Spätlese Wolfsburg 2021/22

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Freitag abends halb neun in Wolfsburg ist sicherlich die denkbar unangenehmste Spielansetzung, seitdem die unsäglichen Montagsspiele abgeschafft wurden (aber leider am 2. Mai nochmals Auferstehung feiern). Nach 17 Jahren auswärts Fahren habe ich auch keine Lust mehr, um 3 oder 4 Uhr nachts zurück auf die richtige Rheinseite zu gelangen. Aber in Wolfsburg übernachten? Geht rein theoretisch, aber die Hotels sind vergleichsweise teuer. Also ging es für mich zunächst mit dem ICE nach Braunschweig, wo es für die Hälfte der Wolfsburger Preise ein gutes Hotel gab, das auch noch direkt gegenüber des dortigen Hauptbahnhofs liegt. Innerhalb einer Stunde schnell die Sachen ins Zimmer gebracht, ging es mit dem nächsten ICE weiter nach Wolfsburg. Dabei steht natürlich immer die bange Frage im Raum, ob die lokführende Person tatsächlich einen Halt auf dem Weg in die Hauptstadt einlegt. In der Vergangenheit hielten sich da einige nicht an den fahrplanmäßigen Stopp. Daher war ich natürlich froh, dass beim Vorbeirauschen an hunderten nagelneuer PKWs plötzlich die Bremensen quietschten und ich zwei Stunden vor Anpfiff am ausgestorbenen Bahnsteig aussteigen konnte.   

Im ICE278 kurz vor dem Wolfburger Hauptbahnhof.
Hält er oder hält er nicht, der Zug in Wolfsburg?

02 (N)immer nuff:

Da zwischen Hauptbahnhof – ja, es gibt wirklich einen Hauptbahnhof – und Stadion nur der Mittellandkanal zu überqueren ist, verzichete ich diesmal auf ein Klapprad. Eben dieses Gewässer sorgt beim VfL Wolfsburg dafür, dass der Club pro Jahr 11 Millionen Liter Trinkwasser spart, indem die Plätze mit Grauwasser bewässert werden. Anders als das Thema Energieeffizienz, das aktuell in aller Munde ist, wird im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit Wassereffizienz praktisch nie genannt. Hier geht der VfL Wolfsburg in der Liga wirklich vorbildlich voran. Auch auf anderen Gebieten ist der Club zugegebenermaßen in Sachen Nachhaltigkeit fast so gut wie sein Frauenteam im Fußball.

Der Mittellandkanal, der sich direkt neben dem Stadion befindet.
Der Mittellandkanal, der sich direkt neben dem Stadion befindet.

03 Kon-Trolle

Das „Wolfsburger Modell“, was das Bier angeht, hat auch die Pandemie überdauert. Vor dem Einlass gibt es richtigen Gerstensaft, der allerdings noch vor der Kontrolle geleert werden muss. Dahinter gibt es nur alkoholfreie Getränke, was angesichts des Spielverlaufs die eine oder den anderen vor eine große Herausforderung gestellt haben könnte. Das Spiel schön trinken oder Frustsaufen war im Gästeblock nicht möglich.

Becherspenden finden auch in Wolfsburg statt.
Becherspenden finden auch in Wolfsburg statt.

04 Kampf um den Mampf

Der Spieltag wurde vom VfL unter das Motto „Diversität“ gestellt. Es gab Pfandbecher, Banner und Logos in Regenbogenfarben. Der Mittelfeldkreis wurde vom Platzwart in ein Friedenssymbol umgewidmet und am Essensstand gab es eine große Enttäuschung. Während die Currywurst in der VW-Kantine mittlerweile durch eine vegane Variante ersetzt wurde, gab es im Gästeblock die altbekannte Version aus Fleisch. Es sei denn, es wurde nicht angegeben, dass sie vegan ist, was ich stark bezweifle. Dazu gab es Schnitzel und Bratwurst im Brötchen. Letztere war mit 3,20 Euro die günstigste Speise im Block. Alterantiv gab es eine Brezel für 3,50 Euro. So hält es also Wolfsburg mit der Verschiedenheit bei den Essgewohnheiten von Auswärtsfans. Es ist einfach immer wieder lustig bis peinlich, wie sich Fußballvereine eines Themas versuchen anzunehmen und dann bereits an den Basics scheitern. Wie immer geht es nicht darum, dass hier jemand auf seine Wurst aus Fleisch verzichten soll. Menschen, die entweder aus Gründen des Geschmacks, der Gesundheit, des Klimaschutzes und/oder des Tierwohls auf Fleisch als Nahrung verzichten nur eine trockene Brezel anzubieten, die auch noch teurer als die Wurst ist, ist an Ignoranz nicht zu überbieten. Dann lob ich mir am Ende ja fast lieber einen Präsidenten, wie den von Union, der das ganze Thema als Gedöns abtut und sich wenigstens ehrlich positioniert.   

Blick auf die Speisekarte im Gästeblock. Die Brezel ist teurer als die Bratwurst.
Die Brezel ist teurer als die Bratwurst.

05 Käfighaltung

Die Ankunft im Gästeblock hatte was von Dorfdisco um drei Uhr morgens. Die Auswahl der Musik war gut, sie war nur viel zu laut und auf der Tanzfläche aka Tribüne war nichts los. Der Vorteil des Wolfsburger Gästeblocks ist die breite Tanzfläche zwischen Wurstbude und Stehbereich. Dort wurde tatsächlich vorkicks klassisch getanzt, denn als Nullfünfer*in möchte man wenigstens bis zum Anpfiff ein Erlebnis haben, an das man sich auch nachkicks noch gerne erinnert. Ähnlich wie in Augsburg war schon nach einer Viertelstunde der Drops quasi gelutscht aber das war nur der Startschuss für die Meute im Block, so richtig loszulegen. „Nullfünf, Nullfünf, Nullfünf, Nullfünf“ hallte es minutenlang in die Halbzeitpause rein. Die zweiten 45 Minuten wurden mit einem netten „Aus…Aus…Auswärtssieg“ begonnen. Es folgte „Wir gewinnen, wir gewinnen, wir gewinnen sowieso!“, abgerundet durch „Mainz wird deutscher Meister, Mainz wird deutscher Meister, Mainz wird deutscher Meister nächstes Jahr!“. Genau dieser Humor holte mich so richtig ab. Zugegeben, ich hatte spätestens nach dem 4:0 zwischenzeitlich keine Lust mehr auf das Spiel. Ich tigerte oberhalb der Stehplätze hin und her und wurde wirklich durch die Gesänge wieder eingefangen. Dadurch, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit nicht auseinander fiel und ein zweites Leipzig-Debakel verhinderte, erhöhte sich die Mitmachquote im Block von Minute zu Minute. Statt wie im Netz auf die Spieler einzuhauen, wurde im Stadion verbal munter weiter eingeheizt, weil wir alle einen an der Waffel ham‘. Und das „Auswärts fahren ist schön!“-Lied in der Dauerschleife mit Schaleinsatz war der Höhepunkt einer letztlich trotzdem gelungenen Auswärtsfahrt. Forza Moguntia!

Die Fans vom FSV
Die Fans vom FSV

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 zeigt die Diversität zwischen Geschehen auf dem Platz und der positiven Eskalation im Block.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Köln 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Die dritte Auswärtsfahrt in sechs Tagen. Hat es das bei Nullfünf schon mal gegeben? Fast: in der Saison 2011/2012. Da waren es neun Tage und zwei der drei gegnerischen Mannschaften, auf die die rot-weißen Jungs auch diese Woche trafen, waren damals ebenfalls dabei. Zunächst ging es dienstags nach Köln (1 Punkt), dann sonntags nach Gladbach (0 Punkte) und mittwochs nach Kiel (Aus im DFB-Pokal-Viertelfinale) mit Champions-League-Gewinner TT. Von daher – schlimmer geht immer! Aber nicht mit der Bahn, denn die brachte mein Klapprad und mich wie die Woche zuvor zunächst rechtsrheinisch bis Koblenz in Richtung Köln. Da der Bahnübergang dieses Mal nicht gestört war, hatte ich größte Mühe die beiden ausstehenden Podcast-Folgen der „Hinterhofsänger“ zu hören, ehe ich die Domstadt erreichte.

Christoph sitzt mit Maske und Kopfhörern im ICE. Sein Klapprad liegt gut verstaut hinter ihm im Gepäckfach.
Das Klapprad gut verstaut geht es mit zwei Podcastfolgen der Hinterhofsänger Richtung Köln.

Schwerpunkt der ersten Folge war der „Aprilscherz“ von Mainz 05, sprich ausgerechnet am 1. April zu verkünden, als letzter Bundesligist überhaupt, in den Frauenfußball einzusteigen. Dass es über eine Kooperation mit Schott zunächst laufen würde, hatte Stefan Hofmann bereits vor Monaten auf einer Veranstaltung angekündigt. Gut, dass alle Beteiligten tatsächlich über die ganze Zeit Stillschweigen vereinbart und durchgezogen haben, um diesen Move vorzubereiten. Endlich sorgt Mainz 05 in Zukunft für ein stückweit mehr Chancengerechtigkeit, was das professionelle Fußballspielen in Mainz für alle Menschen angeht.  Diese Wende kann dem Verein nur guttun.

02 (N)immer nuff:

In Köln angekommen, wurde das Klapprad in wenigen Sekunden zusammengebaut und los ging’s in Richtung Müngersdorf durch die Stadt. Während der Pandemie haben zahlreiche Städte Maßnahmen ergriffen, um Radfahrenden das Leben auf der Straße zu erleichtern. Dazu zählt auch Köln, das auf vielen Straßen eine Fahrspur den Autofahrenden abgerungen hat und Radfahrenden nun die Möglichkeit gibt, auf ihrer sehr breiten Spur tatsächlich auch andere Radelnde zu überholen. Auch diese (Verkehrs-)Wende kann nur guttun.

Auf einer breiten Straße in Köln ist die rechte Spur Radfahrenden vorbehalten.
Verkehrswende in Köln: eine Fahrspur wurde den Radfahrenden überlassen.

Statt direkt die sechs Kilometer zum Stadion zu fahren, legte ich noch einen Zwischenstopp bei einer Burgerkette ein. Schließlich haben, im Gegensatz zu den meisten Bundesligisten, die Fast-Food-Konzerne erkannt, dass nicht alle Menschen auf Burger aus Rindfleisch stehen. Die Kette mit dem berühmten „Whopper“ bietet mittlerweile eine Vielzahl vegetarischer und veganer Burger an. Der vegane „Chicken“-Burger schmeckte wirklich gut. Das Patty bestand aus einem Soja-Weizen-Mix und war genauso wie das sonst übliche Hühnerfleisch paniert. So konnte ich keinen Geschmacksunterschied festzustellen. Es geht bei den aktuellen Diskussionen um Ernährung nie darum, dass wir alle komplett auf Fleisch verzichten müssen, um das Klima zu retten oder wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine Hungersnöte zu vermeiden, da die Weizenfelder in dem Land nicht bestellt werden können, viele Länder auf diese Weizenimporte angewiesen sind, um die Ernährung ihrer Bevölkerung zu gewährleisten. Aber bei vielen „traditionellen“ Essen, bei denen Fleisch eher eine untergeordnete Rolle spielt, wäre es wirklich leicht, den Burger, das Hackfleisch in der Soße oder den Speck im Eintopf durch eine vegane Variante zu ersetzen. Ob diese Ernährungswende gelingt?

03 Kon-Trolle

Wie in Köln üblich gab es wieder eine glasfreie Zone rund ums Stadion, die am Spieltag auch durch den Ordnungsdienst durchgesetzt wurde. So kam ich ohne Platten auch am dritten Stadion in sechs Tagen mit dem Klapprad ohne Probleme an. Fahrradständer gibt es wie in Gladbach zur Genüge direkt am Eingang zum Block. Anders als in Augsburg und Gladbach existierte aber keine Abgabemöglichkeit für Sachen, die nicht ins Stadion mitgenommen werden dürfen, wie beispielsweise Fahrradlampen.

Ein Klapprad parkt direkt vor dem Stadioneingang in Köln-Müngersdorf.
Radparkplatz direkt am Gästeblock des Müngersdorfer Stadions

Ähnlich wie bei den Corona-Regeln die Länder macht hier jeder Verein was er will. Daher sind die Infos für Auswärtsfahrende, die Mainz 05 vor jedem Gastspiel verschickt, auch so wichtig. Auf diesen Umstand wurde wie die Jahre zuvor hingewiesen. Glücklicherweise fand das Spiel um halb vier statt, so dass ich auch nachkicks ohne Licht bei Helligkeit wieder zum Bahnhof radeln konnte.

04 Kampf um den Mampf

Köln machte es, anders als Augsburg, wieder einfach. Bezahlung mit Kreditkarten oder Bankkarten war kein Problem. Eine sinnbefreite Bezahlkarte wie in Augsburg, die nur wieder Plastikmüll generiert, gab es erst gar nicht. Dafür gab es zum dritten Mal in Folge die Wurst vom selben Lieferanten aus dem Kölner Umland. Und obwohl der Fabrikant eine vegane Bratwurst im Angebot hat, gab es wie in Gladbach und Augsburg keine fleischlose Alternative, sondern nur eine überteuerte Brezel, die ein paar Cent günstiger war als eine Wurst.

Unzählige Würste und Wurstbrötchen liegen am Essensstand in der Auslage.
Wurst in allen Variationen – als vegetarische Alternative gibt es eine überteuerte Brezel

Das muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen: Auf der einen Seite ein Produkt, für das ein Lebewesen mehrere Monate gegrast hat und die ähnlichen Zutaten wie für die Brezel tagaus tagein gefressen hat, bevor es auf der Schlachtbank landet und auf der anderen Seite ein Teigprodukt für das lediglich eine Ladung an Weizen geerntet werden musste, um es herzustellen. Am Ende beträgt der Preisunterschied läppische 30 Cent. Schon eine ziemlich verrückte Welt, in der wir leben und wir uns das Leben unnötig schwermachen. Schließlich werden rund 60 Prozent der Ackerfläche aktuell für Tierfutter verwendet, statt darauf direkt Brezeln, Brot und indirekt auch Burgerpattys herzustellen.

05 Käfighaltung

Anders als in Gladbach und in Augsburg war der Gästeblock diesmal proppevoll. Geht doch! Es gab zwar keine Maskenpflicht, aber dass Masken prinzipiell im Stadion eine gute Idee sind, zeigte sich während des Einmarsch der Spieler. Der rote Feinstaub, der sich dabei entwickelte wurde von der FFP2-Maske wunderbar gefiltert. Was wir danach zu sehen bekamen, sind wieder die zwei Gesichter von Mainz 05 – nur dass wir diesmal die besser Hälfte am Anfang sahen.

Eine FFP2-Maske ist mit rotem Feinstaub belegt.
Die Maske am Tag nach dem Stadionbesuch

Aber wer nach einer Zwei-zu-Null-Führung von Nullfünf auf fremden Platz in der 60. Minute „Auswärtssieg“ gröhlt, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Ich erinnere mich noch an eine Zwei-zu-Null-Führung in Hannover in der 85. Minute, bei der ebenfalls „Auswärtssieg“ angestimmt wurde – das Spiel ging 2:2 aus. Auswärtsspiele von Mainz 05 sind mit Ausnahme der Aufstiegssaison 2008/2009 einfach Momente, an denen man wachsen kann. Meist gibt es einen auf den Deckel, aber man lernt unweigerlich, mit Niederlagen umzugehen. Solch ein Training haben Fans des FC Bayern zum Beispiel meist nur ein oder zweimal pro Saison – wir hingegen haben es gefühlt jetzt innerhalb von sechs Tagen dreimal erlebt (danke Yann Sommer). Das nennt man Lebenserfahrung.

Fußballfans im Müngersdorfer Stadion mit Fahnen und einer Choreographie mit dem Logo des 1. FC Köln.
Endlich wieder bunte Kurven auf beiden Seiten

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 bietet altbewährtes – in Köln mit Fans im Gästeblock gibt es keinen Auswärtssieg in Liga 1.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Augsburg 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Lagen zwischen der vorletzten und der letzten Auswärtsfahrt 3 Monate, so verstrichen zwischen Gladbach und Augsburg nur drei Tage. Endlich wieder die alte Normalität…in der Woche…mit ein paar versprengten Nasen quer durch die Republik zu düsen. Ich persönlich mag das ja, eine Auswärtsfahrt in der Woche, ohne Trikotbettler und ohne Frage warum man das alles eigentlich macht.  

Völlig unspektakulär ging es mit der Bahn in die schöne Fuggerstadt. Bei keinem Ort in Deutschland mit Profifußball klaffen wohl Sympathie mit der Stadt und Antipathie mit der Art Fußball zu spielen so auseinander wie in Augsburg. Da das Spiel aus bekannten Gründen verschoben wurde, also natürlich nur rein terminlich gemeint, war ich vor vier Wochen schon mal in der Stadt, da wir einfach Lust hatten, trotzdem hierher zu fahren. Und so ganz ohne Fußball ist die Stadt wirklich eine Reise wert. Das mag man zwar nicht glauben, wenn man nur in den weit gefassten eingezäunten Gästebereich hineinfährt, sich mehr oder weniger 90 Minuten lang über den Spielstil der Fuggerstädter aufregt und sich danach mit einem Gefühl aus Wut und Frust wieder vier Stunden zurück nach Hause begibt.

Das alte Rosenaustadion unweit des Augsburger Hauptbahnhofs

02 (N)immer nuff:

Ähnlich wie in Mainz liegt das alte Stadion in der Nähe des Hauptbahnhofs und da es wieder mit dem Klapprad auf Auswärtsfahrt ging, wurde noch ein kurzes Groundspotting am Rosenaustadion eingelegt. Das weite Rund mit seinen vier markanten Flutlichtmasten ist natürlich nie ein enges Fußballstadion gewesen. Aber es hatte einfach Flair. Wer kann sich noch an den gefühlten 100-Meter-Schuss von Aristide Bancé erinnern, der in der Saison 2008/2009 sinnbildlich ganz Mainz den Frust von der Seele schoss und einen Auswärtssieg in diesem weiten Rund einleitete?

Links abbiegen ist für Radfahrende in Augsburg ein zeitaufwendiges Vergnügen

Danach ging es mit dem Rad weiter durch die Stadt dem Schwabenstadion entgegen. Links abbiegen als radfahrende Person ist in Augsburg echt tricky, denn zunächst muss man auf der Kreuzung geradeaus fahren, um dann auf der anderen Straßenseite angekommen auf der Fahrbahn sich nach links wenden und warten, bis man wieder grün bekommt. Linksabbiegende Autos können natürlich direkt abbiegen. Aber hey, wir sind in Bayern…da sind Radfahrende wie Windräder natürlich noch in der totalen Minderheit…Und „Links“ wird in Bayern eh mit großer Skepsis betrachtet. Team Vorsicht, halt!

03 Kon-Trolle

Die Zeiten, in denen am Zaun Dixie-Klos standen und die eigentlichen Toiletten versperrt waren, sind glücklicherweise längst vorbei. Aber einen Radfahrenden vom Rad runterbrüllen geht beim Sicherheitsdienst natürlich immer. Warum ich auf der Fahrstraße zum Gästeblock mein Rad zu schieben hatte, erklärt mir die Straßenverkehrsordnung nicht, aber der Typ von der Security meinte „wegen der Polizei“ – aha! Die eigentliche Kontrolle war easy und die Fahrradlampen waren genauso unkompliziert wie in Gladbach ruckzuck in der Aufbewahrung verstaut. Leider sparen da auch manche Vereine und teilen dem Gastverein einfach vorher mit, eine Abgabe von Gegenständen sei am Gästeblock nicht möglich. Dass aber nicht jeder Fan mit dem Fanbus oder dem Auto anreist, in dem diese Gegenstände deponiert werden können, ist den Vereinen egal. Dass Fahrradlampen als potentielle Wurfgeschosse gelten, ist nachvollziehbar, daher ist das Deponieren vor Ort schon ok – nur sollte halt generell eine Abgabemöglichkeit vorhanden sein.

Dinge, die die Welt nicht braucht: Bezahlkarten

04 Kampf um den Mampf

Augsburg macht es kompliziert. Dabei sollten es die gängigen Kreditkarten doch mittlerweile auch bis nach Bayerisch-Schwaben geschafft haben. Eigentlich…Denn die alte Normalität heißt in Augsburg: Bezahlung nur mit Karte, also nicht mit Visa oder MasterCard sondern mit FCA-Card oder einer Blue-Dingsbums-App von der ich persönlich vorher noch nichts gehört habe. Warum auch einfach, wenn man es den Fans schwer machen kann? Aber vor Jahren schon, als man noch Eintrittskarten vor Ort beziehen konnte, akzeptierte der FCA nur cash und so musste ich damals einem Nullfünfer mit Bargeld aushelfen, damit er sich unsere Pokalniederlage auch live und in Farbe angucken konnte. Seit der Pandemie gibt es gar keine Tageskassen mehr. Einen nachvollziehbaren Grund kenne ich nicht. Dabei wäre das Gegenteil ja eigentlich sinnvoller. Ich war zum Beispiel nach meiner Rückkehr aus Gambia im Februar krank, musste mir aber das Union-Ticket bereits vorab kaufen und habe letztlich den Verein an der alten Försterei monetär unterstützt, obwohl ich die Reise nach Köpenick gar nicht antreten konnte.

„Biologisch abbaubar“ in der Theorie – in der Praxis eher ein Fall für die Müllverbrennung – warum kein Mehrweg?

Am Catering-Stand gleich eine schöne steile These: Die Becher sind biologisch abbaubar… Hahaha! Gut, dass ich gerade ein Buch über Nachhaltigkeit im Fußball geschrieben habe. Dort zitiere ich aus der Studie „Vergleichende Ökobilanz verschiedener Bechersysteme beim Getränkeausschank an Veranstaltungen“, die bereits anlässlich der Männer-Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz erstellt wurde: „Biologisch abbaubare Einweggetränkebecher aus PLA (Polylactide) stellen keine ökologisch vergleichbare Alternative zu Mehrwegbechern da. Die Kompostierbarkeit der Becher führt nicht zu geringeren Umweltauswirkungen, da mit der Kompostierung dieses Kunststoffes kein nennenswerter ökologischer Nutzen verbunden ist. Zudem sind die Auswirkungen der Entsorgung marginal im Vergleich zur Herstellung der Becher.“ Gut, um an diese Studie zu gelangen, müsste man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, zirka fünf Minuten im Internet recherchieren und dann noch die Gewissheit haben, dass das was in der Schweiz und Österreich gilt auch auf Bayern übertragen kann. Denn in Bayern ticken die Uhren ja bekanntlich anders.

Dass es in Augsburg das lokale und sehr leckere Riegele Bier gibt, ist immer ein guter Grund hierher zu fahren – nur halt nicht zum Stadion. Dass es im Gästeblock nur alkoholfreies Riegele und Radler gibt, ist seit Jahren bekannt. Dass es aber im Außenbereich des Stadions auch keinen Bierstand gibt, an dem man im besten Fall mit anderen Fans ins Gespräch kommt, ist in Augsburg gar nicht gewollt – man schottet sich lieber von den Gästen ab. Willkommenskultur anno 2022!

Die Wurstsorten kamen vom gleichen Hersteller wie in Gladbach aus der Nähe von Köln. Dass es in der Region Augsburg keinen Metzger gibt, der Würste herstellt, ist eher unwahrscheinlich – Uli Hoeneß lässt grüßen. Dass der Bezug der Wurst aus Köln aus betriebswirtschaftlicher Sicht mehr Sinn macht als der Einkauf der Wurst aus Schwaben ist wieder einer dieser Gründe, warum uns sicherlich aktuell so viele Probleme auf die Füße fallen. Billiges Gas, billiges Öl oder billige Wurst – ist halt am Ende nicht immer die beste Alternative. Apropos Alternative: Jener Wurstfabrikant, der Gladbach und Augsburg beliefert, hat auch vegane Bratwurst im Angebot – aber nicht im Stadion. Stattdessen gibt es trockene, wenig gesalzene Pommes. Auf die Idee, dass es durchaus Menschen gibt, die auch mal eine vegane Currywurst mit Pommes essen, kommt man in Deutschland im Jahr 2022 leider nicht immer. Aber wenigstens gab es Ketchup und Senf (anders als in Gladbach) wieder in Selbstbedienung. Mayo allerdings nicht – die gab es wie in Gladbach nur in kleiner Einzelpackung aus Plastik.

Dank der Entscheidung, nur alkoholfreies Bier auszuschänken, werden wahrscheinlich nach Spielende wenigsten weniger (theoretisch biologisch abbaubare) Einwegbecher zu entsorgen sein. Damit trägt der FCA wenigstens ein bisschen zur Müllvermeidung bei… Denn die Dinger werden aufgrund der langen Dauer des theoretischen Kompostierens am Ende trotzdem verbrannt.

05 Käfighaltung

An einem Werktag um 18.30 Uhr an einem Stadion pünktlich anzukommen, ist im autovernarrten Deutschland immer so eine Sache. So war der Block zum Anpfiff extrem leer, da der einzige Fanbus gerade erst eintraf. Die Kurve gab aber wenig später mit ihren Fahnen schon ein gutes Bild ab, genau in dem Moment, als im Kölner Keller anscheinend etwas anderes wichtiger war, als auf den Bildschirm zu gucken. Auch aus dem Block sah das Hinfallen von Flo Niederlechner ziemlich komisch aus. Natürlich bekamen wir relativ schnell die Gewissheit durch Nachrichten aus der Heimat, dass der Elfmeter eine Farce war. Aber was bleibt einem in diesem Moment übrig?

Es gab durchaus Momente der Freude in Augsburg

In diesen Situationen weiß ich wieder, warum ich mir Nullfünf-Spiele seit Jahren ausschließlich live im Stadion anschaue. Dort bleibt gar nicht die Zeit, sich über so eine Fehlentscheidung lange aufzuregen. Anscheinend ging es den meisten ähnlich und die Mannschaft wurde vom Gros der paar Hundert Nasen weiter bis zum Schlusspfiff unterstützt. Aufregen konnte man sich ja noch die vier Stunden auf der Fahrt nach Hause in die goldene Stadt am Rhein.

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 hält die Tradition hoch, für die die Fuggerstädter bekannt sind: Schwalben und Theatralik auf Champions League-Niveau.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour