„Fräulein Draußen“ von Kathrin Heckmann

„Back to the roots“ liegt gerade in der Pandemie voll im Trend. Das trifft auf das erste Werk der Autorin Kathrin Heckmann doppelt zu. Heckmann kennen bereits viele Internet-affine Outdoorliebende seit Jahren durch ihren gleichnamigen Wanderblog „Fräulein Draußen“. Als Bloggerin begab sie sich quasi zurück zu den Wurzeln des Schreibens also von der Webseite zurück zum gedruckten Werk. Inhaltlich dreht sich bei Heckmann ohnehin alles um Wurzeln, über die sie zwangsläufig marschiert, wenn sie irgendwo in der Welt ihre Schuhe schnürt und zur nächsten Wanderung aufbricht.

Jedes Projekt beginnt mit dem ersten Schritt und wenn es ums Draußen sein geht, eignet sich dafür auch der eigene Balkon.

Nun könnte man meinen, dass das Werk „Fräulein Draußen“ nur so wimmelt von gefährlichen, risikoreichen Anekdoten, schließlich berichtet sie unter anderem von ihren Wanderungen in Alaska und Australien – Regionen, in denen sie sicherlich genug Stoff gefunden hat, um spannende Abenteuergeschichten aufs Papier zu bringen. Wer so etwas in ihrem Werk sucht, wird sicherlich enttäuscht sein. Die Sucht nach Anerkennung als Frau alleine in der Wildnis unterwegs zu sein, findet sich an keiner Stelle in diesem Buch. Vielmehr verrät der Untertitel „Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“, wohin diese wunderbare Reise geht.

Heckmann schreibt offen und ehrlich über ihre Anfänge des Wanderns in der Natur. Sei es über ihre Neugierde einen Vogellaut zu folgen, der sie dazu gebracht hat, sich aus dem wohligen Schlafsack herauszuschälen, sei es über die allererste Nacht alleine in einem Zelt in den Highlands von Schottland mit Blick auf den Mietwagen in Sichtweite. Sie schreibt so angenehm unaufgeregt über diese Anfänge und hat es nicht nötig, sich für diese kleinen ersten Schritte selbst abzufeiern.

Dafür feiert sie die kleinen Dinge, die ihr beim Wandern auffallen, groß ab. „Der Weg ist das Ziel“ könnte ein Lebensmotto sein, wenn sie denn überhaupt eines bräuchte. Ziele an sich sind für sie sekundär. Das glaube ich gerne, wenn man sich wie Heckmann beispielsweise vornimmt, einmal quer durch Großbritannien zu wandern. Schließlich ist es bei so einem Projekt alles andere als sicher, dass man tatsäch am Zielort ankommt. Viel wichtiger sind für Heckmann die Erlebnisse, die sie Tag für Tag auf ihren Wanderungen sammelt. Sie hat ein Talent dafür, die schönen Situationen so zu beschreiben, dass ich als Leser das Gefühl habe, mitzuwandern, obwohl ich gemütlich im Gartenstuhl meinen Corona-Sommer 2020 auf dem Balkon verbringe oder auf einer bequemen Holzliege auf dem Mainradweg eine Pause vom Radeln mit dem Buch einlege.

Statt die Lesenden mit unzähligen Details zu überfrachten, konzentriert sich Heckmann auf wenige Aspekte, die ihr auf der jeweiligen Wanderung groß vorkamen. Sie liefert darüber hinaus zahlreiche Zusatzinformationen und gibt uns Lesenden die Möglichkeit, mit Hilfe des mehrseitigen Quellen-Verzeichnises, selbst weiter zu recherchieren. Auch die Wanderungen lassen sich anhand ihrer Angaben im Anhang nachlaufen. Die Natur ist Heckmanns Fachgebiet. Da wirkt es umso sympathischer, dass sie sich bei zwei Angaben zu Städten vertan hat, schließlich ist Juneau und nicht  das bereiste Anchorage die Hauptstadt Alaskas und Ushuaia gilt statt dem passierten Punta Arenas als die südlichste Stadt der Welt. Das sind Nebensächlichkeiten, mit denen sich Heckmann zum Glück nicht weiter aufhält. Vielmehr gibt sie an den Stellen, die für die Handlung wichtig sind, sehr persönliche Einblicke, zum Beispiel zu ihrer Motivation, ihre gut bezahlte Festanstellung gegen den Status der wandernden Freiberuflerin einzutauschen.

Auch wenn ihr Buch sicherlich kein Ratgeber sein soll, nehme ich als Leser ein paar Tipps mit. Ich fühle mich auch in manchen meiner Wege, die ich eingeschlagen habe, bestätigt. Würden wir uns im Internet befinden, würde man von einer Echokammer sprechen. Das Gefühl zu bekommen, dass es noch andere Menschen gibt, die abseits der ausgetrampelten Pfade unterwegs durchs Leben ziehen, ist sicherlich nicht das schlechteste.

Teile des Buchs habe ich auf dem Mainradweg zwischen Mainz und Würzburg gelesen.

Gerade das Kapitel „Reisen und Naturschutz“, das sich ebenfalls im Anhang des Buchs befindet ist, ein tolles Statement Heckmanns. Ihre nachdenklichen Ausführungen zu den Themen Fliegen und Tourismus unterschreibe ich gerne und erinnern mich sehr an die Nachbetrachtung, die ich in meinem Werk „Mit Bedacht fliegen“ angestellt habe. Obwohl Heckmanns Blog und Social Media-Auftritt einer der beliebtesten in Deutschland im Bereich Outdoor ist, sieht sie die Welt von Instagram und Co. an vielen Stellen des Buchs sehr kritisch. Ich nehme es ihr ab, dass es ihr bei vielen Motiven und Erlebnissen, die sie einfängt und im Netz mit ihrer Gemeinde teilt, weniger um Klicks und Likes geht, sondern eher darum, zu zeigen in welch schöner Welt wir leben – gerade auch in Deutschland. Denn auch ein Trip nach Brandenburg kann eine Reise wert sein kann – und das nicht nur „notgedrungen mangels Alternativen“ in Zeiten der Pandemie.

Ich empfehle dieses Buch gerne weiter. Gleiches gilt auch für ihren Blog und ihre Social Media-Auftritte. Aber natürlich empfehle ich auch, jetzt den Computer, das Tablet oder das Smartphone auszuschalten und die Welt da draußen zu entdecken, am besten zu Fuß und mit offenen Augen für die kleinen Dinge am Wegrand, die ganz groß sein können.

Über das Buch:

  • Titel: Fräulein Draußen – Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand
  • Autorin: Kathrin Heckmann (https://fraeulein-draussen.de/)
  • Verlag: Ullstein Paperback
  • Softcover-Buch: 14,99 € bzw. e-book: 12,99 €
  • 256 Seiten
  • ISBN: 978-3864931055 (Print)
  • Erscheinungstermin: Juni 2020

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Transparenz:

Ich habe das Buch selbst bezahlt. Die Rezension erfolgt unbeauftragt.