Highlights. Und dennoch muss selbstverständlich das Kerngeschäft laufen. Aber über die sportliche Situation wird sich an so vielen Stellen ausgelassen und jeder ist ein besserer Trainer oder Manager als die, die aktuell in der Verantwortung stehen. Daher gilt mein Blick doch eher dem Umfeld.

Für die Fanlandschaft ist der aktuelle Saisonverlauf sehr ernüchternd. Der Hype, den man noch zu Beginn der Saison spürte, ist langsam verflogen. Nun beginnen der steinige Weg und die harte Arbeit! Es muss gelingen, die Fans, die man durch ein begeisterndes Jahr anlocken konnte, auch ergebnisunabhängig zu binden. In Frankfurt gab es noch zahlreiche Tickets im Gästesektor und auch die Nachfrage bei Heimspielen ist eher schleppend.

Dabei hat uns gerade der unbändige Rückhalt in den letzten 2 Jahren erst die Klasse gesichert und dann nach Europa geführt. Erlebnisse, die man so nicht mit jedem Club haben kann.

Doch wie bekommen wir das vermittelt? Ein Klassenerhalt oder eine erfolgreiche Saison sind eben diese positiven Erlebnisse, die derzeit leider ausbleiben. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Letztlich hilft wohl nur Augen zu und durch! Volle Energie von möglichst vollen Rängen. Und schauen, dass man dem angeschlagenen und dennoch kämpfenden Team ein Rückhalt ist. Eine Durchhalteparole? Vielleicht?! Bis zur Winterpause sind noch einige Punkte zu vergeben. International haben wir das sonst fehlende Matchglück. Genau mit dem vorhandenen Team und seinen Trainern. Warum sollten wir es uns nicht auch in der Liga zurückerarbeiten können? Vielleicht schaffen wir es tatsächlich, über Werte wie Gemeinschaft und Zusammenhalt zu wachsen und nochmals den Bock umzustoßen. Und im Mai dann nach dem Klassenerhalt in der Liga gemeinsam in Leipzig ein besonderes Erlebnis zu feiern. Niemals aufgeben steht Mainz 05 gut zu Gesicht egal wie beschwerlich der Weg auch sein mag. Ich möchte einfach weiter daran glauben, dass die Jungs, die uns die letzten 2 Jahre begeistert haben, auch in dieser schweren Zeit den entsprechenden Rückhalt und so doch noch die Kurve bekommen. Und hoffe darauf, dass möglichst viele Fans diesen steinigen Weg mitgehen. Wir 05ER sind schließlich mehr Kummer gewohnt.