Spätlese Aue Saison 2022/2023

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Zugegeben, ich habe mich zunächst über die Terminierung dieses Pokalspiels aufgeregt, da Aue nunmal von der Lage her gefühlt das Vladiwostok der Proficlubs im deutschen Männerfußball ist. Um 21.08 Uhr fährt die letzte Bahn nach Zwickau und um 18.00 Uhr sollte der Anpfiff sein. Da Mainz 05 und Pokalwettbewerbe nicht gerade ziemlich beste Freunde sind, müssen wir natürlich immer mit Elfmeterschießen rechnen. Dadurch wäre es unmöglich gewesen, die letzte Bahn in Richtung Fernverkehrsanschluss zu bekommen. Erst vor ein paar Tagen ist schließlich auch mir aufgefallen, dass zeitgleich das Finale der Frauen-EM in London stattfinden sollte. Eine blödere Terminierung gibt es wohl wirklich nicht. Es bleibt zu hoffen, dass dies das letzte Mal war, dass der DFB zeitgleich Spiele seiner eigenen Wettbewerbe mit denen von Teams terminiert, die an anderen Wettbewerben teilnehmen. Dass der DFB auf Bahnfahrpläne und damit auf eine klimafreundliche Anreise Rücksicht nimmt, bleibt wohl eine Utopie.

Zusammengeklapptes Klapprad im Gepäckfach des ICEs.
Perfektes Einparken im ICE

Mit dem Weserfunk-Podcast auf den Ohren, der die CSR-Managerin von Werder Bremen zu Gast hatte, und den Trainingslager-Podcast-Folgen der Hinterhofsänger, ging es von Mainz um kurz nach 8 Uhr am Sonntagmorgen mit dem Klapprad im ICE in Richtung Sachsen. Vor einem Jahr feierte diese Kombi Zug/Klapprad beim Pokalspiel in Elversberg Premiere, da es dort keinen Bahnanschluss gibt und ich vom Bahnhof Neunkirchen zum Stadion fuhr. Diesmal nahm ich den Drahtesel mit, da das einzige Hotel in Aue bereits eine Stunde nach der Terminierung ausgebucht war und ich somit im benachbarten Bad Schlema übernachten musste. Zwischen den beiden Orten verkehrt stündlich die Bahn, die, bekanntermaßen aber auch nach 21:08 Uhr nicht mehr fährt. Daher nutze ich für die fünf Kilometer zwischen Hotel und Stadion wieder das Rad.

Bewaldeter Hügel mit vier Flutlichtmasten und einem Neubaugebiet und einer Straßenbrücke.
Blick auf das Erzgebirgsstadion von Bad Schlema aus

Alle Züge waren pünktlich, so dass ich genügend Zeit hatte, noch den nächsten Blogpost vorzubereiten, denn die Sommerpause bei Mainz 05 hatte es ja doch in sich…Stichwort Leitbild, Saudi-Arabien und die Trophäe schlecht hin, die  „Klimaneutralität“.

02 (N)immer nuff:

Die kurze Radtour von Bad Schlema zum Erzgebirgsstadion hatte es tatsächlich in sich. Zunächst ging es einen Hügel in Richtung Aue hoch, weiter durch den Wald mit nettem Blick auf die Flutlichtmasten des Erzgebirgsstadion und auf das Ringer-Leistungszentrum „Lothar Lässig“ (heißt wirklich so) am Straßenrand. Danach ging es im Schuss steil bergab in die Auer Innenstadt und dann wieder steil nach oben hinauf zum Stadion. Nach den sechs Stunden im Zug war das allerdings eine willkommene Abwechslung.

Klapprad vor einem Stadion.
Ankunft im Schacht

03 Kon-Trolle

Die Security hatte kein Problem damit, das Klapprad an den Zaun anzuschließen. Die folgende Sicherheitskontrolle war ebenso easy absolviert und niemand störte sich daran, dass ich meine Fahrradbeleuchtung mit hineinnehmen wollte – in Mainz ist das ja immer ein Drama. Als ob jemand seine 50 bis 100 Euro teure Beleuchtung auf den Platz schmeißen würde… Allerdings durfte ich eben diesem Grund auch schon mal ein iPad-Mini auf Schalke abgeben. Da lob ich mir den Auer Realismus wirklich.

04 Kampf um den Mampf

Gab es sie noch oder gibt es sie nicht mehr? Das ist bei jedem Gastspiel in Aue die Frage, die sich Auswärtsfahrende jedes Mal aufs Neue stellen. Ja, es gab die „Nudelpfanne“ oder den „Nudeltopf“, der mittlerweile aber schlicht nur noch „Nudeln mit Wurstgulasch“ heißt. An meine erste Nudelpfanne in Aue 2008 habe ich kaum noch Erinnerung.  War sie vegetarisch oder mit Fleisch versetzt? Keine Ahnung. Mittlerweile versuche ich, auf Fleisch zu verzichten und landete erstmal bei einer Riesenbrezel für drei Euro. Da ich seit der Abfahrt in Mainz nichts gegessen hatte, sättigte die Brezel mehr so weniger. Also entschied ich mich für die „vegetarische“ Variante, die aus Nudeln und Gouda-Käse bestand. Da die Ketchup-Töpfe zur Selbstbedienung herumstanden, garnierte ich den Nudeltopf mit Ketchup. Das Ergebnis war nicht wirklich prickelnd, aber im Vergleich zu den Brötchen, die es letztes Jahr als fleischlose Alternative in Elversberg gab, war das ja schon fast das Paradies.  

Ketchup- und Senftopf hinter einem Plastikteller mit Nudeln und Gouda-Käse.
Die vegetarische Version der Nudelpfanne

05 Käfighaltung

Allerdings hatte der DFB ja diese erste Pokalrunde dem Klimaschutz gewidmet. Dazu wurde auch ein Wettbewerb ausgelobt, dass der Amateurverein, der die meisten vegetarischen Gerichte verkauft, eine Belohnung vom DFB erhält. Aue hatte da wohl keinen Bock drauf und servierte tatsächlich nur die Brezel. Die Wurstnudeln wurden auch noch schön im Einweg-Plastiktopf serviert. Wenigstens waren die Löffel schon aus Holz. Nun wäre es natürlich wenig nachhaltig, Restbestände an Plastik-Einweg wegzuschmeißen. Und die vegetarische Nudelvariante hätte wahrscheinlich auch kaum jemand gewünscht. Daher war das alles irgendwie nachvollziehbar.

Aber pünktlich um 18 Uhr zeigte der Verein sehr deutlich, was er vom Klimaschutz hält. Alle Spiele in dieser ersten Pokalrunde wurden eine Minute später angepfiffen, damit diese Minute für einen Appel für den Klimaschutz genutzt werden sollte. Der Stadionsprecher las wahrscheinlich den vom DFB entworfenen Text vor, nur verstanden hat man nichts. Das lag nicht am lokalen Dialekt sondern vielmehr erklang das Steigerlied über die Stadionlautsprecher in ohrenbetäubender Lautstärke. Ein eindeutigeres Statement, wie man bei Erzgebirge Aue zum Thema Klimawandel steht, kann man eigentlich nicht zeigen. Gleichzeitig brennen 100 Kilometer weiter in der Sächsischen Schweiz die Wälder…

Jubelnde Menschen, Fahnen, Doppelhalter in einem Fußballstadion.
Blick aus dem Gästeblock auf den Platz

Dass Fans die Aktion wie in Dresden auspfeifen – geschenkt. Schließlich steht der Verband wegen zahlreicher Dinge in der Kritik. Dass aber ein Mitglied des DFB, die Aktion des eigenen Verbands torpediert, hat schon eine ganz andere Qualität. Anzunehmen, dass sich der Verein bei einem Teil der Fan anbiedern wollte, statt der Linie des DFBs zu folgen. Wahrscheinlich hat man bei den Veilchen mehr Angst vor einigen Stadiongänger*innen als davor aufgrund des menschengemachten Klimawandels zu vertrocknen. Der DFB ist ja bei Vergehen von Fans recht schnell dabei mit Strafen und Sanktionen aller Art. Es bleibt spannend, ob diese Aktion des Vereins ein Nachspiel haben wird. Wenn nicht, ist das nächste Pfeifkonzert sicherlich nur eine Frage der Zeit. Und nun ja, die Quittung gab es dann von den Klimaverteidigern aus der goldenen Stadt am Rhein, die am Ende recht souverän gegen die Lila-Laune-Klimaaktionsverweigerer gewonnen haben.

Fazit: Der Jahrgang 2022/2023 zeigt, dass das Klima beim Thema Klimawandel ziemlich aufgeheizt ist.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Hertha 2021/2022

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Obwohl der 33. Spieltag erstmals ebenfalls komplett zerstückelt wurde, war es dank der relativ frühzeitigen Terminierung möglich, eine bezahlbare ICE-Verbindung zu finden. Daher war mein Ticket längst gebucht, als feststand, dass die Supporters Mainz wieder einen Sonderzug organisieren würden. Da meine Rückkehr ins Mainzer Stadtgebiet um 3 Uhr nachts erfolgen würde, kombinierte ich mal wieder (richtiges) Fahrrad mit dem Zug und stellte den Drahtesel in Bischofsheim ab. Von dort sollte es mit dem RE3, der von vlexx durchgeführt wurde, zum Fernbahnhof am Flughafen gehen. Machte ich in der letzten Spätlese „Wolfsburg“ noch Witze über durchrauschende Züge in der VW-Stadt, ist mir genau jenes nun am Samstagmorgen in Bischofsheim passiert. Statt planmäßig anzuhalten, fuhr der vlexx-Lokführende mit seinem Zug einfach durch.

Tweet zum Umstand, dass der vlexx-Lokführende einfach durch den Bahnhof durchgefahren ist.
Bestens geeignet, seine Aufregung über die vlexx zu kanalisieren: Twitter

Die fluchenden Fahrgäste mussten auf die nächste S-Bahn warten. Ab Frankfurt-Flughafen verlief die Fahrt im ICE so ereignislos, dass ich die zwei letzten Folgen des Hinterfhofsänger-Podcasts in aller Ruhe hören und die Erstausgabe des Rote Kopf-Fanzines lesen konnte. In beiden Medien wurde auf die Aktion „Spendet Becher Rettet Leben“ hingewiesen, die die Berliner Harlekins bereits seit 2005 durchführen.

02 (N)immer nuff:

Ich hatte meine Ankunft in Berlin so terminiert, dass ich noch einen alten Mainzer Freund treffen konnte. Dieser sagte kurzfristig ab, so dass ich zwei zusätzliche Stunden in der Hauptstadt zur Verfügung hatte. Spontan kam mir die Idee, vom Hauptbahnhof zum Stadion zu laufen. Auf diese Art zum Stadion zu gelangen, hatte ich auch schon vor Corona von Zeit zu Zeit genossen, etwa in München vom Marienplatz zum Kurt-Landauer-Stadion, in Freiburg an der Dreisam entlang, durch den Schlosspark in Stuttgart, um nur einige Touren zu nennen. Vom Berliner Hauptbahnhof ging es nun mehr weniger immer direkt an der Spree entlang bis zum Schloss Charlottenburg.

Screenshot der Wanderroute vom Berliner Hauptbahnhof zum Olympiastadion.
Die Route vom Berliner Hauptbahnhof zum Olympiastadion ist auf der Wander-App Komoot hinterlegt.

Der Weg war wirklich abwechslungsreich und völlig verranzte Abschnitte wechselten sich mit moderner Architektur ab – so wie es mittlerweile typisch für die Hauptstadt ist. Hinter dem Schloss war es zunächst etwas unangenehmer, denn es ging an einer Hauptverkehrsader entlang. Nach einem Kilometer führte mich die Route, die ich teilweise mit Hilfe von Google Maps festlegte, in ein Villenviertel mit vielen Botschaften afrikanischer Länder, ehe  plötzlich die Olympischen Ringe aus der Entfernung bereits zu erkennen waren. Wer die Route nachgehen möchte, kann sie sich auf Komoot.de anschauen. Mit den 12,0 Kilometern war ich an diesem Tag der Mainzer mit dem größten Laufpensum. Stachi schaffte auf dem Platz „lediglich“ 11,7 Kilometer 😉

03 Kon-Trolle

Von weitem erkennbar hing das „Spendet Becher Rettet Leben“ Banner an den Mauern des Olympiastadions. Diese Aktion der Berliner Fanszene fand bereits zum 17. Mal statt und nahm ihren Ursprung als ein Hertha-Fan an Leukämie verstarb.

Der Eingang des Berliner Olympia-Stadions mit großem Banner "Spendet Becher Rettet Leben"
Auf die Aktion „Spendet Becher Rettet Leben“ wurde mit großen Bannern hingewiesen.

Um ihm zu gedenken und Menschen in Not zu helfen, findet seither zu jedem letztem Hertha-Heimspiele diese Aktion statt. Unterstützung fand sie dieses Mal auch von der Mainzer Fanszene. Dieses Beispiel zeigt, wie Fans verschiedener Vereine zusammenhalten, wenn es darauf ankommt. Das gespendete Geld floss diesmal in das Projekt „Wünschewagen“.

04 Kampf um den Mampf

In der Hauptstadt der Currywurst gab es tatsächlich die nachhaltigste heiße Futter-Alternative, sprich eine vegane Variante mit Serviette auf die Hand. Denn was bringt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit die gesündeste vegane warme Speise, wenn diese in Einwegplastik verpackt ist? Allerdings war die vegane Wurst genauso teuer, wie die Fleischversion. Das ist zwar einen Tick sinnvoller als in Frankfurt, wo die vegane Variante sogar mehr kostet. Aber wenn gerade gefühlt alles teurer wird, die wahren Kosten der Massentierhaltung aber nicht eingepreist werden, dann ist es einfach ein falsches Signal, eine Wurst auf Planzenbasis zum gleichen Preis anzubieten, wie eine Variante für die Tiere herhalten müssen.

Mülltonne voll mit Pfandbechern, die im Gästeblock von Mainzer Fans gespendet wurden.
Auch im Gästeblock wurden fleißig Becher gespendet.

In Berlin schloss sich für diese Saison auch der Gebinde-Kreis. Angefangen hatte diese Runde mit dem 1-Liter-Becher in Eleversberg, wer wollte konnte sich den Gerstensaft auch zum Abschluss in der Badewanneversion zu Gemüte führen. Hauptsache der Becher landete danach in der Spendentonne. Dies machte gefühlt der ganze Block, denn die Tonnen waren nachkicks randvoll mit Bechern gefüllt.

05 Käfighaltung

Dem Sonderzug sei Dank war der Gästeblock erstmals seit unserem ersten Aufstieg 2004 wenigstens wieder ein Stück weit gut gefüllt. Dem Aufruf der Fanszene, wie am letzten Spieltag oft üblich, im Trikot zu erscheinen, folgte ein Großteil der Mitgereisten, so dass aus dem Block ein riesiges Freilichtmuseum an historischen Trikots wurde. Ferner hatte die Szene einen schönen Spieltagsschal aufgelegt, der reißenden Absatz fand und auch gleich zu Beginn des Spiels eingesetzt wurde.

Ein Flyer des "Letzte Wünsche Wagens" im Berliner Olympiastadion
In einem Flyer wurde über den „Letzte Wünsche Wagen“ informiert.

Waren bei unseren bisherigen Auftritten im Olympiastadion auch auf der Heimseite meist nahezu 50 Prozent der Plätze freigeblieben, so sah das diesmal wirklich anders aus. Über 70000 Nasen wollten ihre Hertha sehen, so dass dieses letzte Samstagsabendspiel der Saison tatsächlich sehr stimmungsvoll wurde. Einen besseren Auswärtsfahrten-Saisonausklang konnte es eigentlich nicht geben. Dass dann doch noch der dritte Dreier auswärts eingefahren wurde, stellte wohl alle, die es mit unserem Verein halten, mehr als zufrieden.

Mainzer Fans halten den Spieltagsschal im Gästeblock des Olympiastadions hoch
Stimmungsvolles Intro mit dem eigens für den Spieltag kreierten Schal der Fanszene

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 zeigt, dass Berlin tatsächlich eine Reise wert ist.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Wolfsburg 2021/22

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Freitag abends halb neun in Wolfsburg ist sicherlich die denkbar unangenehmste Spielansetzung, seitdem die unsäglichen Montagsspiele abgeschafft wurden (aber leider am 2. Mai nochmals Auferstehung feiern). Nach 17 Jahren auswärts Fahren habe ich auch keine Lust mehr, um 3 oder 4 Uhr nachts zurück auf die richtige Rheinseite zu gelangen. Aber in Wolfsburg übernachten? Geht rein theoretisch, aber die Hotels sind vergleichsweise teuer. Also ging es für mich zunächst mit dem ICE nach Braunschweig, wo es für die Hälfte der Wolfsburger Preise ein gutes Hotel gab, das auch noch direkt gegenüber des dortigen Hauptbahnhofs liegt. Innerhalb einer Stunde schnell die Sachen ins Zimmer gebracht, ging es mit dem nächsten ICE weiter nach Wolfsburg. Dabei steht natürlich immer die bange Frage im Raum, ob die lokführende Person tatsächlich einen Halt auf dem Weg in die Hauptstadt einlegt. In der Vergangenheit hielten sich da einige nicht an den fahrplanmäßigen Stopp. Daher war ich natürlich froh, dass beim Vorbeirauschen an hunderten nagelneuer PKWs plötzlich die Bremensen quietschten und ich zwei Stunden vor Anpfiff am ausgestorbenen Bahnsteig aussteigen konnte.   

Im ICE278 kurz vor dem Wolfburger Hauptbahnhof.
Hält er oder hält er nicht, der Zug in Wolfsburg?

02 (N)immer nuff:

Da zwischen Hauptbahnhof – ja, es gibt wirklich einen Hauptbahnhof – und Stadion nur der Mittellandkanal zu überqueren ist, verzichete ich diesmal auf ein Klapprad. Eben dieses Gewässer sorgt beim VfL Wolfsburg dafür, dass der Club pro Jahr 11 Millionen Liter Trinkwasser spart, indem die Plätze mit Grauwasser bewässert werden. Anders als das Thema Energieeffizienz, das aktuell in aller Munde ist, wird im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit Wassereffizienz praktisch nie genannt. Hier geht der VfL Wolfsburg in der Liga wirklich vorbildlich voran. Auch auf anderen Gebieten ist der Club zugegebenermaßen in Sachen Nachhaltigkeit fast so gut wie sein Frauenteam im Fußball.

Der Mittellandkanal, der sich direkt neben dem Stadion befindet.
Der Mittellandkanal, der sich direkt neben dem Stadion befindet.

03 Kon-Trolle

Das „Wolfsburger Modell“, was das Bier angeht, hat auch die Pandemie überdauert. Vor dem Einlass gibt es richtigen Gerstensaft, der allerdings noch vor der Kontrolle geleert werden muss. Dahinter gibt es nur alkoholfreie Getränke, was angesichts des Spielverlaufs die eine oder den anderen vor eine große Herausforderung gestellt haben könnte. Das Spiel schön trinken oder Frustsaufen war im Gästeblock nicht möglich.

Becherspenden finden auch in Wolfsburg statt.
Becherspenden finden auch in Wolfsburg statt.

04 Kampf um den Mampf

Der Spieltag wurde vom VfL unter das Motto „Diversität“ gestellt. Es gab Pfandbecher, Banner und Logos in Regenbogenfarben. Der Mittelfeldkreis wurde vom Platzwart in ein Friedenssymbol umgewidmet und am Essensstand gab es eine große Enttäuschung. Während die Currywurst in der VW-Kantine mittlerweile durch eine vegane Variante ersetzt wurde, gab es im Gästeblock die altbekannte Version aus Fleisch. Es sei denn, es wurde nicht angegeben, dass sie vegan ist, was ich stark bezweifle. Dazu gab es Schnitzel und Bratwurst im Brötchen. Letztere war mit 3,20 Euro die günstigste Speise im Block. Alterantiv gab es eine Brezel für 3,50 Euro. So hält es also Wolfsburg mit der Verschiedenheit bei den Essgewohnheiten von Auswärtsfans. Es ist einfach immer wieder lustig bis peinlich, wie sich Fußballvereine eines Themas versuchen anzunehmen und dann bereits an den Basics scheitern. Wie immer geht es nicht darum, dass hier jemand auf seine Wurst aus Fleisch verzichten soll. Menschen, die entweder aus Gründen des Geschmacks, der Gesundheit, des Klimaschutzes und/oder des Tierwohls auf Fleisch als Nahrung verzichten nur eine trockene Brezel anzubieten, die auch noch teurer als die Wurst ist, ist an Ignoranz nicht zu überbieten. Dann lob ich mir am Ende ja fast lieber einen Präsidenten, wie den von Union, der das ganze Thema als Gedöns abtut und sich wenigstens ehrlich positioniert.   

Blick auf die Speisekarte im Gästeblock. Die Brezel ist teurer als die Bratwurst.
Die Brezel ist teurer als die Bratwurst.

05 Käfighaltung

Die Ankunft im Gästeblock hatte was von Dorfdisco um drei Uhr morgens. Die Auswahl der Musik war gut, sie war nur viel zu laut und auf der Tanzfläche aka Tribüne war nichts los. Der Vorteil des Wolfsburger Gästeblocks ist die breite Tanzfläche zwischen Wurstbude und Stehbereich. Dort wurde tatsächlich vorkicks klassisch getanzt, denn als Nullfünfer*in möchte man wenigstens bis zum Anpfiff ein Erlebnis haben, an das man sich auch nachkicks noch gerne erinnert. Ähnlich wie in Augsburg war schon nach einer Viertelstunde der Drops quasi gelutscht aber das war nur der Startschuss für die Meute im Block, so richtig loszulegen. „Nullfünf, Nullfünf, Nullfünf, Nullfünf“ hallte es minutenlang in die Halbzeitpause rein. Die zweiten 45 Minuten wurden mit einem netten „Aus…Aus…Auswärtssieg“ begonnen. Es folgte „Wir gewinnen, wir gewinnen, wir gewinnen sowieso!“, abgerundet durch „Mainz wird deutscher Meister, Mainz wird deutscher Meister, Mainz wird deutscher Meister nächstes Jahr!“. Genau dieser Humor holte mich so richtig ab. Zugegeben, ich hatte spätestens nach dem 4:0 zwischenzeitlich keine Lust mehr auf das Spiel. Ich tigerte oberhalb der Stehplätze hin und her und wurde wirklich durch die Gesänge wieder eingefangen. Dadurch, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit nicht auseinander fiel und ein zweites Leipzig-Debakel verhinderte, erhöhte sich die Mitmachquote im Block von Minute zu Minute. Statt wie im Netz auf die Spieler einzuhauen, wurde im Stadion verbal munter weiter eingeheizt, weil wir alle einen an der Waffel ham‘. Und das „Auswärts fahren ist schön!“-Lied in der Dauerschleife mit Schaleinsatz war der Höhepunkt einer letztlich trotzdem gelungenen Auswärtsfahrt. Forza Moguntia!

Die Fans vom FSV
Die Fans vom FSV

Fazit: Der Jahrgang 2021/2022 zeigt die Diversität zwischen Geschehen auf dem Platz und der positiven Eskalation im Block.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour