Spätlese Augsburg Jahrgang 2018/19 Pokaledition

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Pokalspiele sind für mich oft die Saisonhöhepunkte schlechthin, da es ab und zu, besonders in der ersten Runde, neue Gästeblöcke zu betreten gibt, wie bspw. das alte Poststadion in Berlin beim Berliner AK vor rund 10 Jahren. Wenn es schon keinen neuen Ground gibt, dann war in der Vergangenheit wenigstens mal der Gegner neu, wie damals beim Spiel gegen Rossbach-Verscheid. Ich denke immer noch gerne an die grandiose Supporters-Schifffahrt den Rhein hinab zum Oberwerth zurück. Aue dieses Jahr war gefühlt ein neues Stadion, das ich zwar 2008 in der zweiten Liga bereits mitnahm, aber mittlerweile hatte dieses wenig mit dem alten Erzgebirgstadion zu tun, so dass das wenigstens ein kleine Neuerung war. Nun also Augsburg, wo wir mittlerweile jahrein jahraus in der Bundesliga zu Gast sein dürfen. Was also sollte da noch besonders sein? Zum Glück gibt’s ja die Deutsche Bahn, mit der es bekanntlich nie langweilig wird. Das liegt auch oft an den zahlreichen Baustellen, die es landauf landab in der ganzen Republik gibt. Aktuell in Ulm, so dass der Zug zwischen Stuttgart und Augsburg über Aalen und Donauwörth umgeleitet wurde. Und hinter Aalen war dann tatsächlich auch für mich in dieser Pokalsaison Neuland abzufahren. Gerade die Rückfahrt am Mittwochmorgen vorbei an nebelverhangenen Flüsschen über Alb-Hochflächen im ersten Licht der Sonnenstrahlen bestätigten mich mal wieder, dass der Herbst für Fotografen einfach die schönste Jahreszeit ist und wir in einem richtig hübschen Land dem Ball hinterherfahren.

Bahnfahren im Herbst durch Schwaben
Bahnfahren im Herbst durch Schwaben

02 (N)immer nuff:

Die letzten Meter sind bekanntlich oft die schwersten. Drei Stunden vor Anpfiff angekommen, machte ich den Anfängerfehler und trödelte in der schönen Stadt herum, wohlwissend, dass der Straßenbahnpendelverkehr in Augsburg wunderbar funktioniert. Ich hätte nie geglaubt, dass ich vorkicks noch ein Novum auf dieser Auswärtsfahrt erleben würde. Aber auf Auswärtsspielen kommt es ja oft anders als man denkt. Am Hauptbahnhof hieß es plötzlich, dass aufgrund eines Polizeieinsatzes die Bahnen zunächst gar nicht mehr fuhren und später nur noch bis zum Messegelände, das grob gesagt der Entfernung der Messe Mainz zum Stadion am Europakreisel entspricht. Angeblich hätten Ultras des FCA Pyro in der Straßenbahn gezündet. Nach Angaben der Augsburger Fanhilfe war das eine Halbwahrheit, denn es wurde nach deren Aussage während eines Fanmarsches der Fuggerstädter ein Feuerwerkskörper in die Nähe einer Straßenbahn geworfen. Rauchschwaden zogen daraufhin in die Bahn hinein. Dabei wurde ein Polizeibeamter verletzt. Weiterhin erklärt die Augsburger Fanhilfe, dass danach der Straßenbahnverkehr aufgrund des erwähnten Polizeieinsatzes teilweise eingestellt wurde, um Personenkontrollen durchzuführen. 75 Minuten vor Spielbeginn war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, zum Anpfiff im Stadion zu sein. Seit Jahren fahre ich inkognito auswärts, also ohne Nullfünfklamotten sichtbar zu tragen. So sprachen mich zwei Augsburger an der Haltestelle an, ob wir uns ein Taxi teilen wollten. Eine ältere Dame bestärkte uns in der Entscheidung fürs Taxi, da sie meinte, es würde höchstens 20 Euro kosten. Ruckzuck hatten wir noch einen vierten Fan gefunden und schon erklärten wir dem Taxifahrer, dass wir „zum Stadion“ wollten. Mein Orientierungssinn sagte mir recht schnell, dass hier etwas nicht stimmte. Zum Glück sagte auch der eine Augsburger plötzlich zum Fahrer „Sie wissen schon, dass wir zum Fußball wollen?“. Der Taxifahrer schreckte zusammen und meinte „Wie? Nicht Eishockey?“. Ein großes Raunen im Auto und unser Fahrer wechselte im Handumdrehen mal schnell die Spur. Danach sprach der Fahrer entschuldigend aus „Fußball ist doch in der Arena!“. Arena! Argh… Danke für nichts, moderner Fußball 😉 Aber Augsburg ist ja nicht Berlin und somit erreichten wir noch lange vor dem Anpfiff das Schwabenstadion.

Die Jedi-Schwert-Arena zu Augsburg
Die Jedi-Schwert-Arena zu Augsburg

03 Kon-Trolle

Das Glasflaschenverbot rund ums Stadion kennt ja mittlerweile jeder, der schon mal im Schwabenstadion zu Gast war. Dass man aber seine Bierdose noch nicht mal bis zum Gästeblock mitnehmen durfte und bereits 200 Meter vor dem Block diesbezüglich kontrolliert wurde, ist einfach pure Schikane. Welchen Sinn macht es, die Dose schnell auszutrinken, um dann in Richtung Gästeblock weiterzulaufen? Dort dann die nächste Überraschung für meinen Mitfahrer im Taxi: Dieser ist 05-Fan aus München, (weil der Papa aus Mainz stammt – sehr löblich), und er wollte bargeldlos eine Karte für das Spiel erstehen. Debit- oder Kredit-Karten haben im Schwabenstadion noch nicht Einzug gehalten. Damit er das Spiel sehen konnte, streckte ich ihm die Kohle vor und weiter ging es zur eigentlichen Kontrolle. Diese verlief recht unspektakulär, bis auf die Tatsache, dass ich meine Kamera abgeben sollte. Bereits seit zehn Jahren fotografiere ich nicht mehr mit einer Kamera mit Wechselobjektiv, da dies mittlerweile fast bundesweit verboten ist. Die neue Kamera, (die alte ist mir letzte Saison in Dortmund mit dem Klassenerhalt kaputt gegangen), hatte bisher noch niemand beanstandet, weder in Aue, noch in Leverkusen, Schalke oder Gladbach…aber natürlich in Augsburg. Der Supervisor erteilte mir schließlich doch noch den Segen und hinein in den Disko-Stadl, denn das Stadion, das ich bisher nur tagsüber in seiner Collage aus Grautönen bestaunen durfte, erstrahlte jetzt durch rote, grüne und weiße Jedi-Ritter-Lichtschwerter.

FCA "Willkommenskultur"
FCA „Willkommenskultur“

04 Kampf um den Mampf

Mit Karten kann man in Augsburg zwar keine Tickets kaufen aber ohne Karte gibt’s in Augsburg dafür nichts zum Essen oder Trinken. In der Stadt Augsburg existieren zahlreiche Hausbrauereien mit richtig leckerem Bier. Schrieb ich letzte Woche noch, dass das Bolten in Gladbach mit die einzige lokale Brauerei in der Liga ist, die noch im Stadion ihr Frischgezapftes anbieten darf, muss ich das nun revidieren, schließlich wird im Stadion Riegele-Bier ausgeschenkt – auch im Gästeblock, aber alkoholfrei, abends, zum Pokal… Ach FCA, Du machst es einem aber auch arg leicht, Dich als wahrlich „guten“ Gastgeber zu outen.

Liebesgrüße aus Augsburg
Liebesgrüße aus Augsburg

05 Käfighaltung

Als „guter“ Gastgeber stellst Du, lieber FCA, natürlich für uns Nullfünfer auch extra eigene Toiletten zur Verfügung: Eine Reihe Dixis vor dem Stadion, wartete darauf, befüllt zu werden. An den eigentlich auch in Augsburg vorhandenen, aber verschlossenen Toiletten hing ein Hinweis, dass beim letzten Gastspiel der Nullfünfer die Stadiontoiletten beschädigt worden waren. Wie war das noch mit Kollektivstrafen des DFB? „Sippenhaft“ ist anno 2018 wieder vollkommen en vogue. Pyro, Grafitti, Vandalismus sind alles Dinge, die verboten sind. Dafür gibt es Strafverfolgungsbehörden, die mit ihren Mitteln versuchen, diese Delikte aufzudecken. Warum aber gerade beim Fußball die heterogene Schar von Kutten, Familien, Nerds, Ultras, Groundhoppern, Modefans und Traumlebenden in einen Topf geschmissen wird, und die Fußballfans die Taten einzelner ausbaden dürfen, verstehe ich nicht. Immer mehr Menschen haben keine Lust mehr auf das „Erlebnis Stadion“. Gerade einmal 15.600 Eintrittskarten wurden für das Spiel in Augsburg verkauft – Zuschauerschwund ist nicht nur ein Nullfünf-Problem. Und ob es tatsächlich alle Leute ins Stadion geschafft haben, die im Vorverkauf ein Ticket erstanden hatten, ist zweifelhaft, da ja der Straßenbahnverkehr unterbrochen worden war, um zahlreiche FCA-Fans für das Fehlverhalten einer Einzelperson oder weniger Leute büßen zu lassen. Eine Werbung für das „Erlebnis Stadion“ war das am Dienstag leider nicht, noch nicht mal für Fans des siegreichen FCA.

"Publikumsmagnet" DFB-Pokal
„Publikumsmagnet“ DFB-Pokal

Fazit: Der Jahrgang 2018/2019 besticht durch die eine interessante Anreise zu einem der
„gastfreundlichsten“ Clubs der Republik – zum Wohl!

Spätlese Gladbach Jahrgang 2018/19

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Manchmal sind Sonntagsspiele gar nicht so schlecht. Etwa, wenn man auf Einladung seines indischen Geschäftspartners bis Samstagmorgen in Mumbai lecker Essen darf und es schafft, das Auswärtsspiel am Sonntagabend mit einem ansehnlichen Mob aus Mainz zu besuchen. Eine Anreise von 6.730 Kilometern, um mal wieder ein Auswärtsspiel zu besuchen, nimmt man doch gerne mal in Kauf, wenn alle mitspielen. Nicht mitgespielt hat die Deutsche Bahn, die den letzten ICE des Tages von Düsseldorf ins Rhein-Main-Gebiet strich, statt ihn über die Rheinstrecke umzuleiten. Das traf genau meinen Humor, weil die Bahn gleichzeitig bekannt gab, dass die Schnellfahrstrecke, die wegen eines ausgebrannten ICE-Wagons tagelang gesperrt gewesen war, nun wieder befahrbar sei. Ich bekam auch keinen „Verspätungsalarm“ als Push-Mitteilung geschickt. Das lag vielleicht daran, dass es ja auch keine Verspätung, sondern eine Zugstreichung gab. Dadurch durfte ich noch eine Nacht in Düsseldorf dranhängen. Fortuna-Fans, mit denen ich dieses fußballerische Horrorwochenende begießen hätte können, traf ich leider keine mehr…

Abfahrt in Mumbai
Abfahrt in Mumbai

02 (N)immer nuff:

Mönchengladbach Hauptbahnhof ist mit der heruntergekommenste Bahnhof der Republik. Überall werden die Bahnhöfe aufgemotzt nur an Gladbach fährt der Zug der Modernisierung ohne Halt vorbei. Die ganze Umgebung um den Bahnhof herum hat den Charme einer Grenzstadt. Dafür ist der Bustransfer zum Stadion routinemäßig gut organisiert. Auffallend in Gladbach ist immer wieder die Kuttendichte in den Bussen. Die vielen Jungs und wenigen Mädels gehen wohl schon seit den goldenen 70ern nuff – mit Kutte natürlich!

Streetart in Gladbach
Streetart in Gladbach

03 Kon-Trolle

Diesmal ging es ohne Tablet in den Gästeblock. Die Kontrolle verlief vollkommen unspektakulär und ohne großes Gehabe. Angenehm! Weniger angenehm waren letzte Woche die Hausdurchsuchungen für einige 05-Fans. Da ich die Hintergründe nicht kenne, möchte an dieser Stelle lieber auf die Existenz der Mainzer Fanhilfe hinweisen. Diese hat zu den Durchsuchungen auch Stellung bezogen.

Fanhilfe ist immer eine gute Idee
Fanhilfe ist immer eine gute Idee

04 Kampf um den Mampf

Ich wurde zwar von vielen schief angeguckt, warum ich mir das Bolten Altbier gebe. Aber die Alternative aus Bitburg gibt es ja auch bei uns zu Hause, wie gefühlt in mindestens zehn weiteren Stadien der Republik. Das Bolten ist wohl auch das einzige Bier in der Liga, das tatsächlich noch aus der Region stammt, wenn man mal das Kölsch in Köln weglässt, (da die ja eh 2. Liga spielen). Denn selbst in Leverkusen wird zwar nahezu im ganzen Stadion Gaffel ausgeschenkt; im Gästeblock jedoch nur Bit angeboten. Angenehm waren auch die fehlenden Schlangen vor den Buden und die Barzahlung.

Bolten...lecker Altbier
Bolten…lecker Altbier


05 Käfighaltung

Der Gästeblock in Gladbach ist für mich einer der besseren der Liga: kurze Wege zur Futterkrippe und zur Pippibox, dazu einigermaßen steil und er bietet einen guten Blick aufs Spielfeld. Sehr positiv: Auch in Gladbach stellt man sich von Vereinsseite gegen Rassismus. Während ein Großteil des Fernsehpublikums, für das ja schließlich der Bundesliga-Fußball veranstaltet wird, nach dem einen oder anderen Tor kein Bock mehr auf dieses Spiel hatte, supportete der Auswärtsmob unbeeindruckt weiter: Die Mannschaft schließlich mit Applaus und ohne Häme auf die Rückreise in die goldene Stadt zu schicken, ist definitiv mein Mainz 05!

Blick aus dem Käfig
Blick aus dem Käfig

Fazit: Der Jahrgang 2018/2019 besticht durch die lange Anreise, ergebnisunabhängig guten Support und bestes Kuttenwatching – zum Wohl!