Magdeburg 2015

Manchmal meint es der Fußballgott sehr gut mit uns Auswärtsfahrern, denn am letzten Spieltag vor der aktuellen Winterpause konnte man als Mainz 05-Fan, der auch dem munteren Treiben unserer U23 zugeneigt ist, ein wunderbares Hopping-Wochenende fernab der Heimat verbringen.

Und natürlich war die Fahrt zum Auswärtsspiel, wie schon letztes Jahr nach Dresden oder im Sommer nach Kiel oder zuletzt nach Erfurt mal wieder etwas ganz anderes als der Alltag beim auswärts fahren in der Bundesliga. Das fing bereits mit der „Planung“ an. Was habe ich mich komisch gefühlt, als ich Ende August an einem Sonntag Nachmittag den Mainzer Hauptbahnhof betrat und dieser komplett schwarz-gelb war. Nein, Dortmund spielte erst Wochen später in Mainz. Vielmehr fanden hunderte von Dynamo-Fans ihren Weg in unser Städtchen, um ihr Team am Bruchweg gegen unsere rot-weißen Jungs zu unterstützen. Und was mache ich? Fahre mit dem Zug nach Mönchengladbach, um unsere erste Mannschaft anzufeuern. Was habe ich mich damals komisch gefühlt: seine Stadt zu verlassen, ja fast „im Stich zu lassen“. Dieses Gefühl verschwand natürlich nach und nach im Laufe dieses Sonntags, spätestens als die „Amas“ gegen DAS Spitzenteam der Liga 3 ein Unentschieden holten und wir einen Auswärtssieg bei den Fohlen. Aber natürlich fährt man als Mainzer ja sowieso ergebnisunabhängig auf Auswärtsspiele, denn wer mit irgendwelchen Erwartungen, was das Ergebnis angeht, irgendwohin fährt, wird bei unserem Verein eigentlich recht oft schnell auf den Boden der Tatsachen, sprich einer Niederlage runtergeholt, Stichwort „DFB-Pokal“, „Velbert“, „Lübeck“ oder auch „Chemnitz“.

Wegen der Spielansetzung motzte ich noch während der Fahrt nach Gladbach ein wenig via Twitter beim DFB herum, die Spiele unserer U23 doch bitte nicht immer zeitgleich zu den Bundesliga-Spielen zu legen, zumal der Hauptspieltag der 3. Liga ja samstags 14 Uhr ist und nicht sonntags, wie an diesem Tag bei Gladbach und Dresden. Glücklicherweise erreichte die Hertha im Oktober die nächste Runde im DFB-Pokal und unser Auswärtsspiel in Berlin wurde konsequenterweise von der DFL auf den Sonntag gelegt. Nun hieß es nur noch Daumen drücken, dass der DFB, der die 3. Liga Spiele terminiert, nicht auf dumme Gedanken kommt und dann doch noch das Magdeburg-Spiel auf den Sonntag schiebt – zumal das Spiel von Magdeburg einen Spieltag vorher in Erfurt zweimal verschoben wurde und letztlich montags um 18.30 Uhr stattfand.

Aber wie bereits beschrieben, war der Fußballgott den Mainzer Groundhoppern gegenüber sehr nett und das Spiel gegen den 1. FC Magdeburg, kurz FCM, wurde auf den Samstag um 14.00 Uhr fixiert. Dank der deutschen Bahn, die es ja zulässt, dass man Tickets mit Zwischenhalten kaufen kann, erstand ich für recht wenig Geld, eine Fahrkarte von Mainz nach Berlin via Magdeburg zum Sparpreis – inklusive 5 Stunden Aufenthalt zum Besuch des Heinz-Krügel-Stadions in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt.

Dieses Bundesland hatte ich fußballerisch irgendwie im Laufe meines Auswärtsfahrer-Daseins schlichtweg aus den Augen verloren. Beim Blick in die wunderbare Online-Datenbank http://fsv05.destellte ich nachkicks fest, dass das letzte Mal ein Spiel des 1. FSV Mainz 05 in Sachsen-Anhalt vor dem Aufstieg unserer U23 letztes Jahr am 28. März 1991 in Halle stattfand. Torschütze damals Fabrizio Hayer, neben ihm im Sturm ein gewisser Jürgen Klopp, der am heutigen Boxing-Day irgendwo auf der Insel sein Geld verdient 😉 Doch von Magdeburg hatte ich vor Jahren viel gehört, da sie ein neues Stadion bauten, mit engen Tribünen und 25.000 Plätzen. Natürlich wird in Deutschland immer viel gemeckert und so hatte ich damals gelesen, wer braucht denn dort ein Stadion mit so einer Kapazität. Aber vor ein paar Jahren schaffte es Magdeburg fast in die 2. Liga, noch bevor es zur Gründung der 3. Liga kam. Leider fand man sich dann zunächst in der 4. Liga wieder, schaffte dann aber in der Aufstiegsrunde dieses Jahr den Sprung in den Profifußball gegen Kickers Offenbach. Schon im Sommer freute ich mich auf das Gastspiel unserer Jungs in Magdeburg, denn der FCM steht ja auch für den Erfolg des DDR-Fußballs schlechthin, den Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1974 – als einziger DDR-Verein überhaupt!Und Magdeburg gilt stimmungstechnisch als eine Top-Adresse in Fußball-Deutschland. Als dann bekannt wurde, dass der FCM seinen 50. Geburtstag, der am 22. Dezember stattfand, beim Aufeinandertreffen mit unseren Jungs vorfeiern wollte, kannte die Vorfreude keine Grenzen mehr.

Dank des Kigges-Forums fanden sich dann auch noch ein paar Nasen, die ebenfalls Bock auf das Spiel hatten. Die üblichen Verdächtigen, die sich Auswärtsspiele unserer U23 antun, kündigten sich ebenfalls an, so dass wir schließlich ein geballter „Mob“ von 20 Leuten im Gästeblock waren. Und die Heimseite? Yep, wir waren von 3,9 Seiten umzingelt von blau-weißen Magdeburg-Fans im wirklich schicken Stadion. Dieses ist tatsächlich komplett dicht und so wirkt die Lautstärke natürlich nochmals viel intensiver, als z.B. einen Tag später im offenen Olympiastadion von Berlin. Alle Plätze des Heimbereichs wurden aus Anlass des 50. Geburtstags mit weißen oder blauen Ponchos ausgelegt. Auf allen vier Tribünen waren die Zäune mit Spruchbändern verziert, die die großen Tage des FCM zum Inhalt hatten, sprich der Europapokal-Sieg, DDR-Meisterschaften und FDGB-Pokalsiege. Soweit so gut, soweit so beeindruckend, denn es ist nicht selbstverständlich für ein Drittliga-Spiel, solchen Aufwand zu betreiben, vor allem wenn die großen Erfolge Jahrzehnte zurückliegen. Aber das ist halt Magdeburg – ein Gedanke, der mir in den nächsten 90 Minuten öfter durch den Kopf schoss.

Wie bei uns üblich, wurde auch hier kurz vor dem Anpfiff von einem Fan aus der Szene kurz der Ablauf der Choreo über die vier Tribünen erklärt und die Bitte angefügt, die Ponchos überzustreifen und diese bis zum Abpfiff anzubehalten. Ich dachte mir noch, mal gespannt, wie lange die Dinger anbleiben…

Dann der Einlauf der Mannschaften, das Stadion wurde erstmals richtig laut und unsere rot-weißen Buben, durften dann das erleben, was sie auch letztes Jahr schon in Dresden mitnahmen: Stimmungsmäßigen Erstligafußball bei Traditionsvereinen in Liga 3. Ob das nun die Jungs puscht oder hemmt wage ich nicht zu beurteilen, aber die Erfahrung tut den Jungs auf jeden Fall mal gut. Sie erleben hier ein erstes Highlight ihrer Jungen Karriere und das dank Mainz 05, das seine U23 nicht vom Spielbetrieb abgemeldet hat, wie so viele andere Bundesligisten, darunter die launische Diva vom Nebenfluss, die damit langfristig auf Derbys gegen Offenbach oder Darmstadt verzichtet. Und wahrscheinlich standen in der Mainzer Mannschaft mehr Spieler mit Erstligaerfahrung als beim FCM im Kader. Man denke nur am Phillipp Klement, Suat Serdar oder Julian Derstroff, die bereits alle 2015 ihr Erstligadebüt gaben.

Die Choreos auf den Tribünen waren nett anzuschauen. Um den Block U herum, das Epizentrum der Stimmung auf der Heimseite, wurde ein überdimensioniertes Trikot entfaltet, auf der Haupttribüne ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Heinz-Krügel-Stadion“. Das ist insofern beachtlich, da das Stadion wie alle Neubauten in Deutschland einen Sponsorennamen hat, mit dem sich natürlich kein Fan identifiziert. Das Banner aber genau unterhalb der Sponsoren zu entfalten,war ein sehr subtiler Protest „gegen den modernen Fußball“ – der ja nur 128 Kilometer südöstlich von Magdeburg gerade aufbraust.

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Unsere U23 versuchte über ihre Spielstärke zu dominieren, Magdeburg mehr über Einsatz und Leidenschaft. Und wie es bei uns Tradition ist, räusper, zahlte sich letzteres natürlich aus und Magdeburg ging mit 3:1 als Sieger vom Platz. Die erste Halbzeit war stimmungsmäßig sehr gut, aber es sollte in Halbzeit 2 noch so viel besser kommen. Im Gästeklo stand dann bezeichnenderweise der Spruch, der dann auch in den zweiten 45 Minuten beherzigt wurde: „Gästeblock wegscheppern!“. Aber zunächst einmal legte der Block U als Intro für die letzte Halbzeit des Jahres eine gigantische Pyro-Show aufs Pakett – das waren eindeutig mehr als 50 Bengalos, aber – das ist halt Magdeburg! Einigen Mitfahrern, die bereits auf dem Balkan Hopping-mäßig unterwegs waren, lief das Wasser im Munde zusammen, doch gesabbert wurde erst, als die Fackeln erloschen waren, und dann die Stimmung überkochte. Zunächst auf drei Tribünen wurde „Vorwärts Magdeburger Jungs, schießt ein Tor für uns“ als Wechselgesang intoniert, ehe ab der 3. oder 4. Runde dann auch die Haupttribüne dabei war und spätestens dann kam man sich nicht mehr wie in einem deutschen Stadion vor – denn so etwas habe ich noch nie erlebt. 23.000 Zuschauer feuern ihr Team gemeinsam an. Keiner ist sich dafür zu schade – und das ist Magdeburg – die weißen oder blauen Ponchos flogen erst nach Abpfiff in Richtung Spielfeld. So wurde die Stimmung auch noch 93 Minuten lang visuell perfekt unterlegt. Schmähgesänge gegen uns gab es bis zum Schluss nicht, außer das „Ihr könnt nach Hause fahr’n“, aber das konterten wir dann mit „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“, was zwar keiner hörte aber ziemlich der Wahrheit entgegen kam, schließlich fuhren wir fast alle danach in die Hauptstadt, um tagsdrauf wieder stimmungstechnisch in die1. Liga abzusteigen.

Unsere Buben waren natürlich nach dem Spiel enttäuscht. Man sah es ihren Gesichtern an, aber sie kamen zum Block, um sich in die verdiente Winterpause zu verabschieden und ich fand es prima, dass es 20 Leute geschafft haben, in Magdeburg, die Leistung dieses Teams und auch die von Sandro Schwarz zum Jahresabschluss richtig zu würdigen. Beste Zweite in ganz Fußball-Deutschland halt!

Tage später kam mir dann Sachsen-Anhalt nochmals in den Sinn. Natürlich war es das erste Mal für mich, einem 05-Spiel in diesem Bundesland beizuwohnen. Als passionierter Hopper fing dann die Recherche an, wann wo in welchem Bundesland das erste Spiel von Mainz 05 besucht wurde. Angefangen hatte alles recht unrühmlich im Mai 2002 in der alten Försterei bei Union. 1:3 verloren, vorher dieser unwürdige, von einem Journalisten aufgebrachte Ossi-Wessi-Konflikt, den es weder von Mainzer Seite noch von Seiten von Union vorher gab, das Spiel und die Atmosphäre aber vergiftete und letztlich der erste tragische Nichtaufstieg in die Beletage des deutschen Fußballs. Da es mich nach diesem Frust-Erlebnis erstmals ein Jahr auf Reisen zog, folgte das nächste Auswärtsspiel erst im August 2004 wieder in Berlin. Der heutige Stuttgarter Trainer Jürgen Kramny sorgte für meinen ersten Auswärtspunkt. Wenig später folgte mit Baden Württemberg der nächste Länderpunkt und durch Marco Roses Tor in der Nachspielzeit der erste Auswärtssieg! In dieser Aufstiegssaison folgten weitere Länderpunkte und am 30. April 2005 das 6:2 in Bochum – natürlich das bis dato geilste Auswärtsspiel ever.

Einmal mit dem Hopping-Virus infiziert, konnte auch der Abstieg diesen nicht besiegen, vielmehr gab es neue Stadien zu besuchen und Länderpunkte zu sammeln, z. B. in Thüringen im Ernst-Abbe-Sportfeld von Jena. Mit dem erneuten Aufstieg 2009 folgte dann dank des DFB-Pokals in Lübeck der Länderpunkt Schleswig-Holstein, die Entlassung von Jørn Andersen und der Beginn der Ära Thomas Tuchel. Schleswig-Holstein war aber auch für Tuchel kein gutes Pflaster, man denke nur an Kiel! Aber durch den Aufstieg unserer U23 in die Liga 3 hatte ich nochmal Blut geleckt: Im Juli dann die Revanche: 4:0 Auswärtssieg bei den Störchen und in der Nachbetrachtung war Schleswig-Holstein auch der 15. und vorletzte Länderpunkt, den es zu sammeln galt! Dank unserer „Amas“ wurde nun heute vor einer Woche der 16. Länderpunkt mit Sachsen-Anhalt geholt – logisch, dass auch dieses Spiel 3:1 für den Gegner endete, so wie damals in der alten Försterei, als alles anfing!

So wurde in den letzten Jahrzehnten aus dem ehemaligen Oberligisten 1. FSV Mainz 05 ein bundesweit spielender Verein, dem man zu Begnungen in allen 16 Bundesländern folgen kann! Gerade natürlich 2016, wenn wir meenzerischen „runden“ 111. Geburtstag feiern und es wieder „Meenzer on Tour“ heißt! Und in diesem Sinne darf man als Auswärtsfahrer hoffen, dass es im neuen Jahr zu keinerlei weiteren Einschränkungen für Gästefans kommen wird! Denn „Auswärts fahren“ macht ja bekanntlich „schön“ 😉

Hier geht es zu allen Bildern des Spiels.

Ein Video der Stimmung in Magdeburg gibt es auf Facebook und einen Trailer auf Instagram.

Erfurt 2015



„Endlich wieder auswärts mit unserer U23 fahren!“ war das gestrige Motto der zwei Kigges-Nasen Stepanka und ck-africa – und wenn man das Ergebnis mal ausklammert, war es mal wieder so eine Fahrt der anderen Art (wie auch schon mein Trip letztes Jahr mit den Buben nach Dresden)

Wenn man wie wir Lust hat, sowohl die Erste als auch das U23-Team zu unterstützen, dann ist das auswärts gar nicht mal so einfach zu bewerkstelligen, da allzu oft die Spielansetzungen ja miteinander kollidieren und es soll ja auch noch so etwas wie Arbeits- und sonstiges Privatleben geben, so dass ich dann in einer Saison die Auswärtsfahrten mit der U23 an drei Fingern abzählen kann. Umso schöner, dass nach der Lucas-Höler-Show in Kiel (0:4 Auswärtssieg) gestern der nächste Trip anstand und wir dieses Mal ja sogar zu zweit unterwegs waren.

An sich sind Auswärtsfahrten ohnehin noch das letzte Stück Spannung im rund um durch gestylten Paket des Profifußballs. Allerdings ist natürlich das Drumherum beim zehnten Besuch des Westfalenstadions oder der Allianz-Arena dann meist nicht mehr wirklich so erwähnenswert. Und natürlich stellt sich der Gastgeber dank bester Vernetzung mit unserem Verein auf die erwarteten Gästezahlen entsprechend ein.

Bei den Spielen unserer U23 habe ich den Eindruck, dass Mainz 05 (natürlich) keine Informationen hat, wie groß der Auswärtsmob an Mainzern sein wird. Daher landet man als U23-Supporter manches Mal vor dem geschlossenen Gästeblock und wird dann bestenfalls auf die Haupttribüne abgeschoben. Neulich in Kiel wurde der Gästeblock spontan geöffnet, als mehr als 5 05er plötzlich auftauchten und zunächst am Rande der Kieler Haupttribüne platziert wurden – direkt neben den Kieler Ultras…was natürlich nicht gerade eine grandiose Idee war.

Letztes Jahr in Dresden, dieses Jahr in Erfurt, war das allerdings gar kein Thema, denn diese Vereine scheinen nicht immer alles unter eine Kosten/Nutzen-Analyse zu planen und machen grundsätzlich den Gästeblock auf – egal ob da 10 und 1.000 Nasen womöglich ankommen. Und es ist einfach ein ganz anderes Gefühl, seinen eigenen Block zu haben, in dem man (fast alles) tun und lassen kann als irgendwo auf einer Sitztribüne (wie es auch schon mal Schalke mittwochs abends gemacht hat) neben den Heimfans zu supporten.

Die Haupttribüne des Steigerwaldstadions
Die Haupttribüne des Steigerwaldstadions

Das Steigerwaldstadion in Erfurt wird gerade modernisiert, sprich wie auch letztes Jahr in Chemnitz beim Pokalspiel war das halbe Stadion eine Baustelle. Allerdings dominieren hier immer noch diese gigantischen Flutlichtmasten und diese werden auch dem Umbau nicht zum Opfer fallen – so dass man gespannt sein kann, wie sich das „neue“ alte Steigerwaldstadion von seinen anderen neuen Arenen angenehm abheben wird.

Eine Stunde vor Anpfiff der einzige Fan im Block zu sein, da Stepanka von der Haupttribüne aus berichtete, war schon ein komisches Gefühl und bei Nieselregen erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass diese neuen 0815-Arenen doch einen entscheidenden Vorteil bieten…sie sind überdacht! Während wir in Kiel tatsächlich in der zweiten Halbzeit allesamt aufs Herren-WC wegen Gewitter und Platzregen geflüchtet sind, meinte es Petrus dann letztlich doch gut mit uns und das Wetter wurde minütlich besser, während ja leider das Ergebnis immer schlechter wurde.

Der Mainzer Auswärtsmob in Erfurt
Der Mainzer Auswärtsmob in Erfurt

Die fehlende Überdachung, leerer Gästeblock und recht kühle Temperaturen regten dann das Gehirn mal wieder an, sich zu fragen, was man hier mittags um 13.00 Uhr mitten in Thüringen eigentlich so macht – um dann kurz danach einfach wieder nur zu staunen…über die ebenfalls völlig überdimensionierte Anzeigetafel mit ihren tausenden von Glühbirnen. Das letzte ähnliche Modell (das auch noch funktionierte) sah ich wohl beim Spiel unserer ersten Mannschaft in Oberhausen im Dezember 2008.

Und dann kam plötzlich der Mainzer „Auswärtsmob“. Es hätte tatsächlich sein können, dass der Block von Jena-Fans bevölkert wird, denn Erfurt und Jena verbindet eine große gegenseitige Abneigung, aber es kamen „nur“ eine Handvoll Nasen in „Da Silva“, „Noveski“, „Geis“ und „Schürrle“ Trikots. Dieses All-star-Team hatte so ziemlich alles dabei, um einen Gästeblock rucki-zucki in ein Wohnzimmer umzugestalten: Zaunfahne, Choreo, Megaphon und Trommel. Während beim Auftritt in der letzten Saison 5 Leute den Block bevölkerten waren wir plötzlich 17 Leute, davon ein Erfurter, dessen Block gerade abgerissen wurde und der wegen Städtepartnerschaft zwischen Mainz und Erfurt lieber mal in den Mainzer Block gehen wollte, statt in den mit Regenschirmen übersäten Nebenblock. Und dieser bestätigte dann auch gleich mal meine Annahme, dass sich z.B. aus Großaspach auch nicht sehr viel mehr Fans in den Gästeblock verirren. Soviel dann zum Thema Zweite Mannschaften in der 3. Liga und dem wenigsten Gästefans.

Wie sich herausstellte bestand der „Mob“ hauptsächlich aus zwei 05-Fans aus Erfurt, die noch ein paar Freunde mobilisierten und dann tatsächlich beim Erfurter Fanprojekt diese Woche, die genannten Utensilien anmeldeten und genehmigt bekamen. Auf der Zaunfahne wurde dann auch an die Städtepartnerschaft mit Erfurt erinnert und die Wechsel-Choreo bestehend aus Mainz 05- und Peace- und PACE-Logo war vielleicht etwas zu global gedacht für diesen lokalen Kick – aber wieso auch nicht? Natürlich werden da jetzt die echten Megahardcore Fans von benachbarten Traditionsvereinen wieder mit genüsslicher Abneigung zu den „Bonbonwerfern“ rüberblicken. Aber unser Verein hat wenigstens noch eine U23, der man folgen kann und die mittlerweile mit Philipp Klement und Suat Serdar innerhalb einer Woche zwei neue Erstligaspieler hervorbrachte. Und die Arbeit, die die 05er-Sektion aus Erfurt in ihre Zaunfahne und Choreo steckte ist meiner Meinung nach aller Ehren wert.

Auch eine Choreo darf natürlich nicht fehlen
Auch eine Choreo darf natürlich nicht fehlen

Die Buben mussten sich am anderen Ende des Platzes warmmachen und bis in die Nachspielzeit war es uns eigentlich nicht klar, ob die überhaupt mitbekamen, dass es einen Auswärtsmob gibt, denn die Bahn um den Platz führte tatsächlich dazu, dass das Spielgeschehen recht weit weg stattfand und man dann doch manchmal diese engen Stadien wieder gar nicht so schlecht findet. Denn ein Funke konnte hier vom Block auf die Mannschaft natürlich kaum rüberspringen. Obwohl der Megaphon-Einsatz wohl sogar gut auf der Haupttribüne zu hören war. Von der Liedauswahl her ging verständlicherweise nicht viel, aber ein Wechselgesang „FSV“ und „Mainz 05“ bekommt natürlich auch der supportwillige Erstbesucher von 05-Spielen recht schnell gebacken.

Der Support der Erfurter war ganz ok. Die Ultras waren dem Gästeblock gegenüber auf der überdachten Haupttribüne untergebracht und die 3.100 Zuschauer hatten spätestens nach den beiden Elfmetern ihren Spaß. Wir im Gästeblock hatten spätestens unseren Spaß, als es darum ging, mit Speis‘ und Trank versorgt zu werden. Wie schon oben beschrieben, wusste man ja natürlich nicht, wie viele Leute so kommen und folglich hatte dann gar kein Essens- oder Getränkestand geöffnet. Aber das war für die durchweg freundlichen Erfurter Security- und Stadionmitarbeiter kein Problem. Der Mainzer Gästeblock durfte à la Carte bestellen und die Catering-Mädels brachten dann sukzessive Bier und Thüringer Bratwurst, perfekt verpackt im Styropor-Gewand mit Semmel, Senf und Ketchup in den Block. Und bei der Security nach der ersten Runde weitere Kaltgetränke zu ordern, war natürlich grandios – wo sie in anderen Stadien ja manchmal eher damit beschäftigt sind, den einen oder anderen Besucher des Gästeblocks zu gängeln.

Die Versorgung mit Kaltgetränken ist gesichert
Die Versorgung mit Kaltgetränken ist gesichert

Durch ein wenig Trinkgeld motiviert, kam der Nachschub an Kaltgetränken immer schneller und so wurden die 17 durstigen Kehlen 90 Minuten bestens versorgt ohne mit irgendwelchen Karten bezahlen und davor 20 Minuten in einer Schlange stehen zu müssen. Hier wurde das Bier auf dem Tablett serviert und Fußball „konsumiert“ 😉

Nach dem Abpfiff waren unsere Buben natürlich bedient, aber anscheinend hatten sie den Support dann doch ganz gut mitbekommen und gleichwohl sie sehr mitgenommen aussahen, applaudierten sie dem Block und klatschen alle am Zaun ab. Nach 14 Spielen ohne Niederlage ist man natürlich enttäuscht und vielleicht ist das halt der Preis, den man als Mannschaft zahlen muss, wenn es einzelne Talente dann plötzlich ganz nach oben in die Liga 1 schaffen und so das Mannschaftsgefüge durcheinander gewirbelt wird.

Trotz der Enttäuschung kamen die Jungs zum Abklatschen vorbei

Trotz der Enttäuschung kamen die Jungs zum Abklatschen vorbei

Trotz des Ergebnisses war dies mal wieder eine Auswärtsfahrt, die alle Beteiligten sicherlich so schnell nicht vergessen werden und die die Lust auf das nächste Auswärtsspiel mit unserer U23 natürlich schon wieder wachsen lässt. Und Erfurt nächstes Jahr, sollte eigentlich wieder drin sein – wenn denn beide Mannschaften in der Liga bleiben.

Hier geht es zu allen Bildern des Spiels.



Dresden 2014

In diesem Kapitel finden sich bisher nur Reiseberichte von den mitgemachten Fahrten der letzten Jahre. Auswärtsfahrten mit dem geliebten Fußballsportverein aus Mainz sind allerdings letztlich auch nichts anderes als Reisen. Daher findet sich nun erstmals hier ein Spielbericht.

Eigentlich laufen für mich Auswärtsfahrten mit unserem Verein schon immer recht ähnlich ab. Unabhängig von der Anfahrt mit dem (Fan)-Zug, dem Bus oder dem Auto (oder dem Flugzeug „Europapok…“) ob mit oder ohne Mitfahrer trifft man spätestens vor dem Block die ersten bekannten Nasen alias Gelgenheits-, Viel- und Allesfahrer, hält das eine oder andere Schwätzchen und geht gemeinsam in den Gästeblock. Für mich ist das Schöne an einer Auswärtsfahrt u.a. der gemeinsame Support aller Fans, egal wo man daheim steht oder sitzt. Und nicht immer ist die Masse an Auswärtsfahrern maßgeblich für den „gelungenen“ oder nicht so „gelungenen“ Support, da wir auch mit wenigen Hundert Leuten schon gut den Gästeblock gerockt und die Mannschaft (hoffentlich) damit unterstützt haben. Und egal ob wir Favorit oder Underdog sind, die Mannschaft ist immer für eine Überraschung gut und nach der Rückfahrt denkt man oft an den einen oder anderen magischen Moment zurück, den man mit allen im Block nie vergessen wird, wie z.B. die Tore in Fürth 2009 oder in Bochum 2005.

Blick aus dem Gästeblock ins später fast volle Stadion
Blick aus dem Gästeblock ins später fast volle Stadion

Doch an diesem Freitag war dann mal so richtig alles anders.

Die Konstellation Tabellenzweiter und Absteiger aus Liga 2 zu Hause gegen den Tabellenletzten und Aufsteiger aus Liga 4 brachte auf dem Papier schon eine gewisse „Klarheit“, die man als 05-Fans selbst bei den Bayern eigentlich spätestens nach Samis legendärem Hackentor so nicht mehr findet und vielleicht höchstens damals beim Pokal-Spiel in München kurz vor Weihnachten mal spürte. Und dann noch D Y N A M O. Das sind doch die, die „ständig“ aus dem DFB-Pokal ausgeschlossen werden und „richtig böse“ sind. Aber wenigstens war es nicht ganz so kalt wie in München anno dazumal. Dafür regnete es aber Bindfäden und das oben beschriebene Gruppendynamische gegen Dynamo zu erleben, bildete vorab eher Hoffnung als Erwartung. Aber dass der Abend dann doch ein von Emotionen geprägter wurde, hing zunächst einmal vom Verein Dynamo Dresden ab. Denn anders als vor ein paar Jahren, als ich an der Essener Hafenstraße vor dem verschlossenen Gästeblock ankam und letztlich irgendwo auf der Haupttribüne landete das erste positive Zeichen an diesem Abend:

Der Gästeblock war geöffnet (und mit Polizei und Wasserwerfer gesichert). Auf die nicht ganz ernst gemeinte Frage am Kassenhäuschen 50 Minuten vor Spielbeginn ob wir die ersten sind, ein „ja“ zu erhalten, ließ mich dann doch ein wenig wie in der 5. Jahreszeit vorkommen, schließlich galt es nun in eine komplett neue Rolle zu schlüpfen. So ähnlich müssen sich die 23 Wolfsburger Gästefans vor ein paar Jahren an einem Mittwoch im Bruchweg gefühlt haben. Das Stadion (fast) voll, bis auf ein kleines Fleckchen „Gästeblock“. Zu diesem 3.-Liga-Spiel kamen 23.204 (!) Dresdner Zuschauer und bei uns fanden sich schließlich 17 Leute im Block ein. Davon 2 Werder-Fans, die auf ihrer Städtereise die Stadionatmosphäre der Semper-Oper vorzogen. Und 8 Dresdner Kiebitze, die lieber in aller Ruhe das Spiel analysieren bzw. noch schnell 2 S-Block-Karten für Samstag loswerden wollten. Blieben 3 05-Fans aus Cottbus und wir vier. Mein Kumpel, 05-Fan seit Ouakili-Zeiten, aber seit 1997 in Dresden doch eher in der 05-Diaspora lebend und seine beiden Töchter, die seit Jahren ihrem ersten 05-Spiel entgegen fieberten. Dieses erlebten sie dann bereits in Chemnitz letzten Monat und an jenes Spiel werden sie sich wie Johannes Geis wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang erinnern.

Der Mainer Auswärtsmob in Dresden
Der Mainer Auswärtsmob in Dresden

Ideale Bedingungen also für unseren Auswärtsmob hier etwas zu reißen.

Beim Einlaufen der Mannschaften musste unser Mob dann mit allen rot-weißen Utensilien visuell auf sich aufmerksam machen, aber anscheinend hatten unsere Buben mit 17 Leuten weniger gerechnet und sie winkten doch überrascht zurück. Martin Schmidt kam lachend an die Eckfahne gelaufen und zählte dann auch nochmal ganz genau nach. Beim Blick auf die Aufstellung dann das nächste Positive. Denn mit Robin, Damian, Todor, Devante und Bene waren ja fünf Buben aus der ersten Mannschaft dabei. Ging da vielleicht doch etwas?

Gut, bei der Mannschaft vielleicht, aber gegen mehr als 20.000 Menschen zu supporten war dann doch nur Harakiri für die Stimmbänder. Aber egal, die einen oder anderen Sekunden, in denen es mal nicht D Y N A M O schallte, wurden dann doch genutzt den „1. FC Mainz“ lauthals zu unterstützen. Eigentlich hätten wir wohl schon eigens für den Stadionsprecher beim Warmmachen der Buben ein lautes „F S V“ skandieren sollen, denn er blieb 90 Minuten dabei, ein Spiel zwischen der SGD und dem FC aus Mainz zu sehen. Fühlte ich mich in meiner „Wolfburg-Rolle“ irgendwie bizarr, war der Heim-Support garantiert kein 3.-Liga-Niveau. Dresden kann es sicherlich mit vielen stimmgewaltigen Szenen in der 1. Liga aufnehmen und auch das Stadion ist ein echtes Schmuckkästchen. Und, außer einem Schmähgesang gegen Robin, war der Support ausschließlich auf die Unterstützung der eigenen Mannschaft bezogen. Und die Security war auch nicht vom Typ Stiernacken. Vielmehr handelte es sich um ganz sympathische Leute aus unserer Partnerstadt Erfurt. Einer meinte noch, er hätte hier bis auf einmal noch nie einen Heimsieg von Dynamo erlebt. Aber an diesem Tag war die Lage wohl etwas anders.

Sekunden vor dem Abpfiff erzielt Mainz den Ausgleich
Sekunden vor dem Abpfiff erzielt Mainz den Ausgleich

Ja und dann kam die 93. Minute. Das Stadion sang bereits Minuten zuvor lauthals vom „Sieg“, der Kicker präsentierte seinen Bericht vom Dynamo-Spielgewinn und Mounir schob den Ball ins Netz. Noch nie hatte ich ein Stadion innerhalb einer Sekunde verstummen hören, denn schließlich jubelt in so einem ähnlich Moment ja dann der Gästeblock und wenn man mitten drin steht, kommt einem das natürlich sogar eher so vor, als ob die Lautstärke noch zunimmt. Da das Tor am anderen Ende des Platzes fiel, schauten wir uns zunächst erst alle etwas ungläubig an, um dann im nächsten Moment laut los zu schreien. Ein paar Millisekunden später bekamen wir es dann ein wenig mit der Angst zu tun. Wie würden die Heimfans reagieren? Diese waren aber wirklich dermaßen geschockt. Unsere Buben kamen freudestrahlend zu unserem Mob und wir hatten irgendwie ein unbeschreibliches Gefühl in uns – da man die Freude ja nicht wie gewohnt mit den Leuten vor, neben und hinter sich teilen konnte, denn vor und hinter uns war die leere Treppe. Der Security-Typ kam die Treppe herunter, lachte und sagte „sag‘ ich doch, ich habe hier erst einmal einen Heimsieg von Dynamo gesehen!“.

Ein bizarrer und doch schöner Abend ging zu Ende aber noch schöner, dass ich diese „Wolfsburg-Rolle“ bereits am gestrigen Samstag wieder ablegen konnte und lauthals mit so vielen Menschen um mich herum unserer Buben unterstützen konnte. Und am Dienstag im Frankfurt wird es dann auch wieder ein ganz normales Auswärtsspiel – schon schöner so!

Linktipps:

Bilder des Spiels Dynamo Dresden – 1. FSV Mainz 05 II