Spätlese Trondheim Saison 2025/2026

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

Unterwegs in Sachen Internationaler Fußballsportverein

01 Hin und weg:

Dem Stadtfest sei Dank, fängt auch die Auswärtsfahrt nach Trondheim nicht in Mainz an, sondern in Dresden. Da ich donnerstags vorher in Berlin geschäftlich unterwegs war (bin halt noch kein Profifan) und ich das Wochenende in der Hauptstadt verbrachte, bevor ich montags nach Dresden zum Pokalspiel fuhr, startete die Auswärtsfahrt für mich bereits eine Woche vor dem Anpfiff zur Europa Conference Qualifikation. Da ich donnerstagsmorgens aufbrach, wusste ich noch nicht, wohin mich diese Auswärtsfahrt führen würde – nach Stockholm oder nach Trondheim? Dass es nach Trondheim ging, erfuhr ich während meiner geschäftlichen Abendveranstaltung. Den Rest des Donnerstagabend und frühen Freitagmorgen verbrachte ich dann mit der Planung der Reise.

Zwischenstopp am Dienstagabend in Hamburg

Schließlich hatte mir die Kurzfristigkeit der Planung die Tage zuvor schon schlaflose Nächte bereitet. Irgendwann kam dann die Idee mit Interrail auf – zumal es bei diesem europäischen Zugticket egal ist, wann man die Züge bucht, da man grundsätzlich erstmal nur die Anzahl der Tage festlegen muss, wann man das Ticket nutzen möchte. Vor 23 Jahren, auf meiner einjährigen Weltreise von Mainz Hbf. zum Römischen Theater (ohne durch den Tunnel zu müssen – dafür über die Fidschi-Inseln) nutzte ich schon einmal das Interrail-Ticket von Mainz bis Inverness in Schottland. Damals musste ich noch ein Papierticket mitschleppen. Heute geht es viel komfortabler:

  1. Auf der Interrail-Seite https://www.interrail.eu/ wählte ich das passende Ticket für mich aus. Da ich wusste, dass ich nicht komplett mit dem Zug fahren würde, passte für mich der kürzeste Flexi-Pass mit 4 Tagen innerhalb von 1 Monat. Für Jugendliche bis 27 Jahre ist das bereits für 212 Euro (269 Euro 1. Klasse) zu haben. Für Erwachsene (28-59) kostet es 283 Euro (359 Euro), für Leute, die 60 und älter sind 255 Euro (323 Euro).
  2. Anschließend lud ich mir die Rail Planner-App herunter. In dieser konnte ich mein Interrail-Ticket speichern und mit Hilfe des Planers die Reise mir zusammenstricken. Anders als ganz früher, als es nur 50 % Rabatt auf Strecken im Wohnsitzland gibt, ist jetzt die Abfahrt aus dem Wohnsitzland und die Rückfahrt innerhalb des Wohnsitzlands gratis.
  3. Da ich mit Nachtzügen reisen wollte, für die eine Reservierungspflicht besteht, buchte ich noch donnertagsabends die entsprechenden Schlaf- und Liegewagen.

Und so rollte ich am Dienstagmittag von Dresden los – lustigerweise in einem ICE, der über Mainz nach Wiesbaden fuhr. Da die AZ ein paar Fans fragte, wie sie nach Trondheim anreisten, quatschte ich hinter Dresden mit einem Journalisten über die anstehende Reise – was mir rund 30 Stunden später die Nacht retten sollte. Doch dazu später mehr.

Im Liegewagen sollte es in 13 Stunden von Hamburg nach Stockholm gehen

In Hamburg angekommen hatte ich genügend Zeit, mal wieder an der Alster spazieren zu gehen. Das ist ja das Schöne an Auswärtsfahrten mit dem Zug – gerade wenn es international wird: Man bringt die entsprechende Zeit mit und hat die Möglichkeit, unterwegs neue (und alte Städte) kennenzulernen. Am Ende wurden es neben Hamburg je zwei Städte in Schweden und Norwegen – je zwei neue und zwei, die ich schon kannte.

Eigentlich sollte mein Nachtzug der nationalen schwedischen Bahngesellschaft mit knapp zwei Stunden Verspätung aus Berlin kommend in Hamburg eintreffen. Doch plötzlich wurde der Zug wieder als pünktlich in der DB App angezeigt. Gut, dass ich mich nicht zu weit vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt hatte, denn der Zug kam tatsächlich nur mit ein paar Minuten Verspätung an. Wie er die rund 90 Minuten Verspätung, die er bei der Abfahrt in Berlin angeblich hatte, wieder aufholte, werde ich wohl nie erfahren. Ich war ziemlich froh, dass ich um kurz nach 22 Uhr den Liegewagen betreten durfte. Dort waren schon ein paar andere Reisende am Schlafen und so räumte ich nur kurz mein Gepäck ein und döste relativ schnell beim Rattern auf den Schienen ein und verließ Deutschland im Schlaf.

Der Blick für mehrere Stunden aus dem Liegewagen, der zum „Gefängnis“ wurde

Ich hatte die Nacht vergleichsweise gut geschlafen, obwohl ich bei 1,93 Metern Körperlänge im schwedischen Liegewagen Probleme hatte, mich auszustrecken. Es klappte relativ gut in der Diagonalen. Allerdings wurde ich nachts immer wieder wach und wunderte mich, warum wir mehrmals sehr lange hielten. Gegen 8 Uhr schaute ich auf Google Maps nach, wo wir gerade standen und traute meinen Augen nicht. Eigentlich hätten wir schon in Schweden sein müssen – saßen aber gerade mit einem Lokschaden kurz vor Kopenhagen fest. Wenigstens gab es gratis Kaffee und einen veganen Riegel. Gegen 9 Uhr wurde die Ansage gemacht, dass eine Ersatzlok aus Malmö in Schweden auf dem Weg sei. Diese würde zirka 45 Minuten brauchen, um unseren Zug zu erreichen.

Ich kalkulierte schon mal meine Weiterreise durch. Eigentlich hätte ich um 11 Uhr in Stockholm ankommen sollen. Die Weiterfahrt an die schwedisch-norwegische Grenze war für 22 Uhr geplant. Ich hatte also einen Puffer von 11 Stunden, der aber so langsam irgendwo in Dänemark dahinschmolz. Gegen 11 Uhr war dann tatsächlich die Lok vor die kaputte Lok gespannt worden. Es ging im Schneckentempo vielleicht 500 Meter weiter. Dann stoppte auch diese Lok und der Strom war plötzlich auch weg. Das Ärgerliche an der Situation war, dass wir vorher in einem Bahnhof standen – allerdings auf einem Mittelgleis ohne Bahnsteig. Daher konnten wir nicht einfach aussteigen, da links und rechts Züge an uns vorbei fuhren.

Mit dem Hochgeschwindigkeitszug von Malmö nach Stockholm

Ich kam mir spätestens als wir nun mitten in der Pampa wieder hielten, wie in einem Gefängnis vor. Es gab nichts zu essen und zu trinken, außer dem TetraPak-Wasser, das in den Abteilen vor der Abfahrt bereitgestellt wurde. Der Schaffner wusste mittlerweile auch nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Er meinte, die zweite Lok sei auch defekt. Man würde allerdings Tests machen und hoffen, dass man den Zug in den Hauptbahnhof von Kopenhagen schleppen könnte. Wann das geschehen würde, wüsste er allerdings nicht.

Ich war mittlerweile ziemlich deprimiert und gab so langsam die Hoffnung auf, dass das noch klappen wird mit dem Anschluss in Stockholm – von meinen 11 Stunden Puffer war bereits weit mehr als die Hälfte aufgebraucht. Plötzlich rollten wir wie von Geisterhand wieder los – Strom gab es im Abteil immer noch nicht. Der Zug wurde sogar schneller als vorher und wir erreichten in der Mittagszeit schließlich den Kopenhagener Hauptbahnhof. Der Schaffner machte die Ansage, dass der Zug nach kurzem Aufenthalt nach Malmö in Schweden weiterfahren würde und dort dann Busse für die Fahrt nach Stockholm bereitstehen würden.

Ankunft im Stockholmer Hauptbahnhof

Dank meines Interrail-Tickets lehnte ich dieses Angebot dankend ab und trug in der Rail Planner App einen Regionalzug Kopenhagen – Malmö ein, der alle 15 Minuten fuhr und für den ich keine Reservierung brauchte. Komplizierter wurde es auf der Strecke Malmö – Stockholm, da in Schweden für Züge des Fernverkehrs eine Reservierungspflicht besteht. Der nächste Zug war ausgebucht, so dass ich mir einen Platz für den Zug eine Stunde später buchen musste.

Wenn nun alles klappen würde, hätte ich in Stockholm noch zwei Stunden Puffer gehabt, um meinen Nachtzug zu bekommen. Es durfte also nichts mehr schief gehen. Und es ging tastsächlich auch nichts mehr schief, so dass ich zwei Stunden Zeit hatte, die schwedische Hauptstadt während der blauen Stunde zu besuchen.

Kurze Visite von Stockholm

Eigentlich hatte ich vor, die elf Stunden Aufenthalt für einen Besuch der 3Arena, in der Hammarby seine Heimspiele bestreitet, zu nutzen. Dass es mit dem Stadionbesuch nichts wurde, konnte ich am Ende verschmerzen.

Vielmehr machte ich mir Sorgen wegen der Weiterfahrt. Wenn nun auf der anstehenden Nachtfahrt nach Storlien an der schwedisch-norwegischen Grenze wieder eine große Verspätung aufgebaut werden würde, hätte ich wieder ein Problem. Schließlich fährt der Anschlusszug nach Trondheim nur zweimal am Tag und ich hatte in Storlien planmäßig nur 35 Minuten Aufenthalt. Diesmal war der Puffer also sehr klein.

Antiquiertes Abteil im Nachtzug von Stockholm an die schwedisch-norwegische Grenze

Ich saß im Wartesaal des Stockholmer Hauptbahnhofs und bekam über Instagram eine Nachricht. Ein User las in der AZ, dass ich geplant hatte, von Dresden nach Trondheim mit dem Zug zu fahren. Dem Journalisten hatte ich auch vom knappen Anschluss in Storlien berichtet. Niklas, ebenfalls 05-Fan, war mit seiner Freundin auch mit dem Zug unterwegs – aber nur bis Östersund kurz vor Storlien. Dort hatten sich die beiden tags zuvor ein Auto gemietet, um ein bisschen flexibler im schwedisch-norwegischen Grenzgebiet unterwegs zu sein. Er bot mir an, falls der Zug verspätet sei, mich gegebenenfalls am Bahnhof in Storlien abzuholen und mit nach Trondheim zu nehmen.

Was für ein Game Changer! So konnte ich recht unbeschwert in den privaten Nachtzug von Snälltåget steigen und es mir in meinem Abteil bequem machen. Es handelte sich um einen Abteilwagen, der sicherlich noch vor der Wende gebaut wurde – mit viel Holzvertäfelung und jeweils sechs Sitzen in einem Abteil. Die Sitze ließen sich nach vorne ziehen. Da ich das Abteil für mich alleine hatte, konnte ich quer auf den Sitzen liegen und hatte diesmal überhaupt keine Probleme mit meiner Körperlänge.

Fahrt durch die Traumkulisse Mittelschwedens

Im Morgengrauen hielt der Zug schon wieder recht lange und mein Puls schoss in die Höhe. Haben wir wieder einen Lokschaden? Diesmal hielt der Zug wenigstens am Gleis in einem Bahnhof. Es war 5.30 Uhr, die Sonne kam gerade über die Hügel und ich schaute natürlich sofort auf Google Maps – und konnte wieder meinen Augen kaum trauen. Doch diesmal unter umgekehrten Vorzeichen: Wir waren bereits in Östersund, wo wir planmäßig erst um 6 Uhr hätten ankommen sollen. Wir hatten also 30 Minuten Verfrühung.

Hinter Östersund war an Schlaf nicht mehr zu denken – weil die Landschaft einfach faszinierend schön war. Es gab Strom, Internet und so konnte ich bis zum vorbestellten veganen Frühstück im Zugrestaurant ein wenig arbeiten. Zugfahren kann auch echt entspannend sein.

Zugfrühstück kurz vor Norwegen

Ich blieb mit Niklas in Kontakt. Es gab zwar nochmal eine Schrecksekunde als der Zug kurz vor Storlien auf offener Strecke hielt und gerade dort die Bahnlinie durch unwegsames Gelände und nicht parallel zur Straße führte. Aber zur Not wäre ich auf dem Gleis die vier Kilometer nach Storlien gewandert. Das musste ich dann allerdings nicht, denn ein paar Minuten später ging die Zugfahrt weiter und wir erreichten pünktlich den Grenzbahnhof.

Dort gab es quasi…nichts – vorallem keine Taxis, die man hätte nehmen können, um nach Trondheim zu fahren. Hätte ich den Zug verpasst, hätte ich entweder trampen müssen oder 25 Kilometer nach Norwegen ins nächste Dorf wandern dürfen. Von dort wäre nachmittags ein Bus gefahren, der mich nach Trondheim gebracht hätte. So aber konnte ich den norwegischen Zug besteigen, der kurze Zeit später aus Trondheim kommend hier quasi wendete und mich am späten Donnerstagmorgen zum Spielort der 05er brachte. Nach 47 Stunden Reise, 9 Stunden Verspätung zwischendrin, zwei Lokschäden und zwei Nächten im Zug hatte ich das Ziel der Reise erreicht – Mainz 05 International, halt!

Das letzte Umsteigen vor Trondheim

02 (N)immer nuff:

In Trondheim angekommen, stellte sich das nächste und übernächste Problem.

1. Wohin mit dem Gepäck?
Wie in Deutschland gibt es in Norwegen auch Schließfächer im Bahnhof. Da aber gerade irgendein Stadtfest war (mal wieder – Spiel wurde aber nicht verlegt), erfreuten sich die Schließfächer großer Beliebtheit und waren fast alle belegt. Ich wollte das Risiko nicht eingehen, dass kurz vor Anpfiff alle Fächer belegt sind und lagerte meine Sachen teilweise schon ein. Den Laptop benötigte ich allerdings noch, so dass ich später das Schließfach nochmal öffnen und nochmal zahlen musste. Am Ende kostete mich die Schließfach-Geschichte so viel, wie das vegane Mittagsbüffet – das eine war mit 18 Euro sehr günstig, das andere mit 18 Euro ziemlich teuer 😉 Übrigens musste ich weder in Schweden noch in Norwegen Geld abheben – ich konnte alles per Karte bezahlen…selbst das Schließfach oder das WC. Kartennutzungs-Mimimi ist in Skandinavien ein Fremdwort.

2. Bekomme ich mein ausgedrucktes Ticket?
Anders als in Dresden, wo das Ticket im Mobiltelefon gespeichert werden konnte, sollte dieses Print@Home-Ticket ausgedruckt mitgenommen werden. Dumm nur, dass ich ja seit Donnerstag unterwegs war und freitags nur das Ticket bestellt werden konnte. Das Ticket selbst wurde erst per Email zugestellt, als ich dienstags bereits im Zug von Dresden nach Hamburg saß. Mein Ticket wurde per WhatsApp aus dem Zug nach Mainz geschickt. Dort wurde es ausgedruckt und mit in den Flieger via Oslo nach Trondheim gebracht. Der Kurierservice funzte am Ende ebenfalls problemlos – danke Max und Alex!

Ankunft in Trondheim

03 Kon-Trolle

Der Marsch zum Stadion bot verschiedene Regenvariationen an – mal Nieselregen, mal Starkregen – aber der Mob ließ sich die Vorfreude auf das erste internationale Auswärtspflichtspiel nach 9 Jahren nicht nehmen und zog euphorisch zum Lerkendal-Stadion von Rosenborg Trondheim. Die Security, die teilweise aus Mitarbeiterinnen bestand, die auch Männer checkten, war komplett entspannt und extrem freundlich. Da könnten sich einige Mitarbeitende in manchem deutschen Stadion eine Portion Freundlichkeit abschneiden.

Die Skyline von Trondheim

04 Kampf um den Mampf

Da ich mich mittags ziemlich voll gefuttert hatte, machte ich um das Catering einen großen Bogen – zumal es nur Einweggebinde gab, für die im Stadionumlauf dann Mülleimer getrennt nach verschiedenen Wertstoffen standen. Auf die Idee, Mehrweg einzusetzen ist man hier noch nicht gekommen – nein, Deutschland ist nicht in allem komplett rückständig.

Ankunft am Lerkendal-Stadion

05 Käfighaltung

Es war schon bizarr, dass sich der Gästeblock über die gesamte Hintertortribüne erstreckte und es überhaupt keine Fangnetze gab. So nah ist man dem Spielfeld in Deutschland nur noch selten. Die Stimmung war extrem gut – die Sicht manchmal nicht so gut. Es gab dann doch sehr viel Rauchschwaden zu vermelden. Gut, dass ich noch ein paar FFP2-Masken dabei hatte – alle in weiß hat es ja gehießen und so war das mit der Maske optisch sogar perfektioniert worden 😉 Natürlich war das Gegentor in der 90. Minute ein Dämpfer. Aber irgendwie auch nicht. Man hatte schon eine gewisse Portion Optimismus (die bei mir im Laufe der Woche zwar immer weniger wurde). Die meisten Fans waren aber ohnehin von dieser Auswärtsfahrt komplett geflasht – egal ob sie mit dem Fanflieger kamen, mit der Kombi aus Flug und E-Auto oder halt mit dem Zug. Dadurch, dass das Team 7 Tage später das Ruder rumriss, wird diese Auswärtsfahrt noch unvergesslicher für alle bleiben, die dabei waren! Alles für den internationalen Fußballsportverein!

 

Der Gästeblock im Lerkendal-Stadion

Fazit: Der Jahrgang 2025/2026 zeigt, dass es richtige wilde internationale Auswärtsfahrten geben kann.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

PS: Die Details der Auswärtsfahrt aus der Rail Planner-App

Die Fahrt von Dresden nach Trondheim und weiter nach Göteborg
Die Statistik ist etwas verfälscht, da zwischen Kopenhagen und Stockholm neue Tickets gebucht werden mussten.