Finanzielle Nachhaltigkeit Hertha BSC Berlin 2022/2023

Eigenkapital 2021
108 Mio. Euro (Vorsaison: 37 Mio. Euro)
im Vergleich Mainz 05: 37 Mio. Euro (Vorsaison: 47 Mio. Euro)

Jahresüberschuss 2021:
-78 Mio. Euro (Vorsaison: -53 Mio. Euro)
im Vergleich Mainz 05: -10 Mio Euro (Vorsaison: -2 Mio. Euro)

Weitere Finanzkennzahlen können bei der DFL eingesehen werden. Mit Hilfe dieser lassen sich Leistungskennzahlen ermitteln, die in die Finanz-Bundesliga-Tabelle 2021/2022 einfließen, die auf Meenzer on Tour publiziert werden. Pro Leistungskennzahl ist die jeweilige Platzierung im 18er-Feld der Clubs der Saison 2021/2022 angegeben.

  1. Anlagendeckungsgrad (Eigenkapital zu Anlagevermögen)
    Je höher der Deckungsgrad, desto besser steht es um die Finanzierung des Clubs.
    0,98 (Platz 4 – Vorsaison Platz 10)
    im Vergleich Mainz 05:
    0,88 (Platz 5 – Vorsaison Platz 5)
  2. Eigenkapitalquote (Eigenkapital zu Bilanzsumme)
    Je höher die Eigenkapitalquote desto mehr finanzielles Engagement bringt der eigene Club auf, sprich desto mehr finanziert sich der Verein selber und desto geringer ist die Chance, dass der Verein pleite geht.
    0,48 (Platz 7 – Vorsaison Platz 11)
    im Vergleich Mainz 05:
    0,51 (Platz 6 – Vorsaison Platz 6)
  3. Eigenkapitalrendite (Jahresüberschuss zu Eigenkapital)
    Die Eigenkapitalrendite klärt, ob es sich für den Club finanziell lohnt, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, sprich, ob das eingesetzte Geld überhaupt Früchte trägt.
    -0,725 (Platz 14 – Vorsaison Platz 13)
    im Vergleich Mainz 05:
    -0,274 (Platz 11- Vorsaison Platz 8)
  4. Umsatzrentabilität (Jahresüberschuss zu Umsatz)
    Die Zahl sagt aus, wieviel Prozent des Umsatzes als Gewinn verbleiben, sprich wie effizient der Club in der Saison gewirtschaftet hat. Das Rohergebnis wurde hierfür mit dem Umsatz gleichgesetzt.
    -0,758 (Platz 18 – Vorsaison Platz 18)
    im Vergleich Mainz 05:
    -0,106 (Platz 13 – Vorsaison Platz 8)
  5. Personalaufwandsquote (Personalaufwand/Umsatz)
    Je niedriger die Personalaufwandsquote, desto besser wirtschaftet der Club.
    0,90 (Platz 18 – Vorsaison Platz 17)
    im Vergleich Mainz 05:
    0,50 (Platz 3 – Vorsaison Platz 4)
  6. Verschuldungsgrad (Fremdkapital zu Eigenkapital)
    Je höher der Verschuldungsgrad ist, desto abhängiger ist das Unternehmen von externen Gläubigern und desto riskanter agiert dieses Unternehmen.
    1,01 (Platz 8 – Vorsaison Platz 11)
    im Vergleich Mainz 05:
    0,64 (Platz 4 – Vorsaison Platz 6)

Finanzbundesliga-Abschlusstabelle 2021/2022: Platz 9 (Vorjahr Platz 12)
im Vergleich Mainz 05 Platz 4 (Vorjahr Platz 5)

Fazit: War Hertha BSC Berlin 2018 und 2019 noch komplett überschuldet, bekam der Verein plötzlich Flügel. Der Eigenkapitalzuwachs beim „Big City Club“ in Höhe von 70 Mio. Euro war schon 2019 nicht „normal“ – dem Investor sei Dank! In 2020 kamen nochmals 28 Mio. Euro hinzu – das entspricht einem Zuwachs von 350 Prozent! Und in 2021 stieg es nochmals um sagenhafte 193 Prozent oder in absoluten Zahlen ausgedrückt um 70 Mio. Euro! Insgesamt sind es in drei Jahren 168 Mio. Euro. Im Vergleich von 2019 bis 2021 stieg das Eigenkapital bei der Hertha um 1214 Prozent. Auch beim Anlagevermögen (Steine statt Beine) legte Hertha um 424 Prozent zu. Dementsprechend macht Hertha beim Anlagungsdeckungsgrad einen Sprung von Platz 10 auf 4. Schaut man auf die Bilanzsumme (die Größe eines Vereins) legte Hertha zwischen 2019 und 2021 um 66 Prozent zu. Bei der Eigenkapitalquote kletterte sie von Platz 11 auf 7.

Schaut man auf die Fehlbeträge, dann ist Hertha seit 2018 in jedem Jahr fett dabei. (2018: 3,4 Mio. Euro, 2019: 26,0 Mio. Euro, 2020: 53,5 Mio. Euro, 2021: 78,0 Mio. Euro). Insgesamt ist ein Fehlbetrag in Höhe von 160,9 Mio. Euro entstanden. Dementsprechend konnte auch wegen des Umsatzeinbruchs von mehr als einem Viertel zwischen 2020 und 2021 die rote Laterne bei der Umsatzrentabilität nicht abgegeben werden. Das Geld des Investors floss also in 2020 und 2021 fast so schnell raus, wie es durch den Investor reingekommen ist. 

Die Personalkosten sind in den beiden Pandemiejahren bei der Hertha um insgesamt 49 Prozent gestiegen (Platz 4). Wenigstens konnte die Hertha ihr Fremdkapital um 26 Prozent senken. Dementsprechend ist der Verschuldungsgrad gesunken.

Ohne Investor wäre die Hertha finanziell wohl längst am Ende. Es bleibt spannend, ob mit dem neuen Präsidenten, Sandro und Djagga die Wende klappt.

Zum Archiv der finanziellen Nachhaltigkeit der Saison 2022/2023:

Bayer 04 Leverkusen
Union Berlin

Spätlese Hoffenheim Saison 2022/2023

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Was waren das noch für Zeiten im Sommer 2022: Ein Ticket, ein Monat, ein Land, neun Euro – fertig. Aus finanzieller Sicht war es natürlich Glück, dass das Auswärtsspiel in Sinsheim für die Zeit nach der Gültigkeit des 9-Euro-Tickets angesetzt wurde. Schließlich gilt das Print@Home-Ticket der TSG unter anderem für den VRN-Verkehrsverbund. Dieser reicht mittlerweile weit nach Rheinhessen hinein – auf den drei Bahnlinien nach Mainz-Laubenheim, Mainz-Marienborn bzw. Bingen bis nach Guntersblum, Saulheim bzw. Gau-Bickelheim. Damit konnten Nullfünfer*innen, die von den drei genannten Orten oder auf den genannten Linien südlich davon einsteigen und gratis bis zum Haltepunkt Sinsheim Museaum/Arena fahren.

Wabenplan des VRN. Darunter steht "Einfach ankommen".
Wabenplan des VRN

Um herauszufinden, welches Gebiet der VRN abdeckt, wurde man allerdings wieder mit der Hürde der Deutschen Verkehrsverbünde schlechthin konfrontiert: dem Wabenplan! Wenn man ihn auf der VRN-Seite öffnet erschlagen einen erstmal die unzähligen Waben des Tarifgebiets. Den Claim darunter „Einfach ankommen.“ kann man schon fast zynisch nennen. Glücklicherweise lässt sich der Plan anklicken und im PDF-Dokument war es möglich, mit Hilfe der Lupenfunktion die entsprechenden Waben zu entdecken, die das nordwestliche Ende des VRNs markieren: 04, in der Guntersblum liegt und 02, in der Saulheim und Gau-Bickelheim liegen. Letztgenannte befinden sich allerdings auch im RNN-Verkehrsverbund. Damit die Sache nicht zu einfach wird, findet sich für 02 die Bemerkung „Hier gilt eine spezielle Übergangsregelung für bestimmte Fahrausweise des VRN. Näheres finden Sie im VRN-Tarifprospekt oder unter vrn.de“. Auf der VRN-Seite unter Tickets – Verbundübergänge – RNN ließ sich allerdings nicht ermitteln, in welche Gruppe die Fahrkarte zur Eintrittskarte fällt. Anzunehmen, dass sie einem Tages-Ticket gleichzusetzen ist. Ferner ist anzunehmen, dass wohl der Hinweis im Wabenplan auf folgende Regelung abzielt „Verbundweit gültige Zeitkarten im Ausbildungsverkehr gelten im Übergangsbereich zum RNN an Schultagen in Rheinland-Pfalz ab 14 Uhr, ansonsten ganztägig.“ Ein Grund, warum so wenige Menschen, den öffentlichen Personennahverkehr nehmen, liegt genau an solchen bürokratischen Hürden. Was waren das für schöne Zeiten, als es ein Ticket für ganz Deutschland gab und Waben und Preisstufen den Sommer auf der Müllhalde der Bürokratie verbrachten.

Fans außerhalb des VRN profitierten übrigens ebenfalls. Schließlich ließ sich zum Beispiel ab Mainz eine Fahrkarte nach Guntersblum für 8 Euro lösen. Inhaber*innen einer BahnCard – egal ob 25 oder 50 – fuhren für 6 Euro. Kinder zahlten 4,80 Euro bzw. 3,60 Euro. Für 21,30 Euro gab es auch eine Gruppentageskarte, die für 5 Fans galt. So lassen sich die Kosten von 16 Euro für zwei Einzelfahrkarten für die Hin- und Rückfahrt ab Mainz auf 4,26 Euro pro Person senken. Und wer beispielsweise mit dem Rad von Laubenheim nach Bodenheim gefahren ist, hat gleich nochmal etwas gespart: 5 Euro, 3,75 Euro, 3 Euro, 2,25 Euro, bzw. 15,90 Euro wurden dann entsprechend fällig. Die Chancen stehen ja nicht schlecht, dass nächstes Jahr die Partie wieder auf dem Spielplan steht. So lassen sich in Zeiten, in den wir alle sparen müssen, tatsächlich die Kosten für die Anreise nach Sinsheim massiv senken.

02 (N)immer nuff:

War die Ticket-Hürde genommen, ging es mit den Regionalprodukten der Deutschen Bahn in Richtung Sinsheim. Die S-Bahn, die zwischen Mainz und Mannheim verkehrt, war bis Worms nur mäßig gefüllt. Am dortigen Bahnsteig warteten gefühlt hunderte Menschen, die in die Bahn wollten. Am Nachbargleis stand eine S-Bahn, die nicht weiterfuhr. Auf der App der Bahn stand lapidar „Zug fällt aus“. Das ist natürlich besonders blöd, wenn man einen Termin hat. Und daher ist die Kritik, dass der ÖPNV in Deutschland ja auch nicht mehr als 9 Euro Wert sei, nachvollziehbar. Natürlich gibt es auch Staus und Pannen bei der Autofahrt – allerdings ist die Häufung auf der Schiene aktuell tatsächlich extrem. Bis zum Anschlag gefüllt, fuhr die Bahn dann ohne größere Verzögerung im Betriebsablauf nach Mannheim Hauptbahnhof weiter.

Menschen laufen auf einem Weg zum Stadion
Nur ein kurzer Fußmarsch trennt den Haltepunkt Sinsheim Museum/Arena vom Stadion

Dass man bei der Bahn aber positive Überraschungen bereithält, ließ sich schon in der App verfolgen. Es gab zwei Fußballsonderzüge, die direkt nach Sinsheim Museum/Arena fuhren und in Mannheim eingesetzt wurden. Der Vorteil dieser Züge bestand allerdings nur darin, ein Entlastungszug zu sein. Schließlich kommt man von Mannheim auch mit der S-Bahn teilweise ohne Umstieg dorthin. Die Fahrtzeit von etwa einer Stunde wird auch nicht wirklich unterboten. Aber sei´s drum, die Bahn fuhr, es gab genügend Platz für alle und so zuckelten wir mit Halt auf allen Unterwegsbahnhöfen ab Heidelberg über Meckesheim, Zuzenhausen, Hoffenheim und Co. in Richtung Endstation.

Der Fußmarsch an Technikmuseum und Überschall-Jets vorbei durch den Autobahntunnel war leicht und lässig zu absolvieren. Wer entsprechend Zeit mitbringt, für den ist die Anreise mit der Bahn für sehr wenig bis gar kein Geld tatsächlich zu empfehlen.

03 Kon-Trolle

Ein großer Nachteil bei der Anreise mit dem Zug besteht allerdings darin, dass es am Gästeblock keine Abgabemöglichkeit von Taschen gibt. Auch dürfen keine Speisen oder Getränke mit ins Stadion genommen werden. Wie bereits mehrmals geschrieben, halte ich eine solche Abgabestelle aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten für dringend geboten, um beispielsweise mitgebrachte Getränkeflaschen zu deponieren. Wenigstens durfte ich die leere und gefaltete Tetra-Pack-Verpackung Wasser, die mir mal die Deutsche Bahn wegen einer ausgefallenen Klimaanlage reichte, mit hineinnehmen. Dort hätte ich sie gegebenenfalls auffüllen können.

Eine vegane Wurst im Brötchen
Die vegane Wurst war durchaus schmackhaft und eine wirkliche Alternative

04 Kampf um den Mampf

Während die Neubauten der Arenen sich ja mehr oder weniger gleichen, sticht in Sinsheim seit längerem das kulinarische Angebot heraus. Und sie schaffen es dort tatsächlich, in jedem Jahr noch eine Schippe draufzulegen. Man fühlt sich hier wirklich willkommen, wohingegen die Verpflegung der Gäse im Rest der Liga eher als lästiges Übel empfunden wird. Alleine sechs verschieden Wurst- und Frikadellensorten, davon eine vegetarische und eine vegane Variante wurden angeboten. Die Arenawurst kostete 3,90 Euro, die vegane Wurst 4,20 Euro. Das ist natürlich alles andere als nachhaltig, wenn die vegane, klimafreundliche Variante am teuersten ist. Aber zu früh gemeckert. Schließlich gibt es im Gästeblock auch noch einen Frittenstand. Die Pommes kosteten 3,20 Euro, die Spezial-Version mit Ketchup, Mayo und Röstzwiebeln 3,50 Euro. Sprich die günstigste Speise war tatsächlich vegan. An Hoffenheim sollte sich, was das Catering angeht, die Liga ein Beispiel nehmen. Dass es, wie in Augsburg, in dieser Saison plötzlich auch noch Bier gibt – natürlich im Pfandbecher – rundete diesen Champions League-reifen Auftritt der Kraichgauer ab.

05 Käfighaltung

Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Warum wir Menschen trotzdem immer wieder in diese Falle tappen, weiß ich auch nicht. In dieser Saison wurde bereits zum zweiten Mal ein Motto ausgegeben. Nach „Alle in Rot nach Bochum“ diesmal „Heimspiel in Hoffenheim“. Diese Mottos wurden nicht etwa von der aktiven Fanszene initiiert. Auch über die Fanabteilung oder die Supporters wurde das nicht verkündet, sondern über die abteilungsübergreifenden Kanäle des Vereins. Ich komme mir seit Beginn der Saison in eine Zeit versetzt, als Mainz 05 noch am Bruchweg in der 2. Liga spielte. Mag sein, dass das auch ein wenig an dem Buch liegt, was ich gerade lese. Schließlich drehen sich bei der Biographie von Mara Pfeiffer über Wolfgang Frank einige Kapitel um seine Zeiten am Bruchweg. Vielleicht liegt es auch ein wenig am „Es war einmal“ Fanzine, das die deutsche Amateurmeisterschaft vor 40 Jahren thematisiert. Aber am ehesten glaube ich, dass es immer noch am Handwerkszeug für Auswärtsfahren liegt, das aus den 1990ern stammt und seither nicht mehr verändert wurde.

Nun ist gegen subventionierte Tickets in diesen Zeiten, in denen viele nicht wissen, ob sie sich das Hobby Fußball im Stadion gucken, dauerhaft noch leisten können, sicherlich nichts einzuweden, obwohl der Verein auch in der Pandemie finanziell Federn lassen musste. Dies allerdings zu einem Zeitpunkt in der Saison zu machen, in der es quasi noch „um nichts geht“ und zu einem Auswärtsspiel, das wie oben erwähnt fast gratis zu erreichen ist, ist schon fraglich. Einem Club die Geldschatulle zu füllen, den viele Fans aufgrund des „atypsich stillen Gesellschafters“, so wird der Mäzen in den Bilanzen der DFL genannt, kritisch gegenüberstehen, macht die Sache auch nicht besser. Dass das alles mit der heißen Nadel gestrickt wurde, erkennt man unschwer daran, dass der Vorverkauf zwischenzeitlich gestoppt wurde und nun die Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle denjenigen, die bereits Karten erworben hatten, Teile des Preises der Eintrittskarte zurückerstatten müssen. Warum diese Schnellschüsse, warum die Hektik in einer Situation, in der es sportlich gut läuft?

Fans mit Schals und Fahnen und Manschaft in einem Stadion stehen sich gegenüber.
Voller Gästeblock und volle Unterstützung für die rot-weißen Jungs

Und wie kommt man als Mainz 05 auf die Schnappsidee ein Heimspiel in Hoffenheim auszurufen? Das Stadion bietet Platz für mehr als 30000 Zuschauende. Gut, die letzten Spiele waren nicht ausverkauft, aber es kamen doch deutlich mehr als 10000 Leute ins Stadion. 11000 Auswärtsfahrende waren wir mal beim DFB-Pokal-Halbfinale in Düsseldorf 2009 gegen Leverkusen. Also ist es schon mal Quatsch, mehr Nullfünfer*innen ins Stadion zu bringen als die Heimseite. Selbst wenn 4000 Mitgereiste lauter sind als 16000 Kraichgauer*innen, emfand ich das Motto der Auswärtsfahrt respektlos, zumal wir auch unser Stadion nicht voll bekommen. Den Zusammenhang aus Glashaus und Steinen sollte auch Mainz 05 kennen. Im Leitbild von Mainz 05 steht „Wir stehen für Offenheit, Respekt und Mitmenschlichkeit“. Das was von offizieller Seite vor dem Spiel in Sinsheim abgeliefert wurde, ist leider teilweise das Gegenteil. Allerdings wurde die Entstehung des Leitbilds von Verantwortlichen begleitet, die nicht mehr im Verein arbeiten. Und gleichzeitig gibt es zumindest einen Verantwortlichen, der zum Zeitpunkt der Erstellung gar nicht im Verein tätig war. Vielleicht ist das der Grund, warum das Leitbild nicht gelebt wird. Schließlich gab es in den 90ern auch kein Leitbild und noch nicht mal eine lebendige Fanszene, von Supporters und Fanbabteilung ganz zu schweigen. Dass mittlerweile viel Wasser (wenn auch aktuell eher weniger) den Rhein heruntergeflossen ist, wird anscheinend bei den Verantwortlichen verkannt und Alleingänge werden weiterhin als Macherqualität dargestellt. Was damals mangels organisierten Fans notwendig war, um dem Verein Leben einzuhauchen, wirkt heute aus der Zeit gefallen und kontraproduktiv.

Vielmehr heißt es von den Verantwortlichen, dass der sportliche Aspekt bei Mainz 05 Priorität hat. Alles andere ist nebensächlich. Das durften wir alle spätestens beim Testspiel gegen Newcastle brav verinnerlichen. Selbst wenn man dieser Philosophie uneingeschränkt folgt, hat sich der Verein mit seiner Heimspiel-Fantasie ein Eigentor geschossen. Als Mannschaft braucht man immer einen Motivationsfaktor. Man braucht kein Welttrainer zu sein, um zu erkennen, was für eine tolle Steilvorlage das für André Breitenreiter und seine Hoffis war. Sprich die Verantwortlichen von Mainz 05 haben den Gegner mit ihrer Idee zusätzlich motiviert und gleichzeitig Bos Team damit geschwächt. Hoffentlich hat wenigstens diese Erkenntnis spätestens dann eingesetzt, als in den Sozialen Netzwerken die Admins von Hoffenheim vom Auswärtssieg am Samstagabend sprachen….

Bei aller Kritik sei wenigstens die Transparenz erwähnt, die es bei Mainz 05 mittlerweile teilweise gibt. Das T-Shirt, das extra für die Auswärtsfahrt aufgelegt wurde, wurde zwar allenthalben beworben. Es fehlten allerdings Produktinformationen zu Material, Herstellung, Druck und Zertifikaten. All dies wurde auf Nachfrage bei Twitter nachgereicht und zeigt, dass es eben doch gehen kann bei Mainz 05 – respektvoll miteinander umzugehen und die im Leitbild genannte Offenheit zu leben.  Vielleicht sollten das auch die Verantworlichen mal lernen und beim Gegner damit anfangen. Und sei es nur aus Eigeninteresse, um ihm keine zusätzliche Motivation zu liefern, wenn nur das Sportliche zählt.

Fazit: Der Jahrgang 2022/2023 zeigt, dass früher nicht alles besser war.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour

Spätlese Gladbach Saison 2022/2023

Auswärts fahren bietet in unserem komplett verplanten Alltag eine Möglichkeit, Unplanmäßiges geschehen zu lassen, überraschend positive Erlebnisse zu sammeln oder auch negative Erfahrungen zu machen. An dieser Stelle berichte ich über meine rein subjektiven Eindrücke rund um die jeweilige Auswärtsfahrt, jeweils mit ein wenig Abstand betrachtet – eine Spätlese eben!

01 Hin und weg:

Die erste Auswärtsfahrt nach dem Ende des „9-Euro-Tickets“ brachte mal wieder ein paar Überraschungen auf der Schiene mit sich. Da es letzte Saison auswärts in Gladbach mit dem Klapprad so gut geklappt hat, ging es mit diesem wieder in den ICE hinein. Wie die treuen Leser*innen der Spätlese sicherlich bereits bemerkt haben, fahre ich relativ häufig Bahn. Bei einem Umsatz von mehr als 2000 Euro pro Jahr erhält man bei der Bahn einen besonderen Status. Dieser hieß bis vor Kurzem „BahnComfort“. In jedem ICE und IC sind Plätze für Leute mit diesem Status reserviert. Vor der Abfahrt des Zuges kann man sich in der App bereits anzeigen lassen, in welchem Bereich des Gleises der Wagen mit den „BahnComfort“-Plätzen zu finden ist – für die 1. und die 2. Klasse. Diesmal gab es allerdings nur „BahnComfort“-Plätze in der 1. Klasse. Die in der 2. Klasse sind normalerweise in der Nähe des Bordrestaurants – aber diesmal war der Bereich der Futterkrippe gemäß „Wagenstandsanzeiger“ in der App der 1. Klasse vorbehalten. Sehr komisch – aber das machte mich natürlich neugierig. Mit dem Klapprad ging es in den Wagen, der unmittelbar vor dem Bordrestaurant angehhängt war. Zu meiner großen Überraschung war das Schild für die 1. Klasse mit einem handschriftlich ausgefüllten Zettel überklebt: 2. – heißt der Wagen war als für das Fußvolk der 2. Klasse bestimmt und mit BahnComfort-Sitzen ausgestattet. Der große Vorteil dieses Waggons bestand darin, das Klapprad genau hinter der Sitzreihe abstellen zu können, bei dem die Sitzplatzrichtung dreht, also in der Mitte des Waggons. Dort ist ein Zwischenraum, der meist ungenutzt bleibt und damit auch in vollen Zügen, wie diesem die Möglichkeit bietet, das Klapprad in Sichtweite abzustellen. Die Sitzplatzkonfiguration 1 – 2 hat vorallem für Freunde der Armlehne Vorteile. Gerade beim Doppelsitz gibt es kein Konfliktpotenzial, da es tatsächlich zwei Armlehnen gibt, allerdings nur eine Steckdose wie in der Holzklasse… Und diese BahnComfort-Sitze dürfen natürlich auch von „gewöhnlichen“ Zugreisenden genutzt werden, so lange kein BahnComfort-Kunde auftaucht.

In Köln schnell den Zug gewechselt und in die leere Regionalbahn nach Mönchengladbach eingestiegen. Im Bereich für Fahrräder, Kinderwagen und Rollstuhlfahrende war nach dem Ende der 9-Euro-Ticket-Zeit wieder Platz zum Atmen. So machte ich es mir mit dem Klapprad auf den Klappstühlen bequem und plötzlich plumpste etwas auf den Boden. Vor mir lag ein Handy, welches weder mir noch den wenigen Mitreisenden gehörte. Als das Handy plötzlich einen eingehenden Anruf anzeigte, war die Situation klar. Ich nahm ab und jemand, der gebrochen Deutsch sprach, erklärte mir er sei in Bonn. Ich beruhigte ihn und sagte, ich würde das Handy in Mönchengladbach abgeben. Den Rest der Bahnfahrt recherchierte ich, was man mit Fundsachen bei der Bahn macht – speziell in Mönchengladbach.

Zusammengeklapptes Klapprad zwischen zwei Sitzen im ICE
Perfektes Einparken des Klapprads zwischen zwei Sitzen im ICE der Deutschen Bahn

Aus vorherigen Fahrten weiß ich, dass dieser so genannte „Hauptbahnhof“ alles ist, nur kein Bahnhof einer Großstadt. Einen Info-Point der Bahn gibt es nicht, Ein Reisezentrum gibt es nicht. Ein DB-Fundbüro gibt es nicht. Der DB-Service Store hat nur Montag bis Freitag auf und DB-Mitarbeitende gibt es schon mal gar nicht – natürlich auch nicht im Zugabteil. Leider rief der Eigentümer des Handys nicht noch mal an, denn eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich an einem der eben genannten Punkte, Leute der DB würde treffen können. Dank Google Maps fand ich um die Ecke des Bahnhofs die Bundespolizei, die das Handy auch in Empfang nahm. Anzunehmen, dass der Eigentümer nochmal anrief, nachdem er ebenfalls keine DB-Leute im Hauptbahnhof angetroffen hatte.

Borussia Mönchengladbach-Mural an einer Straße. Dahinter ein Backsteinhaus.
Ankunft in Mönchengladbach

02 (N)immer nuff:

Statt wie letzte Saison in Rheydt auszusteigen, war es nach dem Handy-Fund klar, bis nach Mönchengladbach Hauptbahnhof durchzufahren. Die Radtour von dort zum Stadion ist zwar nicht ganz so attraktiv wie von Rheydt aus, wo es an Feldern und Wiesen entlanggeht. Aber die von Straßen und Fußgängerwegen abgetrennten Radwege waren schon sehr angenehm zu fahren – vorallem am Megastau vorbei raus zum Borussia-Park. Wäre auch mal schön, wenn in Mainz am Rheinufer so eine Trennung zwischen Fußgänger*innen und Radfahrenden möglich gemacht werden würde.

Fahrradparkplatz vor einem Fußballstadion
Blocknaher Radparkplatz – näher geht nicht mehr

03 Kon-Trolle

Fahrten nach Gladbach sind eigentlich immer angenehm – auch weil es, wie in Augsburg, direkt am Gästeblock eine Abgabestelle für Sachen gibt, die nicht mit ins Stadion dürfen, wie z.B. Powerbanks. Da ich deswegen eh geplant hatte, meinen Beutel abzugeben, steckte ich noch die Fahrradbeleuchtung rein (die mir in Mainz ja immer eh abgenommen wird) und eine Faltflasche mit Wasser. Sich das Leitungswasser in Mainz abzufüllen, mit zum Stadion zu nehmen und Teile davon für die Rückfahrt aufzuheben, ist halt wesentlich nachhaltiger als unterwegs kleine Einwegflaschen mit Mineralwasser zu kaufen. Daher ist es tatsächlich einfach eine gute Idee, Fans die Möglichkeit zu geben, Sachen am Block abzugeben. Das sollte meiner Meinung nach Pflicht für den Heimverein sein, dies Gästefans zu ermöglichen.

Spruchband "Gegen weitere digitale Datenspeicherung durch E-Tickets" das in einem Stadion mit vollbesetzter Tribüne hochgehalten wird.
Bei diesem Spiel mussten wieder Personendaten angegeben werden.

04 Kampf um den Mampf

Gladbach bekommt es hin! Also die günstigste Speise als vegetarische Variante anzubieten. Die Pommes mit 2,80 € waren wirklich preiswert. Die Frikadelle kostete 3 €. Warum das im Stadion am Europakreisel wegen mir mit Brezel und Fleischkäsebrötchen so nicht hinzubekommen ist, weiß wahrscheinlich niemand, weil man sich über solches Gedöns keine Gedanken macht. Allerdings machte man sich auch in Gladbach wohl nicht so viele Gedanken, was den Müll angeht. Leider gab es wieder nur Einegbecher und den entsprechenden Müllberg. Dass da Mainz 05 Ende der letzten Saison endlich wieder aufgewacht ist und dank der Fanabteilung jetzt in jeder Halbserie ein anderes karitatives Projekt ausgesucht wird, das mit einer Becherspende bedacht wird, zeigt, wie wichtig die Fanabteilung bei uns im Verein ist – sitzen da doch Menschen, die sich auch über Gedöns Gedanken machen.

Zum Anpfiff in Gladbach…

05 Käfighaltung

„Willst Du Mainzer Tore seh’n, musst Du in die Ferne geh!“. Dass das am Sonntag trotzdem nur 800 Nasen gewusst haben, ist ein Umstand, den ich bei Mainz 05 nie verstehen werde. Ob es an der fehlenden Weinschorle im Block lag und/oder dass endlich wieder Weinmarkt war? Oder war es das personalisierte Gästeticket, das hier notwendig war und auf das sich ein Spruchband der Gladbacher-Szene bezog „Gegen weitere digitale Datenspeicherung durch E-Tickets“. Auf jeden Fall war die Käfighaltung ideal, denn die beiden Highlights des Spiels aka Monstergrätsche und Traumtor spielten sich direkt vor dem Gästeblock ab – mit jeweils anschließender rot-weißer Eskalation.   

Zum Abpfiff in Gladbach…

Fazit: Der Jahrgang 2022/2023 zeigt, dass Gladbach einfach eine der angenehmsten Auswärtsfahrten ist – vorallem wenn kein Heimtor fällt döp, döp, döp.

Rot-weiße Grüße,

Christoph – Meenzer on Tour